Protocol of the Session on September 8, 2004

Wir erwarten dazu erste Ergebnisse, aber das ist es nicht allein. Es hat keinen Sinn, einen Popanz zwischen Kiel, Lübeck und Hamburg aufzubauen und zu sagen, wir sind Gegner. Nein, wir sind Partner. Unsere Gegner, mit denen wir konkurrieren müssen, sitzen zukünftig in München, Mailand und Paris. Das ist die Hausnummer, mit der wir uns in Hamburg in der Wissenschaftspolitik messen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Und da kommen wir mit kleinkariertem Denken und Falschheit nicht weiter. Qualität und Exzellenzen in den Geisteswissenschaften müssen wir schaffen. Das ist unser Ziel und das wird uns zusammen mit der Hamburger Universität auch gelingen.

Mit der heutigen Anmeldung dieses Themas hat die SPD beeindruckend unter Beweis gestellt, dass es ihr möglicherweise ein wenig an Geist und auch an Kultur fehlt, sonst hätte sie dieses Thema hier nicht so angemeldet.

(Beifall bei der CDU – Pfui-Rufe bei der SPD – Ingo Egloff SPD: Da haben Sie aber eine Pirouette gedreht!)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Opitz.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin erstaunt über die Wendung, die dieses Thema nimmt. Es geht hier nicht um Panikmache, es geht auch nicht um Halbwahrheiten, die verbreitet werden. Man muss natürlich sehen, dass jetzt die Weichenstellungen für die Entwicklung an der Universität gelegt werden, dass jetzt etwas festgelegt wird nach einem prognostizierten Akademikerbedarf und die Universität das jetzt wissen muss und es eben nichts nützt, wenn man bei einer Überprüfung feststellt, dass es falsch war.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Eigentlich erörtern wir aber heute eine ganz andere und damit grundlegende Frage, nämlich welche Bedeutung die Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften für uns haben. Dabei geht es nicht um Detailfragen der Hochschulpolitik, denn das Interessante an dieser Diskussion ist ja, dass die Universität bereit ist, die Sparvorschläge und auch die Umstrukturierung der so genannten Dohnanyi-Kommission umzusetzen. Aber die Universität will diese Umsetzung autonom und nach dem Grundsatz der Wissenschaftsfreiheit vornehmen und nicht nach einem Diktat von Senator Dräger.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Fächervielfalt, das heißt sprachliche, soziale und kulturelle Vielfalt, soll durch ein Schmalspurangebot an einer Rumpfhochschule ersetzt werden: Statt 14 nur noch zwei Sprachen, statt Geschichte und Philosophie nur noch Geschichte oder Philosophie, um nur ein Beispiel zu nennen; das ist ein Irrweg. Ohne eine sprachliche und kulturelle Vielfalt wird es keinen wirtschaftlichen Erfolg geben. Die Welt lebt nicht vom Brot allein. Was uns zusammenhält, ist nicht der Ingenieurstitel oder Ratschläge von Unternehmensberatern. Ohne die notwendigen kul

tur- und sprachwissenschaftlichen Kenntnisse wird auch keine naturwissenschaftliche Innovation Erfolg haben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Geisteswissenschaften sind Vorreiter neuer Denkprozesse und verantwortlich für geistige Vor- und Nachbereitung großer gesellschaftlicher Umbrüche. Beispiele sind Kant mit seinem kategorischen Imperativ, aber natürlich auch die Aufarbeitung der NS-Geschichte, beides prägende Bestandteile der deutschen Gesellschaft. Das heißt, die Geisteswissenschaften sind Motor für diese Gesellschaft und für alle Wissenschaften. Sie setzen Impulse für gesellschaftliche Veränderungen, sie sind das kollektive Gedächtnis, sie suchen Alternativen für das, was jetzt ist.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nun konnte ich in einem Interview mit Senator Dräger die Reaktion auf diesen Vorhalt schon lesen, Hamburg könne ja nicht alles anbieten.

(Michael Neumann SPD: Wenn Hamburg nicht, wer dann?)

Das stimmt und das stimmt nicht, denn die Universität schränkt sich natürlich ein. Natürlich reformiert sie ihre Fachbereiche und nicht zuletzt durch eine Veränderung der Studiengänge, darüber hinaus baut sie auch ab. Eine echte Universität lebt aber von ihren Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften. Naturwissenschaft und Betriebswirtschaft sind kein ausreichender Fächerkanon, das haben amerikanische Elitehochschulen übrigens längst erkannt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Hamburger Hochschulpolitik scheint im Moment nur aus einem kurzsichtigen Verwertbarkeitsgesichtspunkt zu bestehen, der längerfristige Auswirkungen für die Wirtschaft nicht sieht. Nicht zuletzt deswegen hat die Handelskammer die geplante Zerschlagung der Fächervielfalt auch scharf kritisiert. Ärgerlich ist, dass diese Entscheidung nicht als politische Entscheidung deutlich gemacht wird, sondern als notwendige Schlussfolgerung aus dem HIS-Gutachten dargestellt wird. Das ist falsch; hier liegt eine politische Entscheidung vor, die nicht Folge, sondern Ursache für dieses Gutachten ist, und deren Ziel die Zerschlagung der Geistes- und Kulturwissenschaften ist.

Herr Senator Dräger muss die Frage beantworten, weswegen er diese Wissenschaften für überflüssig hält. Meine Forderung an Sie ist daher: Lassen Sie der Hamburger Universität Autonomie bei ihrer Entwicklung, achten Sie den Grundsatz der Wissenschaftsfreiheit, zerstören Sie nicht einmalige Fächer, die es nur in Hamburg und sonst nirgends im Bundesgebiet gibt. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Dann gebe ich das Wort Senator Dräger.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn die Welt doch so einfach wäre, wie die Opposition es jetzt oder auch die Presse in der vergangenen Woche dargestellt haben: Das Primat der Ökonomie schlachtet Kultur und Geist an der Universität. Schade nur, dass das Ganze wenigstens ein Stück mit Fakten zu tun haben sollte und die sind nun einmal anders.

(Michael Neumann SPD: Die haben Sie nicht rübergebracht!)

Aber sie helfen bekanntermaßen ein wenig beim Verständnis,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Oberlehrer!)

denn wir brauchen exzellente Geisteswissenschaften an der Universität

(Beifall bei der CDU)

als eigene Disziplin, als ein integraler Bestandteil auch in anderen Studiengängen und als ein geistig-kulturelles Zentrum unserer Stadt.

Diese Ansprüche waren schlichtweg nicht erfüllt, als wir vor drei Jahren die Regierungsverantwortung in Hamburg übernahmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir hatten in den Geisteswissenschaften die niedrigste Studienerfolgsquote an der Universität von 29 Prozent, überdurchschnittlich lange Studienzeiten – das heißt, das knappe Drittel der Studenten, die einen Studienabschluss erreichten, hat dafür fast sieben Jahre gebraucht – und eine katastrophale personelle Ausstattung mit weniger als einem Sechstel Doktorandenstelle pro Professor. Das genügte nicht für Berufungen von exzellenten Professoren und damit akquirierte Hamburg – der Abgeordnete Beuß hat es gerade gesagt – relativ zur Größe nicht einmal ein Viertel der DFG-Drittmittel, wie es zum Beispiel die Universität Konstanz tun konnte.

Darauf kann man natürlich reagieren, wie es die Vorgängersenate getan haben, nämlich gar nicht. Alles blieb beim Alten, das Geld wurde jedes Jahr ein Stückchen weniger. Die eine oder andere Assistentenstelle wurde vielleicht mal in eine Professur übergeleitet, die Professuren blieben dann aus Geldmangel wieder einige Jahre unbesetzt und man richtete sich irgendwie so ein. Dass damit aber die Leistungsfähigkeit der Geisteswissenschaften in Hamburg massiv in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass wir inzwischen in den Rankings das Schlusslicht in der Bundesrepublik geworden sind, das, meine Damen und Herren von der Opposition, interessierte Sie dann wohl eher nicht.

(Beifall bei der CDU)

Geist und Kultur an der Universität Hamburg, kann ich daraus nur folgern, waren für Sie nie eine Frage der Qualität, sondern immer nur eine Frage der Quantität.

Wir haben darauf anders reagiert. Wir sind nicht zufrieden mit dem vorgefundenen Zustand, wir haben uns nicht damit abgefunden, sondern wir wollen etwas verändern und das sind Veränderungen für die Geisteswissenschaften, das sind Reformen für mehr Qualität und das sind Reformen für mehr Exzellenz.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen und wollen die leistungsfähigen Geisteswissenschaften.

Politische Verantwortung, Frau Opitz, heißt aber auch zu fragen, welche Absolventen zukünftig am Arbeitsmarkt eine Chance haben. Und wenn der Arbeitsmarkt zukünftig mehr Mediziner oder Erziehungswissenschaftler benötigt,

(Farid Müller GAL: Wer weiß das schon?)

aber weniger Geisteswissenschaftler, dann kann und darf man das nicht einfach ignorieren mit einem fröhlichen Weiter-so,

(Petra Brinkmann SPD: Das hat doch niemand gesagt!)

denn mit diesem fröhlichen Weiter-so, das Sie immer wieder ausgerufen haben, würden Sie jungen Leuten bei der Studienwahl doch etwas vormachen

(Beifall bei der CDU)

und sie über ihre späteren Berufschancen im Dunkeln lassen. Natürlich können Sie uns immer wieder vorwerfen, dass die Prognosen falsch seien, aber gar nicht planen ist auch eine Art der Planung, und zwar die schlechtmöglichste. Dann soll erst mal einer kommen – bisher ist keiner gekommen –, der eine bessere Prognose vorgelegt hat.

(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Wa- rum reden Sie denn nicht darüber im Ausschuss?)

Wer etwas verändern will, der macht sich nicht immer beliebt. Es ist ja auch menschlich verständlich, an dem Gewohnten und Bestehenden festzuhalten. Es ist aber nicht immer richtig, denn es sind nicht die paradiesischen Zustände des Hamburger Hochschulsystems gewesen, die uns zu unseren Reformen motiviert haben, sondern die teilweise katastrophalen Hinterlassenschaften, die wir von Ihnen, die Sie heute in der Opposition sitzen, geerbt haben.

(Beifall bei der CDU)

Der Senat hat in seiner Leitentscheidung die Geisteswissenschaften ausdrücklich hervorgehoben und ihre Bedeutung unterstrichen, denn wir sind nicht den reinen Bedarfsprognosen gefolgt, die eine sechzigprozentige Absenkung vorgesehen hätten, sondern wir sind vielmehr ganz bewusst der Tradition der Universität gefolgt und haben mit einer Reduzierung der Anfänger um 25 Prozent und der Absolventen um 18 Prozent eine deutlich moderatere Absenkung beschlossen. Und 18 beziehungsweise 25 Prozent Absenkung sind weder eine Zerschlagung der Geistes- und Kulturwissenschaften noch das Ende von Geist und Kultur an der Universität.

(Beifall bei der CDU)