Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Voet van Vormizeele! Ihre letzten Äußerungen in Sachen Neuengamme fand ich, um es höflich zu sagen und ohne dass ich mir hier den Ärger der Präsidentin einhandle, dreist. Man könnte dazu auch andere Begriffe wählen. Wenn Sie ein politisches Gedächtnis hätten, dann wüssten Sie, dass der neue Senat 2001 unter Herrn Senator Kusch erwogen hatte, die Räumung von Neuengamme zu verhindern.
Wenn Sie wenigstens ein politisches Kurzzeitgedächtnis hätten, dann wüssten Sie, dass sich die CDU-Fraktion und der Senat – sprich Herr Senator Kusch – noch Ende letzten Jahres im Haushalts- und im Rechtsausschuss sehr schwer getan haben mit der Idee, dass man Vierlande völlig aufgeben könnte.
Die beiden Oppositionsfraktionen haben das vorgeschlagen. Damals hatten Sie als CDU-Fraktion noch die undankbare Aufgabe – das gebe ich wirklich zu –, die Position von Herrn Kusch zu verteidigen, dort in Vierlande alle sozialtherapeutischen Einrichtungen zu zentralisieren.
Dass nun Vierlande freigemacht wird, ist gut und zu begrüßen. Weniger gut und weniger zu begrüßen ist aus Bürgerschaftssicht, dass die Bürgerschaft als Parlament dieser Stadt darüber nicht mit einer ordentlichen Drucksache informiert wird, sondern wir zu einer Pressekonferenz des Senators eingeladen werden. Das ist sehr schön, aber so, denke ich, kann man nicht miteinander umgehen.
Blicken wir noch einmal zurück in Sachen Strafvollzug. Es ist schon ein paar Jahre her, aber trotzdem sollte man es noch einmal in Erinnerung rufen.
Zunächst legt sich Herr Senator Kusch mit der Anstaltsleiterin, Frau Dreyer, an. Deswegen und wegen anderer Vorfälle erntet Herr Kusch einen Untersuchungsausschuss. 2004 hat sich Herr Kusch wieder den Strafvollzug als Opfer ausgeguckt.
Auf der einen Seite gibt es, zumindest bis 2003 – die Zahlen für 2004 legt der Senat bislang noch nicht vor –, große Haushaltsreste in Millionenhöhe beim Personal im Strafvollzug. Wenn Herr Kusch wollte, könnte also die Personalsituation in den Anstalten viel besser sein. Stattdessen ist das Personal im Strafvollzug die Sparkasse des Senators gewesen.
Auf der anderen Seite sind es die Investitionen. Mit einem unausgegorenen Konzept wird Billwerder zur geschlossenen Anstalt gemacht. Vielleicht haben Sie das auch schon vergessen. Die Diskussionen dazu im letzten Jahr sind uns vielleicht alle noch in Erinnerung.
Die Krönung ist dann allerdings der zweite Bauabschnitt für Billwerder. Noch im Frühling letzten Jahres fabuliert Staatsrat Lüdemann davon, dass die wachsende Stadt einen erhöhten Bedarf an Haftplätzen bedinge.
In den Haushaltsberatungen musste der Senat zugestehen, dass die Gefangenenzahlen gar nicht so wachsen, wie uns Kusch und CDU immer glauben machen wollten. Die Stadt selbst wächst weder innerhalb noch außerhalb der Knäste. Stagnation allerorten könnte man sagen.
Die nächste kreative Idee des Senats war es dann, die angeblich benötigte Reserve an freien Haftplätzen kräftig nach oben zu korrigieren. Das half auch nur einge
schränkt. Schließlich kamen Senat und CDU auf die Idee, dass alle sozialtherapeutischen Einrichtungen in Vierlande zusammengefasst werden könnten. Die bisherigen Insassen von Vierlande sollten dann die leeren Plätze im zweiten Bauabschnitt in Billwerder auffüllen. Diese abstruse Idee führte zu bundesweiten Protesten. In der Anhörung des Rechtsausschusses fand sich schließlich niemand, der das Konzept des CDU-Senats unterstützen wollte. Dass das damals übrigens eine öffentliche Anhörung wurde – Herr Voet van Vormizeele, das haben Sie, glaube ich, vergessen zu erzählen oder vielleicht erinnern Sie auch das nicht mehr –, lag allein daran, dass die CDU als Mehrheitsfraktion einer Sachverständigenanhörung nicht zustimmen wollte.
Insofern musste natürlich der versammelte Sachverstand als Öffentlichkeit daherkommen und die kamen dann auch alle und haben sich sehr deutlich geäußert. Vielmehr wurde deutlich, dass das ganze finanzielle Konzept für die Schließung beziehungsweise Verlegung der Sozialtherapeutischen Anstalten auf tönernen Füßen stand und auch wohl immer noch steht. Die Investitionen für Vierlande waren nie konkret zu beziffern. Es sollten Projektgruppen eingesetzt werden, Ergebnisse sollte es geben und am 28. Februar wurde dann schließlich alles wieder ganz anders. Während zuvor der Senator immer noch darauf bestanden hatte, dass Vierlande nicht geschlossen werden dürfe, wurde dann der Presse und auch den eingeladenen Abgeordneten verkündet, dass Vierlande nun doch aufgegeben werden könne, wie es die Oppositionsfraktionen schon länger gefordert und vorgeschlagen hatten.
Aber zu dieser Entscheidung hätten Sie auch früher kommen können, Herr Senator Kusch. Das Parlament hat davon auch bis heute nur über Presseerklärungen erfahren. An der Schließung und Verlagerung der weiteren Sozialtherapeutischen Anstalten hält die CDU und der Senat leider immer noch unnötigerweise fest. Zum Teil gibt es dort schon Ergebnisse, die kaum mehr rückholbar sind. Die erfolgreiche Sozialtherapie in Altengamme soll nun nach Fuhlsbüttel zu den dortigen Haftanstalten verlagert werden. Diese Verlagerung soll erfolgen, obwohl das Strafvollzugsgesetz eine Trennung Sozialtherapeutischer Anstalten von den übrigen Haftanstalten vorschreibt.
Ich möchte darum bitten, die Rudelbildung in der hinteren rechten Ecke zu beenden und die Gruppe als Gesprächsgruppe aufzulösen. Herr Marx, fahren Sie bitte fort.
Alle Zahlen über Altengamme sind eindeutig. 85 Prozent der aus Altengamme Entlassenen werden binnen fünf Jahren nicht wieder inhaftiert. Diese Zahl ist auch im bundesweiten Vergleich hervorragend. Der normale Strafvollzug hat eine Rückkehrerquote von etwa 30 Prozent. Ich appelliere daher an die CDU-Fraktion: Überweisen Sie diesen Antrag, wenn Sie ihn schon nicht annehmen wollen, wenigstens an den Rechtsausschuss, damit wir alle gemeinsam den erfolgreichen sozialtherapeutischen Vollzug in Hamburg retten können.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Marx, Sie haben mir gerade vorgeworfen, ich hätte zu Beginn der Tätigkeit des Senats im November 2001 die Absicht gehegt, die Anstalt XII entgegen dem Bürgerschaftsbeschluss nicht zu schließen.
Ich weise diese ungeheuerliche Behauptung sowohl gegenüber dem Senat als auch gegenüber mir persönlich zurück, weil sie zu einem Zeitpunkt kommt, nämlich wenige Wochen vor dem sechzigjährigen Gedenken der Befreiung des KZ Neuengamme, wo ich eine solche Geschichtsklitterung nicht hinnehme.
Jeder, der auch nur den Hauch eines Interesses an würdigem Gedenken der Schrecken der Nazizeit hat, wagt es wenigstens an dieser Stelle nicht, sich mit falschen Behauptungen in Szene zu setzen.
Sie wissen ganz genau, dass die Irritationen, die entstanden sind und die auch zu bedauern waren, zum Zeitpunkt der Koalitionsverhandlungen kamen, deutliche Wochen vor der Tätigkeitsaufnahme des Senats. Während der Koalitionsverhandlungen kam eine Formulierung in die Öffentlichkeit, die in der Tat – und daraus will ich auch gar keinen Hehl machen – den Beschluss der Bürgerschaft relativiert hätte. Bereits wenige Tage nachdem diese Formulierung den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hatte, hatte der spätere Bürgermeister, Ole von Beust, darauf hingewiesen, dass das ein Irrtum war, den er bedauert. Von dem ersten Tag der Tätigkeit des Senats an haben wir alles in unserer Macht stehende getan – auch ich persönlich durch zahlreiche Gespräche mit Vertretern von Amicale Internationale –, das dadurch entstandene Misstrauen und die dadurch entstandenen Irritationen zu beruhigen. Die Justizbehörde hat über den Bürgerschaftsbeschluss hinaus im Einvernehmen mit Amicale Internationale den Schaden bereinigt. Deshalb lasse ich es nicht stehen, dass Sie dem Senat an dieser Stelle Falsches unterstellen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat, für polemische Auseinandersetzungen taugt dieses Thema der KZGedenkstätte, des ehemaligen KZ nicht. Das ist absolut richtig. Ich will diese Auseinandersetzung, wer wann welche Position zu dieser Frage bezogen hat, hier auch gar nicht fortführen, denn das Ergebnis ist ohne Zweifel gut. Wir sind uns in der Zielrichtung auch einig. Das Ergebnis ist gut, dass das KZ-Gelände freigemacht wird von Strafvollzug. Dazu gibt es nichts weiter zu sagen.
Mehr zu sagen gegeben hätte es – ich meine, auch aus Sicht des Justizsenators – zu dem Antrag, über den wir
debattieren. Es ist interessant, dass der Justizsenator es nicht für nötig hält, sich überhaupt zu der Frage zu äußern, die Gegenstand der Debatte ist. Keine Aussage ist auch eine Aussage.
Das kann man nur so konstatieren. Die Frage, die wir in den Raum gestellt haben, ist die Schließung der Sozialtherapie in der bisher durchgeführten erfolgreichen Form. Eine Gefahr für die Sicherheit in Hamburg ist kein Thema, zu dem der Justizsenator sich äußern möchte. Das kann man so hinnehmen.
Nein. Ich möchte deswegen auch ein paar Dinge zu den Punkten sagen, die Herr Voet van Vormizeele gesagt hat.
Herr Voet van Vormizeele hat gesagt, die Behauptung sei nicht richtig, dass es weniger Sozialtherapie gebe, weil es bisher schon Sozialtherapie in Haus IV gegeben habe. Das ist mal wieder eines dieser interessanten Rechenspielchen, wenn man tatsächlich eine Einheit hat, in der Sozialtherapie drin ist und dann soll da noch mehr rein, dass dann am Ende mehr Sozialtherapie sein soll. Das ist tatsächlich eine spezielle Logik, die Sie erst einmal erklären müssen, weil es am Ende nicht mehr Plätze geben wird. Es ist in der Tat so, dass in Haus IV auch bisher schon Sozialtherapie durchgeführt wurde.Nur nach einem ganz anderen Konzept, als in den Einrichtungen in Altengamme und in Bergedorf gearbeitet wird, und zwar geschieht es aus gutem Grund. Dort werden nämlich nur solche Straftäter behandelt, die sich für die Sozialtherapie in diesen beiden Einrichtungen überhaupt nicht eignen, die sich nicht für eine Einrichtung eignen, wo es gestufte Lockerungen gibt, weil diese Menschen einfach noch nicht so weit sind. Deswegen hat man dort nur Straftäter behandelt, die tatsächlich erst einmal zu einer solchen möglichen sozialtherapeutischen Behandlung in den getrennten Anstalten hingeführt werden müssen.
Das Ergebnis wird sein, dass Sie künftig das Niveau absenken müssen, weil Sie die Möglichkeit der Hinführung zu einer Sozialtherapie überhaupt nicht mehr haben. Wir werden deswegen eine Sozialtherapie auf einfachem Niveau haben, die wir tatsächlich aus Haus IV kennen. Das wird das Ergebnis sein. Das nennen Sie dann eine moderne Sozialtherapie. Tatsächlich haben Sie überhaupt noch nicht vorgelegt, was an dem Konzept modern, anders oder besser sein soll. Bisher sind das nur Sprechblasen.
Es finden wieder zu viele Gespräche am Rand statt. Auch die Kollegin Vizepräsidentin möge bitte die Gespräche am Rand einstellen. – Danke. Herr Dr. Steffen, bitte.