Wer schließt sich dem SPD-Antrag aus der Drucksache 19/2399 an? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dieser Antrag ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Wer möchte der Textzahl 455 zustimmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit angenommen.
Wer möchte die Textzahl 456 beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist ebenfalls mit Mehrheit angenommen.
Wer schließt sich Textzahl 457 an? – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Auch dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen worden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der etwas hitzigeren Debatte eben steht die nächste Debatte vielleicht unter einem etwas anderen Vorzeichen. Wie Herr Neumann am Dienstag bereits ausgeführt hat, hat sich die SPD-Fraktion entschlossen, dem Justizhaushalt von Herrn Senator Steffen zuzustimmen.
Wir stellen fest, dass es im Bereich der Justizpolitik mit Antritt von Senator Steffen einen ganz klaren Paradigmenwechsel gegeben hat. Sie, Herr Senator, haben zumindest erste sichtbare Schritte getan, um einen Politikwechsel weg von der Justizpolitik der CDU-Senatoren Kusch und Lüdemann einzuleiten. So gut wie alle Maßnahmen der harten Hand, die die Justizpolitik der CDU seit 2001 ausgemacht haben, sollen rückgängig gemacht werden oder werden rückgängig gemacht.
Um nur einige Beispiele zu nennen: Das von Sachverständigen als verfassungswidrig kritisierte CDU-Strafvollzugsgesetz steht nur ein Jahr nach Inkrafttreten vor seinem verdienten Verfallsdatum und wird durch getrennte Erwachsenen- und Jugendstrafvollzugsgesetze abgelöst. Gleiches gilt hoffentlich bald auch für die verfassungswidrige Privatisierung des Maßregelvollzugs, auch wenn wir uns dabei noch ein wenig mehr Engagement der Justizbehörde wünschen würden.
Ganz aktuell werden die Schließung der eigenständigen Sozialtherapeutischen Anstalt und die Zerschlagung der bundesweit hoch anerkannten Sozialtherapiestrukturen in Hamburg unter der CDU-Regierung wieder zurückgedreht. Das begrüßen wir ausdrücklich und wollen Sie gerne bei Ihrem Ziel unterstützen, die Hamburger Sozialtherapie wieder in eine bundesweite Führungsrolle zu bringen.
Der Justizhaushalt lässt erkennen, dass der Justizsenator in vielen Punkten richtige Ansätze verfolgt, die Fehler der CDU rückgängig macht oder machen will und damit in vielen Bereichen sozialdemokratische Positionen vertritt.
Daher wollen wir ihn dabei, trotz Meinungsverschiedenheiten im Detail, unterstützen. Die CDU hat Ihnen zweifellos kein einfaches Erbe hinterlassen, insbesondere mit der Mammut-Anstalt Billwerder und einem Drittel Leerstand bei den Haftplätzen. Das größte Manko des Justizhaushalts ist es sicherlich, dass die von Ihnen angekündigte und aufgrund der Gefangenenzahlen auch dringend notwendige, aber zweifellos kostenintensive Umstrukturierung des hamburgischen Strafvollzugs noch keine Berücksichtigung im Haushaltsplan-Entwurf gefunden hat.
Ich will Sie aber bereits an dieser Stelle davor warnen, in ein vollzugspolitisches Desaster zu laufen. Sie sollten Ihre bereits im Sommer letzten Jahres ohne jegliche Prüfung verkündeten Pläne der Schließung der offenen Anstalt in Glasmoor und einer gemischten Anstalt in Billwerder, wo offener und geschlossener Vollzug hinter sechs Meter hohen Mauern stattfinden würden, dringend noch einmal auf vollzugspolitische und finanzielle Sinnhaftigkeit überprüfen und kein weiteres sinnloses Millionengrab schaufeln.
Suchen Sie nach einer Lösung mit Augenmaß, Herr Senator, und nehmen Sie vor allen Dingen auf diesem Weg auch Ihre Bediensteten mit. Die Äußerungen der Gewerkschaften haben in der Vergangenheit deutlich gemacht, heute zuletzt, dass Ihnen das bisher nicht gelungen ist. Bei unserer Unterstützung zum Justizetat handelt es sich ganz klar um Vorschusslorbeeren, Herr Senator. Es bleibt abzuwarten, ob Sie sich an vielen Stellen gegen die CDU durchsetzen und diesen Vertrauensvorschuss auch einlösen. Sie können sich sicher sein, dass wir kritisch verfolgen werden, ob Ihren großen Worten auch Taten folgen.
Natürlich ist unsere Zustimmung kein Blankoscheck, sondern wir sehen in diversen Bereichen durchaus Nachbesserungsbedarf, wie Sie unserem Änderungsantrag entnehmen können. Das gilt zum Beispiel für die teilweise überlangen Verfahrensdauern bei den hamburgischen Gerichten, die seit Jahren eines der größten Probleme der Hamburger Justiz sind. Ganz offensichtlich genügen allen Fraktionen die Maßnahmen beziehungsweise eher die fehlenden Maßnahmen nicht, da alle Fraktionen, selbst die Regierungsfraktionen, Änderungsanträge gestellt haben.
Aktuell sind vor allen Dingen die Sozial- und Verwaltungsgerichte betroffen, die mit Verfahrensdauern zwischen 16,7 und 29 Monaten nicht nur deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen, sondern bei einer solchen Verfahrensdauer stellt sich auch die grundsätzliche Frage nach der Rechtsschutzgarantie.
Wie die Haushaltsberatungen ergeben haben, plant der Senat mit Ausnahme einer halben Stelle beim Landessozialgericht keine weiteren Maßnahmen, um diesen Umstand in absehbarer Zeit zu beheben. Ganz offensichtlich erwartet der Senat auch von dieser halben Stelle keine weiteren Verbesserungen der Situation, da im Haushaltsplan-Entwurf beim Landessozialgericht für 2009 und 2010 sogar ein weiterer Anstieg der Verfahrensdauer auf 20 Monate einkalkuliert wird. Der Senator hat dazu in den Haushaltsberatungen ausgeführt, dass sich das langfristig schon wieder einpendeln werde. Herr Senator, das genügt uns an dieser Stelle nicht.
Wir wissen auch, dass es die Haushaltslage nicht hergibt, zahlreiche neue Stellen zu schaffen. Allerdings werden wir den Antrag von CDU und GAL unterstützen, noch eine weitere halbe Richterstelle am LSG zu schaffen. Aber das hilft natürlich nicht, um die Belastungssituation an den anderen Gerichten zu verbessern. Wir erwarten von Ihnen, Herr Senator, dass Sie alle Möglichkeiten prüfen, Richterstellen aus anderen weniger belasteten Gerichtszweigen zumindest befristet auf die Sozialund Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übertragen. Das hat auch in der Vergangenheit schon erfolgreich funktioniert wie zum Beispiel beim Finanzgericht. Gleichzeitig steht einer effektiven Aufgabenerfüllung natürlich auch eine hohe Stellenvakanz von derzeit fast 190 Stellen bei den hamburgischen Gerichten entgegen. Daran muss sich ganz schnell etwas ändern.
Das bringt mich direkt zu einem weiteren Punkt, der Einbindung der Justiz in die Haushaltsberatungen. Bei dem Thema Selbstverwaltung der Justiz,
welches der Senator offensiv medial vermarktet, hätten wir uns etwas mehr Engagement im realen Umsetzungsprozess gewünscht.
Bereits in den letzten Haushaltsberatungen hatte sich die SPD-Fraktion den Forderungen des Deutschen Juristentags angeschlossen, der eine Beteiligung der Gerichtsvertreter an den Beratungen der Justizhaushalte gefordert hatte. Auch in Ihrem Koalitionsvertrag steht:
"Es soll geprüft werden, ob die Präsidentinnen und Präsidenten der [57] Gerichte ihre Belange im Haushaltsverfahren der Bürgerschaft ähnlich dem Datenschutzbeauftragten vertreten können sollen."
Anscheinend ist es aber erst einmal wieder bei einem bloßen Prüfauftrag geblieben. Die Chance der dritten Gewalt, sich bei den Haushaltsberatungen über ihre Angelegenheiten Gehör zu verschaffen, haben Sie für den Doppelhaushalt 2009 und 2010 vertan.
Ein weiterer Bereich, der im Koalitionsvertrag zwar große Worte findet, aber in der Realität nicht die entsprechenden Taten erfährt, ist der Bereich der Bewährungshilfe. In Ihrem Koalitionsvertrag schreiben Sie, dass Sie die Vermeidung von Rückfällen in Straffälligkeit in den Mittelpunkt Ihrer Arbeit stellen wollen und stellen selber fest, dass es dazu einer guten Entlassungsvor- und -nachbereitung bedarf. In der Realität leidet der Strafvollzug im Bereich der Entlassungsvorbereitung aber unter einer deutlich zu hohen Durchschnittsbelastung der Bewährungshelfer. In den Jahren 2001 bis 2008 ist die Durchschnittsbelastung der Bewährungshilfe durch Stellenabbau und Anstieg der Fallzahlen von 81 auf 110 Fälle pro Bewährungshelfer gestiegen.
Die sechs zusätzlichen Stellen, die wir Anfang 2008 einstimmig bewilligt haben, waren für den ganz speziellen Bereich der konzentrierten Führungsaufsicht, sodass es außerhalb dieses Bereichs weiterhin bei einer Belastung von 100 Fällen bleibt. Es darf nicht sein, dass erste Kontakte zwischen Entlassenen und Bewährungshilfe erst vier bis sechs Wochen nach der Freilassung stattfinden, denn gerade diese ersten Wochen sind die ganz entscheidenden. Daher wollen wir in einem ersten Schritt mit unserem Antrag fünf zusätzliche Stellen für Bewährungshelfer schaffen, um eine deutliche Verbesserung zu erzielen.
Lassen Sie mich abschließend noch auf einen letzten Punkt kommen, den Datenschutz. Im Bereich des Datenschutzes haben wir aufgrund Ihres bisherigen Handelns Anlass zur Hoffnung, dass Datenschutz in Hamburg nicht mehr lästige, sondern wichtige Aufgabe des Senats ist. Die eklatanten
Fälle des Datenmissbrauchs, die uns insbesondere im letzten Jahr beschäftigt haben, haben zu einer ganzen Reihe von Initiativen auf Bundesebene geführt. All diese wichtigen und richtigen Initiativen und Ihr Engagement, Herr Senator, auf Bundesebene vermögen jedoch nicht das Vollzugsdefizit zu beheben, das auch in Hamburg bei der Kontrolle der Einhaltung der Datenschutzvorschriften besteht.
Bei der Beratung im Rechtsausschuss hat der Datenschutzbeauftragte erklärt, dass er für eine effektive Kontrolle auch großer Branchen zwei zusätzliche Stellen bräuchte, und diese wollen wir ihm mit unserem Antrag auch zugestehen, denn die Ausführungen der Justizbehörde, dass dadurch, dass nun alle Behörden einen eigenen Datenschutzbeauftragten benennen sollen, der Hamburgische Datenschutzbeauftragte dermaßen entlastet wäre und jede Menge frei werdende Kapazitäten hätte, hat weder den Datenschutzbeauftragten noch uns überzeugt.