Andreas Waldowsky

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Last Statements

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die parlamentarische Aufarbeitung des HSH-Nordbank-Debakels findet hier und heute ihr vorläufiges Ende. Auch die GAL fragt sich, ob sich der Aufwand gelohnt hat. Haben sich die vielen Arbeitsstunden des Arbeitsstabs gelohnt, der häufig am Wochenende und bis spät in die Nacht hinein arbeiten musste? Dafür bedanke ich mich auch recht herzlich. Haben sich die Stunden gelohnt für die zusätzlichen Mitarbeiter, die wir in den Fraktionen eingestellt haben, für die Schreib- und Bürokräfte, die die Protokolle angefertigt haben, aber auch natürlich die vielen Stunden, die wir Abgeordneten im Ausschuss verbracht haben?
Insgesamt haben wir Kosten produziert, die weit über 2 Millionen Euro liegen dürften. Aus Sicht der GAL fällt die Bilanz durchaus zwiespältig aus. Offiziell handelt es sich bei diesem Bericht nämlich nur um einen Zwischenbericht, er ist kein Abschlussbericht, denn die Legislaturperiode ist vorzeitig beendet worden. Dennoch bezweifele ich, wenn wir einen Abschlussbericht ordnungsgemäß am Ende dieses Jahres hätten vorlegen können, ob wesentlich Anderes darin gestanden hätte als in dem jetzigen, recht schnell entstandenen Bericht. Woran liegt das? Es liegt an den letztendlich ziemlich begrenzten Aufklärungsmöglichkeiten, die wir im Untersuchungsausschuss hatten.
Zunächst hatten wir eine ganze Reihe von Aussageverweigerungsrechten der Zeugen, Zeugen, die mittlerweile Opfer staatsanwaltschaftlicher Untersuchungen waren oder diese befürchten mussten. Sie haben deshalb zu Recht Aussageverweigerungsrechte geltend gemacht, teilweise aber wohl auch zu Unrecht, weil sie sehr pauschal behaupteten, dass sie überhaupt nichts sagen wollten. Ein
gutes Beispiel dafür ist Herr Stuhlmann, der Vorstandsvorsitzende, der gar nicht erst gekommen beziehungsweise dann sehr schnell wieder gegangen ist. Es lässt schon sehr tief blicken, wenn alles, was im Vorstand Rang und Namen hatte, Gegenstand von staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen ist oder aber dies zukünftig befürchten muss. Da begreift man schon sehr viel über die Unternehmenskultur in der HSH Nordbank.
Das zweite Problem, das wir bei den Zeugenaussagen hatten, war, dass wir uns teilweise Märchenstunden anhören mussten. Leider konnten wir die Märchenerzähler nicht immer mit der notwendigen Energie unterbrechen und sie mit Fakten konfrontieren, die ihre Märchen entlarvt haben. Die Fakten hätten wir nämlich mangels Zeugenaussagen aus den Urkunden, aus den Akten entnehmen können. Meine drei Vorredner sagten bereits, dass die Aktenvorlage ein unheimlich schwieriges Geschäft war. Wir haben uns, was die Vorlage der Bank anbelangt, in endlose Prozesse verstrickt, die zudem am Ende dieser Tätigkeit vorzeitig abgebrochen werden mussten. Herr Kleibauer hat darauf hingewiesen, dass sehr viele Unterlagen vorlagen. Das war richtig, aber die Aussagekraft der Unterlagen, die uns vorlagen, war häufig sehr begrenzt.
Das war ganz am Ende dieser Legislaturperiode, die letzten vier, fünf Wochen hatten wir Zeit, dahin zu kommen.
Nein, ich war leider nicht mehr im Datenraum.
Das mag sein, die Unterlagen wurden uns am Ende erst vorgelegt ohne das Recht, Kopien anzufertigen. Es waren all diese Einschränkungen, die die Bank uns aufgelegt hat.
Ein klassisches Beispiel, wie schwierig die Aufklärungsarbeit war, ist St. Pancras. Dies ist ein Vorgang, der uns nur durch die Medien und Anwälte bekannt geworden ist. Wir haben auch die entsprechenden Klageschriften auf Umwegen kennengelernt. Herr Nonnenmacher hat uns dann, als wir ihn darauf ansprechen konnten, weil durch die Medien
dieses Geschäft bekannt geworden war, tatsächlich zugebilligt, dass uns vier Akten zugestellt wurden. Drei Aktenordner bestanden aus englischsprachigen Vertragstexten, die die verschiedenen Untergesellschaften abgeschlossen hatten. Und es gab einen schmalen, vierten Aktenband, der sichtlich ausgeflöht und durchgesucht worden war, mit einigen wenigen Unterlagen der Bank, die allerdings zu den wirklich interessanten Fragen im Zusammenhang mit St. Pancras keine Antwort gegeben haben. Wenn es darum ging, in diesem Zusammenhang Einblick in E-Mail-Verkehre zu bekommen, dann mussten wir uns auf das Material stützen, das uns von den Medien und Anwälten zugespielt worden ist. Die Bank hatte – das ist der Eindruck, der sich bis zum Ende immer wieder aufdrängte – ein Interesse am Vertuschen. Diese Rechnung ist letztendlich aufgegangen und da stellt sich doch die Frage nach der parlamentarischen Kontrolle. Der Abschlussbericht stellt zu Recht fest, dass wesentliche Fehlentscheidungen beim Vorstand der Bank getroffen wurden. Deshalb hätte uns interessiert, wie dort die Prozesse abgelaufen sind.
Ein weiteres Problem bei der Aufklärung waren zum Teil übertriebene Geheimhaltungsvorschriften. Der Abschlussbericht wirft ein interessantes Licht auf diese Geheimhaltungsvorschriften, denn wie so etwas aussieht, erkennt man im Anhang des Berichts. Da gibt es tatsächlich geschwärzte Stellen. So haben teilweise auch Senatsakten ausgesehen, die wir zu sehen bekommen haben. Besonders putzig ist übrigens der Anhang 4 im Abschlussbericht. Hier wird die Geheimhaltungspflicht sehr wörtlich genommen.
Der ganze Anhang 4 sieht so aus und daran sieht man, in welchem Ausmaß die Öffentlichkeit letztendlich informiert werden kann oder soll.
Es wurde schon auf die Schwierigkeiten der BaFin hingewiesen. Die Zusammenarbeit mit der BaFin war deshalb schwierig, weil die Akteneinsicht unter extremen Geheimhaltungsvorschriften stattfand. Wir mussten in Anwesenheit eines Geheimschutzbeauftragten Einsicht nehmen in Akten, die extra in einem Stahlschrank verwahrt waren, auf den auch der Arbeitsstab keinen Zugriff hatte. Dieser Geheimschutzbeauftragte saß ständig neben uns, damit wir keine Notizen und Fotos machen konnten. Wir konnten sehr Interessantes aus diesen Unterlagen der BaFin entnehmen, durften sie allerdings nicht verwerten. Es gab keine Möglichkeit, auf diese Erkenntnisse in öffentlichen Sitzungen oder im Ausschussbericht zurückzugreifen.
Dasselbe gilt für die Zeugen. Der Abend, an dem die vier Mitarbeiter der BaFin vernommen wurden und der erst um 23.45 Uhr endete, war einer der spannendsten Abende. Wir haben unglaublich viel
gelernt über die Arbeit der Bankenaufsicht, die wirklich eine zentrale Funktion wahrgenommen hatte. Die Aussagen waren sehr interessant und wichtig für das Verständnis der Vorgänge in der Bank. Wir durften sie leider nicht auswerten; Herr Dr. Bischoff ist darauf schon eingegangen. In seinem Beitrag ist er aus meiner Sicht relativ mutig auf diese Dinge eingegangen.
Häufig gab es bei der Geheimhaltungsvorschrift die etwas skurrile Situation, dass Dokumente in den Medien durchaus bekannt waren, wie zum Beispiel das KPMG-Gutachten, aus dem schon ausführlich in den Medien zitiert wurde. Uns wurde es erst sehr spät zugestellt. Als es uns dann entsprechend zur Kenntnis gegeben wurde, unterlag es wieder der Geheimhaltung. Wir standen also ständig mit einem Bein im Gefängnis. Wenn wir nämlich aus diesen Unterlagen, die bereits den Medien zugespielt und dort publiziert worden waren, zitiert oder vorgelesen hätten, wären wir Gefahr gelaufen, eventuell der Strafverfolgung anheimzufallen.
Welche politischen Erkenntnisse haben wir nun aus dieser Tätigkeit gewonnen? Wenn der Vorstand das Zentrum der Fehlentscheidungen war und dort auch die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen gefällt worden sind, dann ist natürlich die politische Kontrolle einer der zentralen Punkte, die wir uns näher anschauen müssen. In Zukunft müssen wir beispielsweise sicherstellen, dass der Aufsichtsrat der HSH Nordbank tatsächlich wieder eine effiziente Kontrolle durchführt. Mit der SPD haben wir uns hier etwas darüber gestritten, ob es ein Senator sein muss, der im Aufsichtsrat sitzt, um diese Kontrolle durchzuführen. Man kann hier durchaus sehr gespaltener Meinung sein. Das Beispiel Dr. Peiner zeigt, dass auch einem ausgewiesenen Fachmann, der etwas vom Geschäft versteht, durchaus Fehler passieren können bei seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat. Insofern halte ich die Lösung, dass es unbedingt ein Senator sein müsse, der die Stadt im Aufsichtsrat vertritt, für durchaus schwierig.
Entscheidend ist letztendlich – darauf haben einige meiner Vorredner schon hingewiesen – die Qualität des Beteiligungsmanagements, also der Leute, die die Hamburger Mitglieder im Aufsichtsrat vorbereiten und eng die Tätigkeit der Bank verfolgen sollen. Herr Dr. Peiner hatte wohl das Beteiligungsmanagement personell relativ ausgedünnt, weil er sehr vieles selbst machen wollte beziehungsweise eine zu enge Kontrolle von Unternehmen wie der HSH Nordbank gar nicht wünschte. Das Personal wurde in den letzten Jahren wieder aufgestockt und es soll dort qualitativ und quantitativ noch besser werden, denn wir werden es auch in Zukunft mit einer steigenden Anzahl von Unternehmen zu tun haben, die zwar in Hamburger Besitz sind, aber der direkten Kontrolle durch die Behörden entzogen sind. Das sind zum einen privatwirt
schaftlich organisierte Unternehmen, aber auch die jetzt geschaffenen Sondervermögen, die Anstalten Öffentlichen Rechts und so weiter.
Ein zweiter Punkt in diesem Bereich ist die parlamentarische Kontrolle. Herr Dr. Bischoff und Herr Völsch haben schon darauf hingewiesen, dass der Unterausschuss für öffentliche Unternehmen aufgewertet werden muss. Er wird im Moment häufig ein bisschen lieblos und lustlos von den Kollegen wahrgenommen. Wir müssen dafür sorgen, dass er ein zentraler, vielleicht dem Haushaltsausschuss gleichgestellter Ausschuss wird, in dem mit Kritik und Leidenschaft weitergearbeitet wird. Es geht darum, dass auch in der nächsten Legislaturperiode nicht vergessen wird, der Bank regelmäßig die Quartalsberichte abzufordern und kritisch nachzufragen. Einige Kollegen verzichten häufig auf die kritischen Nachfragen und sehen lieber zu, dass sie so einen Ausschuss schnell hinter sich bringen. Ich würde mir bei dem einen oder anderen Kollegen etwas mehr Biss wünschen.
Wir müssen natürlich – darüber ist heute noch nicht gesprochen worden – auch das Geschäftsmodell, das die HSH Nordbank jetzt aufgelegt hat, weiter sehr kritisch verfolgen, denn die Bank muss sicherstellen, dass sie mit diesem Geschäftsmodell wieder Gewinne machen kann.
Als weitere Folge müssen wir die Privatisierung der Bank konsequent umsetzen. Es gibt keinen Grund, warum die Freie und Hansestadt Hamburg Eigner einer Bank wie der HSH Nordbank sein soll.
Also müssen wir schauen, dass wir einen Käufer finden. Börsengang scheint mir ein Irrweg gewesen zu sein. Börsengang ist eine Ursache dafür, weshalb die Bank so hohe Renditeziele verfolgt hat. Wir sollten diese Bank nicht an irgendwelche Heuschrecken verkaufen wollen, die vornehmlich an hohen Renditen interessiert sind, sondern wir sollten uns darum bemühen, institutionelle Anleger zu finden, die an einer solide geführten Bank mit einer vernünftigen, aber keiner maßlosen Rendite interessiert sind.
Eine weitere Konsequenz ist, dass die Rechte des PUAs gestärkt werden müssen. Auch das haben meine Vorredner teilweise schon ausgeführt und ich freue mich, dass wir da einig sind. Wir haben gemerkt, wie der Untersuchungsausschuss häufig an seine Grenzen gestoßen ist wie zum Beispiel beim Aussageverweigerungsrecht, bei den Geheimhaltungsvorschriften, aber auch bei den Beschlagnah
memöglichkeiten, insbesondere im Umgang mit den Unternehmen, die privatwirtschaftlich organisiert sind und zu Hamburg gehören. Ein PUA ist ursprünglich geschaffen worden, um Behördenvorgänge aufzuklären. Wir werden es aber in Zukunft häufiger mit Gesellschaften öffentlichen oder privaten Rechts zu tun haben, die keine klassische Behörde sind.
Dann müssten wir uns die Frage stellen, welche Möglichkeiten es eventuell gibt, so eine Doppelbefassung, wie wir sie bei der HSH Nordbank hatten mit einem Untersuchungsausschuss in Kiel und einem in Hamburg, zu vermeiden. Man könnte vielleicht gemeinsame Untersuchungsausschüsse einrichten. Das ist deshalb relevant, weil wir mittlerweile in Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein eine ganze Reihe von landesübergreifenden Unternehmen haben, die immer auch Gegenstand eines PUAs werden könnten.
Ich komme zum letzten Punkt. Die Rechte des Rechnungshofs müssen gestärkt werden. Wir brauchen einen kompetenten Rechnungshof – und er ist auch kompetent –, der wirklich in die Bilanzen und in die Geschäftsführungen hineinschauen kann. Hier stehen wir erst am Anfang und müssen die rechtlichen Grundlagen ändern.
Dieser PUA wird ein Erfolg gewesen sein, wenn das Thema HSH Nordbank in der nächsten Legislaturperiode nicht in Vergessenheit gerät, das heißt, wenn wir als Parlament in der nächsten Legislaturperiode die Tätigkeit der HSH Nordbank konsequent weiterverfolgen. Wir als Bürgerschaft müssen die erforderlichen skizzierten Gesetzesänderungen auf den Weg bringen, die erforderlich sind, um eine Kontrolle effizienter zu machen und Untersuchungsausschüsse wieder als schärfstes Schwert des Parlaments zu gestalten. Wir müssen dies umsetzen und hierüber in die Debatte kommen. Ich glaube, es gibt dafür schon eine gute Mehrheit in diesem Hause. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Krüger.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was wir heute abschließend zu behandeln haben, nämlich den Briefwechsel zwischen dem Präsidenten des Senats und dem Präsidenten der Bürgerschaft, zeigt noch einmal die Stärken und die Schwächen Europas.
Zu den Stärken. Wir haben es mit einem Ergebnis des Vertrags von Lissabon zu tun, den wir Grüne so nachhaltig unterstützt haben. Die in ihm festgeschriebenen Mitwirkungsrechte kommen jetzt auf der untersten Ebene an, bei uns, den Parlamentariern. Bisher hatten wir als Land Hamburg in europäischen Angelegenheiten lediglich über den Bundesrat Mitwirkungsmöglichkeiten, die der Senat wahrgenommen hat. Jetzt sind wir gefragt. Es ist sehr zu begrüßen, dass dieser zwischen Senat und Bürgerschaft geschlossene Vertrag einstimmig beschlossen wurde und es uns gelungen ist, die europafeindliche LINKE mit einzubinden. Dieser Vertrag ermöglicht uns eine Reihe neuer Rechte, wirkliche Kontrollrechte und Kontrollmöglichkeiten. Wir als Abgeordnete bekommen die entsprechenden Gesetzesinitiativen der Europäischen Kommission zugeleitet – das kann natürlich noch verbessert werden – und dank dieses Vertrags ist eine schnelle Reaktion möglich. Frau Machaczek hat bereits darauf hingewiesen, dass der Europaausschuss stellvertretend für die Bürgerschaft Ent
scheidungen fällen kann. Damit wird dieser Ausschuss aufgewertet und das wird dem immer wichtiger werdenden Thema Europa gerecht. Außerdem wird uns diese neue Regelung dazu zwingen, dass wir uns im Europaausschuss regelmäßig mit den Gesetzesinitiativen und Vorhaben der Europäischen Kommission und des Parlaments beschäftigen. Wir werden uns künftig sehr viel öfter vom Senat oder unseren Vertretern in Brüssel berichten lassen, damit wir gut vorbereitet sind.
Es gibt aber auch Schwächen. Eine Schwäche ist, dass die Bürgerschaftskanzlei personell nicht gut genug ausgestattet ist. Wir sind zurzeit darauf angewiesen, dass eine erste rechtliche Prüfung durch Behördenvertreter vorgenommen wird. Das ist ein Armutszeugnis für dieses Parlament, denn wir sind dafür da, die Behörden zu kontrollieren. Jetzt müssen wir uns darauf verlassen, dass wir einen Warnhinweis von den Behörden bekommen, bevor die Bürgerschaftskanzlei mit ihren geringen personellen Mitteln eine eigene rechtliche Bewertung vornehmen kann. Wir werden das Ganze in einem Jahr evaluieren und dann werden wir sehen, ob wir nicht vielleicht doch etwas mehr Geld investieren müssen, um die Bürgerschaftskanzlei personell aufzustocken, damit sie in europäischen und rechtlichen Angelegenheiten besser aufgestellt ist.
Nach dieser Wahl wird der Europaausschuss neu zusammengesetzt werden. Ich wünsche dem neuen Ausschuss wieder so engagierte, leidenschaftliche Mitglieder, wie ich sie aus allen vier Fraktionen erlebt habe, und dass das Thema Europa wieder mit viel Leidenschaft und Herz angegangen wird. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte in der Bürgerschaft über den Jahresbericht des Rechnungshofs
ist traditionell zunächst einmal der Moment, Dank zu sagen; das werde ich natürlich auch seitens der GAL tun. Ich bedanke mich sehr herzlich beim Kollegium des Rechnungshofs für die geleistete Arbeit und den vorgelegten Bericht. Es hat sich wieder gezeigt, dass sehr solide gearbeitet wurde. Die Kritik, die der Rechnungshof in seinem Bericht formuliert hat, hatte Hand und Fuß. Wir hatten nur in sehr wenigen Fällen Zweifel, ob wir dem folgen können.
Es ist auch der Moment, sich bei den Kolleginnen und Kollegen im Rechnungsprüfungsausschuss für die sehr sachorientierte und zielgerichtete Arbeit zu bedanken. Herr Dr. Tschentscher hat sich nämlich geirrt, die Debatte im Rechnungsprüfungsausschuss ist nicht die große Stunde der Opposition, sie ist die große Stunde des Parlaments. Wir alle haben ein großes Interesse daran, Verfehlungen und Fehlentwicklungen aufzuzeigen. Wir haben sehr konstruktiv daran gearbeitet, denn es geht um unsere parlamentarischen Kontrollrechte und um unser Budgetrecht. Insofern hat die Opposition nicht das alleinige Recht auf die Ergebnisse, die wir erarbeitet haben, sondern wir werden das in Zukunft gemeinsam umsetzen müssen.
Die Arbeit im Rechnungsprüfungsausschuss ist sehr angenehm, aber man muss auch eine sehr hohe Frustrationsschwelle haben, denn täglich grüßt das Murmeltier. Ich hätte heute auch die Rede halten können, die ich vor zwei Jahren zu die
sem Thema gehalten habe, denn im Prinzip diskutieren wir immer wieder über dieselben bekannten Probleme. Ich möchte fünf dieser Probleme kurz herausgreifen, die vielleicht die Krux von haushalten und verwalten ganz allgemein sind.
Zunächst einmal diskutieren wir immer wieder darüber, dass die Substanz erhalten werden muss. Das bezog sich in den letzten Jahren auf die Universität, die Schulen und die Krankenhäuser, dieses Mal ging es zum Beispiel um das Thema Straßen. Die mangelnde Instandhaltung der Straßen führt dazu, dass sie schließlich so heruntergewirtschaftet sind, dass sehr viel teurere Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich sind und die Baukosten um 25 Prozent steigen. Im Bereich Kultur wurde der Fall des Thalia Theaters zu Recht heftig kritisiert. Auch dort ist in den letzten Jahren ein Instandsetzungsstau von 4 bis 6 Millionen Euro entstanden. Diese Kosten werden in Zukunft noch erheblich steigen, wenn die Maßnahmen dann umgesetzt werden müssen.
Zweitens streiten wir immer wieder über ganz banale Probleme ordnungsgemäßer Geschäftsführung. Zum Beispiel wird der Zahlungsverkehr der Freien und Hansestadt Hamburg nicht effizient abgewickelt, es gibt dafür kein vernünftiges IT-Programm und es werden dabei erhebliche Ressourcen verschwendet.
Das dritte Problem haben auch die beiden Kollegen von der CDU und der SPD schon angesprochen, die Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Einhaltung von Kostenobergrenzen. Es war ein spannender Moment, als wir über das Bildungszentrum Tor zur Welt diskutierten und uns von den Mitarbeitern erklärt wurde, wir seien fantasielose Pfennigfuchser, wenn wir von den Architekten die Einhaltung von Kostenobergrenzen erwarteten; wir seien doch relativ einfach gestrickt, wenn wir der großen Kreativität von Architekten solche banalen finanziellen Grenzen gegenüberstellten. Da wurde es teilweise auch laut im Raum, es gab aber auch fassungsloses Schweigen, als uns tatsächlich erklärt wurde, dass es nicht unser Ernst sein könne, dass Kostenobergrenzen existieren und auch eingehalten werden sollten. Dieses Tor zur Welt ist um 40 Prozent teurer geworden und wir müssen als Parlament immer wieder darauf bestehen, dass alles seinen Preis hat und der vorher festgelegt wird. Dann sind wir halt fantasielose Pfennigfuchser.
Ein weiteres Thema ist das Planetarium, im vorigen Jahr der große Aufreger im Rechnungsprüfungsausschuss. Es ging um Wirtschaftpläne, die das Planetarium nicht vorlegen konnte. Wir hatten gesagt, da muss nachgearbeitet und das Thema muss neu vorgelegt werden. Aber wir mussten wieder einmal feststellen, dass es teilweise einfach an Respekt vor diesem Parlament fehlt. Die Vertreter, die uns die Pläne vorstellen und zeigen sollten, dass sie nachgearbeitet haben, hatten praktisch
nichts gemacht. Sie kamen mit leeren Händen und was wir ein Jahr zuvor kritisiert hatten, war ihnen ziemlich egal gewesen. Das ist eine Frechheit, die wir uns in dieser Form natürlich nicht bieten lassen dürfen. Wir müssen darauf bestehen, dass diese Kontrollrechte des Parlaments ernst genommen werden.
Ein letzter Punkt, der uns immer wieder begegnet und der uns auch in Zukunft beschäftigen wird, betrifft die vermeintlichen Effizienzgewinne und Einsparpotenziale durch die Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten. Mal geht es um die länderübergreifende Zusammenlegung, mal um die Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten innerhalb der hamburgischen Verwaltung. Vorher werden große Rechnungen aufgemacht, was dadurch alles eingespart werden kann, aber hinterher wird das überhaupt nicht mehr überprüft und es wird teilweise sogar noch teurer, als es vorher war. In der Debatte um die HPA wurde zum Beispiel deutlich, dass auch hier nicht die Effizienzgewinne erzielt wurden, die man sich im Vorhinein davon versprochen hatte. Auch das ist ein Punkt, den wir in Zukunft sehr stark im Auge behalten müssen.
Insgesamt ist die Arbeit in dem Ausschuss eine Sisyphusarbeit. Ich freue mich darauf und fordere den Rechnungshof auf, seine Sisyphusarbeit weiterzumachen. Wir als Parlament sollten diese Sisyphusarbeit ebenfalls weitermachen und uns nicht dadurch frustrieren lassen, dass wir immer wieder dieselben Themen bewegen und dass so wenig vorankommt. Ich halte es da mit Albert Camus, der in seinem Sisyphos-Mythos geschrieben hat, dass er sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellt. Insofern sollten wir das ganz positiv sehen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz kurz erläutern, warum in dieser Frage jetzt
ein Alternativantrag von der CDU und der GAL gestellt worden ist. Es geht um die Resolution der Ostseeparlamentarierkonferenz. Wir vier Abgeordnete aus allen vier Fraktionen sind zusammen mit der Vizepräsidentin, Frau Duden, dorthin gereist. Die Umsetzung dieser Resolution ist klassischerweise ein Antrag, der fraktionsübergreifend eingebracht wird.
Die SPD hat sich nun erlaubt – ich könnte auch sagen, erdreistet –, alleine diesen Antrag einbringen zu wollen. Das ist ein ganz schlechter Stil.
Es ist die gute alte SPD, die glaubt, auch in solchen Fragen nicht auf andere Parteien zugehen zu müssen, sondern sich als Hamburg-Partei ganz alleine hinstellen zu können. Wäre ich zu diesem Antragsentwurf gefragt worden, hätten wir natürlich etwas Gemeinsames zustande gebracht. Ich will nur ganz kurz sagen, wo wir auch noch Kritikpunkte sehen.
Erstens: Durch unsere Initiative seitens der GAL und der CDU ersparen wir uns vieles. Die SPD hat nämlich vorgeschlagen, dass sich alle zuständigen Ausschüsse mit der Resolution beschäftigen. Wir sagen, das macht der Europaausschuss. Wir lassen uns auch vom Senat darüber berichten, und zwar im Frühsommer des nächsten Jahres, wenn wir die nächste Ostseeparlamentarierkonferenz im Europaausschuss vorbereiten wollen. Das ist fachlich etwas präziser.
Zweitens: Wer sich den SPD-Antrag anschaut, stellt fest, dass er eine abgekupferte, abgeschriebene Version der letztjährigen in Mecklenburg-Vorpommern verabschiedeten Resolution ist.
Meinen Schülern bringe ich immer bei, auf copy and paste zu verzichten. Das ist ein ganz schlechter Stil.
Inhaltlich geht das so weit, dass sogar die Themen und Überschriften der letztjährigen Resolution in Ihrem Antrag aufgenommen werden und nicht das, womit wir uns dieses Jahr in Mariehamn beschäftigt haben. Das haben wir bei der Gelegenheit korrigiert und die uns wichtigen Punkte aufgeschrieben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Häufig verstellen Klischees unseren Blick auf die Welt und das betrifft sicherlich auch die Europäische Union. Wenn man den durchschnittlich politisch interessierten Menschen fragt, wofür die EU ihr Geld ausgibt, dann bekommt man Antworten wie "für Agrarsubventionen zur Förderung von großen Agrarfabriken" oder aber auch "zur Finanzierung riesiger Verwaltungsund Beamtenapparate in Brüssel und anderswo".
In den Augen vieler Menschen erscheint die EU als ein bürgerferner Moloch, bei den Menschen vor Ort kommt kaum etwas an. Die Große Anfrage der
CDU beweist auch hier wieder das Gegenteil. Der Europäische Sozialfonds, Frau Badde erwähnte es schon, ist 1957 zusammen mit den Römischen Verträgen geschaffen worden und zeigt, dass Sozialpolitik von Anfang an für die Europäische Gemeinschaft und spätere Europäische Union ein zentraler Punkt war.
Ein Fördervolumen in Höhe von 75 Milliarden Euro innerhalb von sieben Jahren stellt rund 10 Prozent des EU-Haushaltes dar. Das beweist, dass Sozialpolitik ein beachtlicher Faktor in der europäischen Politik ist, ein Faktor allerdings, der auch noch erweiterungs- und steigerungsfähig ist. 80 Prozent dieser 75 Milliarden Euro, die die EU bereitstellt, gehen in strukturschwache Gebiete Europas. Auch dies ist ein Beweis dafür, dass die Europäische Union sich ihrer sozialen Verantwortung stellt. Den reichen Regionen wie Hamburg wird allerdings auch ein Anteil zur Verfügung gestellt. Hier siegt das Subsidiaritätsprinzip, so wie wir das auch in vielen anderen Bereichen der Europäischen Union erwarten. Das Geld kommt von der EU aus Brüssel, aber wir vor Ort entscheiden, wo es sinnvoll eingesetzt werden kann und wie wir etwas für die Menschen bei uns bewegen können. Es sind für Hamburg immerhin 87 Millionen Euro und die Kollegin Ahrons hat schon darauf hingewiesen, dass wirklich etwas vor Ort ankommt und wie viele Projekte gefördert werden. Es sind 121 Projekte und über 25 000 Menschen in diesen Projekten, die bereits seit 2007 in dieser Förderperiode von den ESF-Mitteln profitiert haben.
Die ESF-Mittel sind wichtig, wichtig ist aber auch, dass Hamburg sich trotzdem in der Sozialpolitik nicht vor der Verantwortung drückt, denn diese Mittel erfordern Komplementärmittel. 50 Prozent der sozialen Maßnahmen, die aufgrund des Europäischen Sozialfonds betrieben werden, werden von Hamburg mitfinanziert, teilweise finanziert Hamburg sogar zwei Drittel der Maßnahmen. Eine ganze Reihe von wichtigen Projekten werden durch diesen Sozialfonds in Hamburg überhaupt erst möglich gemacht. Ich möchte beispielhaft ein paar davon nennen, die gerade uns Grünen wichtig sind. So wenden sich 33 Projekte ausschließlich oder schwerpunktmäßig an Hamburger mit Migrationshintergrund. Beispielsweise bekommen immigrierte Beschäftigte im Pflegebereich, deren frühere Berufsausbildung im Ausland nicht anerkannt wird, durch solche Fördermaßnahmen nun eine berufliche Chance. Dann gibt es die Ausbildungsinitiative im Handwerk. Viele Handwerksbetriebe, die von Migranten geleitet werden, sind aus verschiedensten Gründen nicht ausreichend in der Ausbildung engagiert; die Betriebe werden besucht, um das zu fördern. Ganz besonders sympathisch ist die Initiative zur Förderung der Berufschancen von Flüchtlingen, die noch keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben und trotzdem schon auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden.
Auch hier fließen EU-Mittel und komplementär dazu Hamburger Mittel.
Ich möchte auch noch die zwei Programme zur beruflichen Qualifikation von Strafgefangenen nennen, um ihnen nach der Haftentlassung die Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen. Weitere Gelder gehen in die Quartiere; zum Beispiel werden Langzeitarbeitslose für die Arbeit in sozialen und kulturellen Projekten in benachteiligten Quartieren qualifiziert. Das ist ein Beispiel für Quartierspolitik, die durch ESF-Mittel ermöglicht wird. Es gibt auch Beratungsstellen zur Förderung von Nahversorgungszentren. Auch dies zeigt, dass diese Mittel nicht nur den Menschen helfen, sondern auch den Quartieren. Am ESF zeigt sich, dass Europa beim Bürger ankommt.
Die SPD hat die Überweisung an die Ausschüsse beantragt. Mir hat sich noch nicht so ganz erschlossen, warum das sein muss. Die Große Anfrage ist vom Senat gut beantwortet worden und es ist in der Debatte auch kein großer Dissens deutlich geworden oder Handlungsbedarf, der in den Ausschüssen noch weiter geklärt werden müsste. Gerade zwischen CDU, SPD und GAL gibt es doch große Gemeinsamkeiten in Fragen der Europapolitik. Sie haben noch kleinere Nachjustierungen gefordert, aber ich glaube nicht, dass das im Ausschuss geklärt werden muss.
Ich würde gern noch einmal auf meine Kollegen von der LINKEN eingehen. In dieser Fraktion sitzen die großen Europakritiker und ich möchte den Kollegen Bischoff, der gleich sprechen wird, auffordern, seine Sicht der Dinge darzustellen. Wenn ich mir die Position der LINKEN zur Europapolitik anschaue, dann sehen sie die EU als eine Gemeinschaft, in der der Neoliberalismus gesiegt hat und die im Prinzip eine Institution zugunsten der Wirtschaft ist und nur den wirtschaftlich Starken nützt. Jetzt bin ich einmal gespannt, wie Sie das auch vor dem Hintergrund der Antworten sehen, die wir auf diese Große Anfrage bekommen haben. Die EU dient gar nicht den wirtschaftlich Starken oder nur der Wirtschaft, das ist falsch. Die haben nämlich die EU gar nicht nötig gehabt.
Gehen wir einmal zurück in die Zeit des Nationalismus, in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg, ins Jahr 1913. Wie war denn das in Europa? Das Großbürgertum und die Adligen haben sich in Europa schon immer frei bewegt. Sie haben sich in Baden-Baden getroffen oder im Sommer an der Côte d'Azur oder bei kulturellen Events in Paris. Sie haben auch keine Kommunikationsschwierigkeiten gehabt, das Großbürgertum und die Adligen haben auf Französisch parliert. Und die Wirtschaft brauchte vor 1914 auch nicht unbedingt eine europäische Einigung. Deutschland war auch damals schon Exportweltmeister auf dem Kontinent und konnte seine Wirtschaft ohne große Probleme ent
wickeln. Der europäische Gedanke ist kein Gedanke, den nur die Wirtschaft und die Reichen und Schönen brauchten, die hatten ihr Europa längst realisiert.
Die Antworten auf die Große Anfrage zeigen, dass der europäische Gedanke deshalb heute so wichtig ist, weil die EU mittlerweile auch eine starke soziale Komponente hat und dem Normalbürger hilft.
Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ganzer Regionen oder auch die Fortbildung für Menschen werden zielgerichtet gefördert und damit hat die Europäische Union bereits jetzt ein soziales Fundament, auf dem wir in Zukunft weiter aufbauen können. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Anlass zur heutigen Debatte ist ein außerordentlich seltener, aber auch ein sehr erfreulicher. Hamburg schließt eine weitere Städtepartnerschaft ab, und das nach fast 20 Jahren Abstinenz. Die letzte Städtepartnerschaft wurde Anfang der Neunzigerjahre abgeschlossen. Diesmal richten wir den Fokus auf Afrika und glücklicherweise fällt diese Unterzeichnung der Städtepartnerschaft mit der Weltmeisterschaft zusammen, mit der das öffentliche Interesse sowieso sehr stark auf Afrika fokussiert ist.
Mit dieser Städtepartnerschaft werden wir dafür sorgen, dass Afrika für Hamburg kein vergessener Kontinent bleibt. Acht Städtepartnerschaften haben wir abgeschlossen. Wenn man sich diese anschaut, kann man sie in zwei Phasen einteilen. In einer ersten Phase haben wir Städtepartnerschaften abgeschlossen, um Gräben zu überwinden, um das schwere Erbe des Krieges anzugehen und uns mit den deutschen Verbrechen auseinanderzusetzen, die dort geschehen sind. Das war der Fall bei der Städtepartnerschaft mit Leningrad und dann mit Marseille. In einer zweiten Phase haben wir vor allen Dingen Städtepartnerschaften abgeschlossen, um wirtschaftliche Kontakte in aufstrebenden Regionen der Welt zu knüpfen; Shanghai und Osaka in den Achtzigerjahren wären da zu nennen. Dort dienten die Städtepartnerschaften vor allen Dingen dazu, Türöffner für Wirtschaftsdelegationen zu sein. Der Kontakt auf der menschlichen Ebene blieb dabei relativ gering.
Wo ist nun die neue Städtepartnerschaft mit Daressalam einzuordnen? Gibt es jetzt eine dritte Phase, eine neue Konzeption, eine neue Qualität? Ich glaube, nein. Meiner Meinung nach kehren wir zurück zu den Städtepartnerschaften der Fünfzigerjahre. Wieder geht es darum, Gräben zu überwinden. Diesmal geht es nicht um die Überwindung der Gräben von Krieg und Kaltem Krieg, sondern zum Beispiel um die Überwindung des Grabens, den das Mittelmeer zwischen Afrika auf der einen und Europa auf der anderen Seite darstellt, dieses Massengrab, in dem seit 1992 schon über
zehntausend Menschen auf der Flucht ertrunken sind und dies mit hoher Dunkelziffer. Diese Gräben bestehen also weiter und sie bestehen nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Wirtschaftskontakte mit Afrika. Hohe Handelshemmnisse der EU sorgen dafür, dass afrikanische Produkte nicht in dem Maße auf den Markt kommen können, wie es eigentlich der Fall sein sollte.
Wir haben es – dies ist eine weitere Parallele zu den Städtepartnerschaften der Fünfzigerjahre – auch mit der Überwindung von Krieg zu tun, mit der Auseinandersetzung mit deutschen Verbrechen. Dabei geht es um den Kolonialismus und die deutsche Kolonialvergangenheit. Gerade Hamburg hat dabei eine zentrale Rolle gespielt und wir haben den afrikanischen Völkern und gerade auch den Völkern in Tansania und den Menschen in Daressalam ihre Freiheit geraubt. Während der deutschen Kolonialherrschaft haben wir Zwangsarbeitssysteme in den Kautschuk- und Baumwollplantagen eingeführt. Beim Maji-Maji-Aufstand 1905 starben nach Schätzung zwischen 100 000 und 300 000 Menschen als Opfer des deutschen Kolonialkriegs; auf deutscher Seite starben 15 Kolonialsoldaten. Zu trauriger Berühmtheit brachte es Paul von Lettow-Vorbeck, ein deutscher Kolonialoffizier, dessen Politik der verbrannten Erde während des Ersten Weltkriegs zu mindestens 100 000 Opfern geführt hatte, als er die deutsche Kolonie in verzweifeltem Widerstand gegen die Engländer verteidigte. Diese Kolonialvergangenheit ist noch gar nicht richtig aufgearbeitet.
Noch immer steht das Bismarck-Denkmal als eines der zentralen Denkmäler am Hafen. Dem Mann, der als Reichskanzler das deutsche Kolonialreich errichtet hat, wird hiermit kritiklos gehuldigt. Lange, lange Jahre hatten wir die Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld, die nicht deshalb geschlossen wurde, weil wir mit Lettow-Vorbeck ein Problem hatten, sondern weil der Kalte Krieg vorbei war. Und immer noch gibt es in Wandsbek die Wißmannstraße, die Straße zum Gedenken an Hermann von Wissmann, den Reichskommissar und Gouverneur in Deutsch-Ostafrika. Stuttgart und Hannover haben im letzten Jahr ihre Wissmannstraßen umbenannt, weil sie es unerträglich fanden, dass so ein Kolonialoffizier noch immer als Vorbild gewürdigt wird. Wir sollten darüber nachdenken, ob das nicht auch ein Schritt für Hamburg wäre.
Diese Städtepartnerschaft, bei der Daressalam symbolisch für alle afrikanischen Städte und alle Afrikaner steht, soll so etwas auch in unseren Köpfen in Hamburg verändern. Es soll keine reine Entwicklungspartnerschaft werden. Wir sammeln keine alten Müllfahrzeuge oder alten Medizingeräte,
um damit die Menschen in Daressalam zu beglücken. Es geht auch nicht darum, mit großzügiger Geste Geldgeschenke vor Ort zu verteilen. Es geht um diese berühmte Begegnung auf Augenhöhe. Im wirtschaftlichen Bereich wird das aufgrund der hohen Handelshemmnisse und der Zollschranken, die vor allem der EU-Gesetzgebung geschuldet sind, ausgesprochen schwierig. Aber jeder Hamburger Bürger kann durch sein Konsumverhalten dafür sorgen, dass Afrika und somit auch Daressalam eine faire Chance bekommen, nämlich indem man zum Beispiel faire Produkte kauft. Wir als Stadt werden uns weiterhin für die faire Beschaffung einsetzen. Wir haben dazu auch einen Antrag beschlossen, dass wir uns als faire Handelsstadt, als Fairtradetown, bewerben und dieses Thema weiter bewegen werden.
Weiterhin unterstützen wir auch nachdrücklich das Engagement der Open School, die mit vorbildlicher Bildungsarbeit in den Schulen aktiv ist, zu den Jugendlichen hingeht, auf die Benachteiligung Afrikas hinweist und nun auch in der Arbeit mit Tansania einen Schwerpunkt bilden wird, da Daressalam jetzt eine Partnerstadt von uns wird.
Eine letzte große Herausforderung aus dieser Städtepartnerschaft ist meiner Meinung nach der Umgang mit unseren Freunden aus Afrika. Es ist noch nicht allzu lange her, da wurden in Carl Hagenbecks Tierpark sogenannte Völkerschauen organisiert. Das geschah bis in die Dreißigerjahre hinein und es gibt noch Menschen, die das erlebt haben. Dort wurden Menschen aus Afrika wie Tiere ausgestellt. Der eine oder andere wird auch das Buch "Neger, Neger, Schornsteinfeger!" von Hans Jürgen Massaquoi gelesen haben, in dem er unter anderem schildert, was ihm als Jugendlichen passiert ist und wie er in Hamburg nicht nur Opfer der rassistischen Politik der Nazis geworden ist, sondern auch begafft worden ist, weil er dunkelhäutig war, weil er ein Schwarzer war und in welchem Maße er Hohn und Verfolgung seitens seiner Mitbürger ausgesetzt war.
Diese Städtepartnerschaft steht auch dafür, dass wir uns daran gewöhnen müssen, dass auch Hamburger mit afrikanischen Wurzeln ein selbstverständlicher Teil der hamburgischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts werden. So wie heute der Austausch mit Russen, Chinesen, Amerikanern, Tschechen ein selbstverständlicher Bestandteil geworden ist, so müssen wir in dieser Städtepartnerschaft auch dafür kämpfen, dass es zwischen Afrika, zwischen Daressalam auf der einen Seite und Europa, Hamburg auf der anderen Seite zu regem normalen menschlichen Austausch und Kontakt kommt.
Die Weltmeisterschaft zeigt symptomatisch die Probleme Afrikas auf. Afrika hat tolle Mannschaften, tolle Fans, hervorragende Spieler, aber bislang lief es noch nicht so besonders gut für die afri
kanischen Mannschaften. Genau solche Probleme hat Afrika aktuell auch. Das Potenzial ist aber immer noch da und ich bin sicher, dass die afrikanischen Mannschaften noch einige schöne Siege feiern können werden, und so wird auch Afrika insgesamt in den nächsten Jahrzehnten einen ganz positiven Weg nach oben gehen. Wir werden als Partnerstadt von Daressalam diesen Weg Afrikas mit nach oben begleiten. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist die HGV ein Verschiebebahnhof für die finanzpolitischen Spekulationen des Senats, wie der Kollege Völsch sagt, oder aber ein Instrument für wichtige strukturpolitische Maßnahmen, wie Herr Dr. Bischoff sagt? Ich meine, Herr Völsch fällt hier ein wenig aus dem Rahmen. Eben haben sich CDU und LINKE schon recht harmonisch zu diesem Thema geäußert. Diesmal verdanken wir der LINKEN ein Thema, das gar nicht so kontrovers zu diskutieren ist. Natürlich ist die HGV ein Instrument für wichtige strukturpolitische Maßnahmen, sie ist es immer gewesen und wird es auch in Zukunft bleiben.
Herr Dr. Bischoff hat darauf hingewiesen, dass zehn erfolgreiche Jahre hinter uns liegen. Allerdings gab es vorher über 20 Jahre hinweg ständig Verlustausgleiche. Warum gab es diese zehn erfolgreichen Jahre?
Das lag auch an großen Dividendenbringern wie der HSH Nordbank oder der HHLA und an Aktionen wie der Beiersdorf-Beteiligung, die wir kurzzeitig gehalten haben, oder an den Spekulationen um die Norddeutsche Affinerie. Das werden wir in Zukunft so nicht mehr haben können – unabhängig von der Wirtschaftskrise, von der die HGV besonders hart getroffen ist – und das wollen wir auch nicht. Wir sitzen zusammen im PUA und wissen, dass die HSH Nordbank bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr an Gewinnen abgeführt hat; die können wir gar nicht mehr wollen und auch nicht mehr erwarten.
Die HGV hat die Aufgabe – Herr Völsch hat darauf hingewiesen –, eine Mischfinanzierung zu ermöglichen. Wir haben eine ganze Reihe von öffentlichen Unternehmen, die Verluste erbringen und auch erbringen müssen. Ich nenne da nur die Hochbahn und die VHH, also die öffentlichen Verkehrsbetriebe, die Bäderland oder die HADAG. Auch die Betreibung der Park-and-ride-Anlagen ist aus grüner
Sicht ganz wichtig. Es ist richtig, dass wir dort die Verluste übernehmen.
Was sind denn die Alternativen? Über die haben wir noch gar nicht gesprochen. Was könnten wir machen, wenn wir die 90 oder 95 Millionen Euro an Verlusten nicht übernehmen? Wir könnten uns natürlich hemmungslos verschulden, ähnlich wie der Bund das tut; das wollen wir nicht. Wir könnten Vermögen aktivieren; auch das will keiner.
Vermögensaktivierung bedeutet, dass man Immobilien veräußert, zum Beispiel SAGA- und GWGImmobilien oder die Museumsgebäude, die im Besitz der HGV sind. Auch die Polizeiwachen gehören der HGV – die will niemand veräußern.
Wir könnten Anteile veräußern: HHLA-Anteile oder HSH-Nordbank-Anteile. Das würden wir gern, zumindest was die HSH Nordbank anbelangt, aber wir werden dafür im Moment keinen Preis erzielen können.
Oder aber wir könnten die Verlustbringer entsprechend beschneiden und das Leistungsangebot der Hochbahn und der VHH kürzen, bei Bäderland kürzen und Bäder schließen – auch das will keiner.
Es ist also alternativlos, sich diesen 95 Millionen Euro in diesem und den Folgejahren zu stellen. Wir werden das durch globale Minderausgaben finanzieren, irgendwo wird es in diesem Haushalt erwirtschaftet werden müssen. Wo die 95 Millionen Euro übrig bleiben, wird der Senator das Geld ganz schnell blocken. Das ist die vernünftige Vorgehensweise.
Wir brauchen auch in Zukunft Unternehmen in öffentlicher Hand und wir wollen die HGV so, wie sie ist, erhalten. Wovon wir uns natürlich trennen wollen und müssen, sind die HSV-, nein, die HSH-Anteile.
Die Frage ist auch, ob wir die Daedalus auf ewig behalten müssen und damit eine mittelbare Beteiligung an der EADS von 0,75 Prozent. Wichtig ist aber, dass die HGV die sozialen Aufgaben fortführen kann, die sie im Bereich SAGA GWG übernommen hat und auch ihre Aufgaben im Bereich Ökologie und Mobilität für alle, nämlich im öffentlichen Personennahverkehr, und die wichtige Aufgabe, wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu setzen.
Die 95 Millionen Euro kommen nicht aus der Portokasse, das ist kein Pappenstiel. Unsere Aufgabe
ist es jetzt, als Politiker soziale und wirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen und im Unterausschuss Vermögen und öffentliche Unternehmen und im Haushaltsausschuss eine strenge Kontrolle der HGV-Tätigkeiten durchzuführen, damit die HGV auch in Zukunft ihre sozialen und wirtschaftspolitischen Aufgaben wahrnehmen kann. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Anfang dieses Monats hat der Senat ein Europapolitisches Jugendkonzept vorgelegt und damit einen Arbeitsauftrag aufgegriffen, den CDU und GAL im Koaliti
onsvertrag vereinbart haben. Warum war es uns wichtig, ein solches Konzept ausarbeiten zu lassen und in dieser Legislaturperiode umsetzen zu können?
Wir haben dafür zwei Gründe. Zum einen fasziniert uns die Idee der Jugendpartizipation, die wir voranbringen wollen und die in diesem Konzept aufgegriffen worden ist. Politische Partizipation Jugendlicher ist uns wichtig. Im zweiten Quartal 2010 wird die Landeszentrale für politische Bildung ein Konzept zur Einrichtung von Jugendräten und Jugendparlamenten vorlegen. Wir haben einen Haushaltsantrag eingebracht; der Senat wird dafür Gelder zu Verfügung stellen.
Dass es uns auch in europapolitischer Hinsicht wichtig ist, zeigt die Abstimmung des Bundesrates vor zwei Wochen zu den europäischen Bürgerinitiativen. Mit den Stimmen Hamburgs wurde beschlossen, dass bei diesen seit dem Lissabon-Vertrag möglichen Initiativen Jugendliche ab 16 Jahren ein Stimmrecht haben werden. Das zeigt, dass wir die politische Partizipation von Jugendlichen sehr ernst nehmen.
Der zweite Grund, warum wir dieses Konzept gefordert haben, ist die Motivation für Europa. Wir stehen vor dem Phänomen, dass Hamburg regelrecht in Europa aufgegangen ist, dass wir eine weltoffene Stadt sind und ein Großteil unserer Handelsbeziehungen in Europa abgewickelt werden. Rund drei Viertel des Exports gehen in europäische Länder und über die Hälfte des Imports kommt aus ihnen. Die Hamburgerinnen und Hamburger leben Europa ganz selbstverständlich.
Andererseits stellt sich Hamburg, wenn es darum geht, Europa politisch zu gestalten, bei jeder Europawahl ein Armutszeugnis aus. Hamburg hatte bei den letzten beiden Europawahlen jeweils die zweitschlechteste Wahlbeteiligung; wir hatten diesbezüglich eine Anhörung im Europaausschuss. Uns erscheint es folgerichtig zu sagen, dass wir bei der Jugend ansetzen müssen. Wir wollen Europa für Jugendliche erlebbar machen, sie motivieren und den europäischen Gedanken in zukünftigen Generationen verankern.
Nun hat der Senat sein Jugendkonzept vorgelegt und dieses Konzept ist durchaus ehrgeizig. Es bilanziert, was bereits geleistet wird, ist aber auch ein Ausgangspunkt für neue Ideen und Initiativen. Daher ist es folgerichtig, es an den Europaausschuss zu überweisen, um Ideen aufzugreifen und vielleicht darüber hinaus noch Neues anzustoßen zu können.
Der Senat erkennt zu Recht sechs Handlungsfelder der Jugendarbeit: Bildung, Beschäftigung, gesellschaftliche Integration und Jugend in der Welt, Sport und Gesundheit, Kultur und Kreativität und politische Partizipation.
Im Bereich Bildung zeigt das Konzept, wie selbstverständlich Europa in der Bildungslandschaft und in unseren Schulen bereits angekommen ist, nicht nur in den Bildungsplänen und Unterrichtsmaterialien, der Lehrkräftefortbildung, sondern auch im Bereich der internationalen Kompetenzmessung, Stichwort PISA. Wir haben Sprachpässe und Sprachzertifikate. Die Bildungsgänge in Hamburg lassen sich mit anderen europäischen Bildungsgängen vergleichen und sind auf europäischem Niveau. Es gibt jede Menge individuelle Initiativen von Schulen mit europäischen Partnerschulen – Schüleraustausch ist etwas ganz Selbstverständliches geworden ist – und zusätzlich vielfältige institutionelle Schüleraustausche europäischer Programme. Wir haben in Hamburg Europa-Schulen und EU-Verantwortliche an den Schulen. Europa ist in den Schulen angekommen. Insofern ist das ein Bereich, in dem wir relativ gut aufgestellt sind.
Beim zweiten Bereich, inwieweit Europa für junge Menschen innerhalb ihrer Berufsausbildung greifbar ist, gibt es noch Handlungsbedarf. Wir haben zwar die europäischen Förderprogramme, ESF und das Grundtvig-Programm, wir haben auch ein von Europa finanziertes Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation. Letztendlich zeigt sich aber, dass wir für Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht an allgemeinbildenden Schulen, sondern in der Beraufsausbildung oder bereits im Beruf tätig sind, in dieser Hinsicht noch etwas machen müssen. Ich freue mich darauf, darüber im Ausschuss zu diskutieren und gemeinsam zu schauen, was wir dort erreichen können.
Zum dritten Bereich, gesellschaftliche Integration und Jugend in der Welt, sind die Antworten des Senats nicht immer ganz befriedigend. Es gibt eine ganze Reihe an Angeboten für Jugendliche, die in Europa aktiv werden wollen. Wir haben den jugendserver-hamburg.de und das Europa JUGEND Büro. Viele freie Träger der Jugendhilfe leisten eine beeindruckende Arbeit, die es Jugendlichen ermöglicht – meist nach ihrem Schulabschluss –, gen Europa oder in die Welt hinauszuziehen und dort ein halbes oder ein ganzes Jahr zu verbringen. Was aber ist mit den Jugendlichen, die sich nicht auf die Suche nach solchen Angeboten begeben und die diese Angebote auch nicht wahrnehmen? Wir sollten gemeinsam mit den Trägern der Jugendhilfe überlegen, wie wir an diese Jugendlichen herankommen können, um ihnen zu zeigen, dass Europa nicht nur Abiturienten etwas bringt, sondern ein breites Angebot für alle bietet und dass jeder, wo immer er in Beruf oder Ausbildung auch stehen mag, davon profitiert.
Im vierten Bereich Sport und Gesundheit zeigt das Konzept, dass wir auf ein breites Netz intensiver Kontakte zwischen Jugendlichen aus Deutschland und den europäischen Nachbarländern zurückgrei
fen können. Es gibt im Bereich Sport Wettkämpfe, Trainingslager und Jugendbegegnungen aller Art, die für viele Jugendliche der erste Kontakt mit Ausländern, mit Fremden sind. Bei solchen Sportveranstaltungen kann erlebt werden, wie anregend, belebend, aber vielleicht auch irritierend es ist, wenn viele Nationen zusammenkommen. Möglich wird dies durch das Engagement der Sportvereine und Trainer, der Jugendgruppenleiter und der Eltern, die solche Sportveranstaltungen oft erst dadurch ermöglichen, dass sie ihre Kinder begleiten oder Gäste aus dem Ausland aufnehmen, und natürlich durch viele engagierte Sportlehrer.
Ich glaube, in dem Bereich des Sports und der Jugend haben wir eine so breite Bürgerinitiative, die sehr viele Kontakte nach Europa trägt, dass wir uns dort als Staat, als Stadt auch erst einmal zurückziehen können und nicht verstärkt eingreifen müssen.
Anders sieht das im fünften Bereich aus, Kultur und Kreativität. Auch dort haben wir im Ausschuss noch eine ganze Menge Arbeit zu leisten, um ein bisschen Fleisch ranzubringen. Kulturaustausch wird wohl in begrenztem Maße von der Behörde für Kultur, Sport und Medien gefördert werden. Es wird auf ein Schülerprojekt zur Städtepartnerschaft Hamburg/Prag hingewiesen und es ist auch ein Projekt der Hamburger öffentlichen Bücherhallen auf den Weg gebracht worden, Internetforen anzuregen. Aber gerade in der kulturellen Jugendarbeit können wir noch ein ganzes Stück vorankommen.
Zur politischen Partizipation, dem sechsten Punkt, habe ich schon einiges gesagt. Ich möchte vielleicht noch darauf hinweisen, dass es auch dort eine Reihe von engagierten Jugendlichen gibt, zum Beispiel in der JEF, bei den Jungen Europäischen Föderalisten. Es wird der Europamarkt durchgeführt, wo sich gerade diese europapolitischen Jugendorganisationen einmal im Jahr auf dem Gänsemarkt präsentieren. Wir haben letztes Jahr ein Jugendparlament hier gehabt im Rahmen der BSSSC, deren Vorsitz Hamburg gerade hat. Zurzeit führt auch das Parlamentsforum Südliche Ostsee so ein Jugendparlament ein und ich hoffe, dass alle Hamburger Parteien sich daran beteiligen können und werden. Das nächste Treffen dieser Jugendlichen am Rande des Parlamentsforums Südliche Ostsee wird im März in Allenstein stattfinden und es ist vorgesehen, dass auf dieser traditionellen Parlamentarierkonferenz auch engagierte Jugendliche aus dem Kaliningrader Gebiet, aus dem nördlichen Polen und aus den drei nördlichen deutschen Bundesländern zusammenkommen.
Wir werden das Konzept also an den Ausschuss überweisen. Neben dem eben Genannten würden wir dort gerne auch noch über weitere wichtige Fragen sprechen, bei denen die Antworten noch nicht ganz so überzeugend sind. Die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die
se europapolitische Bildungsarbeit haben wir noch nicht richtig berücksichtigt. Jemand mit familiären Wurzeln in Vietnam sieht den europäischen Gedanken und die EU sicherlich ganz anders als jemand mit familiären Wurzeln in der Türkei oder der Schweiz. Wir müssen uns also überlegen, wie wir auch Jugendlichen, die in anderen Kulturen verwurzelt sind, die Bedeutung des Europagedankens nahebringen.
Wir wollen, dass noch mehr Austauschprogramme, Freiwilligenprogramme durchgeführt und entsprechend beworben werden. Welche Konzepte können dafür entwickelt werden, damit es für Schulabgänger viel natürlicher wird, für ein Jahr ins Ausland zu gehen und dort wichtige Erfahrungen zu machen für sich selber, aber natürlich auch im Kontakt mit dem Ausland, mit den Fremden. Das halte ich für eine ganz wichtige Sache. Wir haben beobachten müssen, dass durch die Verkürzung der Gymnasialschulzeit der Austausch innerhalb des elften Schuljahres ganz stark zurückgegangen ist. Vielleicht sollten die Schüler, die jetzt nach G12 das Abitur machen, dieses eine gewonnene Jahr nutzen, um dann gleich einmal ins Ausland zu gehen.
Der Senat beziehungsweise das Landesinstitut wird in wenigen Tagen das Konzept "Europa in der Schule" vorlegen, ein Konzept, an dem schon sehr lange gearbeitet worden ist und auf das wir ganz gespannt warten. Dann werden wir noch einmal die Fragen aufgreifen müssen, ob Europa in der Schule hinreichend verankert ist und ob nicht vielleicht doch noch einiges zu optimieren ist.
Ein Letztes, was mir persönlich ganz wichtig ist, möchte ich noch ansprechen. Vielleicht können wir konzeptionell auch unsere europäischen Partnerstädte Prag, Marseille, St. Petersburg, vielleicht auch Dresden in dieses Jugendkonzept mit einbinden und gerade auch darauf einen inhaltlichen Schwerpunkt setzen, sodass die Kontakte zu den Städten, mit denen die Zusammenarbeit nicht so gut läuft – Marseille und Prag – im Rahmen dieses Jugendkonzepts noch einmal neu belebt werden.
Ich freue mich also auf eine hoffentlich anregende, vielleicht manchmal auch strittige Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Einiges von dem, was Frau Dobusch gesagt hat, kann ich so nicht stehenlassen und möchte es richtigstellen. Dieser hohe Ton der Entrüstung ist falsch, er ist inhaltlich falsch und zeigt auch, wo die Grenzen Ihrer fachlichen Kompetenz sind.
Selbstgerechtigkeit ist bei diesem Thema nämlich völlig unangebracht. Es ist erstmalig, dass eine Landesregierung so ein Konzept aufgestellt hat.
Zum anderen können Sie bei vielen dieser aufgeworfenen Fragestellungen nicht erwarten, dass der
Senat schon antworten kann, denn er hat auch nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Insofern ist es richtig, Leerstellen aufzuzeigen, und dann werden wir sehen, wie wir dort Antworten finden.
Ein kleiner Verweis zum Thema Jugendpartizipation: Es ist die GAL, die bislang in dieser Legislaturperiode als einzige Anträge zur Förderung von Jugendpartizipation gestellt hat.
EU-Abgeordnete: Es ist richtig, dass bei der Veranstaltung des Landesjugendrings Knut Fleckenstein für die SPD da war. Warum waren die anderen Abgeordneten nicht dabei? Weil Sitzungswoche im EU-Parlament war und nicht, weil sie Desinteresse an dieser Veranstaltung hatten. Es war den Veranstaltern frühzeitig mitgeteilt worden, dass die Abgeordneten nicht konnten. Dass Herr Fleckenstein es möglich gemacht hat, ist schön und ehrenwert, aber zu unterstellen, dass dort die Arbeit des Landesjugendrings ganz bewusst mit Füßen getreten worden ist von den anderen Parlamentariern, ist falsch.
Übrigens, unser Abgeordneter Jan Philipp Albrecht ist 26, ich glaube, das ist wirklich gelebte Jugendpartizipation.
Ich möchte die Abgeordneten der SPD in dem Alter sehen, die machen nämlich noch die Ochsentour durch die Kreisverbände.
Außerdem haben Sie bei der Veranstaltung des Landesjugendrings am 1. Februar einiges durcheinander bekommen. Diese Veranstaltung war keine Veranstaltung des Senats, um diesen Trägern der freien Jugendarbeit vorzugaukeln, sie dürften jetzt Einfluss nehmen auf das Konzept. Das Konzept war den Trägern seit dem Spätsommer letzten Jahres bekannt, sie waren längst dazu angehört worden. Hier das Märchen zu erzählen, dass sie politisch naiv dorthin gegangen wären und dachten, sie würden jetzt angehört und am nächsten Tag würde die Pressekonferenz folgen, ist einfach Unfug. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Frau Dobusch hat das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorlage des Jahresberichts 2010 des Rechnungshofs ist für uns Grüne in gewisser Weise ein besonderer Moment. Zum ersten Mal berührt er jetzt einen Zeitraum, in dem auch Grüne Regierungsverantwortung getragen haben. Deshalb können wir uns das leider nicht mehr so leicht machen wie Frau Dr. Schaal, die sich da doch recht selbstsicher zurückgelehnt hat, die vermeintlichen und vielleicht auch wirklichen Fehler des Senats geißelt und den Eindruck
erweckt, als ob eine SPD-regierte Landesregierung solche Probleme nicht kennen würde.
Wir lesen leider Gottes wieder Ähnliches wie wir es auch in den letzten Jahren lesen mussten: Verstöße gegen die Wirtschaftlichkeit, gegen das Budgetrecht der Bürgerschaft und auch wieder, dass Wirtschaftlichkeitsprüfungen gar nicht erst vorgelegt worden sind. Diese Probleme begleiten uns weiter und wir Abgeordnete müssen dort weiter die Finger in die Wunde legen.
Wir lesen vor allen Dingen auch Kritik, die uns Grünen weh tun muss. Ich nenne hier beispielhaft die Kritik an der mangelnden Nachhaltigkeit, am Substanzverzehr des Hamburger Vermögens; der Straßenbau, das Thalia-Theater oder auch die Bauten der Universität waren genannt. Treffen muss uns auch – und das können wir so nicht stehen lassen – die Kritik am Ausbau des Radwegenetzes oder der Umgang mit den Problemen bei Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf. Als vierten Punkt will ich noch die Lehrerkapazitäten an Gesamtschulen nennen, die nicht optimal ausgenutzt werden. All das muss aus grüner Sicht dringend nachgearbeitet werden, das können wir so nicht akzeptieren.
Der Substanzverzehr beim Straßenbau – das haben meine Vorredner schon benannt – beträgt 55 Millionen Euro pro Jahr, das ist eine wahnsinnige Summe.
Wir haben dies dann auch noch beim Hochschulbau, bei der Hamburg Port Authority und bei anderen Dingen. Wir können es uns aber vielleicht nicht so leicht machen wie Frau Dr. Schaal. Wir Haushaltspolitiker müssen alle überlegen, ob diese Kritik des Landesrechnungshofs uns nicht dazu bringen muss, Haushaltspolitik neu zu denken. Wenn wir wirklich – auch im Sinne der Doppik, des neuen Haushaltswesens – den Substanzverzehr vermeiden und tatsächlich das öffentliche Vermögen erhalten wollen, dann müssen wir die Haushalte vollkommen neu aufstellen, weil wir natürlich für den Straßenbau, die Hochschulen, den Schulbau und für vieles andere sehr viel mehr Geld bereitstellen müssen.
Es wäre schön, wenn da sozusagen ein Ruck durch die Bürgerschaft gehen würde. Deshalb eignet sich das Thema eigentlich gar nicht für eine einfache Polemik der Opposition, sondern wir sollten versuchen, wie wir da fraktionsübergreifend ein Umdenken zumindest einleiten können; das wäre schon einmal sehr viel.
Anders als Frau Dr. Schaal gesagt hat, sollte die Substanz dessen, was wir lesen durften, zumin
dest formal erst einmal von uns im Rechnungsprüfungsausschuss geprüft werden, der sich im Juni dann an drei, vielleicht sogar an vier Abenden damit beschäftigen wird. Erfahrungsgemäß muss man natürlich einräumen, dass die Kritik des Landesrechnungshofs, die wir bisher in den letzten Jahren erlebt haben, in der Sache immer fundiert war. Wir dürfen insofern leider Gottes davon ausgehen, dass das nicht ganz falsch ist, was wir dort lesen mussten. Die GAL hat aber für sich immer den Anspruch erhoben, eine nachhaltige und solide Haushaltspolitik zu machen. Diesen Anspruch geben wir auch in Regierungsverantwortung nicht auf. Deshalb werden wir weiter unsere Kontrollrechte als Bürgerschaftsabgeordnete ganz konsequent wahrnehmen und es weiterhin nicht zulassen, dass es Verstöße gegen das Budgetrecht gibt, öffentliche Gelder verschwendet werden oder keine Kontrolle der Wirksamkeit staatlichen Handelns durchgeführt wird. Dies werden wir weiter nicht akzeptieren und insofern eine engagierte Politik als Haushaltspolitiker in der Bürgerschaft machen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Tschentscher, als Sie eben nach vorne traten, habe ich zuerst gedacht, es sei wieder ein Angebot für Rot-Rot-Grün. Einnahmesicherungsklausel, die Vermögensteuer im Grundgesetz, Börsenumsatzsteuer – da sind wir auf einer Seite, aber es gibt keine Mehrheit dafür in dieser Regierung und es gibt auch keine Mehrheit im Bundesrat. Leider sind Sie dann abgedreht in billige Polemik, die zeigt, wie unklar doch der Kurs der SPD ist. Die Probleme, die wir mit dem Eis auf der Straße haben, sind sicherlich keine Probleme, die im Haushaltsausschuss gelöst werden, sondern die Probleme liegen auf einer anderen Ebene.
Worum geht es?
– Nein. Er soll selbst nach vorn kommen.
Es geht darum, dass Hamburg die Stadt mit den meisten Einkommensmillionären ist und deshalb auch in diesem Bereich eine ganz besondere Verantwortung hat. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zum Beispiel sieht vor, dass jetzt Erben, die mehr als 13 Millionen Euro erhalten, steuerlich entlastet werden und nur noch 35 Prozent Steuern zahlen, also unsere Millionäre.
Herr Dr. Tschentscher, noch eine kleine Ergänzung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Hier hat Hamburg sich enthalten und Sie wissen, im Bundesrat ist eine Enthaltung eine Ablehnung. Insofern können Sie uns nicht unterstellen, dass wir dies aktiv betrieben hätten.
Das Problem beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist nicht nur die Verantwortung für die Millionäre, sondern auch, dass wir zahlen sollen, was der Bund bestellt hat. Hier sind noch eine Menge Verhandlungen mit Berlin erforderlich, damit wir nicht auf den Kosten dieses Gesetzes sitzen bleiben. Dafür brauchen wir ein kräftiges Votum, eine starke Unterstützung der Bürgerschaft, damit der Finanzsenator bei seinen Verhandlungen entsprechend gestärkt wird.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. In der Schweiz liegen 260 Milliarden Franken, die aus Deutschland kommen. Diese 260 Milliarden Franken liegen dort nicht, weil die Zinskonditionen in der Schweiz so günstig sind, sondern weil wir dahinter durchaus kriminelle Energie vermuten dürfen. Es handelt sich um eine internationale kriminelle Vereinigung, mit der wir es zu tun haben, kriminelle Steuerhinterzieher aus Deutschland, Banken in der Schweiz und in Deutschland, die es ermöglichen, dass die Gelder dorthin transferiert werden, und ein Schweizer Staat, der es ermöglicht, dass dort das Geld entsprechend hinterzogen wird.
Jetzt haben wir die Möglichkeit, auf diese Steuerdaten zuzugreifen, und da unterstützen wir nachdrücklich, dass die Kanzlerin Merkel ankündigte, dass wir dies kaufen werden. Wir missbilligen ausdrücklich das Verhalten einiger Bundesländer wie zum Beispiel Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen, denen ebenfalls solche Daten angeboten wurden, die aber den Ankauf abgelehnt haben aus sehr durchsichtigen Motiven heraus. Sollte Hamburg solche Daten angeboten werden, dann müssen wir natürlich zuschlagen, denn in Hamburg ist auch noch die eine oder andere Million von Steuerhinterziehern zu holen.
Wir haben Großes vor. Herr Dr. Tschentscher hat schon darauf hingewiesen, dass weitere Probleme
auf Hamburg in finanzieller Hinsicht zukommen: Die Sanierung der Straßen, die Wiederinstandsetzung der Straßen nach den Frostschäden, aber auch die Folgen des Gerichtsurteils zu Hartz IV werden zusätzliche Belastungen für den Hamburger Haushalt mit sich bringen. Deshalb brauchen wir Einnahmegerechtigkeit auch bei den Steuermillionären.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Frank, wir nehmen uns ernst. Was ich nicht mehr so ganz ernst nehmen kann, ist diese wiederholte Debatte über den Entwicklungspolitischen Beirat
und dass wir zum wiederholten Male über etwas diskutieren müssen, was Sie wie ein Mantra durch die Stadt vor sich hertragen und auch entsprechend in der Szene verbreiten, nämlich dass dieser Beirat keine Kompetenzen habe und am Gängelband des Senats geführt würde. All das ist Unsinn, das wissen Sie. Wenn Sie es nicht glauben, warten Sie es doch ab. Wir haben – auch das haben wir beim letzten Mal, als wir darüber sprachen, schon gesagt – einen einstimmigen Beschluss der Bürgerschaft, dass dieser Entwicklungspolitische Beirat den Senat und uns Kollegen in entwicklungspolitischen Fragestellungen beraten und im Rahmen dieser Tätigkeit entwicklungspolitische Leitlinien entwickeln wird. Sie können Ihre Behauptungen noch so oft wiederholen, sie werden dadurch nicht richtiger.
Kommen Sie auf den Boden der Realitäten zurück, vertrauen Sie einfach einmal der Politik von Schwarz-Grün. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Hackbusch für maximal fünf Minuten.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Jahr 2008 war ein Jahr der Hoffnung für viele Chinesen und für
viele Freunde Chinas, ein Jahr der Hoffnung, dass es in Zusammenhang mit den Olympischen Spielen zu einer deutlichen Verbesserung der Menschenrechtssituation in China kommt. Diese Hoffnung ist enttäuscht worden, schon sehr früh im Jahr 2008 mit der Niederschlagung der Unruhen in Tibet, dann aber auch im Umfeld der Olympischen Spiele mit den Zensurmaßnahmen gegen die akkreditierten Journalisten, mit dem Umgang von Vertriebenen, die im Rahmen von Baumaßnahmen der Olympischen Spiele als Wohnungslose und Wanderarbeiter durch die Großstädte zogen, und so weiter. Dazu kam noch der Umgang mit den Unterzeichnern der Charta 2008.
Das Thema Menschenrechte ist ein Thema, das immer aktuell ist und das wir heute auch nicht neu entdecken. Meine Vorredner haben schon auf die beiden aktuellen Anlässe hingewiesen. Ich möchte hinzufügen, dass der Rückzug Googles aus China auch mit zu diesem Thema gehört. Ein Land, das Angst vor einer Suchmaschine im Internet hat, scheint mir sehr armselig zu sein.
Auch in diesem Jahr wird es in Hamburg eine ganze Reihe von Anlässen geben, sich mit der Menschenrechtssituation in China auseinanderzusetzen. Herr Frank hat schon darauf hingewiesen, der Bürgermeister und vielleicht auch eine Delegation der Bürgerschaft werden Ende Mai nach Shanghai zur Weltausstellung fahren. Ähnlich wie 2008 mit der Olympiade wird China auch 2010 in den Medien sehr präsent sein. Für uns Hamburger wird dann nach den Sommerferien noch die CHINA TIME anstehen und der Hamburg Summit, der dann im November durchgeführt wird. Das sind zahlreiche Möglichkeiten, auch im Kontakt mit unseren Freunden aus China auf die Menschenrechtssituation hinzuweisen. Diese Kontakte werden wir alle nutzen, Senat wie Bürgerschaft.
Anders, als Herr Frank es dargestellt hat, sind wir überhaupt nicht ängstlich, wenn es um Menschenrechte geht. Wir haben gerade gestern im Europaausschuss über die Menschenrechtssituation in León debattiert, wir haben im Herbst letzten Jahres eine Anhörung zu den Wahlfälschungen in St. Petersburg gehabt. Wir haben in der letzten und in der aktuellen Legislaturperiode über die Laogai-Lager in China debattiert. Vor der letzten Shanghai-Fahrt der Bürgerschaft im Herbst letzten Jahres gab es ein Treffen am Rande der Vorbereitungen mit einem kanadischen Menschenrechtler, der sich mit schweren Menschenrechtsverletzungen in China auseinandersetzt. Dieses Angebot wurde von einer ganzen Reihe von Abgeordneten in Anspruch genommen und hat einen neuen Blick auf die Lage in China gegeben.
Am 28. Dezember konnte ich im "Hamburger Abendblatt" lesen, dass die SPD die Städtepart
nerschaft mit Shanghai infrage stelle. "Die Welt" titelt, die SPD fordere eine Aussetzung der Partnerschaft mit Shanghai. Herr Frank, wenn ich Ihren Zusatzantrag anschaue, bevor ich auf unseren eigenen Antrag eingehe: Wo ist diese Forderung geblieben? Ist die SPD sich eigentlich klar darüber, was sie will in der Chinapolitik?
Man besetzt die Medien mit diesem Thema Einfrieren der Partnerschaft, aber dann kommt ein Zusatzantrag, der, wie die Kollegin Machaczek richtig sagte, im Prinzip unsere Themen noch einmal abkupfert und um nur sehr wenige Aspekte ergänzt, die allerdings selbstverständlich mit zu unserer Politik gehören. So fordern Sie zum Beispiel, dass es NGO-Foren geben solle am Rande der CHINA TIME. Ich glaube, Sie haben sich noch nie das Programm der CHINA TIME angeschaut. Viele NGOs haben sich mit Menschenrechtsthemen bei CHINA TIME eingebracht. 2008 war es das Nordelbische Missionswerk, es war die Tibet-Initiative und auch das Institut für Arbeit, das zu Minderheitenrechten, zu Fragen der Zivilgesellschaft und des Rechtsstaats mit eigenen Themen dort im Programm vertreten war. Auch die GAL hat übrigens dort eine Veranstaltung zum Thema Menschenrechte in China gemacht. Wo ist die SPD geblieben?
Insofern wird auch in der CHINA TIME 2010 jede NGO, auch jede Partei, jede Parteistiftung, die Möglichkeit haben, sich mit Menschenrechtsthemen einzubringen. Dazu brauchen wir keine Foren am Rande, sondern in der CHINA TIME selbst müssen diese Menschenrechtsthemen neben all den Wirtschaftsthemen, den Themen Kalligrafie und so weiter präsent sein. Wir dürfen China nicht ohne Menschenrechte denken.
Sie produzieren in dem Antrag viel heiße Luft, das brauchen wir nicht.
Wir machen Folgendes mit unserem Antrag: Wir bekräftigen noch einmal unsere Menschenrechtspolitik und bringen einen neuen Aspekt hinein, nämlich Foren, die jetzt eingerichtet werden sollen in unserer Städtepartnerschaft, deutsch-chinesische Foren, auf denen Menschenrechtsprobleme und ein Rechtsstaatdialog behandelt werden. Hier können wir im Kontakt und Gespräch mit China das ansprechen, was uns unter den Nägeln brennt. Es wird eine sehr spannende Sache, dies auszuarbeiten. Das macht der Senat, der ist genauso aufgefordert wie die Bürgerschaft, wenn Sie sich unseren Antrag genau anschauen. Insofern können Sie dem sehr gut zustimmen.
Herr Böwer kann gern gleich selbst zu dem Thema sprechen.
China bleibt ein Land der Widersprüche. Einerseits schickt es sich mit großer wirtschaftlicher Dynamik an, die Großmacht des 21. Jahrhunderts zu werden; andererseits sehen wir die krassen Widersprüche zwischen Arm und Reich in China, wir sehen diese antiquierte Rolle der KP, die sehr hart die Fäden der Macht in der Hand hält und uns an ganz alte Zeiten erinnert. Wir sehen in China die rabiate Politik gegenüber Minderheiten, die Verfolgung der Tibeter, der Uiguren und anderer Minderheiten, wir sehen die riesige Umweltproblematik. Der Schlüssel, um diese vielen Probleme und Konflikte in China zu lösen, sind die Menschenrechte. Wenn China nicht die Menschenrechte respektiert, dann hat es keine Grundlage, um eine wirkliche Großmacht des 21. Jahrhunderts zu werden. Dieses Gespräch über Menschenrechte werden wir führen, wir Grüne, dieser Senat und diese Regierungsfraktion. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich doppelt Dank sagen. Erst einmal Dank an den Rechnungshof und an seine Mitarbeiter. Wieder einmal haben Sie mit Leidenschaft und mit großer Kompetenz gearbeitet und einen Rechnungshofsbericht vorgelegt, der von uns im Ausschuss voll und ganz bestätigt wurde. Die von Ihnen vorgebrachte Kritik hatte Hand und Fuß und wir haben uns dem immer anschließen müssen.
Der zweite Dank ist der Dank, den ich an die Kollegen im Rechnungsprüfungsausschuss richten möchte. Wir haben dort sehr engagiert und vor allen Dingen sachlich gearbeitet. Es gab keine kleinliche Parteipolitik, sondern es ging um die Sache, nämlich um die Probleme, die wir ansprechen mussten.
Womit haben wir uns beschäftigt? Wir mussten uns wieder mit einer ganzen Breite der Politik beschäftigen – das macht die Arbeit in diesem Ausschuss interessant –, die praktisch alle Behörden betroffen hat. Wir haben uns mit viel Ärgerlichem beschäftigt, aber zum Teil auch mit Kuriosem.
Ärgerlich waren, wie in den Jahren zuvor auch, die vielen Verstöße gegen das Budgetrecht der Bürgerschaft, also gegen unser Budgetrecht, und die vielen Verstöße gegen die Wirtschaftlichkeit. Das sind die ärgerlichen Sachen, gegen die wir – das haben auch meine beiden Vorrednerinnen gesagt – immer wieder alle gemeinsam ankämpfen
müssen. Wir müssen Verwaltungen und Behörden immer wieder dazu auffordern, unsere Rechte einzuhalten.
Es gab auch Kurioses; ich möchte zwei Beispiele nennen. So durften wir uns mit der Jugendmusikschule beschäftigen, die zeitweise nicht in der Lage war, Mahngebühren und Säumniszuschläge einzutreiben, weil sie keine Software dazu hatte. Da wundert man sich schon. Ein anderes Kuriosum, das vielleicht etwas ernsthafter ist: Jeden Tag, an dem die Sonne aufgeht, zahlen wir 4600 Euro für ein Landespolizeiorchester. Das dient nicht gerade der Sicherheit und dennoch haben uns die Vertreter der Innenbehörde engagiert dargelegt, warum wir aus ihrer Sicht das Landespolizeiorchester auf alle Fälle auch in Zukunft brauchen werden. Auch mit solchen Fällen haben wir uns beschäftigt.
Was habe ich gelernt, was habe ich mitgenommen und meinen Kollegen in der GAL-Fraktion mitgeteilt aus der Arbeit dieser drei Abende? Das sind drei Dinge.
Der Landesrechnungshof hat sich mit dem Konzernabschluss beschäftigt und dazu ein Sondergutachten vorgelegt, aus dem wir entnehmen konnten, dass er für mehr Transparenz über die tatsächliche wirtschaftliche Lage sorgt. Vom Rechnungshof wurde zu Recht gelobt, dass es keine Schattenhaushalte mehr gibt, sondern einen Überblick über das gesamte Vermögen. Dennoch gibt es noch Mängel hinsichtlich der Transparenz. Der jährliche Konzernabschluss muss noch transparenter werden. Wir haben – auch darauf haben meine Vorrednerinnen schon hingewiesen – über Bewertungsfragen gestritten und den Senat aufgefordert, uns da noch größere Klarheit zu verschaffen. Ich habe drei Punkte, und zwar unterstützt vom Rechnungshof, aus diesen Sitzungen mitgenommen.
Erstens ist das neue Steuerungswesen, die Doppik, gut und richtig. Wir sollten an diesem neuen Rechnungswesen festhalten, auch wenn in der einen oder anderen Fraktion Politiker im Rahmen der aktuellen Sparmaßnahmen darüber nachdenken, ob man die Umstellung auf das neue Haushaltswesen nicht ganz aufgeben sollte.
Das darf nicht sein, das haben die Diskussionen im Rechnungsprüfungsausschuss gezeigt. Es wurde aber deutlich, dass wir sehr viel mehr kompetente Begleitung brauchen. Wir haben alle einen Fortbildungsbedarf und müssen sehr ernsthaft die Einrichtung eines Budgetbüros diskutieren, damit wir alle als Abgeordnete besser mit diesem neuen Instrument der Haushaltsrechnungslegung umgehen können.
Als zweiten Punkt habe ich das Problem der Wirtschaftlichkeitsprüfung mitgenommen. Wir Politiker müssen diese Wirtschaftlichkeitsprüfungen immer
wieder in unseren Ausschüssen anfordern. In den Diskussionen um die HafenCity Universität haben wir ein langes Hin und Her gehabt, bis uns endlich eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgelegt wurde. Diese ist allerdings weitgehend formal geblieben. Das muss in der Sache substantiell besser werden. Wir haben auch andere Beispiele, wo eine solche Prüfung unterblieben ist oder nicht hinreichend war. Deshalb die Aufforderung an alle Kollegen, in ihren Ausschüssen immer wieder auch Wirtschaftlichkeitsprüfungen einzufordern.
Der dritte problematische Bereich, den ich mitgenommen habe, ist die Auslagerung von öffentlichen Aufgaben in Landesbetriebe, Anstalten öffentlichen Rechts oder GmbHs, AGs und so weiter. Das Beispiel Planetarium hat gezeigt, wie schwer es teilweise möglich ist, dort politische Wirtschaftlichkeitsvorgaben durchzusetzen. Die Kulturbehörde hat dort einen mühseligen Kampf führen müssen. Wir müssen unseren Blick schärfen und sehen, dass wir auch in ausgelagerten Betrieben das Sagen haben. Auch da muss die Politik durchgreifen können, das ist immer noch ein großes Problem.
Nach der von uns geleisteten Arbeit möchte ich abschließend sagen: Es hat sich wieder gezeigt, dass wir gerade in der Haushaltslage, in der wir jetzt sind, kritische Haushälter in allen Fraktionen brauchen. Diese kritischen Haushälter bedürfen einer engagierten und kritischen Begleitung durch den Rechnungshof. Dafür möchte ich diesem noch einmal danken. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, lieber Kollege Frank! Frau Machaczek hat eben ganz richtig gesagt, dass der Beirat für nachhaltige Entwicklungspolitik Arbeitsaufträge bekommt.
Einen Arbeitsauftrag hat er durch einen einstimmigen Beschluss der Bürgerschaft bekommen. Im Beschluss heißt es, der Beirat erarbeite entwicklungspolitische Leitlinien. Das wird er auch tun, das ist Stand der Kunst in vielen Kommunen und Bundesländern und damit wird sich der Beirat für nachhaltige Entwicklungspolitik beschäftigen, mit vielen anderen Dingen zwar auch, aber sicherlich wird das eine seiner ersten Aufgaben sein. Auch wenn dieser Punkt in der Senatsdrucksache verlorenging, ist der einstimmige Beschluss der Bürgerschaft erst einmal bindend für das, was in den nächsten Jahren von diesem Beirat geleistet wird. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Auf meinen Kollegen Völsch möchte ich ganz kurz eingehen. Wir sind nicht bewegungsunfähig, was eine Sonderprüfung anbelangt.
Bevor ich hierher gekommen bin, bin ich beim PUA vorbeigegangen und habe mir erst einmal das Freshfields-Gutachten abgeholt. Sorgfalt und Ernsthaftigkeit verlangen es, dass wir uns zuerst noch einmal mit dem KPMG-Gutachten und auch mit diesem Freshfields-Gutachten intensiv und ernsthaft beschäftigen. Daraus ergeben sich dann weitere Fragen, vielleicht auch viele offene Fragen, die dann im Zweifelsfall mit einer Sonderprüfung geklärt werden müssen. Aber was Sie uns unterstellen, dass wir hier die Augen verschließen, dass wir kein Interesse an der Aufklärung haben und dass wir uns keinen Überblick verschaffen wollen über das, was passiert ist und was aktuell in der Bank los ist, ist einfach falsch. Warten Sie ab. Wir überweisen das Ganze jetzt An den Haushaltsausschuss und da werden wir dann auch inhaltlich weiter diskutieren können. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles begann in den Fünfzigerjahren und zudem mit einem doppelten Paukenschlag. Hamburg wurde wieder in die internationale Völkergemeinschaft aufgenommen. 1957 schließt die Freie und Hansestadt Hamburg eine Städtepartnerschaft mit Leningrad und ein Jahr später, 1958, mit Marseille; die Hansestadt als Mittlerin zwischen den Völkern, besser noch als Mittlerin zwischen den Blöcken. Zunächst werden Bande der Freundschaft mit der schönen Stadt an der Newa geknüpft, eine Stadt, die mit heldischem Mut und millionenfachen Opfern über 28 Monate hinweg der beinahe tödlichen Umfesselung durch die Wehrmacht standgehalten hat.
Marseille hat bei Weitem nicht das durchgemacht, was Leningrad erleiden musste, aber auch dort
waren 1958 die Erinnerungen an die Besatzungszeit noch frisch und wer sich heute an den Alten Hafen stellt, kann die Spuren deutscher Gewaltherrschaft nicht übersehen. Am Ostufer spiegeln sich wunderschöne alte Fassaden im Wasser bis hin zum Hausberg mit Notre-Dame de la Garde und, am Fuße dieses Hausbergs, die alte Abtei von Saint-Victor, eine der ältesten christlichen Kirchen im westlichen Mittelmeerraum. Wendet man sich auf der gegenüberliegenden Seite zum Westufer, steht dort das barocke Rathaus, umgeben von schmucklosen Bauten der Fünfzigerjahre, ein liebloser Wiederaufbau eines Stadtquartiers, das die Wehrmacht 1943 komplett in Schutt und Asche gelegt hat. Auch wer nicht nach Marseille fährt, ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Neuengamme reicht, um hier und heute zu ermessen, wie viel Leid gerade auch sowjetische Bürger und Franzosen in Hamburg erleiden mussten.
Die Städtepartnerschaften mit Leningrad und Marseille waren der Anfang für eine nachhaltige Aussöhnung mit den Opfern deutscher Gewalt in Ost und West. Seitdem hat sich vieles verändert. Aus Leningrad wurde wieder St. Petersburg, aus der kommunistischen Diktatur ein moderner russischer Staat, der seinen demokratischen Weg noch sucht. Die Deutsch-Französische Freundschaft, Frau Dobusch hat darauf hingewiesen, ist gelebter Alltag geworden.
Die Hamburger Delegation von Senat und Bürgerschaft, die im Herbst letzten Jahres zu den Feierlichkeiten anlässlich des 50. Geburtstages der Städtepartnerschaft nach Marseille reiste, merkte gleich beides, sehr viel Vertrautes, aber auch die Unterschiede zwischen den beiden Metropolen des Mittelmeeres und des Nordens. Wenn man vom Bahnhof Saint-Charles die zentrale Avenue, die Canebière, hinabschlendert, fällt auf, wie sie schnurgerade auf den Hafen zuläuft, und für jeden Franzosen ist im Geiste präsent, dass sie so angelegt ist, dass diese Avenue weiter gedacht ist über das Mittelmeer hinaus in die ehemals französischen Gebiete in Nordafrika. Einstmals trennte das Mittelmeer nicht, sondern verband Frankreich mit den Mittelmeeranrainern, ganz so, wie wir auch die Aufgabe der Ostsee im nördlichen Europa verstehen, als etwas
Verbindendes, nicht als etwas Trennendes. Marseille und das Mittelmeer, Hamburg und die Ostsee, hier zeigt sich der ungeheure Reichtum Europas. Jede Stadt, jede Region konzentriert sich auf bestimmte Großräume innerhalb der EU oder an ihrer Peripherie. Marseille, mit dem Rücken zum Kontinent, wendet sein Gesicht dem Mittelmeer zu und Hamburg tut dies in ähnlicher Weise mit dem Ostseeraum und dennoch ist dieses Bild nicht stimmig. Kurz bevor die Canebière auf den Alten Hafen stößt, dominiert auf der rechten Seite die Handelskammer die Prachtavenue. In ihren Räumen breitet eine stolze und alte Kaufmannschaft ihren Reichtum und ihre Erfahrung aus. Im Festsaal hängen die Wappen der wichtigsten und ältesten Handelspartner, unter ihnen auch das der Freien und Hansestadt Hamburg, mit der Marseille seit der Renaissance stetige Handelskontakte unterhält.
Auch heute noch verbindet uns vieles mit der Partnerstadt in Südfrankreich, zunächst und am auffälligsten gewiss das Projekt der Stadterneuerung am Hafenrand. Was in Hamburg die HafenCity ist, ist in Marseille Euroméditerranée. Nach vielen Jahren der Krise und der Lethargie ist Marseille erwacht. Ehrgeizig hat man das Ziel formuliert, als europäische Metropole nicht mehr zweitklassig zu sein, sondern zu modernisieren und als wachsende Stadt am Wasser Anschluss zu finden an die großen Wirtschaftsmetropolen Europas. Dazu wird viel Geld in die Hand genommen und heruntergekommene Stadtviertel am Hafenrand werden grundlegend saniert und modernisiert. Dabei kann auch Hamburg viel lernen. Diese Viertel werden wieder lebendig, weil dort Wohnraum für unterschiedlichste Menschen und Lebensentwürfe geschaffen wird und weil dort ganz natürlich Freiräume für eine kreative Szene geschaffen werden, die sowohl die alternative Kreativszene als auch die klassische Hochkultur umfasst. Aus alten Getreidespeichern wird ein Kultur- und Kongresszentrum und mit dem Bürgermeister haben wir eine Van-Gogh-Ausstellung im jetzt aufgewerteten Museumszentrum der Vieille Charité besucht. Zugleich wird am Rand des Alten Hafens mit dem Musée des Civilisations de l'Europe et de la Méditerranée ein Museumskomplex geschaffen, der die vielfältigen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Mittelmeerraum ins Zentrum stellt und dabei natürlich auch die Tabus angehen muss, die in Frankreich noch die koloniale Vergangenheit belasten. Auch Hamburg hat in dieser Frage seine Hausaufgaben noch nicht gemacht.
Belohnt wurden all diese kulturellen Anstrengungen mit der Verleihung des Titels der Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 2013. Auch da kann man als Hamburger nur neidisch werden.
Euroméditerranée zeigt aber auch, dass die Verkehrskonzepte des 20. Jahrhunderts nicht mehr in ein modernes Stadtquartier hineingehören. So wird
eine vierspurige aufgeständerte Hochstraße abgerissen. Was StadtRAD ist, also die öffentlichen Fahrräder, und wie es funktioniert, konnten die Delegationsmitglieder sich im letzten Herbst bereits in Marseille anschauen und im wahrsten Sinne des Wortes erfahren. Ich erinnere mich daran, dass einige Kollegen sich ganz neugierig dort ein Rad ausgeliehen haben, um einmal zu erleben, was wir seit wenigen Wochen auch in Hamburg erleben dürfen, nämlich mit diesen Fahrrädern durch die Innenstadt zu fahren.
Der Motor der Quartiersentwicklung in Marseille schließlich ist die neue Straßenbahn. Auch Marseille hat im 20. Jahrhundert die Straßenbahn abgeschafft und versucht, ein U-Bahn-Netz aufzubauen. Dies war natürlich zu teuer; an einen Ausbau des noch sehr kleinen Netzes ist auch aus finanziellen Erwägungen schon lange nicht mehr zu denken. Nun verbindet eine moderne Stadtbahn Euroméditerranée mit der Innenstadt. Entlang der Rue de la République kann man eindrucksvoll nachverfolgen, wie ein völlig heruntergekommenes Stadtviertel des späten 19. Jahrhunderts zu einem lebendigen modernen Quartier mit kleinen Läden, Straßencafés und hoher Lebensqualität geworden ist. Die weitere bauliche Erschließung des Hafenrands wird in Marseille ganz selbstverständlich vom Ausbau des Straßenbahnnetzes begleitet.
Marseille ist sich auch der Bedeutung seines Hafens sehr wohl bewusst. So wie Hamburg aus gutem Grund Hapag-Lloyd als Deutschlands größte Reederei in der Stadt halten wollte und deshalb viel Geld in die Hand genommen hat, sorgt Marseille dafür, dass CMA CGM, die drittgrößte Reederei der Welt, ihren Firmensitz in einem markanten Hochhausgebäude, erbaut von der irakischen Stararchitektin Zaha Hadid, am Hafenrand einnehmen wird. Ganz selbstverständlich erklären die Manager von Euroméditerranée, dass sie nicht begreifen wollen, warum Containerschiffe zukünftig auf dem Weg von Ostasien nach Europa noch Spanien umfahren und den Weg durch den Ärmelkanal nehmen sollten. Mit einer leistungsfähigen Hinterlandanbindung will Marseille ein Hafen werden, der nicht nur Frankreich, sondern auch die Schweiz und Süddeutschland als Kunden begreift. Noch ist Marseille auch im Vergleich zu Genua ein Zwerg im internationalen Containerverkehr, aber mit Visionen verändert man die Welt. Hamburg wird einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig, Krise hin, Krise her, leistungsfähige Hinterlandanbindungen für unseren Hafen sind.
Beeindruckend sind auch die Pläne für das Kreuzfahrtgeschäft. Noch müssen die Kreuzfahrtschiffe weit außerhalb der Innenstadt vor Anker gehen, aber wenn es nach den Plänen von Euroméditerranée geht, werden in einigen Jahren die kilometerlangen Kaimauern, die jetzt noch den Hafenbereich vom offenen Meer trennen, abgeris
sen sein und ein großes Kreuzfahrtterminal wird vor das gänzlich neue Stadtviertel gebaut werden.
Wo heute noch Stauraum für Schiffsausrüstung, alte Parkplätze, verfallene Hangars und Leerflächen Perspektivlosigkeit verbreiten, wird dann direkt am Meer ein großes Einkaufszentrum die internationalen Kreuzfahrttouristen empfangen.
Hierzu hat der Europaausschuss im Juni dieses Jahres beschlossen, dass Marseille und Hamburg einen Fachdialog zum Thema Kreuzfahrt und Tourismus führen. Ich bin mir sicher, dass wir gegenseitig viel voneinander lernen können.
Ein weiteres Thema, bei dem wir viel lernen können, wäre Marseille als Schmelztiegel der Kulturen. In Marseille konnte und kann man beobachten, was multikulti in einer modernen Großstadt bedeutet. Marseille ist eine der wenigen Großstädte Frankreichs, die seit Jahrzehnten keine sozialen Unruhen mehr in den Vororten erleben mussten, soziale Unruhen, deren Ursachen zumeist die soziale Deklassierung und Perspektivlosigkeit der Migranten und ihrer Kinder und Enkel sind. Eine vorbildliche Integrationspolitik, die möglichst alle Akteure an einen Tisch bringt, hat es erlaubt, die größten Konflikte und schlimmsten Ungerechtigkeiten abzumildern und eine Kultur des Respekts und des gegenseitigen Verständnisses, insbesondere zwischen christlich geprägter Mehrheitsgesellschaft und den mehrheitlich muslimischen Zuwanderern, zu schaffen. Deshalb ist es nur zu begrüßen, dass der Europaausschuss einstimmig beschlossen hat, den Senat aufzufordern, eine Konferenz über die Chancen und die Herausforderungen in der Integrationspolitik zwischen Hamburg und Marseille zu initiieren. Integration bedeutet nicht nur Integration von Menschen mit Migrations
hintergrund, sondern auch soziale Inklusion, wobei beide Herausforderungen oft miteinander verflochten sind. Die Delegation des Senats und der Bürgerschaft hat sich dazu bei ihrer Reise im letzten Herbst eine der Antworten der Marseiller vorstellen lassen, die École de la Deuxiéme Chance, die jungen Erwachsenen mit gescheiterter Schulkarriere und verfehltem Berufseinstieg gezielt hilft, genau dieses Problem in den Griff zu bekommen.
Auch Hamburg hat diese Herausforderung begriffen. Ein ehrgeiziges Schulreformprojekt soll verhindern, dass es erst so weit kommt, und wird dazu führen, davon bin ich überzeugt, dass Schulversagen in Hamburg für die jetzigen Hamburger Jugendlichen eine sehr seltene Ausnahme wird. Zudem wird mit der Schaffung von Produktionsschulen in allen Hamburger Bezirken neben der Schulreform eine weitere, ganz anders geartete Antwort auf dieses Problem gegeben. Hamburg ist also für die Zukunft gut aufgestellt. Dennoch macht es Sinn, sich mit den Kolleginnen und Kollegen aus Marseille über die École de la Deuxiéme Chance auszutauschen, die Problemlagen zu vergleichen und zu prüfen, was wir in Hamburg von den Erfahrungen und Methoden lernen können.