Protocol of the Session on March 27, 2002

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Einerseits sollte dies durch strikte repressive Maßnahmen und andererseits aber auch durch Prävention geschehen. Dies ist einer der Schwerpunkte der Aufgaben der Regierungskoalition; und das ist auch gut so.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Die Stiftungsfinanzierung wäre heute wahrlich ein Selbstgänger, wenn der ehemalige rotgrüne Senat das konsequent durchgesetzt hätte, was der Vizepräsident des Rechnungshofs, Dr. Jann Meyer-Abich, anlässlich der Vorstellung des Rechnungshofsberichtes öffentlich und zu Recht bemängelte, dass nämlich durch strikte Steuereintreibung 1,1 Milliarden D-Mark mehr eingenommen werden könnten.

(Michael Neumann SPD: Wir haben doch die Ge- winnabschöpfung!)

Das ist eine sehr große Summe.

(Michael Neumann SPD)

A C

B D

Eines kann auch das Opferentschädigungsgesetz, die Opferhilfe e.V., der Weiße Ring oder die neu zu gründende Stiftung „Hilfe für Opfer von Straftaten“ weder mit Entschädigungen noch mit Hilfsangeboten und gut gemeinten Ratschlägen für die weitere Lebensplanung nicht leisten: die Heilung der psychischen Schäden und seelische Verletzungen der Opfer, die sie ein Leben lang begleiten werden. Sie sterben einen Tod auf Raten, die Angehörigen leiden unsagbare Qualen. Insbesondere sind Opfer von sexueller Gewalt und sexuellem Missbrauch davon betroffen.

Frauen und Kinder wurden aber erst und auch Opfer, weil verantwortungslose Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten den Patienten – Sexualstraftätern und Kinderschändern – durch so genannte qualitätsgesicherte Prognosegutachten zur Freiheit und damit zu neuen Opfern verhalfen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der CDU)

Die Opfer von Kinder- und Sexualmördern, an denen erfolglos herumtherapiert worden ist, haben nur dann einen Sinn, wenn sie uns endlich die Augen öffnen, bis wohin die Fähigkeiten der Therapeuten nicht reichen. Das heißt, die Therapeuten müssen sich vor allem an ihren Misserfolgen messen lassen; davon gibt es leider mehr als genug. Diesem Übel entgegenzuwirken, ist wirksamer Opferschutz und auch Opferhilfe.

Noch eine Schlussbemerkung. Ein Verbrecher, der eine Frau vergewaltigt oder ein Kind sexuell missbraucht und ermordet, ist ebenso wenig krank wie ein anderer, der einen alten und schwachen Menschen überfällt und beraubt; beide nutzen die Schwäche des Opfers.

Wer therapieren will, sollte die Krankheit kennen. Aber: Wie heißt die Krankheit, an der die Verbrecher leiden? Die Antwort überlasse ich Ihnen. – Danke schön.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Mahr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diejenigen Abgeordneten, die bereits seit mehreren Jahren diesem Parlament angehören, wissen, dass regelmäßig zu den Haushaltsberatungen auch über Kürzungen bei den Opferhilfeeinrichtungen diskutiert wurde. Es war zum Teil sehr schwer, das bestehende Angebot überhaupt aufrechtzuerhalten. Das war und ist immer wieder äußerst deprimierend. Auch bei diesen Haushaltsberatungen gibt es entsprechende Ankündigungen vonseiten des Senats, Zuwendungen für Opferhilfeeinrichtungen zu kürzen.

Das typische Opfer gibt es nicht. Opfer von Straftaten reagieren aufgrund ihrer wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Situation völlig unterschiedlich. Es kann sich beispielsweise um Menschen handeln, die in ihrem persönlichen Nahbereich durch sexuellen Missbrauch und häusliche Gewalt oder im öffentlichen Raum Opfer einer Straftat werden, dann aber den Täter möglicherweise nicht kennen. Es gibt Opfer, die Anzeige erstatten, und solche, die dieses aus nachvollziehbaren Gründen nicht tun. Opfer von Straftaten sind häufig traumatisiert, haben unter

schiedliche Bedürfnisse und sind oft überfordert, überhaupt Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Eine Vielzahl von Forschungsprojekten hat gezeigt: Bei den meisten Opfern steht der Wunsch im Vordergrund, dass Täter begreifen, dass sie so mit ihren Opfern nicht umgehen können. Oft geht es den betroffenen Menschen nicht so sehr um eine möglichst harte Bestrafung des Täters, sondern um eine Sanktion, die gewissermaßen von den Tätern als Denkzettel verstanden wird. Der Schaden – das steht häufig im Vordergrund – soll so schnell wie möglich wieder gutgemacht werden, soweit er denn überhaupt gutgemacht werden kann.

Im Krisenfall wünschen sich Betroffene unbürokratische und schnelle Beratung und Unterstützung. Sie erhoffen sich von der Polizei und der Justiz transparente Informationen über den Verlauf des Verfahrens. Von diesen Erwartungen – das wissen Sie und auch ich – sind wir in der Wirklichkeit leider noch weit entfernt.

Die Idee einer Stiftung ist seinerzeit gemeinsam von der GAL und der SPD besprochen und eingefordert worden; leider sind wir damals damit nicht durchgedrungen. Insofern begrüßen wir diesen Vorschlag ausdrücklich und hoffen, dass auch die Bürgerschaftsmehrheit dieses Anliegen unterstützt.

Warum eine Stiftung? Ist nicht der Staat verpflichtet, den Opfern von Straftaten zur Seite zu stehen? Diese Frage sollte eigentlich eindeutig mit einem Ja zu beantworten sein, allerdings reichen die gesetzlich vorgesehenen Hilfeleistungen oft nicht aus, um den betroffenen Menschen in Akutsituationen wirklich angemessen helfen zu können. Hier könnte eine Stiftung die vorhandene Lücke schließen.

Der Hinweis auf die Anforderungen, die durch das In-KraftTreten des neuen Gewaltschutzgesetzes entstanden sind und denen wir uns zu stellen haben, ist sicher genauso berechtigt wie der Hinweis auf die aufreibende Arbeit der Hamburger Initiative gegen Aggressivität und Gewalt. Hier untersucht und dokumentiert medizinisches Personal am Institut für Rechtsmedizin auf ehrenamtlicher Basis die Verletzungen von Gewalttaten, um den Opfern später vor Gericht eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Diese Arbeit, die häufig an unmittelbar traumatisierten Menschen erfolgt, erfordert ein Höchstmaß an Sensibilität und Professionalität. Sie hätte eigentlich – das sage ich auch ganz selbstkritisch – schon viel eher die Aufmerksamkeit dieses Parlaments verdient gehabt.

Es gibt auch weit mehr Angebote als die bisher beschriebenen, die sich unter anderem mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Wie bekomme ich Schadensersatz? Wer ersetzt mir meinen materiellen Schaden? Wer hilft mir, wenn ich einen körperlichen, seelischen und psychischen Schaden erlitten habe? Was mache ich, wenn ich kein Geld für einen Anwalt habe? Was mache ich, wenn ich als Opfer eines Verkehrsunfalls oder größeren Schadensereignisses traumatisiert worden bin? Was mache ich, wenn ich jemandem helfe und selbst dabei zu Schaden komme?

An Hamburger Gerichten – darüber haben wir hier häufiger in der Bürgerschaft debattiert – gibt es zum Beispiel die so genannten Zeugenbetreuungszimmer, in denen die Zeugen und Opfer auf ihrem Weg durch die Gerichte und Strafprozesse begleitet werden.

Herr Bauer, ich möchte Ihnen ausdrücklich zustimmen

(Frank-Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Danke!)

(Frank-Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

nicht Ihrer ganzen Rede, dem Schluss schon gar nicht –, dass es das Ziel sein muss, Opfer zu verhindern. Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu.

(Dr. Michael Freytag CDU: Herr Bauer ist jetzt irri- tiert!)

Manchmal kann das auch passieren.

Es geht aber manchmal nicht nur um schnelle Hilfe auf den unterschiedlichen Ebenen, sondern auch um frühzeitige Prävention, Zivilcourage und Konfliktbearbeitung in Schulen.

Sie erinnern sich vielleicht an die Themen in der letzten Legislaturperiode: Kulturelle Aspekte von Konfliktlösungen, Sucht- und Gewaltprävention und geschlechterspezifische Angebote wie zum Beispiel Selbstverteidigung von Mädchen. Das sind die Themen, die die rotgrüne Koalition in der letzten Wahlperiode vorangetrieben hat.

Die Opferhilfeeinrichtungen haben bisher in Hamburg hervorragende Arbeit geleistet. Es hat mich in den vergangenen Jahren aber immer wieder geärgert, dass noch viel zu viel nebeneinander her gearbeitet wird. Es stellt sich doch die Frage: Wer kennt diese Einrichtungen in der Stadt und wie kooperieren sie miteinander? Wichtig ist, diese Beratungsstellen in ihrer Vielzahl öffentlich noch bekannter zu machen, damit möglichst vielen Menschen geholfen werden kann.

Es kommt zum Beispiel immer wieder vor, dass Eltern, deren Kind Opfer einer Straftat geworden ist, völlig verzweifelt und überfordert sind, wenn es darum geht, dem Kind Perspektiven aufzuzeigen, wie das furchtbare Geschehen aufgearbeitet werden kann. Mitleid ist zwar gut, aber es hilft in diesen Fällen meistens überhaupt nicht. Wir müssen vielmehr die Voraussetzungen dafür schaffen, dass den Menschen aus ihrer Opferohnmacht herausgeholfen wird. Es fehlt nach meinem Eindruck an einer Übersichtlichkeit der Angebotsstruktur wie auch an der nötigen Sicherheit, ob mit dem derzeitigen Beratungsangebot ein ausreichendes Netzwerk in Hamburg besteht.

Die GAL-Fraktion wird deshalb im Mai eine Expertenanhörung durchführen, um einerseits der Arbeit mit Opfern ein weiteres parlamentarisches Forum zu bieten, zum anderen aber auch, um Erkenntnisse für notwendige politische Entscheidungen zu gewinnen.

Frau Spethmann, ich stimme Ihnen zu: Das grundsätzliche Anliegen dieses Antrages halten wir für richtig und sinnvoll, meinen aber, dass es aufgrund der Vielzahl an Problematik beleuchtet werden muss. Deswegen stimmen wir der Überweisung des SPD-Antrages an den Rechtsausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Müller-Sönksen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Neumann, grundsätzlich ist dies ein begrüßenswerter Antrag. Allerdings schreiben Sie darin, dass die Stiftung Opferhilfe ein neuer Träger mit eigenen Leistungen werden soll.

(Michael Neumann SPD: Das steht da nicht drin! Das ist kein Träger!)

Warum eigentlich? Das Anliegen ist richtig. Aber warum stärken Sie zum Beispiel nicht einen Verein wie den Wei

ßen Ring, der seit Jahren gute Arbeit leistet? Hier kann man auf ein Know-how zurückgreifen, der Staat kann segensreich mitwirken, ohne eine – das muss man ehrlich sehen – neue zusätzliche und kostspielige Institution mit Zuwendungen zu beschicken.

Neue Stiftungen sind gut und notwendig, aber ich sehe im Antrag der SPD an dieser Stelle wieder den Versuch, für die Ausgaben des Staates einen neuen Zuwendungsempfänger mit einem Instrument zu kreieren, dem ein bürgerliches Engagement mit einer eigenen, sich selbst finanzierenden Stiftung besser zu Gesicht stünde.

(Michael Neumann SPD: Haben wir doch! Einfach den Antrag lesen!)

Es kann nicht angehen, dass Sie wieder nach dem Staat schreien. Warum sagen Sie nicht, dass man vielleicht besser auch privates Geld locken könnte?

Wir haben heute weniger Stiftungen als noch vor einhundert Jahren; das ist – wenn Sie sich im Vergleich die Summe der privaten Geldvermögen ansehen – ein absurder Zustand. Der Antrag der SPD kommt zwar mit einem richtigen Anliegen – das möchte ich hier ausdrücklich sagen –, aber mit dem falschen Lösungsansatz.

(Michael Neumann SPD: Wir wollen eine Stiftung!)

Wir erleben im Bereich der Zuwendungen, wie äußerst brisant es ist, wenn eine Regierung – auch unter FDP-Beteiligung – über die Verwendung freiwilliger Leistungen des Staates an Freie Träger frei entscheiden kann. Die FDP setzt darauf, mit Zuwendungen grundsätzlich sehr sparsam umzugehen. Deswegen wollen wir das auch noch weiter erörtern.