Protocol of the Session on November 19, 2008

Gender Budgeting bedeutet natürlich eine höhere Erhebung von Datenmaterial und damit einen höheren Aufwand der Verwaltung. Vor dem Hintergrund was mir, seitdem ich Abgeordnete bin, bekannt geworden ist an nicht vorhandener Information, zum Beispiel das Fehlen ausgewiesener Daten

über obdachlose Frauen, kann ich das nur befürworten.

Eine geschlechterdifferenzierte Datenerhebung ist für den geschlechtergerechten Einsatz öffentlicher Mittel unbedingt erforderlich. Das Geschrei nach zu viel Bürokratie ist nach meiner Einschätzung auch Ausdruck männlicher Sorge, abgeben zu müssen. Ergebe zum Beispiel die Genderprüfung des Kita-Gutscheinsystems, dass Frauen durch die zu häufigen Vier-Stunden-Gutscheine beruflich schlechtere Chancen haben, müsste ausgeglichen werden. Und ergibt sich, dass die zeitlich enge Begrenzung des Gutscheins dazu führt, dass Erzieherinnen überwiegend befristet eingestellt werden, muss der Senat über Veränderungen nachdenken und handeln.

Wie kann sich ein Haushalt an Gender Budgeting ausrichten? Zunächst müssen fachliche Informationen rechtzeitig so aufbereitet werden, dass sie bei der Vorbereitung und Entscheidung über den Haushalt als Steuerungsinformation zur Verfügung stehen. Dann muss die Erklärung zum Haushalt gleichstellungsorientiert gestaltet sein und ein angemessenes Gewicht und Aufmerksamkeit erhalten und die Abgeordneten müssen in die Lage versetzt werden, eine gleichstellungsorientierte Bewertung vorzunehmen.

Nun antwortet der Senat auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE am 30. September 2008, dass er die Bürgerschaft in diesem Spätherbst mit einer Drucksache zur Haushaltsmodernisierung befassen will. Ich würde gern wissen, warum diese Information nicht bereits bereitgestellt wurde. Bei den gewaltigen Papierbergen an Haushaltsplänen wäre es auf ein Häufchen mehr oder weniger wirklich nicht angekommen.

Ich erwarte daher auch heute eine Auskunft vom Senat, inwieweit die jetzigen Haushaltspläne schon nach Gender-Budgeting-Kriterien gestaltet wurden. So komme ich nach den bisherigen Erkenntnissen leider zu dem Schluss, dass dieser Haushalt weitgehend geschlechtsblind verfasst wurde. Das ist in Anbetracht der weltweiten Standards, der auch in Deutschland bereits vorhandenen Wissensstände und Umsetzungsstrategien bedauerlich, gar rückschrittlich. Die Verantwortung dafür trägt aus meiner Sicht zum einen der Präses der Finanzbehörde, sie ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass die Gleichstellung von Frauen seit sieben Jahren nicht mehr als eigenes Politikfeld in Hamburg berücksichtigt wird.

Ich halte es für dringend geboten, eine Stelle beim Bürgermeister anzusiedeln, die sich mit der Ausarbeitung eines Konzepts für eine ernsthafte Ressourcenverteilung nach Gender-Budgeting-Kriterien befasst und noch diesen Haushalt danach durchforstet. Diese Stelle möge mit kompetenten Menschen besetzt werden, Professorinnen, Gewerkschafterinnen, Politikerinnen und Finanzex

pertinnen. Grundsätzlich hätte ich natürlich kein Problem, wenn auch Männer dabei sind, aber höchstens halbe/halbe.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Halbe Männer!)

Nein, ganze Männer natürlich.

(Zuruf von der SPD: Da haben wir ja Glück!)

Sie sollen herausfinden, welche Einnahmen und Ausgaben möglicherweise korrigiert werden müssen, um die Ressourcen gerechter zu verteilen. Da es ein großes Interesse in der frauenpolitischen Hamburger Szene gibt, werden Sie keine Probleme haben, diesen Kreis schnell und unbürokratisch zusammenzustellen und vielleicht setzt sich Herr Freytag einfach dazu.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Koop.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Artus, Sie haben recht, Gender Budgeting ist auch ein international wichtiges Thema bei der Strategie Gender Mainstreaming im Allgemeinen. Der Auftrag dazu hat sich nicht nur aus der Betrachtung der Drittländer ergeben, sondern wenn wir in Artikel 3 unseres Grundgesetzes schauen, dann steht das dort bereits, wenn man es entsprechend interpretiert. Wir haben das Gleichstellungsgesetz, die Amsterdamer Verträge, die Charta der Grundrechte der EU und so weiter.

Wir haben eben gesehen, dass sich der Präsident mit dem Aussprechen etwas schwer getan hat und es scheint, dass der Begriff als sperrig angesehen wird. Aber mit dem Begriff Shareholder-Value gehen die Leute viel lockerer um, insofern kann man das dann auch so benennen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN, bei Bettina Machaczek CDU und Andreas Wal- dowsky GAL)

Mit dem Genderansatz im Haushalt wird natürlich nicht nur Frauenförderung betrieben, sondern es wird grundsätzlich eine ökonomische Gleichstellung verfolgt. Andererseits geht es darum, sichtbar zu machen, inwieweit staatliche Ausgaben Männern und Frauen zugute kommen und in welchem Ausmaß unser Steuerungssystem Männer und Frauen entweder bevorzugt oder benachteiligt. Darin liegt meiner Ansicht nach ein geschlechtsneutraler Ansatz und es ist eher eine Gleichstellungsmaßnahme denn eine reine Frauenfördermaßnahme.

Mittlerweile ist der Bedarf dafür durchaus geweckt und wird auch gesehen. Sie sehen das daran, dass wir das in der letzten Legislaturperiode bereits besprochen haben. Wir haben im Ausschuss

eine außerordentlich interessante Anhörung gehabt, in der uns die unterschiedlichsten Modelle vorgeführt wurden. Das hat dazu geführt, dass wir auch innerparteilich die Diskussion angestoßen haben und ich denke, dass auch da das Interesse geweckt worden ist. Aber – Sie haben es schon gesagt, das wurde auch bei der Anhörung deutlich – es ist ein erheblicher bürokratischer Aufwand damit verbunden, denn mit dem Einfügen von ein paar kleinen Zahlen, neuen Kriterien oder qualitativen Aufstellungen ist es nicht getan. Wir müssen auch Fragen beantworten wie: Wohin gehen die Ausgaben, welche Infrastrukturmaßnahmen werden von wem genutzt, welche Unterstützungsangebote kommen tatsächlich da an, wo sie ankommen sollen, wie wird eine Maßnahme bewertet, wie tragen lebenslang Männer und Frauen zur Verursachung von Verwerfungen oder auch extra Kosten bei, welche Lebensstile werden durch bestimmte Maßnahmen gefördert oder auch behindert. Das sind alles außerordentlich interessante Fragen und das muss durchaus untersucht werden. Man kann das nicht einfach von einer Stadt zur anderen oktroyieren, sondern das ist sehr hamburgspezifisch und das muss man dann auch berücksichtigen.

Sie haben die Machbarkeitsstudie des Bundes erwähnt und genau da steht drin, dass die Vorschläge zum Teil mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden seien und eine sorgfältige Genderwirkungsanalyse voraussetzten. Wenn man die Studie einmal durcharbeitet – es sind immerhin 230 Seiten, die man zu bewältigen hat –, dann sieht man, was dort geleistet werden muss und was auch notwendig ist. Wir wollen nicht immer in allen Bereichen überhastet vorgehen, sondern hier mit ein bisschen Augenmaß vorgehen.

Hamburg ist mit seinen Reformen im Haushaltswesen auch schon vorangekommen. Wir haben die Implementierung und Überprüfung von Gleichstellungsmaßnahmen in fast allen Bereichen und es ist keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Aber nichtsdestotrotz hat der Senat von uns den Auftrag erhalten, sich mit Gender Budgeting zu beschäftigen, und wie aus der Anfrage hervorgeht, ist er auch willens zu berichten. Dass der Bericht noch nicht vorliegt, ist bedauerlich, aber im Augenblick ist vielleicht auch aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Lage der Fokus eher auf die Beschaffung von knappen Ressourcen gerichtet als darauf, wie man sie geschlechtergerecht verteilt.

Wir bleiben aber am Ball und werden sicherlich nach Erhalt der Drucksache noch einmal nachfragen. Also ist das ganze Gebiet eine sogenannte Cura posterior, das heißt auf Hochdeutsch, eine Wiedervorlage bei Erstellung oder Bekanntgabe der Drucksache.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

(Kersten Artus)

Das Wort bekommt Frau Dobusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich stelle als erstes fest, dass wir Damen, die wir uns zum ersten Mal mit Haushaltsdingen befassen, beeindruckt sind von diesen Papierwälzern. Ich habe auch als erstes in meine Rede aufgenommen, dass wir uns derzeit alle – ich hoffe alle, angesichts der leeren Bänke kommen einem manchmal Zweifel, ob das wirklich alle tun – durch die vorgelegten Entwürfe für den Haushaltsplan 2009/2010 arbeiten. Angesichts dieser kiloschweren Zahlenwerke müssen wir uns, zumindest musste ich das, auch immer wieder klarmachen, dass wir damit eines der vornehmsten Rechte dieses Parlaments ausüben, nämlich das Budgetrecht.

Nun ist es so, dass wir mit diesem Budgetrecht zumindest theoretisch ein hervorragendes Kontrollinstrument in Händen halten, mit dem wir überprüfen können, inwieweit der Einsatz des Geldes, das die Stadt hat, erstens den politischen Zielen dient, die die Bürgerinnen und Bürger uns aufgetragen haben, und zweitens ob und inwieweit der Auftrag unserer Hamburger Verfassung erfüllt wird. Mir geht es an dieser Stelle vor allem um einen Absatz dieser Verfassung, nämlich um Artikel 3 Absatz 2. Für den ganz und gar unwahrscheinlichen Fall, dass Ihnen dieser Absatz nicht präsent ist, dass Sie ihn im Moment nicht parat haben, lese ich Ihnen diesen Absatz vor:

"Sie [die Staatsgewalt] hat auch die Aufgabe, die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern."

Dies nur zur Erinnerung.

Meine beiden Vorrednerinnen haben ebenfalls schon festgestellt, dass der vorliegende Haushaltsplan-Entwurf uns keineswegs hinreichende Informationen darüber gibt, ob durch den Haushalt der Stadt dieses Ziel in irgendeiner Weise verfolgt wird oder nicht oder ob mit dem vorliegenden Entwurf gar gegenläufige Ziele verfolgt werden. Hier bräuchten wir ganz dringend ein anderes Haushaltswesen, und zwar ein geschlechterorientiertes. Neudeutsch heißt das schlicht – sogar der Präsident hat gelernt, es auszusprechen – Gender Budgeting. Es sollte uns nämlich in die Lage versetzen, anhand von Kennzahlen, Indikatoren und Wirkungsanalysen festzustellen, ob der Senat mit dem Geld der Steuerzahler und der Steuerzahlerinnen so umgeht, dass wir uns dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit zumindest langsam annähern.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich weiß, dass für einige von Ihnen, vielleicht sogar für viele, dieses Thema nicht neu ist. Wir haben schon gehört, dass der Senat aufgefordert worden

ist, Anfang des Jahres einen Bericht vorzulegen, denn wir haben eine ganz und gar ausgezeichnete Gelegenheit, jetzt etwas im positiven Sinne zu verändern. Schließlich bieten dazu das neue Haushaltswesen und das neue Steuerungsmodell eine hervorragende Gelegenheit; das wäre jetzt die Chance.

Wir warten auf den Bericht des Senats und was haben wir als Antwort auf die Anfrage der LINKEN erhalten, die diese dankenswerterweise gestellt hat. Der Senat bittet um Geduld und dämpft schon mal im Vorwege unsere Erwartungen. Wie lange werden wir uns eigentlich noch gedulden müssen, meine Damen und Herren? Das ist zurzeit ziemlich unbefriedigend. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr, denn wenn wir jetzt keine weiteren Informationen bekommen, dann werden wir weitere zwei Jahre verlieren.

Es gibt inzwischen wirklich genug gute Beispiele; einige sind hier schon genannt worden. Ich kann die Liste noch beliebig ergänzen, auch aus dem Ausland. Es gibt gute Beispiele aus Basel, die haben hervorragende Erfahrungen damit gemacht. Österreich feiert gerade große Erfolge mit diesem System. Ich höre hier auf, wir haben schon genug von dieser Seite gehört. Es ist also machbar, es gibt Erkenntnisse und Hamburg sollte einfach handeln.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Allerdings frage ich mich angesichts der dürftigen Antwort des Senats, ob dieser schwarz-grüne Senat das Ziel überhaupt ernst nimmt. Er verweist in seiner Antwort darauf, dass es lediglich einen Prüfauftrag gebe. Daraus folgere ich, dass nicht besonders viel geplant ist und auch nicht mehr besonders viel kommen wird. Bisher sieht es jedenfalls so aus – auch ich konnte zu keinem anderen Schluss kommen –, dass dieser Haushalt einem gleichstellungspolitischen Blindflug gleicht.

(Beifall bei der SPD)

Mir ist es nicht gelungen, irgendwelche Differenzierungen zu finden, die es uns erlauben würden, Schlüsse in dieser Hinsicht zu ziehen. Zum Beispiel findet sich keine Differenzierung bei den Kennzahlen der Behörde für Wirtschaft und Arbeit zur Existenzgründung, die zum Teil gefördert werden sollen, obwohl Hamburg – ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag – bei Existenzgründungen von Frauen an der Spitze der Republik liegen soll. Aber wie wollen Sie das machen, wenn Sie das gar nicht verfolgen, keine Kennziffern haben und dergleichen?

Über das Produkt Gleichstellung der BSG haben wir gestern Abend im Sozial- und Gleichstellungsausschuss schon gesprochen. Da finden wir ganze zwei Produkte und nicht eine einzige Kennzahl. Besser kann man die Vernachlässigung dieses Politikfeldes durch die Senate seit 2001 gar nicht aus

drücken. Im Wesentlichen vertröstet uns der Senat auf den Spätherbst. Zu diesem Zeitpunkt wird ein guter Teil der Haushaltsberatungen aber bereits abgeschlossen sein. Das ist einfach nicht state-of-the-art, so macht man das nicht.

Stimmen Sie deshalb einer Überweisung der Großen Anfrage an den Haushaltsund den Gleichstellungsausschuss zu. Dann kann dieser Senat die Informationen, die er uns schuldet, nachtragen und wir können gemeinsam die dann hoffentlich vorliegenden Kennzahlen diskutieren und auch bewerten. Das schulden wir einerseits dem gleichstellungspolitischen Auftrag unserer Verfassung, das schulden wir auch der Verpflichtung auf die Grundwerte der Europäischen Union und das schulden wir schlicht auch der ökonomischen Vernunft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt gendergerecht Herr Waldowsky.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Artus, Sie haben es selbst gesagt, Sie greifen mit Ihrer Großen Anfrage ein Thema auf, das die Bürgerschaft und den Haushaltsausschuss in der letzten Legislaturperiode auf Initiative der GAL schon mehrfach beschäftigt hat. Zu Recht hat sich die Idee des Gender Mainstreamings zu Beginn dieses Jahrzehnts als Gender Budgeting der Haushaltspolitik bemächtigt. Gleichstellungspolitik ist eine Querschnittsaufgabe und deshalb ist Gender Budgeting ein wichtiges gleichstellungspolitisches Steuerungsinstrument.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Dies ist nun – auch die Vorredner haben schon darauf hingewiesen – keine Besonderheit deutscher Politik

(Carola Veit SPD: Es waren Rednerinnen!)

Rednerinnen waren das –, sondern ist eingebettet in eine Genderdebatte, die weltweit und europaweit geführt wird.

Vor fast zehn Jahren, nämlich 1999, verpflichtete der Vertrag von Amsterdam die EU-Mitgliedsstaaten, Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe in allen relevanten Politikbereichen umzusetzen und auch der Europarat setzte sich mit den Anforderungen des Gender Budgeting auseinander. Schon sehr frühzeitig beschäftigte sich das Berliner Abgeordnetenhaus mit Gender Budgeting und es hat sich auf den Weg gemacht, es zum integralen Bestandteil der Haushaltspolitik zu machen. Besonders ist hervorzuheben, dass mit der Einrichtung der Arbeitsgruppe Gender Budgeting bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen im Rahmen einer durchdachten