Protocol of the Session on February 11, 2009

Es war DIE LINKE, die nicht im Kontrollausschuss vertreten sein darf – natürlich aus rein mathematischen Gründen –, die sich aber nicht davon abhalten lässt, ihrer parlamentarischen Kontrollverantwortung so gut es geht nachzukommen. Wir haben den Skandal aufgedeckt.

(Beifall bei der LINKEN – Harald Krüger CDU: Sie sind doch befangen in dieser Fra- ge!)

Auch dazu komme ich noch.

Damit komme ich zum zweiten Punkt in Sachen Kontrolle. Was ist das Schutzgut, um das es bei der Kontrolle geht? Meiner Meinung nach bestünde die zentrale Aufgabe der Kontrolle darin zu prüfen, ob und inwiefern geheimdienstliche Tätigkeit Grundrechte oder Freiheitsrechte verletzt. Es ginge also bei der Kontrolle um den Schutz der Verfassung vor maßlosen Überwachungsansprüchen des Verfassungsschutzes, nicht um den Schutz dieser maßlosen Ansprüche vor Einschränkungen, die aus der Gültigkeit der Grundrechte resultieren. Der Kontrollausschuss kritisiert aber nicht etwa die Verletzung der Grundrechte durch diese, wie ich finde, unappetitliche Ausspähung und Überwachung der Infostände, sondern er kritisiert, dass aufgrund der öffentlichen Debatte eine – ich zitiere –

"Diskontinuität des Informationsflusses"

Zitatende – eingetreten sei und daraus – Zitat

"Informationslücken"

entstanden seien.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Das ist ja ein Skandal!)

Er sorgt sich, dass durch rechtstaatliche Einhegung der Überwachung geheimdienstliche Informationslücken entstehen, und nicht darum, dass durch die Überwachung völlig legalen Verhaltens Grundrechte verletzt werden.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder gibt der Bericht den Diskussionsstand im Ausschuss in Sachen Infostände falsch wieder. Dann verstehe ich nicht, dass dieser Bericht unwidersprochen vorliegt. Oder er gibt ihn richtig wieder, dann hat sich der Kontrollausschuss vom Landesamt freiwillig sämtliche Zähne ziehen lassen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wenn Sie wüs- sten!)

Ich ziehe aus diesem Bericht den Schluss, dass der Verfassungsschutz an diesem Punkt als Geheimdienst, unbehindert von demokratischer Kontrolle, mit fragwürdigen und intransparenten Mitteln arbeitet.

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt. Bürgerrechtsorganisationen wie die Humanistische Union kritisieren, dass innerstaatliche Geheimdienste ein Mittel zur Unterdrückung von Andersdenkenden sind. Dieser Auffassung schließt sich DIE LINKE gerade angesichts der schlimmen und durch nichts zu rechtfertigenden uferlosen Schnüffel- und Überwachungstätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR an.

(Beifall bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Was etwa in den Verfassungsschutzberichten als Aufklärung daherkommt, ist in erheblichen Teilen eine Diffamierung politischer Gegner und eine hoheitliche Verrufserklärung. Auch hierzu habe ich eine Frage an die Mitglieder des Kontrollausschusses. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat bei Vorstellung seines letzten Verfassungsschutzberichts mitgeteilt, dass der Hamburger Landesverband der LINKEN als Ganzer nicht mehr beobachtet wird, sondern nur noch einzelne Strukturen und Personen innerhalb der LINKEN.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt kommen wir zu des Pudels Kern, Frau Schneider!)

Mindestens zweimal hat seither die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf den Verfassungsschutz der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass ich weiterhin überwacht werde.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das machen wir!)

Ich gehe davon aus, dass die "Bild"-Zeitung weiß, wovon sie spricht, auch wenn das Drumherum frei erfunden war. Es wird zum Beispiel behauptet, ich sei Mitglied der Kommunistischen Plattform, was einfach den Tatsachen nicht entspricht. Ich gehe ferner davon aus, dass die Fütterung der "Bild"Zeitung durch den Verfassungsschutz Teil einer Strategie gezielter Diffamierung meiner Person ist, einer Strategie der Desinformation, die beim Lan

desamt angesiedelt ist. Nun meine Frage an die Mitglieder des Kontrollausschusses. Haben Sie das Thema Bespitzelung und Überwachung von Abgeordneten durch den Verfassungsschutz eigentlich ein einziges Mal behandelt?

Ich weiß zum Beispiel nicht, ob meine Telefonate mit Bürgern abgehört werden. Ich weiß nicht, ob EMails, die Bürger an mich schreiben oder die ich an Bürgerinnen und Bürger schreibe, gelesen werden. Ich weiß nicht, ob zum Beispiel in meinem Wohnzimmer eine Videokamera installiert ist, und ich weiß auch nicht, ob der Verfassungsschutz in meine nächste Umgebung Spitzel gesetzt hat. Das alles weiß ich nicht.

Meine Frage also: Haben Sie ein einziges Mal darüber gesprochen, dass, wenn schon Geheimdienste mit welchen Mitteln auch immer Abgeordnete bespitzeln, wenigstens klare, eindeutige, allgemein geltende und überprüfbare Normen zugrunde gelegt werden müssen? Schließlich geht es um nicht weniger als die Verkehrung demokratischer Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung.

Dem Parlament und seinen Mitgliedern kommt neben seiner Gesetzgebungsfunktion unter anderem auch die Funktion der Kontrolle der Exekutive zu. Nicht aber kommt der Exekutive die Kontrolle des Parlaments und schon gar nicht der Opposition zu. Wenn also die Exekutive beansprucht, sie müsste Mitglieder der Opposition geheimdienstlich überwachen und kontrollieren, so ist doch das in rechtsstaatlicher Hinsicht Mindeste, was man verlangen kann, dass normativ geregelt ist, unter welchen Bedingungen dies möglich ist, sonst ist der politischen Willkür Tür und Tor geöffnet.

(Harald Krüger CDU: Das kennen Sie aus Ihrer eigenen Vergangenheit ja bestens!)

Sie wissen vermutlich, dass der Leiter des Landesamts nach der letzten Bundestagswahl Behauptungen über mich öffentlich verbreitet hat, die der gerichtlichen Prüfung nicht standhielten.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Was hat er ge- sagt?)

Herr Vahldieck musste sich vom Gericht unter anderem belehren lassen, dass er mit seinen unbewiesenen, und übrigens unbeweisbaren, Behauptungen über meine seinerzeitige verlegerische Tätigkeit die Pressefreiheit verletzt hat. Das ist kein geringer Vorwurf, der das Verfassungsverständnis des Verfassungsschutzes ganz erheblich infrage stellt. Umso mehr Grund hat der Kontrollausschuss, die geheimdienstlichen Aktivitäten gegen mich als ein Mitglied dieser Bürgerschaft einer Kontrolle zu unterziehen. Das ist meine Aufforderung an diesen Ausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Voet van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schneider, Ihr Beitrag kam mir ein bisschen so vor wie: Ich hätte gerne mitgespielt, aber ich durfte nicht, also ist das Spiel, das Ihr spielt, ganz schlecht und deshalb muss ich jetzt meckern.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie haben ja gar nichts verstanden!)

Nehmen Sie bitte einmal eins deutlich zur Kenntnis. Das Land Hamburg hat mit insgesamt drei Parlamentarischen Kontrollausschüssen, mit G13-, G10-Kommission und dem PKA, ein sehr dichtes Geflecht an parlamentarischer Kontrolle dessen, was der Verfassungsschutz in Hamburg tut. Alle Kollegen nehmen ihre Aufgabe ausgesprochen engagiert und ernst wahr.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das zu dem, was wir dort tun und auch nicht tun.

Seien Sie ganz sicher, Frau Schneider. Wenn irgendjemand auf die Idee kommen sollte, bei Ihnen Videokameras einzubauen, Telefone zu kontrollieren oder Ähnliches, dann fehlt es dem Verfassungsschutz dafür an jeglicher rechtlicher Grundlage. All diese Maßnahmen werden, wenn sie ergriffen werden sollten, vorher dem Ausschuss zur Kontrolle vorgelegt. Ohne dass dieser Ausschuss vorher zustimmt, passiert in dieser Stadt überhaupt nichts. Jeder einzelne Vorgang, der in Grundrechte eingreift, unterliegt einer strengen parlamentarischen Kontrolle; das ist die wichtige Aussage.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich muss ganz offen sagen, Frau Schneider, insbesondere Ihre Gleichstellungsversuche zwischen Staatssicherheit und Verfassungsschutz finde ich unglaublich und ist vor allen Dingen eine Verhöhnung der Opfer der Stasi.

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Beuß CDU: Da kennt sie was von!)

Wer im selben Atemzug davon spricht, dass inländische Geheimdienste – und hierbei die Stasi nennt – Opposition unterdrücken sollen, der hat nicht verstanden, was wir in diesem Lande mit Verfassungsschutz erreichen wollen. Der Verfassungsschutz hat eine klare und deutliche Aufgabe, er hat die Aufgabe, dieses Land gegen Extremisten zu schützen, die unsere Verfassung gefährden. Genau diese Aufgabe erfüllen die Mitarbeiter dieses Dienstes ganz hervorragend.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

(Christiane Schneider)

Wer meint, er müsse Mitarbeiter des Verfassungsschutzes unter einen Generalverdacht stellen, gar behaupten, die Opposition würde systematisch von der Regierung ausgespäht werden …

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das hat sie gar nicht gesagt!)

Ich weise Sie einmal darauf hin: Auch die Kollegen der SPD sitzen zum Beispiel im PKA und haben dort dieselben Rechte wie alle anderen auch. Seien Sie ganz sicher, ich mag mich mit Herrn Dr. Dressel häufig streiten, aber er wäre der Letzte, der ohne jede Art von Öffentlichkeit und sonstiger Arbeit darauf hinweisen würde, dass etwas Rechtswidriges geschieht. Dieser Ausschuss ist voll und ganz in der Lage, die Aktivitäten in dem Maße, wie wir das rechtsstaatlich brauchen, zu überprüfen und auch zu genehmigen, wenn es denn sein muss.

Lassen Sie mich ein letztes Wort sagen zu der von Ihnen skandalisierten Frage der Infostände. Ich finde es ganz interessant. Das ist die Partei, die immer wieder sagt, wir müssen aktiv gegen Rechtsextremismus und gegen Nazis vorgehen. Beim Verfassungsschutz gibt es nur eine einzige Sache. Er würde gerne wissen, wenn sich zum Beispiel, wie in Bergedorf häufiger geschehen, Nazis unter dem Deckmantel von Bürgerinitiativen tarnen und dort fleißig Wahlkampf betreiben oder rechtsextremistische Gesinnung verbreiten. Ich finde es absolut richtig, genau zu wissen, was dort passiert, denn nur dann kann man sehen, wer eigentlich mit welchen Mitteln verdeckt versucht, sich an unsere Verfassung heranzumachen.

Es ist seit Jahren übrigens absoluter Usus, dass die Kollegen dort hineinschauen. Und wenn sie feststellen, dass dort etwas war und sie es mit ihren Akten abgleichen, dann wird es bemerkt. Aber eines ist niemals geschehen. Diese Behauptung, die auch in der Öffentlichkeit suggeriert wurde, dort würden Tausende von Daten erhoben und gespeichert, Daten über Personen würden über Jahre aufbewahrt werden, stimmt überhaupt nicht. Es wurden keine Daten gespeichert. Schauen Sie einmal ins Gesetz, darin steht klipp und klar, was mit solchen Daten geschieht. Da ist nachgeschaut worden, ob ein Infostand als Tarnung dienen sollte. Und wenn man festgestellt hat, dass dem nicht so war, dann ist jede Art von Datensatz sofort innerhalb der Frist vernichtet worden; das ist die Tatsache. Daran ist nichts Skandalumwittertes, das ist ganz normales Bemühen, sich wirklich aktiv gegen Rechtsextremismus und Nazis abzugrenzen.

Wer diesen Verfassungsschutz ständig in den Möglichkeiten beschneiden will, indem er bewusst solche Dinge skandalisiert, der muss sich auch sagen lassen, dass er eigentlich den Kampf gegen Nazis und Rechtsextreme nur sehr bedingt ernst meint; das sage ich ganz offen. Wir brauchen diese Art von Inlandsdienst, damit wir in der Lage

sind, gerade auch zum Beispiel dem Rechtsextremismus in der richtigen Form zu begegnen. Wer das nicht will und meint, er könne den Verfassungsschutz abschaffen, der will Extremismus von links und rechts Tür und Tor öffnen. Das machen wir nicht mit, wir sprechen den Mitarbeitern dieses Dienstes ausdrücklich unser Vertrauen aus. Wir wissen, dass dort eine hervorragende Arbeit geleistet wird, und zwar im Sinne unserer Gesellschaft und für diesen Staat.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.