Protocol of the Session on September 8, 2004

(Beifall bei der CDU)

Der Kern unserer Hochschulreform liegt doch da, wo die Defizite heute liegen; das zeigt auch die gerade von Ihnen zitierte HIS-Studie. Z. B. die Erhöhung der Betreuungsverhältnisse: 60 Prozent mehr Personal pro Student in den Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften. Nur so werden wir den Studienerfolg von heute 29 Prozent steigern können. Hinzu kommt, dass zukünftig einem Professor zwei halbe Doktoranden-Stellen zur Verfügung stehen sollen. Das wäre eine Versechsfachung gegenüber der Situation heute, das stärkt die Forschung und macht aus der Universität wieder eine wirkliche Universität.

(Beifall bei der CDU)

Diese Zahlen, meine Damen und Herren von der Opposition, werden bislang leider kaum in der Öffentlichkeit diskutiert, da sie nicht in Ihr vereinfachtes Bild der ausblutenden Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften passen.

(Wolfgang Beuß CDU: Genau!)

A C

B D

Die Worte "mehr" oder "Vervielfachung" eignen sich leider nicht zur Polarisierung, die Sie suchen und die Sie sich wünschen. Die Budgetkonstanz und nicht das größte Sparprogramm, Frau Brüning, in der Geschichte der Universität

(Zuruf von Dr. Barbara Brüning SPD)

und die Planungssicherheit nach jahrelangem Sparkurs, den Sie zu verantworten haben,

(Beifall bei der CDU)

werden genauso verschwiegen wie die Tatsache, dass die Hälfte der von HIS vorgeschlagenen Professorenstellenkürzungen genau die Überleitungsprofessuren sind, die heute nach landläufiger Meinung für die unbefriedigende Situation an der Universität verantwortlich gemacht werden und die ohnehin nicht weitergeführt werden sollten.

(Beifall bei der CDU)

Das HIS-Gutachten enthält übrigens eine weitere Zahl, die in der öffentlichen Darstellung bislang verschwiegen wird, nämlich dass nach Berechnungen von HIS die Universität noch 164 Stellen zu ihrer freien Verfügung hat. Das sind Stellen, die bisher keinem Fachbereich zugeordnet worden sind, sondern die die Universität zur Umstellung auf das Bachelor/Master-System, vielleicht für höhere Masterquoten oder auch für eine Stärkung der Geistes- und Kulturwissenschaften frei einsetzen kann, wenn man universitätsintern der Meinung ist, dass hier eine Verstärkung notwendig ist.

Hier liegt doch genau die wirkliche Herausforderung. Die Leitlinienentscheidung des Senats und das HIS-Gutachten, das diese konkretisiert, zeigen doch nur den Weg der Reform, und zwar gemeinsam mit der Universität. Auch das geht, ob nun bewusst oder unbewusst, ein Stück in der öffentlichen Diskussion unter. Das HIS-Gutachten wurde in Abstimmung mit der Universität beauftragt und gemeinsam mit der Universität über einen Zeitraum von einem Jahr erarbeitet. Jetzt ist es aber die Universität selber, die in der Pflicht steht. Autonomie muss auch dann wahrgenommen werden, wenn es um schwierige Entscheidungen geht. Hier kann nicht der Ausweg darin bestehen, dann die Politik an den Pranger zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Wer ein besseres Betreuungsverhältnis fordert, mehr wissenschaftliche Mitarbeiter sowie eine höhere Studienerfolgsquote begrüßt, aber gleichzeitig überall den Erhalt des Status quo fordert,

(Christa Goetsch GAL: Das will doch gar keiner! – Christian Maaß GAL: Wir dürfen nur fünf Minuten reden, das ist nicht fair!)

der macht sich schlichtweg unglaubwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir stehen an einem entscheidenden Punkt der Hochschulreform. Wollen wir nur die Breite und die Masse mit den negativen Konsequenzen, den Studienerfolg von 29 Prozent und im Ranking ganz am Schluss liegen oder wollen wir den Mut zur Exzellenz, auch wenn er weitreichende Reformen erfordert? Ich wünsche mir jedenfalls, dass wir den bereits gemeinsam eingeschlagenen Weg weiter beschreiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich dem Abgeordneten Marx das Wort erteile, möchte ich noch einmal kurz darauf hinweisen, dass der Senat nach der Verfassung zwar unbegrenztes Rederecht hat, aber ich weise auf die Übereinkunft zwischen Senat und Bürgerschaft hin und halte damit fest, dass der Senator eben 190 Prozent der Redezeit eines Abgeordneten in der Aktuellen Stunde in Anspruch genommen hat.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Marx.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ein Wort von Herrn Dräger ist eben fast untergegangen; deswegen will ich es noch einmal ins Gedächtnis rufen. Herr Dräger, Sie haben gesagt, dass die Universität wieder eine Universität werden solle. Das heißt doch, wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, dass die Universität Ihrer Meinung nach zurzeit gar keine Universität, sondern nur eine pädagogische Hochschule oder weiß der Teufel was ist; das ist eine interessante Erkenntnis. Ich möchte gerne wissen, ob Sie diese interessante Erkenntnis auch so deutlich an der Universität selber sagen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Beuß, Sie durften oder mussten eben eine Rede halten, die ein bisschen dem widersprach, womit Sie vorher in der Presse zitiert wurden. Vorher hatte man den Eindruck, dass auch Sie heroisch gegen die Pläne von Herrn Dräger kämpfen würden. Jetzt werfen Sie der SPD und teilweise auch den Grünen vor, früher hätten wir mit dem Rasenmäher gespart. Aber wie wird heute gespart? – Mit der Kettensäge.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

"Unis geben den Geist auf", so titelt die "Süddeutsche Zeitung". Der renommierte amerikanische Philosoph Richard Rorty fragt, ob deutsche Politiker überhaupt wüssten, wofür Universitäten da sind. Nach Ihrem Vortrag, Herr Dräger, habe ich das Gefühl, Universitäten sind Akademien, die Leute für den Ersten Arbeitsmarkt ausbilden entsprechend der Prognosen, die der Senat gerade hat. Aber mit Universitäten hat das nach meiner Ansicht nur noch herzlich wenig zu tun.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Beuß, Sie haben gesagt, im Jahre 2006 solle nachjustiert werden. Wie soll denn nachjustiert werden, wenn die Hälfte weg ist? Kommen dann 2 Prozent wieder obendrauf? Dann hätten wir wieder 52 Prozent statt 50 Prozent? Nein, so kann das nicht funktionieren. Daher müssen wir die Debatte jetzt hier führen. Ich wünsche mir, dass die CDU sich in diesem Punkt bewegt, dass wir diese Debatte gemeinsam mit den Hochschulen, insbesondere mit der Universität, im Wissenschaftsausschuss führen können.

(Beifall bei der SPD)

Herrn Drägers Ziel ist, die Hochschulen am Arbeitskräftebedarf der Region auszurichten. Aber woher weiß der Senat eigentlich, wie viele Arbeitskräfte 2010 und 2020 gebraucht werden? Brauchen wir wirklich dann nur noch Ingenieure, Juristen und Lehrer und ein paar Physiker für die Spitze der Wissenschaftsbehörde? Oder weiß heute

schon jemand, welche Fächer wir dann brauchen? Woher sind Sie eigentlich so sicher, dass all die Fächer, die jetzt geschlossen werden sollen, künftig ihre Absolventen nicht mehr erfolgreich unterbringen? Wenn man an der Universität mit den Betroffenen spricht, kann man sehr genau hören, dass die Absolventen dort viel Erfolg haben. Natürlich muss man etwas dafür tun, dass die Absolventenquote in Hamburg besser wird. Das ist gar keine Frage. Hier haben Sie auch die Unterstützung der SPD.

(Wolfgang Beuß CDU: Dann bringen Sie einen An- trag ein!)

Aber was soll in der zweitgrößten deutschen Stadt eine Universität ohne Philosophie? Kein anderer Hamburger Hochschulsenator hat derart drastisch mit planwirtschaftlichen Direktiven in die Universität hineinregiert, wie Sie Herr Dräger.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Lob der Planung haben Sie eben noch einmal gesungen. Ich dachte, wir hätten gelernt, dass Planung nicht alles ist, sondern dass Realität auch etwas ist.

Wir haben vor knapp einem Jahr in der "Welt" lesen können, wie Herr Dräger sich vorstellt, dass künftig Hochschulpolitik gemacht wird. Ich zitiere:

"Ich halte es aber in der nächsten Legislaturperiode"

die bekanntermaßen etwas früher als erwartet kam –

"für ein adäquates Ziel, das Hochschulwesen in zehn Jahren um ein Drittel auszubauen. Das bedeutet plus 3 Prozent pro Jahr. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber für eine Metropole ist es ein richtiges Ziel."

Was ist von diesem Ziel übrig geblieben? Sie wollen zentrale Bereiche der Universität, die auch den Charme dieser Universität ausmachen, einsparen und machen das sogar gegen den Widerstand der Handelskammer und vieler Firmen in dieser Stadt.

Außerdem hat Herr von Beust in der Regierungserklärung am 31. März noch gesagt:

"Hamburg – Metropole des Wissens. Dazu wird auch gehören, das Angebot in Hamburg zu erweitern."

So hieß es da großartig. Ist das eine Erweiterung, wenn hier alles zusammengestrichen wird? Nein. Auch dies ist also wieder ein Bereich, in dem sich der Senat nicht an die eigenen Versprechen hält.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dräger, nehmen Sie die Proteste der Universitäten ernst und erhalten Sie Hamburgs Universitäten mit ihrer Fächervielfalt. Falls Sie aber eine pädagogische Hochschule mit angeschlossener Ökonomen- und Juristenschule haben wollen, dann seien Sie so ehrlich und benutzen das Wort "Universität" nicht mehr. Bildung und auch gerade Hochschulbildung ist für die SPD-Fraktion mehr als Technologietransfer und Zahlengläubigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss sei noch ein kleiner Hinweis erlaubt. An der Helmut-Schmidt-Universität – auch als Bundeswehr-Uni bekannt –, ist es so, dass jeder Studierende – egal, was er dort studiert, also auch wenn er ein technisches Fach studiert – zum Beispiel auch Kurse im Bereich Geschich