Protocol of the Session on September 3, 2009

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen dann zur Abstimmung.

Wer möchte den gemeinsamen Antrag der CDUund GAL-Fraktion aus der Drucksache 19/3872 beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist bei wenigen Enthaltungen einstimmig so angenommen.

Ich rufe den Punkt 32 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/3440, Senatsmitteilung: Krankenhausinvestitionsmittel – Achter Bericht –.

[Senatsmitteilung: Krankenhausinvestitionsmittel – Achter Bericht – – Drs 19/3440 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz überweisen. Die Fraktionen sind einvernehmlich übereingekommen, auf eine Debatte zu verzichten, sodass wir zur Abstimmung kommen.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/3440 an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache Kenntnis genommen hat.

Ich rufe den Punkt 79 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/3551, Antrag der SPD-Fraktion: Mit der Frauenquote an die Spitze: Gremienbesetzung und Geschlechtergerechtigkeit!

[Antrag der Fraktion der SPD: Mit der Frauenquote an die Spitze: Gremienbesetzung und Geschlechtergerechtigkeit! – Drs 19/3551 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Rechtsausschuss und mitberatend an den Sozialund Gleichstellungsausschuss überweisen.

Meine Damen und Herren! Bevor ich Frau Dobusch das Wort erteile, darf ich Sie bitten, ein bisschen mehr Ruhe zu bewahren. Die Diskussion findet hier vorne statt und nicht in den hinteren Rängen.

Frau Dobusch, Sie haben das Wort.

(Martina Gregersen)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frauen in Führungspositionen ist heute mein Thema. Wie sieht die aktuelle Lage aus? Um es auf den Punkt zu bringen, die Lage ist bescheiden oder anders formuliert, sie ist gleichbleibend schlecht. Jeder zehnte Mann, aber nur jede 25. Frau arbeitet in der obersten Führungsebene der Wirtschaft oder anders ausgedrückt: Nur jede vierte Führungskraft ist hierzulande eine Frau. Deutschland liegt damit, wie so häufig, wenn es um das Thema Gleichstellung beziehungsweise um Frauen und Arbeit geht, im europäischen Vergleich im unteren Drittel.

In Hamburg stehen wir übrigens minimal besser da. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Hamburger Privatwirtschaft liegt nach den Definitionen des Statistikamtes bei 28,9 Prozent.

(Glocke)

Frau Kollegin, entschuldigen Sie bitte.

Meine Damen und Herren! Das war wie immer ein ernst gemeinter Hinweis und eine ernst gemeinte Bitte. Ich darf Sie herzlich bitten, Nebengespräche draußen zu führen und nicht hier im Saal.

Sie haben das Wort, bitte.

Meine Damen und Herren! Diese Zahlen sind deprimierend und werfen kein besonders gutes Licht auf die deutsche Wirtschaft, ihre Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit. Aber auch der Senat als öffentlicher Großunternehmer steht nicht besonders gut da, was sofort deutlich wird, wenn wir zum Beispiel die Führungspositionen in der Hamburger Verwaltung einmal etwas genauer betrachten. Von 44 Abteilungsleitungen in den Behörden waren im November 2008 nur fünf mit Frauen besetzt. Das ist ein sagenhaft niedriger Anteil von gerade einmal 11,4 Prozent Frauen. Bei der Besetzung von Aufsichtsratsplätzen oder Beiräten von stadteigenen oder anteilig sich im städtischen Besitz befindenden Firmen und Gesellschaften hat es der Senat mit Stand vom 31. Dezember 2007 auf einen Frauenanteil von 19 Prozent gebracht. Das kann es doch nicht sein. Das geht auch nicht mehr als Kavaliersdelikt durch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN und bei Christiane Blömeke GAL)

Lassen Sie mich noch einmal auf die Privatwirtschaft zurückkommen. Der Anteil an Frauen in den Aufsichts- und Verwaltungsräten der 200 größten Unternehmen liegt bei gerade einmal 10 Prozent. Ohne die Gewerkschaften übrigens sähe es in den Aufsichtsräten sogar noch viel trüber aus. Nur zwei Aufsichtsräte der 200 größten Unternehmen werden von Frauen geleitet. Dort sind übrigens die Frauen auch gleichzeitig die Kapitaleignerinnen

von Familienunternehmen, nur so kommt dies zustande.

Auch in den Vorständen der 200 deutschen Topunternehmen sind gerade einmal 2,5 Prozent Frauen vertreten. Woran liegt das? An den Qualifikationen, meine verehrten Abgeordneten, liegt es jedenfalls nicht. Sie alle wissen, dass wir Frauen, seit Jahren übrigens, über die besseren Bildungsabschlüsse verfügen. Wir haben uns hier mehrfach darüber unterhalten, dass wir uns Gedanken über gezielte Jungenförderung machen müssen, eben weil sie seit Jahren eklatant hinterherhinken. Also noch einmal, Qualität kann es nicht gewesen sein.

Wie kommt es also zu dieser massiven Diskriminierung der Frauen in den oberen Etagen, zu dieser allgemein bekannten gläsernen Decke? Untersuchungen zeigen, dass die Gründe eher in der Art und Weise liegen, wie Männer von Männern in solche Positionen gehievt, berufen, oder sollte ich sagen, rekrutiert werden? Der gängige Begriff dafür in der Wissenschaft ist übrigens, er hat mir ausgesprochen gut gefallen, homosoziale Reproduktion. Klingt gut, nicht wahr? Ich weiß nicht genau, wer sich das ausgedacht hat, der Begriff schwirrt schon seit den Siebzigerjahren durch die Literatur. Angesichts der sonst üblichen Massenflucht bei solchen Genderthemen auch hier in der Bürgerschaft lohnt es sich übrigens durchaus, sich solche Studien einmal zu Gemüte zu führen; zum Schmunzeln. Da geht es immer um Männerbünde, Männerriten und eben solch typisches Ausweichverhalten wie das Verlassen des Saals, wenn so etwas Komisches zur Sprache kommt.

Aber noch einmal zurück zu dem Begriff homosoziale Reproduktion. Damit ist das Phänomen gemeint, dass führende Männer von zukünftigen Kollegen oder Nachfolgern vor allen Dingen eines erwarten, nämlich, dass sie genauso sind wie sie selbst. Nun unterscheiden wir Frauen uns per se da schon ein bisschen. Vielleicht noch als kleiner Zusatz: Die Männer, die da berufen werden, sollten nicht ganz genauso sein. Sie sollten schon ein bisschen unerfahrener und ein bisschen weniger intelligent sein. Also ganz so kompetitiv soll es dann doch wiederum nicht zugehen.

Das beste Beispiel für das, was ich hier beschreibe, ist für mich aktuell die Welt der Banken. Während die einen unverdrossen so weitermachen wie bisher, immer noch einmal die gleichen günstigen Konditionen heraushandeln oder auch heraushandeln lassen, je nachdem, von welcher Warte aus man das betrachtet, egal wie tief der Karren eigentlich schon im Dreck steckt, halten andere – ich hatte das Vergnügen, mit einem Topvertreter der Deutschen Bank darüber zu sprechen – schon wehleidige Reden, dass sie seit Jahren alles versuchten, um Frauen zu bekommen – tatsächlich, es ist unglaublich – und intern auch schon entsprechende Vorgaben gemacht hätten. Die Deutsche

Bank denkt, dass sie es bis 2020 schaffen könnte, auf 15 Prozent Frauenanteil in bestimmten Bereichen zu kommen. Das ist Wahnsinn. Aber es sei so, klagte er mir, dass die Frauen einfach nicht mitspielen würden. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns ihm helfen. Lassen Sie uns der Wirtschaft bitte bei Seite springen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Es muss sich alles, zumindest aus der Sicht meiner Fraktion, ganz entscheidend ändern und das liegt auch im Interesse unserer Wirtschaft. Da muss ein frischer Wind rein, und zwar nicht 2050, wie manche vielleicht meinen, sondern jetzt. Meine Fraktion hat deshalb einen Antrag vorgelegt, in dem wir zweierlei fordern.

Erstens: Dort, wo die Stadt Hamburg selbst Einfluss auf die Zusammensetzung von Führungsgremien nehmen kann beziehungsweise bei Unternehmen im Eigentum der Stadt soll sie gesetzlich durch das Hamburger Gleichstellungsgesetz verpflichtet werden, für eine geschlechterparitätische Besetzung zu sorgen.

Zweitens: Um bei der Gleichstellung von Frauen und Männern in den Führungsetagen der Wirtschaft endlich voranzukommen, brauchen wir verbindliche Regelungen, gesetzliche Regelungen nach dem norwegischen Vorbild. Wir haben seit 2001 ganz wunderbare Erfahrungen mit einer freiwilligen Vereinbarung gemacht. Übrigens ist das Urteil über den Erfolg dieser freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft nach acht Jahren ganz einheitlich und einmütig ausgefallen. Da haben sich auch die Vertreterinnen Ihrer Partei überhaupt nicht ausgeschlossen. Das Urteil ist vernichtend, sie ist gescheitert, und zwar auf der ganzen Linie.

Wir sind der Meinung, dass es jetzt wirklich an der Zeit ist, die Gangart zu verschärfen. Wir fordern ein gesetzliches Vorgehen, das in Norwegen den gewünschten Erfolg gebracht hat. Nach einer Übergangszeit mit einem Stichtag am Ende drohen den privaten Unternehmen ernst zu nehmende Sanktionen, wenn die Quote von mindestens 40 Prozent Frauen – das ist das, was wir uns wünschen – in den Aufsichtsratsgremien nicht erfüllt wird.

(Beifall bei der SPD)

Das geschieht übrigens nicht Knall auf Fall. Bei ordentlicher Planung kann man damit gut umgehen. Es bleibt nämlich genug Zeit, sich darauf vorzubereiten. Aber die Verbindlichkeit ist es dann eben, das brauchen wir.

Ich zitiere hier übrigens auch gerne noch einmal aus unserer Hamburger Verfassung, nicht die Teile, die ich sonst immer parat habe, sondern weiter in Artikel 3:

"Insbesondere wirkt sie …"

gemeint ist die Staatsgewalt –

"… darauf hin, dass Frauen und Männer in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschlussund Beratungsorganen gleichberechtigt vertreten sind."

Das sind sie bisher auch noch nicht. Ich fordere dementsprechend alle auf, dem Quasiausschluss der Frauen vom Zugang zu den höheren Sphären der Macht ein Ende zu bereiten, und ich fordere Sie auf, mit uns gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass aus den Old-Boys-Netzwerken, wie sie so verniedlichend genannt werden, dann vielleicht einmal Golden-Girls-and-Boys-Netzwerke gemacht werden.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Auch wenn es mir eigentlich gegen den Strich geht, mache ich doch noch eine Bemerkung zum Thema Qualität, das von den Herren der Schöpfung immer wieder gerne angeführt wird. Ich zitiere eine allseits bekannte Hamburgerin, völlig unverdächtig bestimmter Tendenzen, nämlich Heidi Kabel. Sie hat es nett ausgedrückt:

"Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist."

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL und der LINKEN)

Wenn ich mir zum Beispiel die HSH-Krise ansehe, dann ist das Männern in der Vergangenheit gleich reihenweise gelungen. Wir könnten die Lage also nur noch verbessern.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wie ich höre, wollten zumindest vor meiner Rede die Koalitionsfraktionen unseren Antrag zur Beratung überweisen. Das wäre gut und würde mich natürlich freuen, denn wir brauchen unserer Auffassung nach verbindlich frischen Wind in den Führungsetagen der Wirtschaft und in der Hamburger Gleichstellungspolitik gleich dazu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL und der LINKEN)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Frau Koop.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Dobusch, es ist klar, was Sie an Fakten und Analysen gebracht haben, lässt sich nicht wegleugnen. Das ist so und das will ich auch gar nicht beschönigen. Aber ich möchte einmal erwähnen, dass wir seit 30 Jahren bei dem Thema sind und eine Menge erreicht haben. Wir haben das Grundgesetz ergänzt, ein Gleichstellungsgesetz erarbeitet, wir haben Frauenministerien und eine Gleichstellungsstelle, wir haben Frau