Protocol of the Session on January 22, 2009

Das Wort hat die Abgeordnete Badde.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben zwei Anträge vorliegen, einen guten Antrag der Fraktion DIE LINKE und einen völlig aufweichenden und nichts sagenden Antrag der Koalition.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Man hat nur wenig Lust, überhaupt noch inhaltlich Stellung zu nehmen, weil man sich doch sehr ärgert. Den Ärger hat Herr Hackbusch kundgetan, sich überhaupt mit diesen Inhalten auseinanderzusetzen, wenn doch viel konkretere Punkte benannt sind, die aber wiederum so benannt sind, dass man sie noch wunderbar diskutieren kann und bei denen man sich zu nichts verpflichtet, die aber gute Anregungen bieten und eine gute Grundlage geboten hätten, im Kulturausschuss weitere Ideen zu entwickeln. Nein, Sie machen einen nichts sagenden Antrag,

(Beifall bei Stefan Schmitt SPD)

der wieder die Exekutive beauftragen soll, Lösungsmöglichkeiten zu entfalten. Das Schlimme ist dabei, dass sich die Parlamentarier der Koalitionsfraktionen jeglicher eigenen Einflussnahme damit entziehen, und das ist wirklich oberfantasielos und dem darf keineswegs gefolgt werden. Aber es ist zu befürchten, dass diese nichts sagende Klausel verabschiedet wird.

Zu dem Antrag brauche ich keine Bestätigung geben, dass wir als Sozialdemokraten selbstverständlich kulturelle Teilhabe auch als soziale Teilhabe betrachten und daher diesen Antrag unterstützen. Man sollte dort, wo über dreistellige Millionenbeträge für die Elbphilharmonie, deren soziale Öffnung noch nicht beschlossen und noch nicht deutlich wird, darüber nachdenken, dass in den staatlich unterstützten Institutionen wie Theatern und Museen dann auch die Partizipation anderer Schichten erfolgen sollte. Dies sind eben nicht nur, Herr Heinemann, wie Sie ausführen, Arbeitslose und Kinder und Jugendliche, sondern es sind gerade auch Geringverdiener, die oft ganz unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben. Insofern müssten wir dort einen Weg finden und dabei hätte ich auch Ihre Mitarbeit im Kulturausschuss erwartet, an dem ich leider dann nicht teilnehmen darf, aber vielleicht dazukommen kann.

(Farid Müller GAL: Jeder darf teilnehmen!)

(Robert Heinemann)

Ich würde dann gegebenenfalls auch kommen, aber ich fürchte, es kommt nicht zu dieser Diskussion.

Man sollte dort auch darüber diskutieren, dass es andere Möglichkeiten gibt, eben nicht nur sozusagen ausgewiesene Sozialkarteninhaber, sondern tatsächlich eben auch geringverdienende Familien, die darüber nicht verfügen, dann auch teilhaben zu lassen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dies muss nicht zwingend das Modell Berlin sein mit Drei-Euro-Tickets, sondern man könnte an eine Kontingentierung denken, wie zum Beispiel im Staatstheater, wo es schon einmal stattgefunden hat. Ein bestimmtes Kontingent wird für 5 Euro ausgegeben oder eben auch für 3 Euro – über den Preis kann man sich unterhalten – und dann hat jeder Zugang, nicht nur der, der die Sozialkarte vorweisen kann.

Es gibt also unterschiedliche Möglichkeiten von Rabatten und deshalb wäre der Antrag der LINKEN auch uns unter 2. zu eng gefasst und wir hätten dies gerne erweitern wollen, aber dies wäre auch durchaus noch vom Wortlaut gegeben. Es geht eben auch um den freien und stark ermäßigten Eintritt zu ständigen Sammlungen und Museen, was auch die Koalitionsparteien nicht so aufgegriffen haben. Auch hier bedarf es der Auslotung weiterer Ideen, denn ich denke, nur die bloße Erhöhung der Besucherzahl kann nicht alleiniges Ziel sein.

Sie hatten auch die Museen in England erwähnt. Wer einmal in London während der Ferienzeit war, weiß, dass man kaum noch in ein Museum hereinkommt. Es ist natürlich schön und erfreulich, wenn es ständig überfüllt ist, aber es grenzt doch die Kulturmöglichkeiten ein. Wir müssen in dieser Frage die Tourismusziele im Blick haben. Insofern könnte man dort auch an andere Ideen denken. Insbesondere müssen wir auch die Existenzsicherung der Museen im Auge haben, die gerade mit dem Schuldenabbau befasst sind, und dabei Möglichkeiten ausloten, wie dies unter Wahrung der wirtschaftlichen Existenz gegeben sein könnte. Der freie Eintritt für Kinder und Jugendliche in die Museen ist selbstverständlich ein Punkt, der weiter erhalten werden sollte.

Wir hätten gerne beide Anträge überwiesen an den Kulturausschuss, was jetzt nicht möglich ist. Wir werden dem Antrag der LINKEN zustimmen und uns zu dem der Koalitionsparteien enthalten, weil Enthaltung die einzige Möglichkeit bei diesem nichts sagenden Antrag ist. Ich wollte nur noch kurz auf die Argumente von Herrn Heinemann hinweisen, dass Berlin ein gescheitertes Modell sei. Wenn Sie sich die Zahlen genau ansehen, sind sie nicht exorbitant hoch, aber man stellt sehr deutlich fest, dass das bei den Theatern sehr unterschied

lich ist, also dass es Theater mit Erfolgsserie gibt und Theater, die nicht darunter fallen, wie die Staatsoper, ich nehme einmal an, weil dort nur sehr wenige Restkarten zur Verfügung stehen. Dies alles hätte diskutiert werden können. Aber das haben Sie untergraben und insofern werden wir in der angekündigten Weise abstimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Frau Dr. Gümbel.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Ich finde es eigentlich sehr schade, dass wir bei einem Thema, bei dem eigentlich große Einigkeit im Haus herrscht, nämlich dass wir kulturelle Teilhabe für sehr wichtig erachten und sie befördern wollen in der Stadt, jetzt solch einen Streit vom Zaun brechen. Ich muss Ihnen sagen, dass ich das relativ ärgerlich finde.

(Zurufe von der SPD)

Der Grund, weshalb wir diesen Zusatzantrag gestellt haben – das kann ich Ihnen sehr gut begründen –, ist der, dass der Antrag der LINKEN ein ehrenwertes Motiv hat – das habe ich eben schon gesagt, wir haben uns auch über diesen Antrag gefreut –, aber er geht davon aus, dass wir das anhand dieses Berliner Modells umsetzen. Und ich sage Ihnen ganz klar: Meiner Ansicht nach greift das Berliner Modell viel zu kurz. Im Berliner Modell sind die Museen überhaupt nicht berücksichtigt – Herr Hackbusch hat das ausgeführt, Frau Badde ist auch darauf eingegangen. Wir brauchen aber eine breite Beteiligung aller. Dann hat Herr Heinemann gerade eben schon gesagt, dass das Berliner Modell überhaupt nur von 1 bis 2 Prozent der Berechtigten in Anspruch genommen wird. Natürlich kann man jetzt sagen: Besser 1 oder 2 Prozent als gar niemand. Uns ist das aber zu wenig, insofern finden wir eine Orientierung an diesem Modell, das offensichtlich so gestrickt ist, dass es nur dazu führt, dass 1 bis 2 Prozent es in Anspruch nehmen, nicht zielführend.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Uns ist es wirklich sehr ernst damit. Wir finden nämlich tatsächlich, dass, wie es in der Enquete-Kommission für Deutschland, die Herr Hackbusch angesprochen hat, gesagt wird, kulturelle Teilhabe eine ganz wichtige Funktion in der Demokratie ist. Dazu stehen wir alle im Hause.

(Zuruf)

(Elke Badde)

Das ist uns ein wesentliches Anliegen. Um dieses Anliegen tatsächlich zu befördern, muss man sich doch überlegen, woran es liegt, dass das Berliner Modell – sie brauchen nicht sagen gescheitert, aber doch – so einen geringen Erfolg hat. Woran liegt es denn? Ich glaube in der Tat, dass die Eintrittspreise tatsächlich eine Komponente sind, aber nur eine Komponenete der Gründe, warum Hartz-IV-Empfänger beziehungsweise SGB-IIEmpfänger nicht in das Theater und nicht in die Museen gehen.

Es ist wichtig, dass man auch an dieser Schraube ein bisschen dreht.

(Dr. Monika Schaal SPD: Aber nur ein bisschen!)

Na ja, schauen Sie sich doch einmal die Preise an.

Man muss auch nicht so tun, als wären die 3 Euro viel günstiger als das, was wir in Hamburg schon haben. Sie können in viele Museen gehen für 4,50 Euro, das ist 1,50 Euro mehr. Ich will nicht sagen, dass das wenig wäre für diejenigen, die wenig Geld haben. Aber dies auf die reine Ökonomie zu begrenzen, ist nicht richtig. Das sieht man an dem Berliner Modell. Deshalb wollen wir ein Gesamtkonzept machen, das erfolgreicher ist als das, was die Berliner uns vormachen. Um noch einmal auf das einzugehen, was Sie gesagt haben: In London ist es wirklich beeindruckend. Die ganzen Museen sind umsonst. Das wird jetzt aber gerade wieder zurückgenommen.

(Dr. Dorothee Stapelfeldt SPD: Nein, das stimmt gar nicht! Nur die öffentlichen Muse- en!)

Es gab in der "Süddeutschen Zeitung" einige Berichte, dass die Londoner das wegen der Finanzsituation auch bei ihren öffentlichen Museen zurücknehmen werden. Das ist ein weiterer Punkt, der auch einfließen muss in dieses Gesamtkonzept, nämlich die ökonomische Situation der Museen. Auch das muss betrachtet werden. Insofern halte ich Ihre Kritik für nicht gerechtfertigt. Deshalb bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Joithe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben von Frau Gümbel gerade einiges gehört. Ich finde es allerdings ein bisschen unverfroren, so kurz vor Toresschluss einen Zusatzantrag einzubringen, der um einiges hinter dem eigentlichen Antrag zurücksteht, und sich dann zu wundern, dass es dar

über einen gewissen Streit gibt. Das finde ich ziemlich unverfroren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wenn man dann die Hartz-IV-Empfänger erwähnt und meint, es wäre nicht reine Ökonomie, in ein Theater, Schwimmbad oder Ähnliches zu gehen, dann möchte ich Ihnen gerne einmal aus der Praxis – Sie sind das inzwischen von mir gewöhnt –, ein paar Zahlen nennen. Für den Besuch von Sport- und Kulturveranstaltungen stehen nach dem Hartz-IV-Regelsatz 6,38 Euro pro Monat zur Verfügung. Einmal Schwimmen gehen im Holthusenbad der Bäderland Hamburg GmbH für drei Stunden kostet zum Beispiel 7,90 Euro. Ein Kinoabend im Abaton schlägt mit 7,50 Euro zu Buche. Und ein Besuch im Tierpark Hagenbeck kostet gar 15 Euro. Der Genuss eines Rathauskonzerts der Hamburger Symphoniker kostet 27,52 Euro.

Herr Heinemann hat die ermäßigte Karte für das Deutsche Schauspielhaus angesprochen. Er hat allerdings nicht erwähnt, dass es für 7,50 Euro eine Karte mit Sichtbehinderung ist. Die kostet genau 7,50 Euro und das weiß ich aus eigener Erfahrung, weil ich nämlich über 50 Karten für Erwerbslose für die "Marat"-Vorstellung, die Frau von Welck gut kennt, bereitgestellt habe. Dabei stellte sich heraus, dass 7,50 Euro ein Platz mit Sichtbehinderung kostet. Die billigste Karte ohne Sichtbehinderung kostet dann 13 Euro. Wer sich ein Spiel beim HSV in der Arena ansehen möchte, muss dafür wenigstens 15 Euro zahlen. Ich habe nach dieser "Marat"-Vorstellung, um noch etwas aus der Praxis zu berichten, einige Erwerbslose erlebt, die zu mir gekommen sind und gesagt haben: Mensch, das war toll, seit drei Jahren war ich nicht mehr im Theater. Soviel zur Ökonomie.

Fazit: Wer Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II bezieht, kann eben nicht unter diesen vielen Angeboten wählen, denn nicht ein einziges kann er sich im Monat leisten. Deshalb muss ein Kulturticket her.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Der Zusatzantrag von CDU und GAL zeigt, dass man die Realitäten nicht sehen kann oder einfach nicht sehen will. Das kann auch politisch gewollt sein. Erstens will man in diesem Antrag die Benachteiligten zur Kultur erziehen. Im Antrag spricht man dann von Heranführen. Und zweitens soll dann ein Gesamtkonzept entwickelt werden, ähnlich wie DIE LINKE es in ihrem Antrag vorschlägt. Drittens ist das die neue schwarz-grüne Kultur: Vorne tricksen, hinten abschreiben und dann an den Senat abgeben. Dabei wäre gerade die Variante des Drei-Euro-Tickets, das erwähnt wurde – ich bin auch nicht der Meinung, dass alles, was aus Berlin kommt, so toll ist –, durchaus eine Chance, auch für Schwarz-Grün. Dann könnte nämlich Frau Ahrons von der CDU, die wir gestern

(Dr. Eva Gümbel)

gehört haben, im Schauspielhaus neben einem Langzeiterwerbslosen sitzen, weil die teuren Plätze noch frei waren, und der würde ihr den Unterschied zwischen der Mogelpackung Sozialkarte und einem echten Sozialticket erklären. Das wäre doch eine echte Chance.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir schon bei Chance sind: Noch haben auch Sie von der CDU und Sie von der GAL durchaus die Möglichkeit zu einer Erkenntniserweiterung, nämlich mit einer Zustimmung zur Überweisung des Antrags der LINKEN an den Kultur- und an den Sozialausschuss. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Buss. – Sie haben sich doch gemeldet, oder möchten Sie nicht?

(Wilfried Buss SPD: Ich dachte, der Senat spricht jetzt!)