Protocol of the Session on September 8, 2004

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Infamste an diesen Kürzungsplänen ist jedoch, dass dieses gigantischste Sparprogramm aller Zeiten auch noch mit dem Etikett Hochschulreform versehen wird.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja!)

Wenn die Pläne des Senators Wirklichkeit werden sollten, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU, noch verhindern können, dann können wir uns von dem Grundgedanken der Universität als Universitas Literarum, als Gesamtheit aller Wissenschaften, verabschieden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Universitäten waren und sind immer ein Ort der Gleichrangigkeit aller Wissenschaften, die junge Menschen im Geiste der Humanität ausbilden sollen. Eine Halbierung der Kapazitäten in den Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften führen diesen Gedanken ad absurdum.

Der Senator begründet seine Pläne damit, dass auf dem Hamburger Arbeitsmarkt künftig nur noch Wirtschaft und Technik gefragt sein werden, nicht aber Humandienstleistungen. Soziale Dienste, kulturelle Dienste oder Sprachen haben nach seiner Auffassung keinen oder einen untergeordneten Wert für eine wachsende Stadt. Wenn dem wirklich so sein sollte, dann frage ich mich, warum sich gerade die Handelskammer Hamburg Sorgen macht, dass künftig das Asien-Afrika-Institut oder die AsienWissenschaften verschwinden werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich möchte noch einmal betonen, dass auch das Asien-Afrika-Institut oder die Asien-Wissenschaften zu den 30 Fächern gehören, die 2012 wegreformiert sein werden.

Der Arbeitsmarkt lässt sich aber nicht wissenschaftlich exakt für zehn Jahre im Voraus berechnen. Abgesehen davon gibt es jetzt bereits genauso viele arbeitslose Informatiker wie Literaturwissenschaftler. Also zu sagen, dass in einem Fach mehr Arbeitslose produziert würden als im anderen, wird vom Arbeitsamt widerlegt.

Fazit: Die Reformpläne des Senators entbehren jeglicher wissenschaftlicher Grundlage und entspringen einem einseitigen Menschenbild des Homo oeconomicus technicus; sie müssen sofort gestoppt werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die geplante Halbierung der Geistes- und Kulturwissenschaften wird von der SPD-Fraktion auch deshalb abgelehnt, weil sie einen massiven Eingriff in die Autonomie der Universität darstellt, der an deutschen Hochschulen seinesgleichen sucht. Darauf hat auch der renommierte amerikanische Philosoph Richard Rorty in der FAZ hingewiesen, der in Hamburg im Sommer eine Gastprofessur innehatte und die Bedingungen an deutschen Hochschulen sehr gut kennt. Er sieht in der geplanten Halbierung – ich zitiere –

"… Wesen und Funktion einer bedeutenden Universität substantiell geändert …".

Er sagt weiter, es könne nicht hingenommen werden, dass den betroffenen Fakultäten einfach von oben durch eine politische Direktive derartige massive Eingriffe in Forschung und Lehre vorgeschrieben werden sollen.

Jüngst hat einer der betroffenen Dekane gesagt, dass von oben die politische Direktive komme zu kürzen, zu sparen und dies dann zu einem Kannibalismus unter den Fächern führe, denn jedes Fach wird ums Überleben kämpfen. Es gibt kein Konzept einer Zusammenarbeit mit norddeutschen Universitäten und deshalb muss diese Halbierung der Kultur-, Geistes- und Sprachwissenschaften verhindert werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren von der CDU, lieber Herr Beuß! Wir hätten natürlich gerne mit Ihnen im Ausschuss darüber diskutiert und, wie in Wissenschaft und Politik üblich, kontroverse Standpunkte gegenübergestellt. Leider haben Sie sich diesem Verfahren verweigert.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sie haben uns stattdessen angeboten, dass der Senator auftritt. Wir hätten aber gerne den Uni-Präsidenten und auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HIS-Gutachtens gehört.

(Glocke)

Ich kann nur als Fazit Ihrer Reformpläne sagen: Übermut tut selten gut.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Beuß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gut gebrüllt, Frau Brüning,

(Michael Neumann SPD: Super Einstieg!)

aber mit Panikmache und düsteren Prognosen kommen wir in der Hochschulpolitik nicht weiter. Was Sie hier Herrn Dräger an Halbwahrheiten unterstellt haben, das ist ein starkes Stück.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen etwas zu Halbwahrheiten sagen. Wenn Sie behaupten, wir würden auf zehn Jahre Prognosen festlegen, was den Arbeitsmarkt angehe, dann ist das einfach ein Irrglaube Ihrerseits.

(Petra Brinkmann SPD: Das macht er doch!)

Gucken Sie sich die Leitlinien des Senats an. Dort steht, 2006/2007 werde nachjustiert. Mit dieser Art von Wahrheit schaden Sie den Hochschulen und den Studenten, um das einmal ganz deutlich zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Was haben wir eigentlich an den Hochschulen vorgefunden, als wir die Regierung übernommen haben? Masse statt Klasse,

(Michael Neumann SPD: Herr Beuß, wo haben Sie denn studiert? Waren Sie auch Masse statt Klas- se?)

Studienerfolgsquoten bei 29 Prozent. Das ist ein erbärmlicher Output, Herr Neumann.

(Beifall bei der CDU)

Die Studiendauer liegt bei den Geisteswissenschaften inzwischen im Schnitt bei über 13 Semestern. Das ist und kann in so einer Zeit nicht normal sein.

(Beifall bei der CDU)

Der Blick auf die Drittmittel zeigt im Vergleich der Geistes- und Sozialwissenschaften zwischen der Universität Hamburg und der Universität Konstanz eine gleiche Mitteleinwerbung, aber die Universität Hamburg hat 361 Professoren, die Universität Konstanz gerade einmal 88. Das ist ein Zeichen für mangelnde Qualität in diesem Bereich.

Fazit der Wissenschaftspolitik der Vergangenheit ist: Sie war konzeptionslos, sie war beliebig, Sie haben ein Sparen mit dem Rasenmäher durchgeführt und – das diskutieren wir hier mit Ihnen – im Grunde genommen sind die Professorenstellen heute völlig mangelhaft ausgestattet. Das geht im Endeffekt zulasten der Qualität an den Hochschulen und das kann so nicht weitergehen.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen Innovation und Qualität in den Geisteswissenschaften, und zwar über den Hamburger Tellerrand hinaus. Es ist eben nicht damit getan, dass man immer nur guckt, was die Universität hier oder dort macht. Mit diesem provinziellen Blick kommen wir in Hamburg und in der Hochschullandschaft nicht weiter. Wir müssen einen norddeutschen Wissenschaftsraum in den Fokus nehmen und zu diesem norddeutschen Wissenschaftsraum gehören ganz bestimmt Lübeck und Kiel.

(Beifall bei der CDU – Bernd Reinert CDU: Sehr richtig!)

Mit den Partnern in Lübeck und Kiel werden wir gemeinsam für den norddeutschen Wissenschaftsraum Prioritäten setzen und versuchen, Synergien zu finden. Ich bin optimistisch, dass Ende September die ersten Ergebnisse

aus den Verhandlungen dazu vorliegen; das ist Wissenschaftspolitik im Jahre 2004.

(Beifall bei der CDU)

Wir erwarten dazu erste Ergebnisse, aber das ist es nicht allein. Es hat keinen Sinn, einen Popanz zwischen Kiel, Lübeck und Hamburg aufzubauen und zu sagen, wir sind Gegner. Nein, wir sind Partner. Unsere Gegner, mit denen wir konkurrieren müssen, sitzen zukünftig in München, Mailand und Paris. Das ist die Hausnummer, mit der wir uns in Hamburg in der Wissenschaftspolitik messen wollen.