Protocol of the Session on March 3, 2009

(Beifall bei der SPD)

Nun reden Sie hier wieder gerne über die Vergangenheit. Ich sage es noch einmal: Sie haben in fünf Jahren, 2002 bis 2006, 3,6 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das ist im Durchschnitt pro Jahr doppelt soviel, wie in den 44 Jahren sozialdemokratischer Regierung vorher; rechnen Sie es nach. Sie haben darüber hinaus soviel Vermögen verkauft und Rücklagen verbraucht, dass Sie auf ein Defizit in diesen fünf Jahren von 6 Milliarden Euro kommen. Das ist die Bilanz der CDU-Finanzpolitik der letzten Jahre.

(Beifall bei der SPD)

Dann haben Sie in den Boom-Jahren 2007 und 2008 die Konsolidierung eingestellt. Wir haben in den letzten Jahren gesagt, dass Sie mit der mangelnden Konsolidierung und Ihrer Rhetorik auf einer großen konjunkturellen Welle reiten. Wir haben Ihnen gesagt, wenn die abbricht, dann werden Sie hart aufs Pflaster schlagen, und genau das ist jetzt eingetreten.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das haben Sie vor zehn Jahren selbst gemacht!)

Nun komme ich zu Herrn Kerstan. Die einfache Frage nehme ich vorweg: Was verstehen wir unter Haushaltsdefizit? Die Antwort lautet: Wenn Sie 21,4 Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren ausgeben wollen, aber nur 20 Milliarden Euro einnehmen, dann klafft eine Lücke von 1,4 Milliarden Euro. Das sind 1400 Millionen Euro Defizit und das nennen wir auch Defizit. Dann werden noch 500 Millionen Euro obendrauf kommen schon mit der Mai-Steuerschätzung. Sie gehen mit einem aufwachsenden Defizit in diese Krise, noch bevor sich die Finanzmarktkrise überhaupt in Hamburg ausgewirkt hat.

(Beifall bei der SPD – Hans-Detlef Roock CDU: Das sagen Sie immer, wenn Ihnen nichts mehr einfällt!)

Wenn Ihnen, Herr Kerstan, zur HSH Nordbank nichts mehr einfällt, dann fangen Sie mit Lokalpatriotismus an: Was macht man als Hamburger Abgeordneter, wir haben uns erkundigt, in welchem Zustand die Bank war, als Sie uns vorgetragen haben, dass wir zwei Milliarden Euro frisches Kapital in diese Bank fließen lassen müssten; das war vor einem halben Jahr. Da hat man uns vorgehalten, wir würden durch unsere Fragen die Bank in der Konkurrenzsituation gefährden, in der sie sich befindet, und das dürfe man als Hamburger Abgeordneter nicht. Ihre Logik ist, dass nicht diejenigen die Bank gefährden, die riskante Geschäfte in Milliardenhöhe machen, sondern diejenigen, die das infrage stellen, das sind auf einmal keine anständigen Abgeordneten mehr.

(Beifall bei der SPD)

Nun fällt Ihnen ein, der Bund habe Ihnen bei den Bedingungen des SoFFin die Pistole auf die Brust gesetzt. Davon habe ich im Oktober und November noch nichts gehört, als wir über den SoFFin gesprochen haben. Da war nämlich von einer Inanspruchnahme der HSH Nordbank noch gar nicht die Rede und der Finanzsenator hat noch gesagt, die HSH Nordbank sei im Kern gesund. Nun kommt heraus, dass die HSH Nordbank im Jahr 2008 2,8 Milliarden Euro Verlust gemacht hat. Als ich in der Bürgerschaftssitzung im Januar den Bürgermeister danach gefragt habe, herrschte Schweigen im Walde.

Herr Kerstan, Sie können uns hier so lange als schlechte Abgeordnete beschimpfen, wie Sie wollen. Wir werden bei der HSH-Nordbank-Krise, die das Vermögen Hamburgs mit Milliardenbeträgen gefährdet, nach der besten Lösung für Hamburg suchen. Wir werden uns dabei nicht auf Ihre Angaben stützen, sondern auf die Beratungen von unabhängigen Experten, denn die Ansagen des schwarz-grünen Senats waren im vergangenen

Jahr – ich muss jetzt aufpassen, dass ich keinen Ordnungsruf bekomme – hoch unzuverlässig.

(Beifall bei der SPD)

Mir kommt die Haltung der GAL-Fraktion bei dem Thema HSH Nordbank so vor wie beim Thema Kohlekraftwerk Moorburg. Die CDU hat es veranlasst, die GAL hat es genehmigt, aber Schuld sind die Sozis. Machen Sie weiter so, liebe GAL-Fraktion, ich habe mir Ihre Rolle im schwarz-grünen Senat anders vorgestellt.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Waldowsky.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Opposition ist Mist, lasst das die anderen machen, wir wollen regieren. Wir alle kennen diese Worte von Franz Müntefering. Hat sich hier heute eine Opposition präsentiert, die wieder an die Regierung zurückkehren sollte,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Nee!)

und zwar nicht, weil Opposition Mist ist, sondern weil sie in der Haushaltsdebatte gezeigt hat, dass sie eine viel bessere Regierung ist als wir? Nein.

Die Reden von Michael Neumann und Peter Tschentscher erwecken wohl bei den wenigsten Hamburgern das Gefühl, dass die Stadt bei ihnen in guten Händen wäre. Die Haushaltsanträge zeigen, wie selbstverliebt die SPD sich in der Opposition eingerichtet hat, denn Opposition ist vielleicht doch kein Mist. Manches ist viel leichter.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Ich möchte Sie bitten, zum parlamentarischen Sprachgebrauch zurückzukehren.

Manches ist in der Opposition viel leichter, zum Beispiel das Schreiben von Anträgen, von denen man weiß, dass sie nicht umgesetzt werden und für deren Realisierbarkeit man deshalb nicht einstehen muss.

(Ksenija Bekeris SPD: Stimmt auch erst im dritten Anlauf!)

Die SPD hat die Pressemitteilung zu ihrer Haushaltsklausur überschrieben mit: Der Politikwechsel ist finanzierbar. Da haben die Genossen einiges verschlafen, denn der Politikwechsel ist längst eingeleitet worden, seit April letzten Jahres. Und er ist auch finanzierbar, wie der jetzt vorgelegte Doppelhaushalt beweist.

Wir haben in der Politik einen Wechsel vollzogen. Ehrgeizige schwarz-grüne Projekte bekämpfen in vielen Politikfeldern die soziale Spaltung, in der Stadtentwicklung zum Beispiel, in der Schulpolitik, in der vorschulischen Jugendarbeit und so weiter. Wir haben jetzt einen weiteren Schwerpunkt auf die ökologische Modernisierung der Stadt gelegt, was auch mittlerweile von der Europäischen Kommission gewürdigt worden ist.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Dies alles tun wir vor dem Hintergrund einer dramatischen Wirtschaftskrise.

Schwere Zeiten sind dies, auch für die Opposition, denn was gilt es für sie nun noch zu tun. Man fordert immer noch sehr viel mehr von dem, was der Senat ohnehin schon tut. Sehr geschickt firmiert das ganze Paket unter dem Titel "Menschliche Metropole" und so mancher Antrag, der dazu gestellt worden ist, ist eine beeindruckende Fleißarbeit. Zehn Seiten zur Schulpolitik, 14 Seiten zur Sozialpolitik, 14 Seiten zur Innen- und Rechtspolitik,

(Ties Rabe SPD: Danke, Herr Lehrer!)

umfangreiche Anträge zur Quartiersentwicklung, zum Wohnungsbau, zur Gleichstellung der Geschlechter. Vieles darin ist richtig und gut. Aber Sie verstecken Ihre zumindest interessanten, wenn nicht gar guten Initiativen in Haushaltsanträgen, die eine verantwortungsvolle Regierungspartei nicht annehmen kann.

(Andy Grote SPD: Warum nicht?)

Ich komme dazu: Die Sozialdemokraten haben nichts aus dem Desaster der US-Wirtschaft gelernt. Ihre Wünsche werden fast ausschließlich auf Pump finanziert.

(Zurufe von der SPD)

Ich komme dazu: Kostenloses Studium, Sanierung von Sportstätten, mehr Geld für die Hochschulen, Geld für die Sozialpolitik und den Wohnungsbau und so weiter.

Die Sozialdemokraten stehen wie die kleinen Kinder vor den prall gefüllten und grell erleuchteten Schaufenstern. Im Konsumrausch wollen sie alles, alles auf Kredit. Bezahlt wird später oder nie.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Herr Lehrer, Sie meinen doch die LINKS-Fraktion!)

Diese Haltung hat die Weltwirtschaft in den Crash geführt. Knapp 251 Millionen Euro sollen diese Mehrausgaben der SPD betragen. Wie soll das finanziert werden? Da sehen wir nach unter zu erwartende globale Minderausgaben, Haushaltsreste in Millionenhöhe in diversen Titeln. Teilweise werden bereits bestehende Titel ohne Erhöhung für auskömmlich gehalten, um so zusätzliche Millioneninvestitionen, zum Beispiel für die Quartiersent

(Dr. Peter Tschentscher)

wicklung, bereitzustellen. Oder es heißt schlicht und ergreifend – Zitat: –

"Zur Deckung wird der Deckungskreis 5 in Anspruch genommen".

Kurzum, im Hamburger Haushalt und in der Hamburger Verwaltung scheinen die Millionen Euro nur so herumzuliegen. Man braucht sich nur zu bücken und schon hat man das Geld für neue Projekte in der Hand.

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Waldowsky, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Böwer?

– Nein, tut mir leid.

Sie haben lang und breit erläutert, dass der Hamburger Haushalt Makulatur sei, dass wir angesichts der Wirtschaftskrise mit einem erheblichen Steuereinbruch zu rechnen haben und Sie haben auch recht. Deshalb begreife ich nicht, wie Sie hier noch von Haushaltsresten, von Minderausgaben und so weiter ausgehen können. Letztendlich präsentieren Sie uns nur Luftbuchungen. Sie selber sagen, der vorgelegte Plan gehe von Wachstum und sprudelnden Steuerquellen aus; genau dasselbe tun Sie doch auch. Insofern messen Sie dort mit zweierlei Maß.

Es kommen einige Ausgaben vor, die zu Lasten Dritter beschlossen wurden, das ist immer sehr einfach. Wenn ich in Ihre Anträge hineinschaue, scheinen die Regionalisierungsmittel unerschöpflich zu sein. Davon planen wir die S-Bahn nach Ahrensburg und bauen zahllose Park-and-ride-Anlagen. Für die Qualifizierung von Arbeitslosen sollen ESF-Mittel beim Bund eingeworben werden. Dann haben wir immer noch die angeblich viel zu hohen Intendanzkosten, von denen wir so einige Ausgabenwünsche erfüllen können. Die Stärkung des Mittelstandes erfolgt durch 30 Millionen Euro, die die Wohnungsbaukreditanstalt aufnimmt und als Hamburger Investitionsbank auf den Markt bringen soll. Das ist Verschuldung im Schattenhaushalt, Herr Tschentscher, und das wollen Sie ja nun gar nicht.

Ganz neugierig war ich, als ich Ihren Antrag zur Finanzierung der Hafenentwicklung gelesen habe. Beim Lesen dachte ich, nun versuchen Sie mir weiszumachen, die Hafeninvestitionen seien nicht gesichert, so ist halt die Opposition. Aber mal schauen, wo Sie denn die Milliarden herholen wollen. Elegant wird der Ball zurück an den Senat gespielt. Der soll eine mittelfristige Finanzplanung bis 2015 vorlegen.

(Arno Münster SPD: Das hat er doch selbst gesagt!)

Da machen Sie es sich aber ein bisschen sehr einfach.

(Arno Münster SPD: Wieso? – Klaus-Peter Hesse CDU: Was ist denn da los?)

Interessant wird es da, wo Sie Ihre politischen Vorstellungen durch wirkliche Kürzungen gegenfinanzieren. Endlich trauen Sie sich, politisch zu denken und Prioritäten zu setzen. Leider muss man lange suchen, denn viel Traute haben Sie nicht, wenn es um seriöse Gegenfinanzierung geht. Doch, da haben wir etwas, nämlich das Büchergeld, es soll zurückgenommen werden. Wer würde das nicht gerne tun, aber wo kommt das Geld her.