Ich bin einmal darauf gespannt, was wir hier wieder erzählt bekommen werden. Das, was wir bisher schriftlich bekommen haben, war jedenfalls nicht ausreichend. – Vielen Dank.
Herr Kollege Rock, vielen Dank. – Als Nächster hat sich Herr Kollege Dr. Bartelt für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Registrierung der biometrischen Daten aller Asylbewerber ist ein notwendiger Bestandteil der erkennungsdienstlichen Erfassung. Sie ist für ein zügiges Asylverfahren, für die Prävention gegen Missbrauch und gegen den Mehrfachbezug der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz notwendig.
In Hessen werden seit Mai 2016 alle neu ankommenden Flüchtlinge erkennungsdienstlich erfasst. Bei zuvor eingereisten Flüchtlingen – insbesondere bei denen aus dem Jahr 2015 – werden die notwendigen Daten nachträglich erhoben und registriert.
Es muss klargestellt werden, dass für die Registrierung das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und für den Bezug der Leistungen der Flüchtlinge das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zuständig sind. Insofern ist der Titel der Aktuellen Stunde der FDP – ich will es vorsichtig ausdrücken – nicht ganz exakt formuliert. Lieber René Rock, auch die eben gehaltene Rede beruht größtenteils auf Vermutungen und Hypothesen. Bei einem so sensiblen Thema sollte man sich überlegen, ob man hier so vorträgt.
Wir wissen aus Erfahrung: In Hessen arbeiten die Staatsminister der Landesregierung und die Mitglieder der Regierungsfraktionen erfolgreich und harmonisch zusammen. Das wissen wir aus Erfahrung.
Auf der Bundesebene ist das während der Endphase der Legislaturperiode nicht immer der Fall. So war die Kommunikation in dieser Frage bedauerlicherweise nicht einheitlich. Der Bundesentwicklungsminister forderte die nachträgliche biometrische Registrierung der Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten. Das Bundesinnenministerium entgegnete über den Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, dies sei bereits erfolgt, weitere Maßnahmen seien nicht nötig. Das Bundessozialministerium erklärte, dass ihnen von einem Doppelbezug der Leistungen aufgrund mangelhafter Registrierungen nichts bekannt sei. Alle diese Erklärungen erfolgten im Januar dieses Jahres.
Aufgrund dieser Verwirrungen sind wir der Landesregierung dankbar, dass sie die Fakten für Hessen zur erkennungsdienstlichen Erfassung einschließlich der biometrischen Erfassung dargelegt hat. Wir erinnern auch an das Engagement der Landesregierung auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zur Umsetzung der Leistungsgesetze. Das ist auch deshalb wichtig, weil in Niedersachsen
die Kriminalpolizei in Braunschweig wegen des Verdachts auf Doppelbezug der staatlichen Leistungen der Asylbewerber ermittelt. Die Ermittlungen beziehen sich nicht nur auf Vorkommnisse in diesem Bundesland.
Die Klärung des Sachverhalts ist notwendig. Sie ist auch deshalb notwendig, um in der Bevölkerung die Akzeptanz des staatlichen Engagements für die Aufnahme und Integration zu festigen. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Hessen durch eine vorbildliche Organisation der Erstaufnahme, durch eine enge Zusammenarbeit und durch Vereinbarungen mit der kommunalen Familie und durch einen weitsichtigen Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts diesen Konsens in der Bevölkerung sichert.
Wir sollten diese Frage eindeutig klären. Die Hessische Landesregierung hat ihren Beitrag dazu geleistet. Wir sollten nicht versuchen, durch irgendwelche Vermutungen und Hypothesen diesen Konsens in unserer Gesellschaft aufs Spiel zu setzen. – Vielen Dank.
Herr Dr. Bartelt, vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Abg. Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! René Rock, ich fand den Redebeitrag eigentlich überzogener, als er angesichts des eigentlichen Anliegens hätte sein können.
Wenn man das für sich isoliert betrachtet und danach sucht, was für ein sachliches Problem dahinter liegt und ob man das bearbeiten kann, dann, finde ich, muss man sich der Sache stellen. Das ist bis dahin erst einmal nichts Unanständiges. Unanständiges findet sich dann doch schon, wenn man darüber fabuliert und erklärt, wie Sozialmissbrauch entstehen könnte. Ich finde, das ist ein sehr populistisches In-Verbindung-Bringen.
Herr Kollege Rock, ich will mich der Sache nicht entziehen. Es geht in der Tat darum, dass man diesen Doppelbezug stoppt. Sie kennen den Brief des hessischen Ministers vom 13. Februar 2017, der an alle Fraktionen ging. Wenn man diesen Brief gelesen hat, kann man eigentlich nicht mehr so einen Tagesordnungspunkt einreichen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Ernst- Ewald Roth (SPD))
Ich möchte Ihnen das noch beantworten. Denn ich finde, alle Zuschauerinnen und Zuschauer, aber auch die Kolleginnen und Kollegen haben das Recht, zu erfahren, was in Hessen passiert. Alle in Hessen neu ankommenden Asylsuchenden werden erkennungsdienstlich behandelt und mit
ihren hinterlegten vollständigen biometrischen Daten registriert. Das ist das, was in Hessen zunächst passiert.
In Hessen ist kein Doppelbezug der Leistungen bekannt geworden. Das steht da auch drinnen. Herr Kollege Rock, jetzt kommt der spannende Teil. Da steht geschrieben:
Auch können die Sozialbehörden/Jobcenter einen Abgleich mit den im Ausländerzentralregister hinterlegten Fingerabdrücken nicht vornehmen, da diese die zu übermittelnden Daten aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen nicht auslesen können.
Abhilfe schaffen könnte in allen genannten Fällen nur der Bund, da bei diesem die Gesetzgebungskompetenz … liegt.
Das wollte ich erst einmal als Feststellung sagen. Es ist also nicht die Regierung Bouffier schuld. Hier verschleppt es keiner. Hier ignoriert es keiner. Vielmehr benennen wir es. Es gibt ein Problem, das dazu führt, dass es dazu kommen könnte. Wenn Sie es ändern wollten, bräuchten wir eine bundesgesetzliche Regelung. Das war ad 1.
Zweitens hört man schon im Hintergrund hallen: Hat die Hessische Landesregierung auch wirklich genug getan? – Auch das kann man bejahen, wenn man in der Lage ist, diesen Brief zu lesen.
Hessen hat bereits auf der letzten Arbeitsministerkonferenz einen entsprechenden Antrag an die Bundesregierung gestellt,
der von den Bundesländern einstimmig mitgetragen wurde. Für die gesetzliche Umsetzung ist das federführende Ministerium für Arbeit und Soziales auf Bundesebene zuständig. – Sie haben doch den Brief.
Sie wissen, dass es die Bundesgesetzgebung ist, die das erst ermöglicht. Sie wissen, dass Hessen aktiv war. Sie wissen das alles. Und dann verfassen Sie die Überschrift „Doppelbezug“ – so nach dem Motto: „Überall sind Sozialhilfebetrüger.“ Ich finde das unanständig.
Vielen Dank, Herr Bocklet. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Faulhaber für die Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die erste Frage, die ich mir gestellt habe, als ich diesen Antrag der FDP las, war: Was soll dieser Antrag bewirken? Was sind die Ziele dieses Antrags? Leider sind mir nur ziemlich unschöne Antworten eingefallen.
Meine Damen und Herren, wenn einige Hunderttausend Menschen ins Land kommen, sind natürlich auch welche darunter, die nicht ehrlich sind. Ja, es kann auch sein, dass die Registrierung unorganisiert und überlastet ist. Das bietet Schlupflöcher. Es gibt das alte – ich betone: alte – deutsche Sprichwort: „Gelegenheit macht Diebe.“ Das zeigt schon, dass es sich um kein Phänomen handelt, das nur Flüchtlinge betrifft. Das gab es schon immer und zu jeder Zeit, und das gilt für alle Völker.
Damit Sie mich jetzt nicht falsch verstehen: Natürlich müssen Asylsuchende registriert werden, und natürlich sehe auch ich die Sozialversorgung nicht als Selbstbedienungsladen an. Aber dieser Antrag lässt die Annahme aufkommen, es wimmele nur so von Betrügern unter den Geflüchteten; denn endlich sollen die vollständige Registrierung und ein Datenabgleich erfolgen. Ich bin jetzt keine glühende Verehrerin dieser Landesregierung,
aber Sie, meine Dame und die Herren von der FDP, suggerieren mit Ihren Formulierungen, der Mehrfachbezug von Sozialleistungen sei in Hessen ein von oben geduldetes Phänomen. Tatsächlich ist in Hessen kein einziger Fall von Doppelbezug von Sozialleistungen durch Geflüchtete bekannt. Das wurde gerade hier vorgetragen. Darauf hat Minister Grüttner hingewiesen. Dieses Schreiben liegt auch der FDP vor.
Aus der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik für Hessen lassen sich keinerlei Hinweise in diese Richtung entnehmen. Die Statistik wurde erst vor zwei Wochen vorgestellt. Sozialleistungsbetrug von Geflüchteten wird mit keiner Silbe erwähnt. Es ist auch nicht richtig, zu unterstellen, Geflüchtete würden in Hessen nicht registriert. Dazu hat Herr Bocklet gerade gesprochen. Da kann ich etwas Redezeit sparen.
Es gibt einen Begriff für eine politische Strategie, die die Fakten ignoriert und Emotionen inszeniert. Man nennt es Populismus. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie versuchen sich auf Kosten von Minderheiten zu profilieren.
Gegen den Versuch, datenschutzrechtlich bedenkliche Regelungen in den Jobcentern einzuführen, muss man sich mit großem Nachdruck wenden. Es ist kein legitimes Mittel, im Jobcenter Fingerabdrücke zu nehmen, weil man unterstellt, dass es irgendeinen Sozialbetrug geben könnte. Jeder, der mit den Jobcentern zu tun hat, weiß, dass die Flüchtlinge, die dorthin kommen, sowieso registriert sind. Sie sind anerkannt. Deshalb gibt es auch überhaupt keinen Grund, so etwas zu tun. So etwas ist ein Abbau des Datenschutzes.
Es gab vor drei Jahren schon einmal eine Paralleldiskussion um den angeblich massenhaften Sozialleistungsbetrug durch Rumänen und Bulgaren. Monatelang hat sich die Große Koalition damit beschäftigt, die angebliche Zuwanderung in Sozialsysteme bzw. den Missbrauch von Sozialleistungen durch EU-Bürger zu thematisieren und anzuprangern. Aber auch damals drifteten Faktenlage und fremdenfeindliche Inszenierung weit auseinander.