Protocol of the Session on November 20, 2008

Lieber Farid Müller, ich stimme zu, dass wir nicht über ein Alkoholkonsumverbot auf St. Pauli reden sollten, denn das wäre in der Tat unrealistisch und Unsinn und hätte mit dem Vergnügungsviertel St. Pauli, wie wir es kennen, nichts zu tun. Das wollen wir nicht. Ich höre jetzt, dass Sie das nicht wollen. Aber Herr Ahlhaus kündigt dies seit einem Jahr in jeder öffentlichen Veranstaltung und in jeder Pressemitteilung an: Wenn die Freiwilligkeit nicht wirke, errichte man ein Alkoholkonsumverbot. Auch in den letzten Wochen und Monaten hat er das angekündigt. Klären Sie das innerhalb Ihrer Koalition, dann brauchen wir über diesen Punkt nicht mehr zu reden.

(Beifall bei der SPD)

Sie eröffnen hier eine Scheindiskussion darüber, dass man dies in den Kneipen verbieten müsse. Sie wissen genau, dass das nicht der Punkt ist, über den wir reden. Unser Problem ist der AußerHaus-Verkauf durch Einzelhändler, Kioske und andere Verkaufsstellen. Dies kann man sehr wohl gesondert regeln. Im Übrigen gibt es in vielen Bars, Diskotheken und in der Gastronomie durchaus das Verbot, mit einer Glasflasche die Örtlichkeit zu verlassen. Dies wird auch durchgesetzt. Das heißt noch lange nicht, dass man in einer Gastronomie nicht auch weiterhin Bier aus einer Glasflasche bekommen könnte. Ich höre, das sei unmöglich, das brauche man nicht und mit St. Pauli habe dies nichts zu tun – es halten sich dort bis zu 100 000 Menschen am Wochenende auf. Wenn sich in einem Fußballstadion 60 000 bis 100 000 Menschen in ähnlicher Zusammensetzung und in ähnlicher

Stimmung aufhalten, kommt in Deutschland kein Mensch darauf, dort noch Glasflaschen zu verkaufen. Nur der Senat meint, hier auf dem Kiez sei dies kein Problem.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Was ist denn das für ein Vergleich! Das ist wie ein Teddy- bär und ein Löwe!)

Ich wünschte, Sie wären mehr Löwe als Teddybär in diesem Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Voet van Vormizeele, hier werden Zahlen aufgerufen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Ja, das ha- ben Sie verlangt!)

Aber wo sind denn die Vergleichszahlen? Sie nehmen Werte aus den ersten neun Monaten dieses Jahres. Um das vergleichen zu können und eine Steigerung zu sehen, brauche ich doch die Zahlen von vorher. Wo sind diese denn?

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das sind die Fakten!)

Das sind doch Fakten, die gar keine Bewertung zulassen. Sie behaupten, St. Pauli weise die höchste Polizeidichte auf, früher sei das nicht so gewesen. Das ist Unsinn. St. Pauli hatte schon immer, schon vor 50 Jahren die höchste Polizeidichte.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen aus den Antworten Ihres Senats auf Kleine Anfragen die Zahlen zur Davidwache nennen: 2002 gab es auf der Davidwache 146 Polizeivollzugsstellen, 2008 sind es 129. Das sind Zahlen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wie viele Polizeibeamte haben wir am Wochenende auf dem Kiez?)

Besetzte Stellen gab es 2002 130, jetzt sind es 128. Gut, Sie haben nur zwei abgebaut, aber Sie haben eine radikal veränderte Problemlage, auf die Sie überhaupt nicht reagieren. Das Einzige, was Sie bisher gemacht haben, ist, den bewährten, erfolgreichen Leiter der Davidwache kurzfristig ohne sachlich nachvollziehbare Begründung auszutauschen.

(Beifall bei der SPD)

Was 130 Polizisten der Davidwache nicht richten können, sollen jetzt 21 BODler aus dem Bezirk Mitte plötzlich leisten.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: 22 sind es, die dort ihre Aufgaben erledigen sollen!)

Da haben Sie wieder das Problem aus Ihrer Verantwortung verlagert.

Sie können sich ja gleich noch einmal melden. Ich habe Ihnen auch zugehört.

(Farid Müller)

Sie wissen genau, wie es mit den BODlern ist. Erstens haben wir sehr lange um diese Aufstockung gekämpft. Sie ist jetzt einmal gerade zu einem kleinen Teil umgesetzt worden. Sie wissen, dass diese 22 Stellen für den gesamten Bezirk Hamburg-Mitte gelten. Sie wissen, dass in einer Schicht, wenn Sie Urlaub, Fortbildung und so weiter berücksichtigen, vielleicht sieben bis acht Leute tätig sind. Da glauben Sie, die könnten das leisten, was 130 Polizisten plus Bereitschaftspolizei am Wochenende nicht hinbekommen? Wie soll das denn funktionieren?

(Beifall bei der SPD)

Noch einmal: Sie fordern, die Verbote müssten kontrolliert werden. Es gibt überhaupt kein Verbot. Insofern ist es für die Mitarbeiter sehr schwer, dort etwas zu kontrollieren. Die Mitarbeiter gehen hinein und stellen vielleicht fest, dass da eine Glasflasche ausgegeben wird – was sollen sie denn sagen? "Entschuldigung, wir möchten sie noch einmal bitten, sich an den freiwilligen Verkaufsverzicht zu halten?" Über diese Freiwilligkeit lacht ganz St. Pauli.

(Wolfgang Beuß CDU: Ihre Zeit ist vorbei!)

Sie können doch nicht mit einem Gewerbetreibenden, der 80 Prozent seines Umsatzes über Bierflaschenverkauf bestreitet, darüber reden, dass er dies freiwillig einstellt. Das hat im Leben noch nie funktioniert und das wird auch hier nicht funktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Voet van Vormizeele.

Ich komme extra noch einmal, weil Herr Neumann das gern wollte. Nur ein kurzes Wort zu dem, was Herr Grote gesagt hat. Herr Grote, Sie haben eben deutlich gezeigt, wie wenig Sie von der Sache verstehen. Die BOD-Leute sind nicht dazu da, um künftig die Aufgaben der Polizei zu übernehmen. Das dürfen und können sie gar nicht. Die BOD-Leute, die Ihr Herr Bezirksamtsleiter – das ist übrigens der mit dem neuen Sakko, auf dem "Bezirksamtsleiter" steht, sonst erkennt man ihn nämlich gar nicht …

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Bloß kein Neid!)

Nein, nein. Nur ist er der einzige Hamburger Bezirksamtsleiter, der sich ein Schild anheften muss. Sonst erkennt ihn nämlich keiner in diesem Bezirk.

(Beifall bei der CDU)

Das ist schon bemerkenswert. Dieser Herr Bezirksamtsleiter hat im Rahmen der Gewerbeaufsicht eine Pflicht, nämlich hierauf zu schauen. Genau dazu sind die BOD-Mitarbeiter da, nicht zu

mehr und nicht zu weniger. Da erzählen sie uns, 22 BOD-Mitarbeiter, über die er bereits verfügt, zuzüglich der restlichen Außendienstmitarbeiter aus der Gewerbeaufsicht ergeben zusammen 47 und die sind nicht in der Lage, herumzugehen und gelegentlich bei den Betrieben, den Imbissketten und Ähnlichem einmal nachzusehen, ob eine Art von Einhaltung stattfindet. Das ist genau der Punkt, an dem Herr Schreiber dem Problem nicht gewachsen ist. Genau dies schafft er nicht, und er wird es auch mit 15 weiteren Kräften nicht schaffen,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

weil er es einfach nicht schaffen kann. Das ist eben die SPD Hamburg-Mitte.

(Beifall bei der CDU – Frank Schira CDU: Da müsst Ihr mal Herrn Kahrs ranlassen!)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Möller.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte gedacht, wir seien nach der ersten Runde schon ein bisschen weiter. Ich glaube, es gibt Einvernehmen darüber, dass man sich an mehreren Stellen zusammensetzen muss und dass gemeinsam gearbeitet werden muss. Wenn wir jedoch dazu kommen, dass die SPD-Kollegen aus Mitte ihre Sicht der Dinge darstellen …

(Andy Grote SPD: Dressel kommt nicht aus Mitte!)

Aber Sie doch, Herr Grote, oder? Und Sie waren schon zweimal hier vorn und haben schon zweimal deutlich die Defizite der bürgerschaftlichen Arbeit und der Arbeit des Senats an dieser Stelle dargestellt, statt dass Sie einmal gesagt hätten, Hamburg-Mitte sei dabei und wir arbeiteten gemeinsam an dem Problem. Das hat in Ihrer Rede gefehlt.

(Beifall bei der GAL, der CDU und bei Elisa- beth Baum DIE LINKE – Zuruf von Michael Neumann SPD)

Die Grünen sind in Hamburg-Mitte tatsächlich mit der SPD in Koalition. Das ist schon richtig. Aber macht das die Koalition schlechter oder besser, Herr Neumann? Das ist die Frage.

(Michael Neumann SPD: Besser als das, was wir hier erleben!)

Ich plädiere dafür, von vorgezogenem Wahlkreisgetümmel wegzukommen und uns darüber zu verständigen, was wir brauchen: Straßensozialarbeit und Kinder- und Jugendarbeit. Die Kinder- und Jugendarbeit ist übrigens leicht angestiegen, Herr Grote, dies nur zur Klarstellung.

(Andy Grote SPD: Aber nicht in Mitte und St. Pauli!)

(Andy Grote)

Wir haben verabredet, dass es eine dezentrale Straßensozialarbeit geben wird. Wir haben weiterhin das Thema, wie man die Geschäfte und sonstigen Gewerbetreibenden auf dem Kiez an der Lösung dieses Problems beteilige. Das, was die Kollegin der LINKEN gesagt hat, ist mindestens ebenso wichtig, wo nämlich die Ursachen dieser verstärkten Gewalt und von Alkoholmissbrauch liegen. Das sind die gemeinsamen Themen. Nur so sollte diese Debatte geführt werden, damit wir dem Thema gerecht werden. Alles andere ist Zahlenspielerei.

(Beifall bei der GAL, der CDU und der LIN- KEN)

Das haben wir bei der PKS schon immer festgestellt. Die Zahlen sind ein Ausblick. Aber wenn wir das, was wirklich passiert, verändern wollen, müssen wir andere Arbeit leisten. Dort sollten wir anfangen.