Protocol of the Session on April 22, 2009

Herr Yildiz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Lemke, Gott sei Dank hat Frau Möller das Problem nicht heruntergespielt, was ich von ihr auch nicht erwartet hätte. Ich finde es eigentlich unverantwortlich, dass Sie das tun und auch den Antrag herunterspielen. Das finde ich nicht in Ordnung, denn letztendlich geht der Antrag auf die Probleme ein. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt, allgemein finde ich es nicht in Ordnung, dieses Problem so herunterzuspielen.

(Antje Möller GAL: Der Antrag ist schlecht!)

Eines möchte ich vorab bemerken. Die Menschen, die ihre Länder verlassen, verlassen sie entweder aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen, flüchten nach Europa und sind froh, dass sie heil in der Festung Europa angekommen sind. Einige von ihnen, die es geschafft haben, kommen auch nach Hamburg. Sie haben die Hoffnung, dass sie hier ein besseres Leben haben als in ihren Herkunftsländern, allerdings werden Tausende von diesen Menschen illegalisiert. Nach Schätzungen der

Wohlfahrtsverbände wie zum Beispiel der Diakonie sind es zwischen 50 000 und 100 000 Menschen.

Was hat das mit dem Schülerregister zu tun? Eine Folge des Schülerregisters ist auch, dass Bürger, die keinen Aufenthaltsstatus haben, über ihre Kinder aufgespürt werden können. Das Schülerregister schürt deshalb Angst bei illegalisierten Familien und das führt dazu, dass Familien ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Die Schulpflicht und die Fürsorgepflicht für vernachlässigte Kinder durchzusetzen, ist die eine Seite, aber die Daten an die Meldebehörden weiterzugeben, ist die andere Seite. Fälle wie der der kleinen Jessica lassen sich nicht durch Computerdateien verhindern, sondern nur durch mehr Personal bei den Allgemeinen Sozialen Diensten und insgesamt im Bereich Jugend. Zudem war der Fall Jessica schon längst bekannt, Herr Lemke.

Die umgekehrte Datenübergabe von den Schulen an das Einwohner-Zentralamt und der automatische Abgleich der Schülerinnen- und Schülerdaten mit dem Melderegister dienen nebenbei auch dem Zweck illegalisierte Schüler und Schülerinnen aufzuspüren und ihre Abschiebung zu ermöglichen. Ich weiß, dass es nicht sehr viele waren, ich weiß aber auch, dass viele Menschen ihre Kinder aus diesem Grund nicht zur Schule schicken. Deshalb ist ein solches Gesetz aus unserer Sicht abzuschaffen, genauso wie die Frage nach dem Ausweis oder der Meldebescheinigung bei der Schulanmeldung. Diese Praxis widerspricht dem Recht auf Bildung, das nicht nur in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN-Kinderrechtskonvention, sondern auch, wie Sie gesagt haben, im Hamburger Schulgesetz steht.

In anderen Ländern wie zum Beispiel Spanien, Italien oder Frankreich, wo auch sehr viele Menschen ohne Papiere leben, ist es selbstverständlich, dass diese Kinder das Recht auf Bildung haben und auch die Schule besuchen dürfen. Gleichzeitig sind diese Kinder vor der Abschiebung geschützt. Wir brauchen endlich einen Abschiebestopp für Kinder und Jugendliche.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Auch Probleme wie Versicherung, Teilnahme an Klassenfahrten und Finanzierungskalkulationen lassen sich klären. Das zeigen Beispiele bundesweit und auch in anderen EU-Ländern mit weniger Regulierung und Kontrollen. Es gibt an Hamburgs Schulen Verantwortliche, die sich …

(Unruhe im Hause)

Ich glaube, der Fußball ist für Sie alle interessanter und fast keiner hört zu. Ich finde das unverantwortlich.

Es gibt in Hamburger Schulen Lehrer und Lehrerinnen, die diese existierenden Vorschriften ignorie

(Antje Möller)

ren. Ich finde, es ist wichtig, dass diese Lehrkräfte rechtlichen Schutz und auch unsere Solidarität bekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist wesentlich, ob der politische Wille vorhanden ist, allen Kindern das Recht auf Bildung und einen Verbleib an dem Ort, an dem sie aufgewachsen sind und leben, zu ermöglichen. Damit hängt das Bleiberecht für ihre Eltern zusammen, denn Kinder brauchen den Schutz ihrer Eltern. Sie dürfen weder für Hungerlöhne ausgebeutet werden noch ständig in der Angst leben, dass sie irgendwann entdeckt und abgeschoben werden. DIE LINKE fordert den Senat auf, das Schülerregister abzuschaffen und die Initiative zu ergreifen, um Bürgern dieser Stadt, die keinen Aufenthaltsstatus haben, diesen zu ermöglichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Ciftlik.

Meine Damen und Herren! Der Lärmpegel lässt ein wenig darauf schließen,

(Glocke)

wie viel Wertschätzung Sie dem Thema beimessen. Ich finde das ziemlich peinlich.

Herr Ciftlik, ich hatte geklingelt, ich wollte Sie gerne in Ihrem Bemühen unterstützen.

Meine Damen und Herren! Ich darf die herzliche Bitte noch einmal wiederholen, dass das Grundgeräusch so weit heruntergefahren wird, dass der Redner sich jeweils auch verständlich machen kann. – Vielen Dank. – Sie haben das Wort, Herr Ciftlik.

– Danke schön.

Herr Lemke, es ist schon unglaublich ahnungslos, wie Sie auftreten.

(Beifall bei Wilfried Buss und Britta Ernst, beide SPD – Wolfgang Beuß CDU: Sie sind ganz schön arrogant!)

Ahnungslos war das, Sie haben eigentlich überhaupt nicht zum Thema gesprochen. Dass wir in keiner Weise illegalen Aufenthalt, ganz gleich welcher Art, in dieser Stadt oder in diesem Land unterstützen, ist völlig klar. Dass wir dagegen sind, ist auch völlig klar. Aber ich hätte mir gewünscht, dass Sie konkret zu diesem Antrag etwas gesagt hätten. Das haben Sie nicht getan, stattdessen ergehen Sie sich in Zwiegesprächen, die wahrscheinlich nichts mit diesem Thema zu tun haben. Frau Möller, ich verstehe beim besten Willen nicht, wie Sie allen Ernstes behaupten können, dass die

Art und Weise, wie in Nordrhein-Westfalen per Verordnungsweg das Problem gelöst wird, in Hamburg nicht anwendbar sei. Das müssten Sie mir noch einmal erklären.

(Antje Möller GAL: Das habe ich nicht ge- sagt!)

Doch, das haben Sie gesagt. Ich weiß, es ist immer die einfachste Methode, dann zu sagen, man hätte etwas nicht gesagt. Hören Sie jetzt einfach zu, Frau Möller.

(Martina Gregersen GAL: Ja, wir haben doch zugehört!)

In Hamburg ist das Schulpersonal angewiesen, die Reisepässe der Eltern dahingehend zu kontrollieren, ob darin eine Meldebestätigung ist und ob sie einen legalen Aufenthaltsstatus haben. Das ist in Nordrhein-Westfalen nicht der Fall. Das bedeutet doch im Umkehrschluss, dass diese Menschen nicht die Angst haben, ihre Kinder in der Schule anzumelden, weil sie dort beschult werden – das wollen wir alle und auch ganz bestimmt diese Eltern –, sondern weil sie Angst haben, dann entdeckt zu werden. Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie Sie daherkommen und sagen können, es gebe nur ein Beispiel, das dann noch von der Härtefallkommission im positiven Sinne abgewendet wurde, also gebe es im Umkehrschluss – implizit haben Sie das damit gesagt, das behaupte ich jetzt einmal – überhaupt gar keinen Anlass anzunehmen, dass es illegale Kinder gebe. Verzeihung, das muss ich zurücknehmen, kein Mensch ist illegal.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gibt es nirgendwo auf dieser Welt, kein Mensch ist illegal, ich meine natürlich Kinder illegalen Aufenthalts. Das können Sie doch nicht allen Ernstes behaupten. Ich weiß nicht, ob Sie, seitdem Sie diese Koalition eingegangen sind, das Gespräch mit den Menschen vor Ort völlig eingestellt haben, aber vielleicht reden Sie einfach einmal mit Leuten, die damit tagtäglich zu tun haben. Auch Ihnen nahestehende Vereine und Initiativen bestätigen immer wieder, dass es eine ganze Reihe von Eltern gibt, die schlicht und ergreifend Angst haben. Wenn Sie sagen, so etwas könnte man so wie in Nordrhein-Westfalen gar nicht lösen, vorübergehend zumindest nicht, bis es auf Bundesebene gelöst wird, dann fehlt schlicht und ergreifend Ihre Begründung. Statt sich darüber zu beschweren, dass ich nur 10 Prozent meiner Rede auf den Antrag bezogen hätte, hätten Sie einmal begründen sollen, warum diese Lösung in Hamburg nicht anwendbar sein soll.

(Glocke)

Herr Ciftlik, entschuldigen Sie bitte. – Meine Da

(Mehmet Yildiz)

men und Herren! Es ist einfach zu laut. Ich darf Sie bitten zu bedenken, dass das Wort allein Herr Ciftlik hat. – Vielen Dank. – Bitte schön, Herr Ciftlik.

– Danke schön.

Ich bin auch HSV-Fan, überhaupt keine Frage, und nur HSV-Fan. Aber dieses Thema ist zehnmal wichtiger. Es tut mir sehr leid für Sie, wenn Sie gelangweilt sind.

(Wolfgang Beuß CDU: Er trägt die Raute im Herzen!)

Ja, das stimmt, das ist auch so, die Raute im Herzen, das stimmt.

Ich bin auch gespannt, was der seit Herbst letzten Jahres anstehende Bericht über das zentrale Schulregister hergeben wird, ich bin auch auf die Ergebnisse gespannt. Aber ich will Sie nur daran erinnern, dass die GAL bisher immer noch und nie revidiert einen nicht näher geregelten Schutzmechanismus für die Kinder einfordert, die eventuell einen nicht ganz legalen Aufenthalt in Hamburg haben könnten. Sie haben genug Zeit gehabt, diesen nicht näher geregelten Schutzmechanismus mit Ihrem großen Koalitionspartner einmal irgendwo niederzuschreiben oder vielleicht auch in die Debatte einzubringen, aber auch das haben Sie nicht getan. Insofern habe ich ein ganz reines Gewissen, dass ich nur 10 Prozent meiner Rede für den Antrag verwandt habe. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Möller.

(Wolfgang Beuß CDU: Jetzt gibt's Haue!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Ciftlik, wir geraten das eine oder andere Mal auch im Eingabenausschuss – wir haben das Vergnügen, dort gemeinsam zu sitzen – aneinander, weil Sie wenig Bereitschaft zeigen, eine detaillierte und sachliche Argumentation aufzunehmen, dieser zu folgen und sich entlang einer sachlich-fachlichen Argumentation zu streiten.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Es fällt mir schwer, in meiner Antwort auf Ihre Rede weiterhin der Aufforderung zu folgen, uns differenziert mit den Unterschieden zwischen der Situation in Nordrhein-Westfalen und der Situation, die wir in Hamburg aufgrund der Existenz eines zentralen Schülerinnen- und Schülerregisters vorfinden, auseinanderzusetzen. Ich habe überhaupt nichts davon gesagt, dass das, was in Nordrhein-Westfalen funktioniert, hier nicht funktionieren soll, sondern ich habe gesagt, Sie haben schlicht und einfach einen schlechten Antrag geschrieben.

(Beifall bei der GAL und der CDU)