Wir sollten uns auch einmal ganz kurz darüber unterhalten, was da eigentlich gewesen ist, und die beiden Fälle noch einmal sehr deutlich darstellen. Es ging zum einen darum, dass sich die Hamburger Öffentlichkeit zu Recht darüber erregt hat, dass zum Beispiel der beschuldigte Francisco P. ein fünfjähriges Mädchen brutal vergewaltigt hat und zum anderen um einige jugendliche Messerstecher, die wenige Stunden nach ihrer Tat auf freiem Fuß waren und die Opfer verhöhnen konnten. Das hat in der Öffentlichkeit Anlass gegeben zum Nachdenken, das waren die Vorkommnisse, über die wir gesprochen haben.
Dass diese beiden Vorkommnisse das Bild der Justiz in der Öffentlichkeit beeinträchtigt haben, ist, verehrter Kollege Klooß, nach 44 Jahren Sozialdemokratie schlimm genug und darüber müssen wir reden. Das alles ist für uns fatal, weil das Bild der Justiz durch die Handlungen der Justiz beeinflusst worden ist.
Wenn die Bürger außerhalb dieses Hauses kein Vertrauen in eine effektive Strafverfolgung dieses Staates haben, dann werden sie irgendwann das vermeintliche Recht in die eigene Hand nehmen. Das wollen und können wir nicht akzeptieren. Deshalb hat der Justizsenator ausgesprochen richtig gehandelt, als er unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Fehler in den Strafverfolgungsbehörden energisch darauf gedrungen hat, die Mängel, die zu einer Wiederholung führen könnten, abzustellen. Der Senator hat Handlungsfähigkeit bewiesen und Führungsstärke gezeigt. Nichts wäre fataler gewesen, als wenn die Bürger unserer Stadt geglaubt hätten, dass die Politik sich für solche Vorkommnisse, wie sie stattgefunden haben, nicht interessieren würde, denn das hätte das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden stark untergraben.
Genau hier beginnt auch die Unterscheidung zwischen uns und Ihnen als Opposition. Während Sie zunächst lautstark das energische Handeln des Senats gefordert haben, waren Ihnen im weiteren Verlauf der Diskussion die Befindlichkeiten einzelner Teile der Staatsanwaltschaft
wichtiger als die Betroffenheit der Menschen in unserer Stadt ob solch unglaublicher Verbrechen. Das ist der Unterschied: Nicht die Staatsanwaltschaft war hier betroffen, die Menschen waren betroffen.
Die Krönung Ihrer persönlichen Kampagne gegen den Justizsenator war dann die Sitzung des Rechtsausschusses am 25. Mai dieses Jahres. Mit geradezu inquisitorischen Mitteln – man kann fast sagen, wir können dankbar dafür sein, dass die Folter abgeschafft ist – haben Sie versucht, den Justizsenator in die vermeintliche rhetorische Enge zu treiben, wohlgemerkt versucht, denn außer einem schön inszenierten Schauspiel, in dem ahnungslose SPD-Abgeordnete vorbereitete Fragen vorgelesen haben, ist nichts, aber auch rein gar nichts passiert.
Der Senator blieb keine Antwort auf eine Frage schuldig, alles wurde von ihm umfassend aufgeklärt. Das kann man übrigens auch, wenn man es denn will, im Bericht nachlesen, aber ich glaube, das wollen Sie gar nicht. Sie wollen Ihre Frustration über die substanziellen Veränderungen in der Hamburger Rechtspolitik und vor allem dem damit verbundenen Erfolg
gerne mit persönlichen Angriffen auf den Justizsenator überdecken. Nur ist das erstens kleinmütig und zweitens ein ganz mieser politischer Stil.
Ihre Hoffnungen, durch das gebetsmühlenartige Wiederholen der Attacken einen Keil zwischen die CDU-Fraktion und Herrn Dr. Kusch zu treiben, wird nicht erfolgreich sein. Das verspreche ich Ihnen.
Die CDU-Fraktion hat nach der Abwahl von Rotgrün im Jahre 2002 eine deutliche Trendwende in der Rechtspolitik gefordert. Der Justizsenator steht für diesen erfolgreichen Kurswechsel und wir werden ihn in der Fraktion dabei voll unterstützen.
Ich fordere Sie in diesem Hause als Opposition auf, endlich einmal aus Ihrem Schmollwinkel herauszukommen und mit uns gemeinsam eine Rechtspolitik zu gestalten, die von den Bürgern dieser Stadt akzeptiert wird, denn dafür stehen wir als CDU und dafür steht Herr Dr. Kusch. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Voet van Vormizeele, wir sind sehr wohl bereit, an einer Justizpolitik mitzuwirken, die insbesondere auch die Sicherheit der Bevölkerung in den Blick nimmt, aber eben nicht mit populistischer Effekthascherei, sondern wirklich stark am Ergebnis orientiert, welche Maßnahme was zur Sicherheit der
Bevölkerung dieser Stadt beiträgt. Aus dem Grunde – das werden wir nämlich noch sehen, wenn wir über die Justizpolitik diskutieren – möchte ich wissen, wie Sie die Zerschlagung der erfolgreichen Sozialtherapie in Hamburg rechtfertigen wollen.
Fangen wir einmal ganz klein bei diesem Fall an, der den Ausschlag gegeben hat, der Vergewaltigung des fünfjährigen Mädchens. Es kam heraus, dass diese Vergewaltigung hätte verhindert werden können, wenn tatsächlich von dem zuständigen Staatsanwalt bei oder vor dem Haftprüfungstermin in das Computersystem MESTA Einblick genommen worden wäre, weil sich daraus ergeben hätte, dass der gleiche Täter wenige Tage vorher mit einer ähnlichen Tat eingetragen wurde und dies schon ein sehr wichtiger Hinweis für einen Haftgrund gewesen wäre. Die Entscheidung, ob ein Haftgrund vorliegt oder nicht, ist überhaupt nicht gefällt worden, weil diese Information nicht einbezogen wurde. Das ist in der Tat ein Fehler in der Arbeit der Staatsanwaltschaft gewesen und die Frage ist, was die Ursache für diesen Fehler gewesen ist.
In den Zeitungen von heute kann man mehrfach lesen, es sei kein Computeranschluss vorhanden gewesen. Den gibt es mittlerweile, das ist auch schön und gut, aber Tatsache ist auch – das ist geklärt worden –, dass ein Stockwerk tiefer der zuständige Staatsanwalt in dieses System hätte Einblick nehmen können. Insoweit ist das nicht das Problem gewesen, sondern das Problem war, dass es keine eindeutigen Anweisungen für die Staatsanwaltschaft gab, in welchen Fällen sie Einblick in MESTA nehmen muss. Das Ergebnis der Beratungen im Rechtsausschuss war, dass es eine solche eindeutige Anweisung nicht gibt. In solchen Fällen, wo es eine berechtigte öffentliche Aufregung gibt, müssen die zuständigen Staatsanwälte verpflichtet werden, bei Haftprüfungsterminen Einblick zu nehmen und zu gucken, ob so ein Täter schon einmal mit einer ähnlichen Tat wie der Vergewaltigung eines Kindes auffällig geworden ist. Das muss doch selbstverständlich sein, das war nicht geregelt, das war in das Ermessen des jeweils zuständigen Staatsanwalts gestellt.
Da setzt die Frage nach der politischen Verantwortung ein. Wir haben im Rechtsausschuss gefragt, ob sich der Justizsenator mit der Frage, wann die Staatsanwälte unbedingt in MESTA gucken müssen, vorher beschäftigt habe. Er hat geantwortet, damit habe er sich nicht beschäftigt. Dann haben wir ihn gefragt, ob er sich denn überhaupt schon einmal mit MESTA beschäftigt habe. Daraufhin hat er geantwortet, er habe sich eine Präsentation geben lassen. Und dann haben wir ihn gefragt, warum er sich denn nicht genauer damit beschäftigt habe, wann die Staatsanwälte hineingucken müssen. Die Antwort war, er sei ja kein Computerexperte.
Meines Wissens arbeiten in der Staatsanwaltschaft hauptsächlich Juristen und weniger ausgewiesene Computerexperten und bei der beruflichen Vita von Herrn Kusch müsste er in der Lage sein, die Anwendung dieses Systems zu verstehen und sich auch erklären zu lassen.
Solche Fehler können einem Politiker passieren. Es kann passieren, dass einem eine Sache, die absolut wichtig ist, die wichtig ist für die Sicherheit der Bevölkerung, die wichtig ist in der Wahrnehmung und im Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, durch die Lappen geht, dass man sich lieber um andere Dinge kümmert – Herr Klooß hat das hier erwähnt, der Knast in Arizona ist ja auch schön –, aber dann muss man die politische Verantwortung übernehmen, dann muss man auch sagen, wir haben einen Fehler gemacht. Dann muss man dem konkreten Fall nachgehen und dafür sorgen, dass diese Fehler in der Staatsanwaltschaft abgestellt werden und nicht pauschal Sündenböcke suchen, wie Herr Kusch das gemacht hat, und sich gegenüber der Öffentlichkeit hinstellen und so tun, als seien alle anderen irgendwie unfähig, nur er nicht. Das geht nicht.
Wir haben dann auch gesagt, Herr Kusch, Sie haben Mitte April bei dieser Pressekonferenz angekündigt, hier werde sofort berichtet. Wie ist das mit der Zurückstellung der Strafvollstreckung in Fällen, wo die Leute eine Drogentherapie machen? Mitte April werden gegenüber der Presse Aktionen demonstriert und Ende Mai war diese schöne Ausschusssitzung und der Bericht lag noch nicht vor. Das ist politisches Handeln à la Kusch und deswegen ist das auch nicht hinzunehmen. Deswegen sind diese Vorwürfe und Aufregungen von Oppositionsseite absolut berechtigt.
In der Tat liegen diese Vorgänge schon eine Weile zurück und die Frage ist, was nachbleibt. Die Reaktion des Bürgermeisters war bekanntlich, dem Justizsenator einen Maulkorb zu verpassen. Der Justizsenator sagt – wir haben gestern schon von dem Beamtenmikado gehört, das er in der Kommission zur Reform des Föderalismus veranstaltet –, wenn andere keine Vorschläge machen, denke er gar nicht groß darüber nach, eigene Vorschläge zu machen. Der Justizsenator ist seitdem von der Bildfläche der Öffentlichkeit komplett verschwunden. Wenn man nicht mehr so richtig ordentlich draufhauen und jemanden in die Pfanne hauen kann, wenn das nicht mehr erlaubt ist, dann macht das ja alles keinen Spaß mehr.
Wenn man das weiter verfolgt, so gibt der Justizsenator so aufregende Pressemitteilungen ab wie die, dass jetzt die Hamburger Gesetze im Internet seien, Hamburg sei Vorreiter. Nach vier Jahren haben wir das wieder, das gab es nämlich schon einmal. Schließlich wurde auch noch zu Fragen der Deregulierung eine Pressemitteilung des Justizsenators abgegeben. Bekanntlich sitzt seit Jahren eine Arbeitsgruppe in der Justizbehörde daran, Vorschläge zur Deregulierung im hamburgischen Recht zu entwickeln und jetzt sollen die Bürgerinnen und Bürger Vorschläge machen. Das finde ich richtiggehend putzig.
Man kann feststellen, dass sich der Justizsenator seitdem in einem Zustand der inneren Emigration befindet, in einem Zustand, den man bei den DDR-Bürgerinnen und -Bürgern in den Achtzigerjahren festgestellt hatte.
Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Bürgerschaft Kenntnis genommen hat.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 13, der Großen Anfrage der GAL-Fraktion: Bevölkerungsentwicklung und Flächennutzung in Hamburg.
[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Bevölkerungsentwicklung und Flächennutzung in Hamburg – Drucksache 18/624 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir wollen heute eine Große Anfrage debattieren, die sich mit Bevölkerungsentwicklung und Flächenwachstum in Hamburg beschäftigt. Das sollte, könnte man vermuten, der harte Kern der wachsenden Stadt sein, die harten quantitativen Zahlen und Daten. Wenn wir uns die Ergebnisse der Großen Anfrage allerdings angucken, dann müssen wir feststellen, dass dort statt eines harten Kerns eigentlich nur eine große Lücke herrscht.