Protocol of the Session on June 16, 2004

Deshalb muss der Bürgermeister im Bundesrat deutlich Flagge zeigen, dass es um Hamburgs Interessen geht. Der Hamburger Bürgermeister muss für die Interessen Hamburgs stehen und nicht für die Karrierehoffnung von Herrn Stoiber.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Bernd Reinert CDU: Sie wiederholen sich!)

Daneben halten wir auch die begrenzte Grundsteuererhöhung für vertretbar. Eine Grundsteuererhöhung für mehr Leistung in der Bildung und der Kindertagesbetreuung ist zumutbar. Zumutbar ist sie allerdings nicht allein zur Finanzierung dauerhafter Mehrkosten in Höhe von 40 Millionen Euro, wie Sie es gemacht haben. Die haben in Hamburg bekanntermaßen keinen einen einzigen zusätzlichen Kita-Platz geschaffen.

Meine sehr geehrten Damen, meine Herren! CDU und Senat nutzen die vom Bund endlich begonnene Reform der Arbeitsförderung und Arbeitsvermittlung nicht für einen Umbau der Beschäftigungsförderung, sondern für einen ideologisch motivierten Kahlschlag. Statt alle möglichen Kürzungen mit "Hartz" zu begründen, ist aus unserer Sicht eine umgehende Entscheidung für das Modell der Arbeitsgemeinschaft mit der Bundesagentur bei der Umsetzung von Hartz IV notwendig. Die entscheidenden Vorarbeiten für einen reibungslosen Übergang zum Arbeitslosengeld II müssen jetzt in Angriff genommen werden. Ich bitte Sie – Sie haben ja selbst Interesse daran, dass Menschen auch weiter konsumieren können –, nehmen Sie in Hamburg nicht über 100 000 Menschen in Geiselhaft für Ihre Oppositionspolitik in Berlin.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es geht darum, diesen Menschen zum Jahreswechsel weiterhin das zukommen zu lassen, was ihnen zusteht, und keine Oppositionsspielchen in Berlin zu spielen. Das ist Hamburgs Interesse und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Fangen Sie mit der Umsetzung von Hartz IV an. Ihr ständiger Verweis, Herr Mattner, das Optionsgesetz sei noch gar nicht beschlossen, ist unehrlich. Das wissen Sie selbst.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Dann müssten Sie Hellseher sein!)

Nicht Sie persönlich, aber Ihr Bürgermeister, die Unionsmehrheit im Bundesrat blockiert den Beschluss über das Optionsgesetz. Obendrein wissen Sie schon lange, dass Hamburg, selbst wenn das Gesetz beschlossen ist, diese Option, die das Gesetz ermöglichen soll, gar nicht ziehen will. Von daher lassen Sie uns gemeinsam für Hamburg an einer erfolgreichen Umsetzung der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe arbeiten. Das ist wirklich im Interesse Hamburgs und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Im Bereich der Beschäftigungsförderung wurden seit 2002 rund 40 Millionen Euro gekürzt und das, obwohl die Arbeitslosigkeit in Hamburg in den vergangenen Jahren im Bundesvergleich überdurchschnittlich auf fast 85 000 Menschen gestiegen ist. Die ideologische Begründung, die Sie dafür liefern, lautet: Die Mittel müssten in Investitionen und in Beschäftigung auf den Ersten Arbeitsmarkt umgelenkt werden. Wo sind diese Investitionen? Sind es die Gelder, die erst bei der Arbeitsmarktförderung zugunsten der Förderung des Handwerks gestrichen worden sind und schließlich als Zuschuss beim Deutschen Tennisbund landeten?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Es gibt in Hamburg keine Stärkung des Ersten Arbeitsmarkts. Was es aber gibt, sind immer wieder Zusagen des Bürgermeisters an Sportfunktionäre. Da wird sehr nett mit Herrn Boris Becker im Hotel Vier Jahreszeiten geplauscht und mal eben ein neues Tennisstadion im Volkspark versprochen.

Wenn man wirklich eine Sportstadt Hamburg will – und wir Sozialdemokraten wollen sie –, dann langt es nicht, bei jeder Sport-Gala und bei jedem Besuch einer VIPLounge neue Versprechungen zu machen. Da müssen ernsthafte Gespräche geführt und ein Konzept entwickelt werden, das finanziell abgesichert ist, auch über den Tag hinaus trägt und bei aller Förderung des Spitzensports nicht den Breitensport stranguliert. Deutsches Derby, Rotherbaum, Dressur-Derby sind wichtig und gehören zu Hamburg. Es geht aber nicht an, dass das Kinderturnen des Horner TVs die Zeche für diese Groß-Events zahlt, weil zukünftig die Sporthallen von den Vereinen bezahlt werden müssen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auch bei den Theatern und Museen läuft es ähnlich. Immer wieder werden neue prestigeträchtige, aber sehr kostenintensive Projekte angekündigt und gefeiert. Einmal ist es der Aqua-Dome, dann ein Science-Center mit Imax-Kino, dann ein neues Meeres- und Schifffahrtsmuseum oder ein Archäologiezentrum auf dem Domplatz. Wo es aber ganz konkret um die Umsetzung geht, also

nicht nur um die Presseerklärung, sondern real um die Arbeit in der Stadt – beispielsweise die Auswandererhalle auf der Veddel –, passiert nichts. Ich bin sehr gespannt, ob etwas aus dem Ballett-Museum werden wird. Wenn Sie Ihre Tradition fortsetzen, wird auch das gegen die Wand gefahren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Widerspruch in Hamburg ist mit Händen greifbar. Der Bürgermeister verspricht ständig neue Museen, unser Finanzminister denkt laut über die Schließung von Museen und Theatern nach. Ich höre da doch irgendwie wieder Frau Horáková, die gesagt hat:

"Wo Neues entstehen soll, muss Altes sterben."

Von einem notwendigen Kulturkonzept für die Stadt, das die Konsolidierung der bestehenden sieben staatlichen Museen und Theater beinhaltet, ist weit und breit nichts zu sehen. Vor zwölf Wochen hatte ich mich gefreut, dass Hamburg endlich wieder eine Kultursenatorin hat. Die Schlagzeilen in dieser Woche erwecken aber den Eindruck, dass Herr Peiner nicht nur die Wirtschafts- und Stadtentwicklungspolitik übernommen hat, sondern nun auch noch die Kulturpolitik.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie kündigen Sportstätten an, sie kündigen Museen an, aber Sie kündigen auch ein Sparpaket nach dem anderen an. Es fehlt Ihnen ein Konzept, es fehlt Ihnen ein Plan für Hamburg. Sie und Ihr Senat sprechen immer wieder von der wachsenden Stadt und Ihr Bausenator ist sich nicht zu schade, in einer Rikscha rund ums Rathaus zu fahren und dann zu erklären, dass dieses Rikscha-Fahren ein Beitrag zur wachsenden Stadt sei.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der GAL)

Er hat Recht, in jeder wachsenden Stadt – sei es Kalkutta oder Bombay – fährt man Rikscha. Aber das ist doch nicht unsere Vision von Hamburg.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wer ständig die Vokabeln "Wachsende Stadt", "Metropole", "Wir vergleichen uns mit Barcelona und Sydney" im Munde führt und in diesem Zusammenhang auf Großereignisse wie World Awards, Women´s World Awards und Bambi-Verleihung verweist, verbreitet aus meiner Sicht eher ein Bild der Provinzialität,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

besonders wenn man weiß, dass diese Veranstaltungen im nächsten Jahr in Berlin stattfinden werden.

(Heiterkeit bei der SPD)

Der Innovationsfonds "Wachsende Stadt" – ursprünglich für Investitionen vorgesehen – finanziert all diese Spielereien. Wo es um PR geht, sind leicht 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Es wird dafür sogar eine eigene GmbH gegründet, deren jährliche Verwaltungskosten läppische 800 000 Euro betragen.

Im Wohnungsbau – man sollte meinen, das Thema ist ganz eng mit Einwohnerwachstum verbunden – wird gekürzt. Von 1991 bis 2001 wurden in Hamburg über 75 000 Wohnungen gebaut – durchschnittlich also 7500 Wohnungen im Jahr. Das aktuelle Wohnungsbauprogramm sieht gerade einmal die Förderung von 2600 Wohnungen vor. Und das sind nicht einmal alles neue

zusätzliche Wohnungen, sondern auch Umbauten, Modernisierungen oder Gebrauchtimmobilien. Selbst diese Planzahl von 2600 wird nicht erreicht. Im Jahre 2003 wurden keine 700 Wohnungen gefördert. Das ist in Hamburg ein historischer Tiefstand.

Eine wirklich wachsende Stadt braucht mehr Wohnungsbau und nicht weniger. Die Förderkapazität der Wohnungsbaukreditanstalt ist lediglich zu einem Sparschwein des Senats verkommen, das geknackt wird, wenn immer wieder ein neues Haushaltsloch auftaucht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dabei muss man sich vor Augen führen, dass bis zum Jahre 2012 über 45 000 öffentlich geförderte Wohnungen aus der Mietpreisbindung fallen und Bauprojekte wie "Neugraben 65" oder die Nutzung von Konversionsflächen nicht vorankommen.

Während Familien im Umland immer günstigere Angebote für Baugrundstücke finden, gilt das in Hamburg nicht. Das liegt auch nicht in Hamburgs Interesse. Eine solche Wohnungsbaupolitik und gleichzeitig Ihre Wachstums-PR sind etwas, auf das der Wohnungsmarkt reagiert. Allein von 2001 auf 2003 sind die Mieten um 5,1 Prozent gestiegen, obwohl es vorher eine lange Preisstabilität gab. Wen trifft das? Es trifft vor allem jene, die größere Wohnungen suchen und sich teuren Wohnraum nicht leisten können. Es trifft Familien mit Kindern.

Wie phrasenhaft das Projekt der "Wachsenden Stadt" ist, hat kürzlich Ihr Justizsenator unfreiwillig komisch deutlich gemacht: Der Senat baut bekanntermaßen in Billwerder – einer sagt, es sei ein werdender Prozess – für 23 Millionen Euro zusätzliche Haftplätze, deren Auslastung mehr als fraglich ist. Bereits jetzt sind die Vollzugsanstalten in Hamburg gar nicht ausgelastet. Wenn diese Entwicklung andauert, gibt es nach Beendigung des zweiten Bauabschnitts in Billwerder 500 Haftplätze, die wir in Hamburg überhaupt nicht brauchen. Anstatt nun dem Parlament einen Bedarfsplan vorzulegen, verweist der Staatsrat lapidar auf die wachsende Stadt, die werde es schon richten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Sie zeichnen ein seltsames Bild von einem wachsenden Hamburg. Wohnungen, Beschäftigungsförderung, Berufs- und Weiterbildung brauchen Sie nicht. Was Sie aber brauchen, sind mehr Haftplätze und Presseerklärungen. Das ist ein Zerrbild und kein Leitbild.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Diese PR-Politik der vollmundigen Ankündigungen ohne Konzept bringt Hamburg in der Wirtschaftspolitik, in der Stadtentwicklungspolitik, in der Kultur- und Sportpolitik nicht weiter. In der Schulpolitik richtet sie großen, großen Schaden an und die Finanzpolitik kann sich eine solche Politik des Ankündigens und des Schönfärbens schlichtweg nicht leisten.

Während die Steuerlast – ich habe vorhin darauf hingewiesen und mich auf Herrn Peiner bezogen – in Deutschland sehr gering ist, sind die Abgaben auf Beschäftigung zur Finanzierung der Renten-, der Kranken-, der Pflege- und der Arbeitslosenversicherung in den letzten Jahrzehnten – vor allem während der Regierung Kohl – erheblich angestiegen.

(Henning Tants CDU: Das musste ja kommen!)

Unser Sozialsystem ist teuer, vielleicht auch hier und da zu teuer, vor allem wird es aber durch Abgaben und Beschäftigung finanziert. Keine andere entwickelte Volkswirtschaft tut das in einem Maße wie wir in Deutschland. Die hohen Abgaben auf Arbeit wirken oftmals wie eine Strafsteuer auf Beschäftigung und das muss sich ändern.

Die Reformvorhaben der Bundesregierung packen dies offensiv an.

Auch Schleswig-Holstein hat hier jüngst interessante Vorschläge gemacht. Hamburg, unsere Stadt, sollte dies auch tun und im Bundesrat eine konstruktive, eine gestaltende und keine oppositionelle Rolle einnehmen, denn nur Wachstum und Beschäftigung können die notwendigen Ressourcen, die notwendigen Steuereinnahmen liefern, um Fortschritt durch Bildung, Wissenschaft, Integration und Förderung der Familien ermöglichen.

Die Steuerschätzung, die uns jetzt vorgelegt worden ist, hat eine erneute Verschlechterung von 260 Millionen Euro gebracht. Diese Verschlechterung teilt der Senat in Mindereinnahmen und Mehrzahlungen in den Länderfinanzausgleich auf.