Das Vorhaben, in einem Handstreich Kinderkuren zu streichen, geht in dieselbe Richtung. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, warum diese 1200 Kinder zur Kur geschickt werden. Ich kann es Ihnen gerne sagen. Es sind Krankheiten des Bewegungs- und Stützapparates, es sind Atemwegserkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten oder traumatische Erfahrungen im Elternhaus.
Die Ausrede, dies könne zukünftig von den Krankenkassen bezahlt werden, wie Sie es gestern gesagt haben, ist falsch. Es geht eben nicht nur um klar definierte Krankheiten und Erkrankungen, sondern darum, Kinder aus den miesesten Verhältnissen herauszuholen und ihnen mit diesen Kuren auch wieder Perspektiven zu geben. Diese Streichung bedeutet nicht den Verzicht auf irgendeinen Luxus, sondern, dass 176 Menschen ihre Arbeit verlieren, und vor allem, dass in Hamburg Kinder, die Hilfe brauchen, keine mehr bekommen werden.
Damit trifft wieder eine der wenigen konkreten Einsparungen nicht die Bürokratie, nicht die Verwaltung der
Verwaltung, sondern die Menschen, die wirklich unsere Hilfe brauchen. Das ist nicht in Hamburgs Interesse.
Ein weiteres Beispiel: Im Jahre 2000 musste ein Mitarbeiter im Bezirksamt Bergedorf im Durchschnitt knapp 150 Sozialhilfeempfänger betreuen. Vor Ort bot sich schon damals ein Bild der Überbelastung und es hat sich weiter verschlechtert. Inzwischen muss derselbe Sachbearbeiter über 200 Sozialhilfeempfänger bearbeiten. Weniger Sachbearbeiter haben immer mehr Sozialhilfeempfänger zu betreuen. Beratung und Vermittlung in Arbeit ist da überhaupt nicht mehr zu schaffen. Auch hier findet offensichtlich Hilfe nicht mehr statt. Das heißt, Ihr Motto in der Sozialhilfepolitik "Wer unsere Hilfe wirklich braucht, wird sie bekommen", empfinden die wirklich Hilfe suchenden Menschen in Hamburg nur noch als blanken Hohn und Zynismus.
Als Hohn werden auch unsere Feuerwehr und Polizei die Ankündigungen Ihres Senats und, Herr von Beust, Ihrer jeweils wechselnden Innensenatoren empfinden. Unsere Freiwilligen Feuerwehren fürchten um ihre Standorte. Polizisten und Feuerwehrleute fürchten um die freie Heilfürsorge. In beiden Fällen zeigt sich, dass die Menschen, auf die wir uns alle tagtäglich verlassen, sich auf Sie, Herr Bürgermeister, eben nicht verlassen können.
Den Freiwilligen Feuerwehren wurde noch kurz vor der Wahl zugesagt, dass infolge der Strukturuntersuchung keine Wehr aufgelöst wird. Was ist diese Bestandsgarantie heute noch wert? Nichts.
Den Polizisten und Feuerwehrleuten hat der Finanzsenator vor genau einem Jahr gesagt, dass die freie Heilfürsorge nicht abgeschafft werde. Was ist diese Zusage heute noch wert? Nichts.
Damit, Herr von Beust, gefährden Sie die Motivation unserer Polizei, unserer Feuerwehr und damit im Ergebnis unser aller Sicherheit. Das kann doch nicht im Interesse Hamburgs sein. Da nützt auch die Einführung einer blauen Uniform nichts. Unabhängig davon, dass die Finanzierung mehr als windig ist, wenn Sie unseren Polizisten und Feuerwehrleuten die freie Heilfürsorge nehmen, versündigen Sie sich auch an der Sicherheit unserer Stadt.
Uniformen sind ein gutes Beispiel. Es ist ja nicht nur so, dass Herr Hesse nicht müde wird, auch für die Hamburger Schüler Uniformen zu fordern.
Sein Kollege, Herr Trepoll, ist mittlerweile so weit, dass er jetzt auch sagt, wir müssten zukünftig ständig die Bundesflagge vor allen Hamburger Schulen gehisst haben, weil ein gesunder Patriotismus beim Lernen helfen würde. Da stelle ich offen die Frage: Ist das wirklich der Weg der CDU in der Bildungspolitik: Flaggen und Uniformen?
Herr Bürgermeister, wir wollen gemeinsam einen Ausbau der Ganztagsschulen. Bisher jedoch waren die von der Schulbehörde geplanten zusätzlichen Ganztagsschulen Light-Varianten. Es sollte zwar Ganztagsschule dranstehen, aber nicht drin sein. Ihr Konzept sieht vor, die Mittel für die bereits bestehenden Ganztagsschulen um 60 Prozent zu kürzen. Wer soll das eigentlich noch verstehen, was Sie dort tun?
Wie sollen wir uns noch einmal in Erinnerung rufen, warum es eigentlich gut für Hamburg und für die Menschen in unserer Stadt ist, mehr Ganztagsschulen zu schaffen. Es geht dabei doch nicht um die Verwahrung von Kindern in staatlicher Obhut. Es geht auch nicht um die Schulspeisung, nach dem Motto "Satt & Sauber". Es geht vielmehr um Bildungschancen. Es geht darum, Chancen für den Einzelnen, aber auch für unsere Stadt zu schaffen, denn Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt.
Das sagen jetzt nicht nur Sozialdemokraten, die hier als Opposition eine Rede halten, sondern auch die letzten OECD-Studien haben es nachgewiesen. In Ländern, in denen in Bildung, Forschung und Entwicklung investiert wurde, steigt das wirtschaftliche Wachstum aufgrund dieser Investitionen. Das heißt, Investitionen in Bildung sind damit durchaus den Investitionen in Infrastruktur vergleichbar. Die Zukunftsfähigkeit Hamburgs hängt eben nicht nur von den großen, wichtigen Infrastrukturprojekten ab – von denen auch –, sondern sie hängt mindestens ebenso davon ab, ob wir in Hamburg gut und sehr gut ausgebildete Menschen haben, die den Anforderungen des internationalen Arbeitsmarktes gerecht werden. Ich habe bei dem, was Sie hier vorgestellt haben, den Eindruck, dass Sie, Herr von Beust, diesen Zusammenhang noch nicht verstanden haben.
Sie schaden mit Ihren Sparmaßnahmen im Bildungsbereich nicht nur vielen Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien – das tun Sie auch –, aber Sie gefährden damit vor allem auch die ökonomische Grundlage unserer Stadt. Auch PISA – man kann es kaum noch hören – hat deutlich gemacht, dass in keinem anderen entwickelten Industrieland Bildungschancen und damit auch die Chancen auf Ausbildung, Arbeit, Aufstieg und Wohlstand so ungleich verteilt sind wie bei uns in Deutschland. Hier sollen Ganztagsschulen für mehr Bildungsgerechtigkeit, für mehr Gerechtigkeit in der Verteilung von Chancen sorgen. Ihr Ganztagsschulkonzept unterhalb der Mindeststandards wird das nicht erreichen. Es wird das Gegenteil erreichen und das ist nicht in Hamburgs Interesse.
In der Familienpolitik haben Sie sich mit dem Kita-Chaos ein wirkliches Problem geschaffen. Tausende von Familien sind verunsichert und viele waren in ihrer beruflichen Existenz gefährdet. Wir wollen das System von Grund auf überprüfen und die finanzielle Grundlage solide aufarbeiten. Aber das allein reicht nicht. Wir müssen die Voraussetzungen für eine gute und ausreichende Kinderbetreuung schaffen, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die wir alle immer im Munde führen, auch die Erfüllung des Bildungsauftrages, kein leeres Versprechen bleibt.
Herr von Beust, Sie und Ihr Senat sind in der Pflicht, sich im Bundesrat auch dafür einzusetzen, dass die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit ab Januar 2005 die zugesagten Bundesmittel für den Ausbau der Kindertagesbetreuung fließen können.
Es geht dabei um 45 Millionen Euro jährlich. Nachdem Sie letzten Freitag – aus welchen Motiven auch immer – im Bundesrat einen gewissen Mut gezeigt haben, muss der Senat im Bundesrat danach entscheiden, was Hamburg nutzt und nicht, was die Oppositionsstrategie oder die persönlichen Karriereplanungen der Herren Koch und Stoiber angeht. Sie müssen nach Hamburgs Interessen handeln und Hamburgs Interessen sind es, dieses Geld für die Kinder und Jugendlichen in Hamburg zu gewinnen.
Wir Hamburger Sozialdemokraten stehen zu unseren Schwerpunkten Bildung und Familie. Das haben wir im Wahlkampf erklärt und das halten wir auch jetzt für richtig. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit.
Sie, Herr von Beust, sind im Jahre 2001 mit der Aussage angetreten, Bildung zum Schwerpunkt Ihrer Politik zu machen. Da kann man, glaube ich, unumwunden sagen: Das war wohl nichts. Sie haben so getan, als wäre Bildungspolitik in Hamburg allein die Sache der FDP und ihres Senators Herrn Lange. Ich möchte aber daran erinnern, dass Sie Herrn Lange in Ihren Senat berufen haben. Sie bestimmen die Richtlinien der Politik, also sind Sie auch für das Desaster verantwortlich.
Sie haben im Februar 2004 eine zweite Chance bekommen. Aber Bildung ist für Sie weiterhin kein Schwerpunkt.
Nein, Sie haben ein politisches Leichtgewicht mit diesem angeblichen Schwerpunkt betraut und hier gibt es eine bedauerliche Kontinuität zwischen Ihrem letzten und Ihrem aktuellen Senat. Bildung ist für Sie nicht Schwerpunkt, sondern Senatsspardose. Für 2005/2006 ist im Bildungsetat sogar von der Streichung weiterer 1000 Lehrerinnen- und Lehrerstellen die Rede. Während alle Welt davon spricht, dass Bildung der Schlüssel für die Zukunft und für mehr Gerechtigkeit ist, kürzen Sie die Lehrerstellen in Hamburg um 8 Prozent.
Herr Bürgermeister, das muss man Ihnen auch vorwerfen: Sie haben die neue Bildungssenatorin genauso über den Tisch gezogen, wie Sie es in Jesteburg mit Rudolf Lange gemacht haben. Sie haben nicht den Mut, klare Prioritäten zu setzen und sich dann auch zu ihnen zu bekennen.
Unsere sozialdemokratischen Prioritäten sind aber klar, unsere Forderungen auch: Wir wollen einen Ausbau der Kindertagesbetreuung, der Ganztagsschulen und der Bildungspolitik, die für mehr Qualität in Hamburger Schulen sorgt.
Qualität braucht aber auch engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die guten Unterricht machen und die Kinder motivieren. Größere Klassen, Kürzungen bei der Sprachförderung, beim Deutschunterricht für Zuwanderer, bei der Betreuung verhaltensauffälliger Kinder und Ganztagsschulen unterhalb von Mindeststandards sind jedoch keine Antworten auf die Fragen der Eltern nach den Bil
dungs- und Zukunftschancen ihrer Kinder. Wer in diesem Maße kürzt und gleichzeitig das Abitur nach zwölf Jahren einführt, setzt in bedenklichem Maße die Qualität der Bildung in Hamburg aufs Spiel. Das ist nicht in Hamburgs Interesse.
Ich weiß, dass es nicht den Traditionen einer Regierungsfraktion entspricht, aber lesen Sie unseren Bildungsantrag und Sie gewinnen eine Vorstellung davon, wie man erreicht, dass es bessere Schulen, besseren Unterricht, bessere Integration und generell bessere Bildung in Hamburg gibt. Das ist im Interesse Hamburgs.
Nun bitte ich Sie, mich nicht zu enttäuschen. Ich hatte an dieser Stelle Zwischenrufe erwartet, was die Finanzierung angeht, denn ich will auch etwas dazu sagen.
Die Bundesregierung stellt einerseits erhebliche Mittel für den Krippenausbau und die Ganztagsschulen bereit. Das allein reicht jedoch nicht. Ich habe – wenn Sie zugehört haben, werden Sie das erinnern – ein paar Mal von den Hamburger Interessen gesprochen. Wenn es darum geht, im Hamburger Interesse Bildungspolitik zu machen und dort Investitionen voranzutreiben, dann müssen wir uns auch fragen, ob Subventionen wie die Eigenheimzulage oder die Pendlerpauschale im Interesse Hamburgs sind. Ich meine, dass diese Subventionen nicht in Hamburgs Interesse liegen.
Deshalb muss der Bürgermeister im Bundesrat deutlich Flagge zeigen, dass es um Hamburgs Interessen geht. Der Hamburger Bürgermeister muss für die Interessen Hamburgs stehen und nicht für die Karrierehoffnung von Herrn Stoiber.