Protocol of the Session on September 2, 2009

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es war zu erwarten, dass Sie das Thema angemeldet haben, um Ihre zu erwartende Jubelrede auf den angeblichen Kulturtourismus zu halten.

(Jörn Frommann CDU: Dass Sie nörgeln!)

Ich will Ihnen deutlich sagen, Herr Kollege Frommann, es ist auch für uns kein Problem – und so haben wir es zu Recht im Vorwort auf unsere Große Anfrage zur Kulturwirtschaft geschrieben –, uns darüber zu freuen, dass Hamburgs Tourismuswirtschaft

(Jörn Frommann CDU: Sagen Sie es doch mal und fangen Sie nicht an zu nörgeln! – Zurufe von der CDU)

heute noch genauso anhaltend erfolgreich ist, wie es früher auch schon der Fall war. Besonders erfreulich ist doch – und das dürfte alle in diesem Hause freuen –, dass der Tourismus in Hamburg zumindest bisher gegen die allgemeine Wirtschaftskrise einigermaßen widerstandsfähig zu sein scheint. Dieses gelingt zum Beispiel, Herr Wankum, weil bei den Ausgangszahlen für Hamburg das noch relativ niedrige Niveau von 2002 zugrunde gelegt wurde. Dann ist es kein Wunder,

wenn ich zu solch exorbitanten, aber natürlich erfreulichen Steigerungszahlen komme.

Wir wissen doch alle, wie damals schon die Bolschewisten ihre hundertprozentige Steigerung beim Eisenbahnbau entsprechend darstellen konnten. Vorher war es eine Lok, dann hatten sie zwei geschafft, also 100 Prozent Steigerung. So macht man das letztendlich und so kann ich doch jede Statistik darlegen. Deswegen, Herr Hamann, für Sie und Ihren Kollegen der entsprechende Hinweis: Vorsicht bei solchen Zahlen. Bei genauerem Hinsehen nämlich – es geht doch eigentlich um das Thema Kulturtourismus – bieten die Daten und Antworten aus Ihrer Großen Anfrage viel mehr Anlass zu einer nüchternen Analyse als zu Ihrer vorschnellen Jubelinszenierung, Herr Wankum. Diese Analyse werden wir hoffentlich im Kulturausschuss zusammen vornehmen und das dann auch auf Grundlage unserer Tourismusanfrage, deren Beantwortung noch viel aussagekräftigere Daten erbringen wird als die jetzt vorliegenden.

(Bernd Capeletti CDU: Das ist doch aussa- gekräftig!)

Denn diese Aussagen offenbaren jetzt schon, wie dünn die Hochglanzschicht auf der Oberfläche ist und wie trist die Substanz darunter und vor allem, wie wenig Ihre Kulturpolitik, Frau Senatorin, mit diesem Erfolg im Tourismusgeschäft zu tun hat. Während zwar die Tagesreisen und die Übernachtungen zunehmen, also zusammengefasst der Bereich Sightseeing, stagnieren doch, das zeigt gerade die Große Anfrage deutlich, die Besucherzahlen in öffentlich geförderten Kultureinrichtungen seit Jahren. Hamburgs Theater und Musikbühnen gehören natürlich ohne Zweifel für jeden hier im Hause seit Jahrzehnten zu den führenden Deutschlands, doch touristische Zuwächse müssten Sie einmal konkret belegen, Herr Wankum. Um touristische Zuwächse zu erzielen, reicht es doch nicht, die Privattheater entsprechend zu fördern und zu sagen, dass sei jetzt Teil der Kulturpolitik und deswegen kämen mehr Leute in die Stadt, weil zum Beispiel das Imperial Theater auf der Reeperbahn mehr kulturelle Förderung bekommt.

Aber wir wissen, Sie haben es selbst in Ihrem Beitrag dargestellt, dass die Rettung für den Kulturtourismus in Form der Elbphilharmonie naht, die ihre Baukosten in wenigen hundert Jahren wieder einspielen will. So sieht es doch konkret aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dann erwähnt der Senat in der Antwort auf Ihre Große Anfrage auch noch das Planetarium als wichtige Attraktion. Das Dumme ist nur, dass gerade Sie und Ihre Fraktion hier drüben dafür gesorgt haben, dass dieses Planetarium auf seinem erfolgreichen Weg gebremst wird, dass nämlich der nötige Ausbau, der wichtig wäre, um noch höhere Be

(Andreas C. Wankum)

sucherzahlen gerade auch aus dem Umland generieren zu können, kräftig und unnötig verzögert wird, indem Sie unseren kostenneutralen Finanzierungsvorschlag für den notwendigen Ausbau abgelehnt haben. So sieht Ihre Kulturpolitik gerade in dem Bereich, wo man entsprechende Zuwachszahlen generieren könnte, konkret aus, wenn man einmal unter die Hochglanzschicht guckt und nachfasst, wie sich die Situation denn wirklich darstellt.

Worauf ruht dann, Herr Wankum, abgesehen von der Elbphilharmonie, die Hoffnung des Senats, dass Hamburg als Kulturmetropole noch attraktiver werden wird? Die Antwort darauf würden Sie am liebsten wohl still und leise zurückziehen, denn die Antwort haben Sie in Ihrer Großen Anfrage kaum gefunden. Sie ruht nämlich einzig und allein auf Hamburgs lebendiger Musik- und Clubszene, so die Aussage des Senats in dieser Anfrage. Auch die aktuellen Ankündigungen der Hamburg Tourismus GmbH Ende August zu ihrer Strategie der nächsten Jahre sagen das Gleiche. Das einzige Wachstumsfeld wird zurzeit darin gesehen, Hamburg für junge Leute als Party- und Shoppingmetropole auszubauen, was wir aber seit fünf, sechs Jahren haben und was sich alleine, ohne weiteres Zutun gerade dieser Behörde, generiert hat.

Bis vor wenigen Tagen schien es auch äußerst praktisch, man musste nichts dafür tun. Wir hatten im Karolinenviertel die trendigen Design- und Klamottenläden, von denen wir inzwischen wissen, dass es davon schon Dependancen selbst in Saarbrücken gibt, also gar nichts Besonderes mehr ist. Wir hatten die sogenannten angesagten Clubs und dann erleben wir, wie der Senat reagiert, wenn drei dieser angesagten Clubs kurz vor dem Aus stehen: Waagenbau, Fundbureau und so weiter. Entsprechend droht Hamburgs innovativstem Jazzclub in Harburg, buchstäblich bei der Bahn unter die Räder zu kommen, weil sie die Mietverhandlungen nicht so hinbekommen können, wie sie es bei der Umstellung auf eine neue Geschäftsstruktur bezahlen könnten. Auf Nachfrage bei der Kulturbehörde kommt dann bloß der Kommentar: Clubförderung gibt es nicht, machen wir nicht.

Auf der einen Seite sagen Sie, wir machen Kulturtourismus und wir wollen moderne Events, Shopping und Partys fördern, wir wollen die angesagten Clubs weiter in den Fokus rücken, aber auf der anderen Seite wollen Sie nichts dafür tun und überlassen dann diese Clubs im Falle eines Falle, ob es nun in der Schanze ist oder in Harburg, sich selbst. So sieht die Realität unter der Oberfläche Ihrer Jubelgeschichte nämlich aus.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Auf Dauer kann man eben ohne eine aktive und offene Kulturpolitik nicht auskommen, Herr Wankum, und zwar eine solche Kulturpolitik, die nicht nur eng auf große Mainstream-Kommerz-Projekte aus

gerichtet ist. Das ist so ähnlich wie vorhin bei der Sportstadt. Sie haben die vernichtende Kritik von Daniel Richter an der Ausrichtung der Kulturpolitik hinsichtlich dieser Geschichte im Gängeviertel jetzt schwarz auf weiß bekommen. Das war vorhin auch schon Thema und ist bezeichnend für das Schlaglicht, das national auf die Kulturpolitik geworfen wird.

Lassen Sie im Rahmen der Beratungen, die wir hoffentlich haben werden, die Jubelei, lassen Sie uns das tun, worauf es wirklich ankommt, nämlich im Interesse der Hamburger Tourismuswirtschaft und ihren vielen Beschäftigten eine nüchterne Analyse der Potenziale und Probleme und eine Entwicklung der nachhaltigen Strategien zu liefern. Wir werden im Ausschuss gerne mit Ihnen darüber diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Das Wort hat Frau Dr. Gümbel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Buss, wenn Sie denn eine nüchterne Analyse fordern, hält Sie niemand davon ab, sie vorzulegen. Sie hätten in Ihrer Rede Zeit genug gehabt. Was ich gehört habe, waren konfuse, wüste Beschimpfungen. Aber nun lassen Sie uns hier zur Sache kommen.

Wir haben eben schon über Hamburg gesprochen. Hamburg ist schön, Hamburg ist kulturell attraktiv und derzeit auch sportlich – zumindest was den Fußball angeht, herrscht darüber im Hause Einigkeit – herausragend.

Hamburgs Attraktivität lässt sich aber auch an den Besuchs- und Übernachtungszahlen ablesen. Wir haben gehört, dass immer mehr Menschen als Touristen in die Stadt kommen, um Theater, Musicals, Galerien und Museen zu besuchen oder einfach die Schönheit von Elbe und Alster zu genießen. Trotz der Krise boomt der Tourismus in Hamburg. Die Zahl der Übernachtungen – Herr Wankum hat das vorhin schon ausgeführt – wuchs in der Zeit von 2001 bis 2008 um 62 Prozent und im Jahr 2008 hatten wir 7,7 Millionen Übernachtungen in Hamburg. Auch in diesem Jahr gehen die ersten Zahlen von einer leichten Steigerung aus. Ein wesentlicher Grund für die positiven Daten ist die hervorragende Stellung Hamburgs im Inlandstourismus. Das ist ein Pluspunkt in Zeiten wie diesen. In schweren Zeiten sparen die Leute eher bei ihren Fernreisen, als dass sie auf eine Inlandsreise verzichten.

Der anhaltende Trend zum Städte- und Kulturtourismus trägt auch dazu bei, dass Hamburg im nationalen Vergleich gut dasteht. Der Bau der Elbphilharmonie sowie die Entwicklung in der Hafenci

(Wilfried Buss)

ty werden noch mehr Kultur- und Architekturinteressierte nach Hamburg ziehen.

Der Tourismus ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. In Hamburg arbeiten rund 100 000 Menschen in der Tourismusbranche. Im Schnitt besuchen täglich 350 000 Touristen die Stadt. Sie sorgen für einen Tagesumsatz von 17,2 Millionen Euro. Es ist erfreulich, dass dieser Trend trotz Krise anhält; ich glaube, da sind wir uns alle einig.

Die Anfrage der CDU hat auch zutage gebracht, wie groß die Zahl der Menschen ist, die wegen der kulturellen Angebote nach Hamburg kommen. Herr Buss, ich glaube, auch diesen Teil der Anfrage haben Sie gewiss gelesen.

25 Prozent der Reisen finden als ausgewiesene Kulturreisen statt, dazu kommen noch einmal fast 70 Prozent Städtereisen. Wenn man nun die Reisenden fragt, und das ist in der Anfrage geschehen, weshalb sie eine Städtereise unternommen haben, dann nennen sie an zweiter Stelle das kulturelle Angebot. Das macht eben auch noch einmal deutlich: Jeder Euro, der in die Kultur investiert wird, lässt die Anziehungskraft, die Hamburg auf Inlandstouristen ausübt, wachsen. Man könnte also sagen, dass jeder Euro, der in die Kultur investiert wird, zweimal wirkt.

Wichtig ist außerdem, dass die an Kultur interessierten Städtetouristen nicht nur auf eine Kultursparte festgelegt sind, sondern ein breit gefächertes Interesse an den vielfältigsten Kulturangeboten haben. Es ist also keineswegs so, dass der Musicalfan nur ins Musical ginge und die Opernfreundin nur in die Staatsoper, beide treffen sich in Klubs oder Theatern.

Trotz aller guten Nachrichten im Tourismus gibt es aber keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Es gibt drei Felder, die die Hamburg Tourismus GmbH beackern muss.

Erstens: Wir müssen die Anzahl der ausländischen Touristen erhöhen.

Zweitens: Wir müssen gezielter die kreative Klasse ansprechen, denn diese dient als Multiplikator und kann, wenn sie einmal für Hamburg begeistert ist, auch langfristig für unsere Stadt werben.

Drittens: Wir wollen mehr junge Leute nach Hamburg locken. Wir wollen, dass sie hier arbeiten, dass sie hier studieren, dass sie sich hier verlieben und in Hamburg bleiben. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort erhält Herr Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns auf Veranlassung der CDU mit dem Thema Kultur

tourismus in Hamburg. Wir stellen aber fest, dass die Anfrage und auch die Redebeiträge von Frau Dr. Gümbel und Herrn Wankum im Wesentlichen den Tourismus im Allgemeinen zum Thema haben. Wir können freudig feststellen, dass sich für Hamburg mehr und mehr Menschen interessieren, es kommen mehr und mehr Besucher nach Hamburg. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, das ist ein schönes Kompliment für diese Stadt und darüber können wir uns durchaus gemeinsam freuen.

Allerdings ist diese Große Anfrage nicht so gut abgefasst und auch nicht so aussagefähig, wie sie hätte sein können.

Ich möchte an dieser Stelle einmal die SPD-Fraktion loben, die bereits vor Ihnen eine Große Anfrage eingereicht hat, die sehr viel detaillierter und genauer den Themenkomplex Tourismus bearbeitet. Ich hoffe, dass wir gemeinsam im Ausschuss darüber diskutieren können, denn ich glaube, das wäre eine gute Arbeitsgrundlage, um viele Fragen zu bearbeiten, deren Beantwortung notwendig ist.

Frau Dr. Gümbel brauchte eben die Ergebnisse einer Umfrage als Krücke, um in der Lage zu sein, die besondere Bedeutung der Kultur für den Tourismus hervorheben zu können. Natürlich kreuzt jeder Teilnehmer einer Umfrage bei vorgegebenen Antworten gerne das kulturelle Angebot als Grund für einen Besuch in Hamburg an und wir alle wissen, dass solche Befragungen nicht aussagekräftig sind.

Die Situation in dieser Stadt ist deutlich: Wir sind in etlichen kulturellen Bereichen sehr gut aufgestellt, aber nicht in allen. In weiten Bereichen ist diese Stadt Provinz und nicht Kulturmetropole, sondern kulturelle Provinz. Und das gilt es auch, finde ich, selbstkritisch zu diskutieren. Und nur zu sagen, wir werden das schon hinkriegen, wir haben ja die Elbphilharmonie und die wird uns dann die tollen wachsenden Zahlen schenken, das führt bei jemandem wie mir immer zu einem großen Schrecken. Ich halte mittlerweile immer sofort mein Portemonnaie fest.

(Beifall bei der LINKEN)

Insgesamt haben wir die wichtige Aufgabe, zentrale Bereiche der Hamburger Kultur wirklich auf ein Weltstadtniveau zu bringen. Das betrifft zum Beispiel den Bereich der Museen, in dem wir durchaus große Schwächen haben und etliches tun müssen. Wir finden aber auch, dass wir im Bereich der sogenannten normalen Kultur schwerwiegende Probleme haben. Gerade im Klubbereich haben wir, was Kunst und Kultur betrifft, eine vehemente Abwanderungstendenz Richtung Berlin. Wir haben das schon vorhin diskutiert und sind uns als Kulturpolitiker alle einig, dass die Kulturpolitik in dieser Stadt entscheidend gestärkt werden muss. Ich hoffe, dass wir da gemeinsam etwas bewegen können.

(Dr. Eva Gümbel)

(Beifall bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Zwei Sachen möchte ich noch hinzufügen, die mir einfach wichtig sind.

Wir wissen aus Umfragen, dass das Schanzenviertel mittlerweile einer der entscheidenden kulturellen Anziehungspunkte Hamburgs geworden ist. Vor allen Dingen die CDU sollte sich einmal überlegen, warum das so ist und dieses ständige Aufdem-Kriegsfuß-Stehen mit dem Schanzenviertel noch einmal genau hinterfragen und ihre Politik entsprechend verändern.