Protocol of the Session on October 10, 2007

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 33, Drs. 18/7025, Antrag der GAL-Fraktion: Hamburg zur Wissenschaftsstadt ausbauen! Gründung einer Hamburger Stiftung für Wissenschaft und Forschung.

[Antrag der Fraktion der GAL: Hamburg zur Wissenschaftsstadt ausbauen! Gründung einer Hamburger Stiftung für Wissenschaft und Forschung - Drs. 18/7025 -]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an den Wissenschaftsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? - Frau Dr. Opitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten gerade eine interessante Haushaltsdebatte und nun möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen, der auf der einen Seite zwar sehr viel Geld kostet, aber gleichzeitig nicht gegen eine Haushaltskonsolidierung spricht und gleichzeitig neues Vermögen für die Stadt schafft.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

Wir schlagen Ihnen heute vor, eine Hamburger Stiftung für Wissenschaft und Forschung zu gründen und diese mit einem Vermögen von 1 Milliarde Euro auszustatten. Das würde jährlich einen Ertrag von rund 50 Millionen Euro für die Hamburger Forschung erbringen, den wir zusätzlich zur Verfügung stellen könnten.

Warum brauchen wir eine solche Stiftung? Unsere Antwort ist einfach: Exzellente Forschung ist das Fundament für den erfolgreichen Bau unserer Zukunft.

(Beifall bei der GAL)

Mit einer einseitigen Orientierung auf Handel und Hafen wird dies nicht gelingen. Ohne die entsprechenden Forschungsvorhaben besteht die Gefahr, dass wir auch in diesen Bereichen den Anschluss an eine wirtschaftliche Entwicklung verpassen. Leider ist momentan der Stand der Forschung an den Hamburger Hochschulen alles andere als gut. Wir müssen uns nur die Ergebnisse der Exzellenzinitiative des Bundes anschauen, um zu merken, dass die Hamburger Hochschulen abgehängt sind. In der ersten Förderrunde ging Hamburg leer aus und in der zweiten Runde, deren Gewinner demnächst bekanntgegeben werden müssten, ist Hamburg lediglich mit einem Antrag der Universität vertreten.

Gewinner der ersten Exzellenzinitiative waren die Universität Karlsruhe, die LMU München und die TU München. Alle drei Hochschulen liegen in Bundesländern, die bereits vergleichbare Stiftungen haben und schon deutlich längerfristig eine konzentrierte Forschungsförderung betrieben haben.

Ein weiteres großes Problem ist, dass exzellente Forscherinnen und Forscher Hamburg verlassen, weil sie hier keine Perspektive sehen. Diesen Forscherinnen und Forschern wollen wir in Hamburg eine Perspektive bieten und zugleich natürlich auch hervorragende Kräfte von außerhalb nach Hamburg holen.

Zudem würden wir durch diese finanzielle Kraftanstrengung der Stadt auch einen Kristallisationspunkt für die Akquirierung weiterer Mittel schaffen, denn die Anzahl von Drittmitteln und auch die Zustiftungen würden durch einen solchen Kraftakt steigen. Wir hätten hier eine positive Dynamik für unseren Forschungsstandort.

(Beifall bei der GAL und bei Wolfgang Marx und Gesine Dräger, beide SPD)

Eine solche Stiftung wäre also der entscheidende Impuls für Hamburg, Spitzenforschung zu entwickeln und damit auch die wirtschaftliche Kraft zu stärken.

Nun ist natürlich klar, bei so viel öffentlichem Geld brauchen wir eine parlamentarische Kontrolle. Daher soll es einen Aufsichtsrat geben, der zur Hälfte aus Mitgliedern der Bürgerschaft besteht und zur anderen Hälfte aus Vertreterinnen und Vertretern der Hochschulen und der Wirtschaft, die vom Senat benannt werden sollen.

Die Stiftung soll eigene Schwerpunkte setzen können und dafür Förderlinien ausschreiben. Aktuell wäre sicherlich ein Schwerpunkt Klimawandel wünschenswert, der Bereiche wie Klimaforschung, Klimafolgenforschung, die Erforschung von erneuerbaren Energien und Ähnliches unterstützen würde.

Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist auch, dass diese Stiftung die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen stärken sollte.

Wir konnten heute eine spannende Umfrage des Unternehmensverbands Nord lesen - ich will nur einen kleinen Punkt herausgreifen -, der an Senator Dräger die mangelnde Nähe zur Industrie kritisiert hat. Wir wollen mit einer solchen Stiftung Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen in der norddeutschen Region stärken. Wir wollen einen Schwerpunkt in der anwendungs- und problemorientierten Forschung legen. Damit soll die wirtschaftliche Kraft Hamburgs gestärkt werden und zugleich die Forschung der Unternehmen stärker in die Hochschulforschung eingebettet werden. Umgekehrt haben die Unternehmen den Vorteil, das Know-how an den Hochschulen zu nutzen. Darum sollen sie sich finanziell an der Forschung beteiligen. Die Grundlagenforschung soll damit nicht komplett ausgeschlossen werden - wir sprechen hier von Schwerpunktbildung -, aber es ist auch klar, Grundlagenforschung wird vielfach über Bundesmittel finanziert.

Eine wichtige Besonderheit, auch in Abgrenzung zu den anderen Stiftungen, unseres Modells ist, dass wir Projekte bevorzugen wollen, die die Lehre in die Forschung integrieren. Der Fachbegriff ist das forschende Lernen. Die Studierenden sollen möglichst frühzeitig an die Forschung herangeführt werden. So hätten wir in Hamburg eine Win-win-Situation für alle Akteure. Die Hochschulen und die Unternehmen erhalten exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs und für die Studierenden wird das Studieren in Hamburg besonders interessant.

Zum Abschluss möchte ich nur kurz auf zwei Punkte eingehen oder sie erwähnen. Das eine ist der Einwand

meines geschätzten Kollegen Beuß, den ich mir schon vorstellen kann und den ich deswegen schon aufgreifen möchte, diese Stiftung habe nichts mit Studiengebühren zu tun. Die Finanzierung der Forschung und die Finanzierung der Lehre sind zwei unterschiedliche Dinge. Für eine zusätzliche Forschungsförderung schlagen wir Ihnen die Gründung der Stiftung für Wissenschaft und Forschung vor. Für eine Verbesserung der Lehre haben wir Ihnen schon im letzten Jahr unser Programm, die Qualitätsoffensive für eine bessere Lehre, vorgeschlagen. Das ist unsere Antwort auf die Studiengebühren und nicht diese Stiftung.

Einen weiteren wichtigen Punkt habe ich nur am Rande angerissen, die Frage der Finanzierung. Ich kann Ihnen versichern, wir haben uns lange darüber Gedanken gemacht. Diese Stiftung ist finanzierbar. Aber mein Kollege Willfried Maier, den Sie alle als scharfen Haushälter und als Wächter über das Vermögen der Stadt kennen, wird Ihnen das in einer zweiten Runde noch einmal genauer erläutern.

Ich freue mich auf die folgende Diskussion sowohl hier als auch im Wissenschaftsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und bei Wolfgang Marx und Gesine Dräger, beide SPD)

Herr Beuß hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Opitz, der Antrag, den Sie eingebracht haben, erfreut mich von daher sehr, weil wir daran erkennen können, dass wir alle hier im Hause darum ringen, die Wissenschaftspolitik noch weiter nach vorne zu bringen und sie finanziell so auszustatten, dass wir in Hamburg zu einem exzellenten Hochschulstandort werden.

(Beifall bei der CDU und Dr. Heike Opitz und Nebahat Güclü, beide GAL)

Ich will heute gar nicht auf die Einzelheiten Ihres Antrags eingehen. Ich hatte schon in der letzten Debatte von dieser Stelle angekündigt, dass wir diesem Antrag mit Skepsis gegenüber stehen. Das hängt mit den Finanzierungsformalien zusammen. Aber ich habe gesagt, wir sollten uns im Wissenschaftsausschuss detaillierter - vielleicht auch gemeinsam mit unseren Haushaltspolitikern - noch einmal anhören, wie die Finanzierung gemeint ist, welche Formen der Umsetzung möglich sind. Dann schauen wir, zu welchem Ergebnis wir kommen. Deswegen sollten wir diese Debatte heute nicht allzu sehr in die Länge ziehen, wir haben noch weitere wichtige Themen, über die gesprochen werden sollte. Wir werden der Überweisung Ihres Antrags an den Wissenschaftsausschuss zustimmen. Der Haushaltsausschuss sollte sich nicht zusätzlich damit befassen, denn das können wir mit Haushaltssachverstand im Wissenschaftsausschuss ermöglichen. In diesem Sinne werden wir mit dem Antrag verfahren.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Heike Opitz GAL)

Herr Marx hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die GAL legt uns nun einen Antrag vor, um das Thema der kreativen Stadt

wieder ganz Grün zu besetzen, dort, wo es sozusagen herkommt. Die GAL-Fraktion hat im Gegensatz zu Senator Dräger erkannt, Wissenschaft ist wichtig, gerade in einer Stadt, die zukunftsfähig sein will, die mehr sein will als ein permanenter Hafenausbau.

(Beifall bei Gudrun Köncke GAL)

- Anscheinend kein Beifall bei der SPD, nur bei der GAL, schade.

(Bernd Reinert CDU: Bei uns aber auch keiner!)

Ich habe allerdings den Eindruck, dass "große" Bürgerschaftsabgeordnete immer kurz vor dem Ende von Legislaturen den Charme von Fonds und Stiftungen entdecken, werter Herr Dr. Maier. Jan Ehlers hat das Thema 2001 entdeckt, nun entdecken Sie es, Herr Dr. Maier. Solche Stiftungen haben den Charme, dass die jeweiligen Politikbereiche unabhängig von Wunschvorstellungen der gerade amtierenden Senate stetig Gelder erhalten können. Solche Stiftungen höhlen aber letzten Endes die Gestaltungsmöglichkeiten des Haushaltsgesetzgebers - das sind wir, die Bürgerschaft - immer weiter aus.

Gerade die Geistes- und Sozialwissenschaften sind so sehr von Senator Dräger gezwiebelt worden, dass sie mittlerweile dankbar für jede zugestiftete Zehntelmillion wären - und das über Jahre hinaus. Trotzdem muss man sich fragen, ob eine Stiftung, die von Steuermehreinnahmen gespeist werden soll, überhaupt praktikabel und finanzpolitisch wünschenswert ist.

Wenn die schwarzrote Unternehmenssteuerreform ab 2008 in den Haushalten so grausame Spuren hinterlässt wie damals bei der rotgrünen Steuerreform, dann würde diese schöne Stiftung schon im Kindbett sterben und die Steuermehreinnahmen wären erst einmal wieder Vergangenheit. Darüber hinaus stellt sich die Frage, was die Stiftung mit ihrem Stiftungskapital kapitalerhaltend und -vermehrend kaufen soll. Hamburger Schuldbriefe oder HHLA-Aktien oder amerikanische Hypothekenbankaktionen oder gar Darlehen? Wenn man schon den Weg einer Stiftung gehen will, dann macht es für mich viel mehr Sinn, den Weg zu gehen, den schon der damalige Senator Dr. Peiner für den Hamburger Versorgungsfonds gegangen ist. Man kann die Anteile und damit die Erträge eines größeren städtischen Unternehmens in einen Fonds überführen und damit unabhängig von der Tagespolitik Sinnvolles machen. Ich persönlich könnte mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, die HHLA nicht - wie es jetzt geplant ist - teilweise zu verkaufen, sondern sie in einen Fonds zu überführen, aus dem künftig Hafen und Wissenschaft gefördert werden.

(Beifall bei Dr. Willfried Maier GAL)

Gerade weil aber dieser Antrag so viele Finanzfragen aufwirft, bitte ich die CDU-Fraktion noch einmal, in sich zu gehen und mir als parlamentarischem Auslaufmodell noch einen Wunsch zu erfüllen und den Antrag nicht nur an den Wissenschaftsausschuss, sondern auch an den Haushaltsausschuss zu überweisen. Ich verspreche Ihnen auch, dass ich in keinem der beiden Ausschüsse eine Anhörung beantragen werde.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Kruse hat das Wort.

Frau Präsidentin! Herr Marx, Sie hatten vorhin gesagt, es müsse auch bei der Doppik sichergestellt werden, dass das Parlament weiterhin Transparenz hat. Jetzt kommen Sie auf die Idee, dass wir wesentliche Teile unseres Vermögens in eine Stiftung geben und dann überhaupt keine Kontrolle mehr haben. Das kann nicht Ihr Ernst sein. Es gab vorhin - das ist allerdings gerügt worden und deswegen wiederhole ich das nicht - eine Handbewegung und eine Bemerkung des Kollegen Maier, die zu Ihrer Aussage eben am besten gepasst hätte. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Maier hat das Wort.

Ich kann mich gar nicht mehr an den Sinn meiner Handbewegung erinnern, aber das mag dahingestellt sein.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Warum wir dieses Thema für so dringlich halten, mag Ihnen vielleicht noch einmal an einem Punkt ersichtlich werden, der an unsere Eingangsdebatte zur Wirtschaftspolitik anknüpft. Wir haben uns darüber unterhalten, wie stark Hamburg offenkundig vom Welthandel, vom Hafen, vom Containerumschlag im Hafen und von dem, was daran hängt, abhängig ist.

Wir haben in Hamburg in den letzten 50 Jahren schon zweimal das Problem gehabt, dass diese klassische Orientierung "in die Grütze" ging. Zum einen, als unsere Werften "den Bach runtergingen", weil die Schiffe in Asien plötzlich viel billiger gebaut wurden, und zum anderen, als der manuelle oder halbmanuelle Umschlag durch Containerumschlag abgelöst wurde und die damit verbundenen Arbeitsplätze plötzlich wegfielen. Das waren Entwicklungen, auf die wir keinen Einfluss hatten. Im Moment hängt die ganze Stadt noch intensiver an weltpolitischen und Welthandelskonjunkturen. Das empfinde ich als dramatisch angesichts eines Umstandes, den ich Ihnen noch einmal vortragen möchte. Wenn Sie unter den 50 größeren Städten der Bundesrepublik den Anteil des Forschungs- und Entwicklungspersonals an den Gesamtbeschäftigten vergleichen, dann stellen Sie fest, dass in Städten wie Ludwigshafen, Stuttgart, München 36 von 1.000 Beschäftigten im Bereich Forschung und Entwicklung tätig sind, also hoch qualifizierte Leute, die an Innovationen arbeiten. In Hamburg sind es 3,4 Menschen von 1.000. Das heißt, wir haben einen dramatischen Rückstand in Bezug auf die Innovationsfähigkeit unserer industriellen und wirtschaftlichen Basis. Dieser ist strukturell gewachsen und hängt mit der Art und Weise zusammen, wie hier über Jahrhunderte Wirtschaft gemacht worden ist, die aber in einer Ökonomie, die immer stärker von Wissensbestandteilen abhängig wird, auf Dauer nicht fortgesetzt werden kann. Wenn wir aber wissen, dass bei uns noch nicht einmal ein Zehntel so viele Menschen wie in Ludwigshafen, Stuttgart, München - sogar in Wuppertal sind es fünfmal so viele wie in Hamburg - im Bereich Forschung und Entwicklung tätig sind, dann haben wir offenkundig ein schwerwiegendes Problem, das strukturelle Eingriffe verlangt. Eine Wissenschaftspolitik, die von der Haushaltslage abhängig ist, ruiniert auf Dauer die wissenschaftlichen Einrichtungen unserer Stadt. Darum müssen wir in einer Situation, in der es der Stadt aufgrund höherer Steuereinnahmen besser geht, den Versuch unternehmen, eine Verstetigung hereinzubringen,

indem wir diese Haushaltsmittel aus unserer Politiker- und Wahlkampfdisposition, über die wir gerade geredet haben, herausnehmen. Wir müssen diese Mittel dauerhaft für eine strukturelle Veränderung und für eine strukturelle Erneuerung Hamburgs bereitstellen.