Dabei ist die Finanzierungsfrage genannt, diese ist auch ein wesentliches Kriterium dafür, ob und wie der Bund zu gewinnen ist oder ob diese Straße überhaupt erfolgreich gebaut werden kann. Es sind genauso genannt die verkehrliche Entlastung für Wilhelmsburg, die Vereinbarkeit mit dem "Sprung über die Elbe", was dann auch noch einmal ausdrücklich dargelegt wurde, die Verhinderung einer aufgeständerten Lösung über den Spreehafen und die Auswirkungen auf die Verlagerung oder den Rückbau der Wilhelmsburger Reichsstraße und der Ausbau der Diagonaltrasse West.
Alle diese Punkte sind natürlich in die Machbarkeitsstudie eingeflossen, die die DEGES gemacht hat, und es ist ein wichtiger verkehrspolitischer Punkt, dass man in dieser Studie ein Ergebnis be
kommen hat, das diese unterschiedlichen Kriterien – man kann auch sagen diese Zielkonflikte –, die damit verbunden sind, aufzulösen versucht. Das halte ich für einen wichtigen Fortschritt, wenn man solch ein Großprojekt plant, und für ein richtiges Vorgehen, dass wir uns den Zielkonflikten stellen, die in einer verkehrspolitischen Planung immer drinstecken, weil Städtebau, Bürgerinnen und Bürger sowie wirtschaftliche Aspekte betroffen sind. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir diese Machbarkeitsstudie mit diesen Kriterien gemacht haben, weil ich glaube, dass es eine neue Chance und eine neue Möglichkeit gibt, solch eine Verkehrstrassenplanung, Stichwort Hafenquerspange, erfolgreich voranzubringen.
Deswegen bin ich natürlich auch daran interessiert, wie sich nicht nur die Fraktionen, die die Regierung tragen, sondern auch die Oppositionsfraktionen zu diesen verschiedenen Kriterien, aber bitte immer in der Gesamtschau, stellen werden, um uns dann auszutauschen, weil es bei einem so großen Projekt auch wünschbar wäre, dass in der Bürgerschaft insgesamt eine breite Meinungsbildung, aber auch, das würde ich bevorzugen, eine breite Unterstützung für eine Verkehrsplanung einer solchen Dimension gewonnen werden kann.
Ich möchte auf ein zweites Projekt zu sprechen kommen, die Wilhelmsburger Reichsstraße, das ist auch ein großes Projekt. Herr Bischoff, Sie haben es das Problem der Wilhelmsburger Reichsstraße genannt, das haben Sie mehrfach in Ihrer Rede getan. Man kann das als Problem bezeichnen, ich würde Sie aber bitten, auch einmal darüber nachzudenken, ob man es nicht auch als Chance titulieren will.
Die Idee, die Wilhelmsburger Reichsstraße zu verlagern, ist entstanden in Diskussionen gerade in Wilhelmsburg. Sie haben auf die Tradition der dortigen Diskussion vor Ort verwiesen. Ich denke, wir müssen einmal etwas anderes machen als nur davon zu reden, dass die Straße breiter wird. Sie hat jetzt 14 Meter für vier Spuren, bei der Verkehrsbelastung von heute entspricht das wirklich nicht den Sicherheitsstandards, die eine solche Straße haben sollte. Heißt deswegen der schnelle Hinweis, dass Sie breiter wird, dass das schlechter ist? Ich glaube, in diesem Falle ist sie vielleicht als Fernstraße geeigneter, wenn sie breiter wird, einen Grünstreifen in der Mitte hat und damit sicherer ist. Dass wir sie als Fernstraße verlegen wollen und nicht als Autobahn, habe ich schon gesagt.
Wenn man will, dass die Menschen, die in Harburg wohnen, auch eine gute Chance haben, nach Hamburg hineinzukommen, obwohl ich natürlich überhaupt nicht den öffentlichen Personennahver
kehr und den Verkehr auf der Schiene aus dem Blick lassen will, das ist sehr erfolgreich, aber wenn man das einmal in der verkehrlichen Belastung betrachtet, dann haben die Untersuchungen, die ich kenne und die wir auch gestern präsentiert haben, deutlich gemacht, dass mit 55 000 Fahrzeugen schon heute die Verkehrsleistung der Wilhelmsburger Reichsstraße eben nicht verzichtbar ist im Nord-Süd-Verkehr innerhalb Hamburgs.
Das ist ein wichtiges Faktum, um die Frage, ist der totale Rückbau der Wilhelmsburger Reichstraße möglich, kritisch zu begleiten. Wenn man dann zu dem Schluss kommt, dass ein totaler Rückbau verkehrspolitisch nicht sinnvoll ist, dann wollen wir die Chance ergreifen, wenn der Bund bereit ist, die notwendige Sanierung mitzumachen, aus drei Verkehrstrassen, die die Elbinsel zerschneiden, zwei zu machen.
Wenn wir damit dann auch einen Anlass haben, die Bahn zu einem gemeinsamen Lärmschutzprojekt zu bewegen – heute ist natürlich östlich dieses Bahndamms die Lärmschutzsituation wenig komfortabel –, dann sollte man eher sagen, die Verlagerung der Wilhelmsburger Reichsstraße ist eine Chance und kein Problem.
Lärmschutz und andere Fragen sind eine hohe Verpflichtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Ich habe auch gestern Abend auf der Veranstaltung mit den wiederum gut 600 Bürgerinnen und Bürgern gesagt, dass ich die Chance für Hamburg nicht auslassen möchte, wenn der Bund zur Unterstützung bereit ist. Dann wollen wir die Verlagerungen angepackt und möglichst vollendet haben mit Blick auf die Planungen, die wir bei der IBA und der igs für 2013 verfolgen.
Ich komme zu einem weiteren Aspekt und nicht nur zu den großen Projekten. Wenn es so große Projekte gibt, dann sind die umstritten. Es ist auch ein Zeichen einer freien Gesellschaft, über so etwas selbstbewusst und öffentlich zu streiten. Deswegen ist für mich der Streit darum nicht unbedingt das Problem. Die Offenheit und die Intensität, einen Dialog zu führen, ist eine Herausforderung und diesem Dialog will ich mich gerne stellen. Das haben wir auch als Koalition getan in den vergangenen Wochen, insbesondere, als wir auch entsprechende Erkenntnisse hatten. In diesem Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern oder auch mit den Vertretern der Wirtschaft muss man Überzeugungsarbeit leisten. Gestern haben Vertreter der Wirtschaft noch einmal gesagt, dass sie immer noch die Nordtrasse für vorteilhafter halten. Sie müssen sich auch dem Dialog stellen. Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, das ist mir gestern klar geworden, sind sehr kritisch und haben mir auch entgegengehalten, dass sie keine Autobahn durch Wilhelmsburg wollen. Ich respektiere das erst einmal natürlich als eine Meinung und die will ich auch nicht überse
hen. Aber ich werde mit ihnen auch darüber diskutieren, welche Funktionen Fernstraßen, Autobahnen und andere Straßen haben sollen, um innerstädtische Lkw-Verkehre, von denen Wilhelmsburg sehr schnell betroffen ist, anders zu bündeln und sie damit letztendlich aus den Wohnquartieren herauszuhalten. Denn das ist unsere Zielsetzung, eine Verkehrsentlastung Wilhelmsburgs.
Deswegen ist es wichtig, dass man nicht nur zum Thema Wilhelmsburger Reichsstraße und zur Hafenquerspange den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern führt, sondern auch eigene Vorschläge entwickelt und eigene Positionen zur Diskussion stellt. Das erwarte ich auch ausdrücklich von der LINKEN zum Thema Wilhelmsburger Reichsstraße. Dieses ist nie zielkonfliktfrei, aber es würde mich schon interessieren, wo Sie genau Ihre Position festmachen.
Ich möchte zum Verfahren Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern aber auch noch etwas ausführen. Ich habe gestern gesagt, ich möchte einen planungsbegleitenden Dialog dort durchführen. Das erste Kernthema werden die Fernstraßenprojekte Hafenquerspange und die Wilhelmsburger Reichsstraße sein, weil sie auch zeitlich ganz oben auf der Agenda stehen. Aber wir werden auch das Verkehrskonzept für Gesamt-Wilhelmsburg entwickeln, um auch die nachgeordneten Verkehre in Wilhelmsburg zum Diskussionsgegenstand zu machen. Das war auch ein ausdrücklicher Wunsch der Menschen gestern vor Ort. Auch dazu machen wir schon Untersuchungen.
Wir werden eine Kernarbeitsgruppe bilden, die kontinuierlich tagen soll. Sie soll nach einem Vertreterprinzip so organisiert werden, dass sich die Vertreter organisierter Interessen alle beteiligen können. Da ist natürlich die BSU fachlich und als diejenige, die die Trägerschaft für diesen Prozess hat, gefordert, die IBA und die igs. Wir wollen selbstverständlich auch die Vertreter der Parteien im Ortsausschuss oder der Bezirksversammlung beteiligen, vor allem aber Verbände der lokalen Initiativen, Institutionen und auch der Wirtschaft. Wir wollen damit eine Atmosphäre schaffen, die es ermöglicht, in den nächsten Monaten in die Fakten einzusteigen, in die Studien, die Ziele und auch in die Aufgaben, die wir lösen wollen, um auf diesen Veranstaltungen zu einer möglichst gemeinsamen Meinungsbildung beizutragen.
In so einer Phase wird man natürlich am Anfang viel informieren müssen, dann wird man auch in Aushandlungsprozesse treten und ich hoffe, dass wir zu gemeinsamen Vereinbarungen für die weitere Planung kommen. Wir werden dieses Verfahren auch extern moderieren lassen. Da gibt es heutzutage viele Erfahrungen und ich glaube, dass ein solcher Prozess der Politik gut ansteht mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Das wird auch
nicht immer alles einig sein, aber es ist ein Verfahren, das auch unserer Demokratie sehr angemessen ist.
Ich bitte Sie alle, auch im Sinne dieser Herausforderungen, wenn Sie auch die Probleme sehen, sich konstruktiv zu beteiligen. Dann ist mir auch nicht bange, dass wir bei so schwierigen Entscheidungen – und Verkehrpolitik ist nicht immer ganz problemfrei – ein ganzes Stück vorankommen.
Die Themen Wilhelmsburger Reichsstraße, Hafenquerspange oder ein gesamtes Verkehrskonzept für den Hamburger Süden sind eine Mammutaufgabe für die nächsten Jahrzehnte. Wir haben aber die Chance, in dieser Legislaturperiode ganz entscheidend voranzukommen. Ich bin von dem Bedürfnis getragen, bei städtebaulichen Zielen, klimapolitischen Zielen, verkehrspolitischen Zielen und wirtschaftlichen Zielen einmal aufzuzeigen, dass man sie in einer Metropole auch zusammenführen kann. Dafür ein Beispiel zu geben, das ist der Sinn des Koalitionsvertrags an dieser Stelle. Das ist unser gemeinsames Ziel und ich bin zuversichtlich, dass wir das anpacken und schaffen werden.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident, Frau Senatorin! Ich möchte Bezug nehmen auf eine Presseerklärung von vor wenigen Tagen, es war, glaube ich, der 17. April 2009, die Ihre Behörde anlässlich der Jahrespressekonferenz der internationalen Gartenschau Hamburg veröffentlicht hat. Auf dieser Pressekonferenz haben Sie eine Rede gehalten und es steht in der Presserklärung, dass Sie die Bedeutung der igs hervorgehoben haben als europaweites Vorbild für moderne Landschaftsplanung im Einklang mit Stadt, Natur und Gesellschaft. Dann haben Sie wörtlich gesagt:
"… wollen wir sicherstellen, dass sich die Elbinseln nachhaltig, langfristig und ganzheitlich entwickeln und nicht nur einzelne, isolierte Leuchtturmprojekte im Mittelpunkt stehen."
Nachhaltige langfristige und ganzheitliche Entwicklung sind sehr schöne Worte. Das sind schöne Ziele, die mit der igs verkündet und auch angestrebt werden und die mit der gegenwärtigen Verkehrsplanung von derselben Behörde gleich wieder umgestoßen werden.
Meiner Meinung nach geht es um folgendes Problem und es macht die Zielkonflikte aus. Es erschüttert nicht nur Wilhelmsburg, sondern ist eine grundsätzliche Frage, die darauf hinausläuft, ob ein ganzer Stadtteil, und zwar ein höchst lebendiger dazu, sogenannten übergeordneten Interessen untergeordnet werden soll. Es ist ein Problem, dass die Verkehrsplanung der Behörde – egal, wie Sie das jetzt nennen – einen belasteten Stadtteil weiter belastet und die Belastung bis ins Unerträgliche steigert und die Bewohnerinnen und Bewohner von Wilhelmsburg das nicht nur sehr vehement und engagiert kritisieren. Herr Frommann, Sie sprechen von einer merkwürdigen Zählung, aber von 35 Bürgern waren es nur vier; von den anderen weiß man nichts.
Sie kritisieren das also nicht nur vehement und engagiert, sondern auch außerordentlich sachkundig. Das kann nach der öffentlichen Anhörung des Stadtentwicklungsausschusses und nach mehreren großen Versammlungen, zuletzt gestern, niemand mehr bestreiten.
Die Senatorin hat unbedingt recht, wenn sie den Ideenreichtum, die Innovationskraft und die Lösungskompetenz der Gesellschaft, konkret der Bevölkerung von Wilhelmsburg, hervorhebt. Ich konzediere und erkenne an und finde das auch gut, was Sie machen, wie Sie sich der Öffentlichkeit stellen. Das ist, glaube ich, in der Geschichte der letzten Jahre auch einzigartig. Ich will gar nicht bestreiten, dass Sie sich der Kritik stellen, und ich will auch nicht bestreiten, dass Sie Beteiligungsangebote machen. Trotzdem scheint mir der Knackpunkt doch in der folgenden Frage zu liegen: Ist das, was Sie jetzt anstreben, wirklich ergebnisoffen? Wenn Sie Beteiligungsangebote, etwa die Wilhelmsburger Reichsstraße, von vornherein ausklammern oder die Mitbestimmung bei Gutachteraufträgen, also bei Aufträgen, die vergeben werden, gleich ganz ausschließen, sind sie meiner Meinung nach nicht besonders viel wert. Dann ist von vornherein klar, wie das Ganze ausgeht und dass im Zweifelsfall der angebliche Sachverstand oder der angebliche Sachzwang den Ausschlag gibt. Letztlich entscheidet doch das übergeordnete Interesse, vor dem die Interessen des Stadtteils, die so vehement geäußert werden, dann scheinbar – ich betone: scheinbar – engstirnig wirken. Deswegen geht kein Weg daran vorbei, es muss einen kooperativen, das heißt auch ergebnisoffenen Planungsprozess mit allen Beteiligten geben. Es muss
einen wirklichen Dialog geben und Dialog heißt nicht nur, dass man miteinander spricht, sondern dass man sich auseinandersetzt und auch Sachargumente von anderen aufnimmt und so tatsächlich in dieser Weise die Innovationsfähigkeit fördert und anerkennt.
Deswegen unsere Aufforderung: Stellen Sie sich nicht nur der Kritik, das machen Sie, sondern setzen Sie sich – und da habe ich bisher nichts vernommen – mit den fundierten, in langen Prozessen erarbeiteten Vorschlägen der Fachkundigen vor Ort auseinander.
Der Ideenreichtum, die Innovationskraft und die Lösungskompetenz gerade der betroffenen Bevölkerung müssen genutzt werden, um diesen Zielkonflikt tatsächlich verträglich für alle Seiten zu entscheiden, und zwar im Sinne eines integrierten, nachhaltigen Verkehrskonzepts, das nicht zusätzlichen Transitfernverkehr in das hoch belastete Verkehrssystem hineinführt, das nicht blind dem Dogma des Autobahnbaus anhängt und nur das Ziel des Straßenausbaus kennt, sondern das Verkehrsplanung und Stadtplanung integriert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss noch einmal kurz auf den Beitrag von Frau Gregersen eingehen, denn das war aus meiner Sicht ein überheblicher, selbstgerechter und außerordentlich ärgerlicher Beitrag.
Wenn ich höre, wie Sie sich hier gegenüber dem Bürger äußern – das war vorhin schon so bei der Barrierefreiheit, man dürfe nicht auf die hören, die am lautesten schreien – und jetzt sagen, man dürfe sich nicht vor den Karren der Bürger spannen lassen, Frau Gregersen, dann gewinnt man den Eindruck, der Bürger wird für Sie mehr und mehr zum Ärgernis; darüber sollten Sie sich einmal einige Gedanken machen.