Protocol of the Session on April 14, 2005

Der Innensenator hat es sich noch leichter gemacht: Er hat sich schlicht mit dem Senatsentwurf identifiziert. Eine großartige Leistung.

(Lachen und Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfhard Ploog CDU: Sollte er ihn ablehnen oder was erwarten Sie?)

Wir sollten uns noch einmal mit dem Ablauf und den Ergebnissen der öffentlichen Anhörung beschäftigen. Die öffentliche Anhörung, die der Verfassungsausschuss der Bürgerschaft am 8. Februar durchgeführt hat, hat in aller Deutlichkeit gezeigt, was die Öffentlichkeit, was die Bürger dieser Stadt vom Plan des Senates halten. Dort hat sich eine Vielzahl von Menschen zu Wort gemeldet, um ihre Meinung zu der geplanten Änderung der Volksgesetzgebung zu äußern. Bis auf eine einzige Wortmeldung haben sich alle ablehnend zu den Planungen geäußert. Die Erschienenen konnten mit Recht erwarten, dass man ihre Sorgen ernst nehmen und ihre Stellungnahmen im laufenden Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen werde. Am heutigen Tag muss daher die Enttäuschung dieser Bürgerinnen und Bürger umso größer sein, denn der Senat und mit ihm die CDU halten an dem Gesetzentwurf fest, mit dem die Volksgesetzgebung in letzter Konsequenz praktisch abgeschafft wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Man darf sich da keiner Illusion hingeben. Die Volksgesetzgebung als Mittel der demokratischen Meinungsäußerung hat mit diesem Gesetz des Senators ausgedient. Wir werden hier in Hamburg – davon muss man ausgehen – kein erfolgreiches Volksgesetzgebungsverfahren mehr erleben. Es ist offensichtlich, dass sich der Senat vor den Entscheidungen der mündigen Bürger fürchtet und daher zu diesem Angriff auf die direkte Demokratie ansetzt.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch Unfug!)

Was Sie mit diesem Gesetz machen, ist auch verfassungsrechtlich umstritten. Es ist hier und bei den Beratungen im Verfassungsausschuss schon gesagt worden: Die Entkopplung von allgemeinen Wahlterminen und dem Termin zur Durchführung des Volksentscheides begegnet vor dem Hintergrund der vom Verfassungsgeber gewollten Trichterwirkung verfassungsrechtlichen Bedenken. Bisher war es geltendes Gesetz, dass Volksentscheide, die in einem gewissen Zeitfenster vor Wahlterminen stattfinden, gemeinsam mit diesen Wahlen durchzuführen seien. Die Verfassung sah einen gemeinsamen Termin und eine gemeinsame Durchführung von Wahl und Volksentscheid deswegen vor, weil so eine Trichterwirkung gewährleistet ist, sodass eine möglichst große Zahl an Stimmberechtigten an der Abstimmung teilnimmt. Niemand – auch nicht der Senat – bestreitet, dass sich durch diese Regelung mehr Bürgerinnen und Bürger an Volksentscheiden beteiligen als es nach einer Entkopp

lung, wie sie der Senat nun einführen will, der Fall sein würde.

Wenn Sie diese Entkopplung damit begründen, die bisherige Regelung führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Volksentscheiden, die isoliert, also nicht an einem Wahltag durchzuführen sind, zeigt das wieder einmal, wie zynisch Sie denken und handeln. Sie wollen eine angebliche Ungleichbehandlung – die ich im rechtlichen Sinne ohnehin nicht erkennen kann – dadurch beseitigen, dass Sie alle schlechter statt alle besser stellen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Da kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, mit was für einem Verständnis von Gerechtigkeit Sie gesegnet sind.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Viviane Spethmann CDU: Oder Sie!)

Es gibt noch weitere politische Bedenken gegen Ihr Vorhaben. Mit vordergründigen Argumenten legen Sie zukünftigen Initiativen und Volksbegehren Steine in den Weg, wo es nur geht. Ich nenne da noch einmal das Verbot der Unterschriftensammlung im Rahmen des Volksbegehrens und das Einführen von Einzelunterschriften. Dieses wollen Sie mit der verfassungsrechtlich gebotenen Verfahrenshoheit des Senates mehr schlecht als recht begründen, jenes sei angeblich aufgrund datenschutzrechtlicher Erwägungen geboten. Es entlarvt Ihre scheinheilige Argumentation, dass vonseiten des Datenschutzbeauftragten keine Bedenken gegen die bisherige Regelung erhoben wurden,

(Wilfried Buss SPD: Hört, hört!)

dieser vielmehr bestätigt hat, dass die alte Regelung dem Datenschutz voll und ganz genügt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Möglichkeit, selbst Unterschriften zu sammeln, ist in Hamburg ja erst 2001 eingeführt worden. Es ist überflüssig zu sagen, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, damals dieser Einführung zugestimmt haben. Es entspricht offenbar Ihrer Auffassung von ehrlicher und verlässlicher Politik, sich weder an gemachte Zusagen und Versprechen zu halten noch sich durch das verabschiedete Gesetz gebunden zu fühlen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es hat sich mittlerweile gezeigt, dass von dieser Möglichkeit rege Gebrauch gemacht wird. Bei den letzten Volksbegehren, die in Hamburg durchgeführt worden sind, sind mehr als jeweils 90 Prozent der nötigen Unterschriften von den Initiatoren selbst gesammelt worden. Man sieht schon an diesen Zahlen, dass durch das Verbot der Unterschriftensammlung eine eklatante Verschlechterung der Erfolgschancen für Volksbegehren eintreten wird. Dies wird durch die von Ihnen großmütig gewährte Verlängerung der Eintragungszeit um eine Woche nicht einmal annähernd kompensiert, denn eine amtliche Benachrichtigung an alle Stimmberechtigten über das Ausliegen der Listen soll nicht erfolgen. Es sei Aufgabe der Initiativen und der Presse, solche Dinge bekannt zu machen, haben Sie dazu angeführt. Das ist eine gezielte Verschlechterung gegenüber der alten Rechtslage.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das beweist, dass Sie schon hier auf der zweiten Stufe ein verfahrenstechnisches Hindernis aufbauen wollen, das einen Großteil der Volksbegehren scheitern lassen wird. Erklären Sie uns doch bitte einmal, wie sich dieser Anspruch an Presse und Initiatoren, das Volksbegehren selbst bekannt zu machen, zu der von Ihnen postulierten und betonten Verfahrenshoheit des Senates verhält.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Damit wollen Sie doch gerade begründen, warum die Sammlung von Unterschriften durch die Initiatoren nicht mehr statthaft ist. Nein, nein, hier wird doch mehr als deutlich, dass alles vorgeschobene Argumente sind, an die Sie noch nicht einmal selbst glauben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Perfide werden Sie in der Argumentation, wenn von Ihnen unverhohlen Vorwürfe gegenüber bisherigen Initiativen geäußert werden.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: In der Tat!)

Es sei sozialer Druck bei der Sammlung von Unterschriften ausgeübt worden. Das ist unredlich und beleidigt alle Bürgerinnen und Bürger, die sich entweder als Helfer oder als Unterstützer an den Initiativen beteiligt haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Bis heute haben Sie kein Beispiel nennen können, wo, wann oder auf wen Druck ausgeübt worden sei. Wenn Sie einen Funken politischen Anstandes im Leib haben, entschuldigen Sie sich noch heute für diese Unterstellung.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Insgesamt ist dieser Gesetzentwurf ein gelungener Beitrag des Senates und der CDU zu mehr Politikverdrossenheit und zu mehr Frustration bei den Bürgerinnen und Bürgern. Welchen Schaden Sie damit der Glaubwürdigkeit von Politik und Parteien bereiten, ist noch gar nicht absehbar. Es steht zu befürchten, dass das Vertrauen der Hamburger Bürgerinnen und Bürger in die Redlichkeit und Ehrlichkeit von Bürgerschaft und Senat nachhaltig erschüttert wird und dass immer weniger Menschen bereit sein werden, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren und einzusetzen, wenn sie nämlich sehen, dass ihre Meinung und Initiativen vonseiten der Politik nicht gefragt sind,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

jedenfalls nicht von diesem Senat. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Spethmann.

(Jürgen Schmidt SPD: Herrn Nagel noch einmal!)

– Sie werden schon mit mir Vorlieb nehmen müssen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Klooß und Herr Müller, eines kann ich Ihnen nach Ihren Reden hier vorwerfen – auf Herrn Petersen mag ich gar nicht eingehen, das war so allgemein staatstragend, dass eigentlich kaum noch Substanz darin war, mit der wir hier arbeiten könnten:

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Das war fast bürgermeisterlich!)

Sie picken sich natürlich immer die Dinge heraus, die nicht passen. Dass aber auch Verbesserungen dabei sind, sehen Sie nicht.

(Michael Neumann SPD: Aha, es passt also nicht!)

Das ist selektive Wahrnehmung, was Sie hier gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Was Sie nicht erwähnen, ist, dass beim Volksentscheid die Unterlagen samt Briefwahlunterlagen sogar verschickt werden, was also eine erhebliche Erleichterung ist, die alle Wahlberechtigten erreicht. Sie müssen noch nicht einmal ins Abstimmungslokal gehen. Das ist eine entschiedene Verbesserung.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Wenn es soweit erst einmal kommt!)

Herr Klooß, Sie haben ja Recht, wenn der Datenschutzbeauftragte gesagt hat, die Sammlung von Unterschriften auf Sammelbögen sei datenschutzrechtlich nicht bedenklich, ist das ja in Ordnung. Was Sie erwähnt haben, ist aber der zweite Satz: Datenschutzrechtlich habe er keine Bedenken gegen die Neuregelung. Nein, es sei sogar aus datenschutzrechtlichen Gründen eine Verbesserung. Ja, was denn nun? Das hätten Sie auch einmal erzählen können.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Äpfel und Birnen!)

Herr Müller, was Sie hier getan haben, war eine billige Effekthascherei und Anbiederei an die Bürger oben,

(Beifall bei der CDU – Bernd Reinert CDU: Genau!)