Protocol of the Session on February 23, 2017

(Florian Rentsch (FDP): Habe ich doch!)

Sie können sie schon allein deswegen nicht belegen, weil Sie eben selbst erklärt haben, das Abstimmungsverhalten würde gar nicht festgehalten. Aber ich sage Ihnen noch einmal – wir beide kennen das Verfahren; ich war, wie Sie wissen, fünf Jahre lang dort, und Sie kamen auch irgendwann dazu –, und das wissen wir alle, dass die Frage: „Wer stimmt welchen Anträgen zu?“, schon vorher feststeht und in den jeweiligen Runden, in den Vorbesprechungen, festgehalten wird.

(Florian Rentsch (FDP): 23. September 2016!)

Damit haben Sie heute das getan, was wir nicht tun dürfen: Sie haben etwas behauptet, was definitiv falsch ist. Das Schlimme ist, Sie wissen auch noch, dass das falsch ist.

Herr Rentsch, ich will aber noch ein paar andere Punkte aufgreifen, weil Sie so tun, als sei die Automobilwirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit nun völlig isoliert unterwegs, und weil Sie hier den Eindruck erweckt haben, als hätte Opel die Entwicklung verschlafen. Zunächst einmal wollen wir feststellen: Sie haben von dem Zeitpunkt der Krise 2009/2010 gesprochen, dass die Unternehmen GM und Opel damals eine sehr wechselhafte Beziehung hatten. Zum einen war es so, dass in dem Forschungszentrum in Rüsselsheim, das heute schon mehrfach angesprochen worden ist, für den Mutterkonzern Leistungen produziert worden sind, die nur in Teilen in Rechnung gestellt bzw. bezahlt worden sind.

Eines der großen Probleme, das Opel seinerzeit hatte, war, dass die amerikanische Mutter krank gewesen ist und zwischenzeitlich – das wissen Sie –, im Verlauf der Folgejah

re, mit insgesamt 50 Milliarden $ an Steuergeldern aufgefangen werden musste. Wir reden über GM und darüber, dass dieses Unternehmen einen lupenreinen Insolvenzantrag gestellt hat und am Ende dazu gekommen ist, dass über 72 % der Anteile von GM in den Händen der US-Regierung und der Regierung in Kanada gewesen sind. Also: Von wegen der Staat sollte sich raushalten. Dieses Unternehmen gäbe es heute gar nicht mehr und damit das Unternehmen Opel.

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, Herr Kollege Rentsch.

(Unruhe bei der FDP)

Wenn Sie denn Zeit haben, dann reden wir auch über den Klimaschutzplan. – Die erste Bemerkung ist, Sie lesen einen Klimaschutzplan – Herr Kollege Lenders hat sich dazu geäußert –, den es noch gar nicht gibt. Können wir das auch einmal festhalten? Es gibt noch keinen Klimaschutzplan, den Sie kommentieren könnten.

(René Rock (FDP): Er ist angekündigt worden!)

Zweite Bemerkung. An der Erarbeitung der Entwurfspapiere und der Diskussion hätten Sie ja teilnehmen können. Das haben Sie nicht gemacht, weil Sie angeblich nicht eingeladen worden sind.

(Florian Rentsch (FDP): Genauso wie die SPD und DIE LINKE!)

Es ist Ihnen mehrfach nachgewiesen worden, dass Sie von der Umweltministerin ausdrücklich in diese Runden eingeladen worden waren. Sie sind nur nicht hingegangen.

(Florian Rentsch (FDP): Fake-News!)

Heute zu erklären, dass es alles ganz schlimm sei, ohne zu wissen, was drinsteht, und sich selbst der Debatte entzogen zu haben, finde ich ein starkes Stück, und das ist unredlich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch, eine letzte Bemerkung will ich noch machen. Wir haben heute viel über diesen Teil der Wirtschaft gesprochen, über ökologische Fragen, über das, was wir in Brüssel gemeinsam beschlossen haben, Stichwort: Klimaschutz, und über das, was in Paris auf der großen Umweltkonferenz beschlossen worden ist. Man kann ja sagen, dass einen das alles nicht interessiert. Das ist jedenfalls der Eindruck, den ich von Ihnen und von Ihren Parteifreunden in den letzten Jahren gewonnen habe. Man sollte dann aber auch sagen, dass man die Dinge noch anders gesehen hat, als man noch Verantwortung getragen hat. Ich weise Ihnen in Dutzenden Zitaten nach, wie Sie sich im Jahr 2011 zur Energiewende verhalten haben.

(Florian Rentsch (FDP): Geht es um die FDP?)

Sie haben selbst erklärt, die Energiewende und alles, was damit verbunden sei, habe in Hessen eine wirtschaftliche Heimat. Das haben wir gemeinsam gemacht. Daraus haben sich tolle Ideen, tolle Entwicklungen in allen Branchen, insbesondere auch in der Automobilindustrie, entwickelt. Das können wir doch nicht außer Acht lassen. Wir sehen auch und gerade in der Entwicklung der Ökologiewende und der Energiewende riesengroße Chancen – und nicht wie Sie nur Unbill und Kosten, die zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben sich aus all dem, was moderne Technologien in diesem Bereich anbelangt, vollkommen verabschiedet. Das sollten Sie sagen: Wir, die Freien Demokraten, haben mit Klimaschutz nichts am Hut, haben mit regenerativer Energie nichts am Hut, und am Ende steigen wir wieder in die Kernenergie ein, damit wir zurückfallen auf Los,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ins Jahr 2010, als wir gemeinsam diesen großen Wurf, auch auf Ihre Veranlassung hin und mit Ihrer Unterstützung, auf den Weg gebracht haben. – Herr Kollege Rentsch, bleiben Sie ehrlich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Boddenberg. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Ende der Aussprache zu dieser Aktuellen Stunde.

Wenn ich es richtige sehe, sollen die Anträge abgestimmt werden.

Dann stimmen wir über den Dringlichen Antrag der Fraktion der FDP betreffend Opel und die weitere Entwicklung der hessischen Automobilindustrie, Drucks. 19/4566, ab. Ich bitte um das Zeichen, wer dem Antrag zustimmt. – Das ist die FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – Soweit ich es sehe, ist das der Rest des Hauses. Ich frage zur Kontrolle: Enthaltungen? – Keine, das heißt, der Rest des Hauses stimmt gegen diesen Antrag. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Sicherung der Arbeitsplätze bei Opel ist für die hessische Wirtschaft von zentraler Bedeutung – Unternehmen benötigt zukunftsfeste Perspektiven, Drucks. 19/4568. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Die Fraktion der Freien Demokraten. Damit ist dieser Antrag bei Enthaltung der Fraktion der Freien Demokraten ansonsten einstimmig beschlossen.

Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 47, abgehalten.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 48:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Steuerflucht stoppen: Auch Fraport „flie(h)gt“ ins Steuerparadies Malta) – Drucks.

19/4553 –

Das Wort hat Frau Kollegin Wissler. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine Studie des DIW kam vor einiger Zeit zu dem Schluss, dass deutsche Unternehmen dem Staat jährlich etwa 92 Milliarden € an Steuern durch Tricksereien und durch geschickte Verlagerung von Gewinnen ins Ausland vorenthalten. Sie rechnen

sich arm und gründen in sogenannten Steueroasen Briefkastenfirmen. Dabei handelt es sich nicht nur um Länder wie Panama und die Britischen Jungferninseln, nein, Steueroasen gibt es auch innerhalb der EU, beispielsweise in Luxemburg oder auf Malta.

So sind im maltesischen Firmenregister über 70.000 Unternehmen eingetragen; in einem Land, das nicht einmal 450.000 Einwohner hat. Unternehmen leiten einen Teil ihrer Gewinne an ihre Tochterunternehmen weiter, die so tun, als würden sie auf Malta wirklich Geschäfte betreiben; tatsächlich sparen sie aber Steuern.

Zwar fallen auch auf Malta Steuern auf Gewinne an, aber ausländische Firmenbesitzer können sich vom Finanzamt mehr als 80 % zurückholen. Dieses Geld geht den Staaten, in denen es eigentlich erwirtschaftet wurde, verloren. Schätzungen zufolge sind es allein durch die Steueroase Malta bis zu 4 Milliarden € pro Jahr. Meine Damen und Herren, diese Praktiken müssen beendet werden. Die Steueroasen müssen endlich trockengelegt werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist schlimm genug, wenn Unternehmen im Privatbesitz so vorgehen. Wenn es sich aber noch um Unternehmen handelt, die sich mehrheitlich im öffentlichen Besitz befinden, wird es vollends absurd. Da bin ich beim Flughafenbetreiber Fraport, einem Unternehmen, das mehrheitlich der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen gehört, angelangt.

Auch Fraport unterhält auf Malta Briefkastenfirmen. Dadurch entgeht dem deutschen Fiskus Steuergeld. Weder die Stadt Frankfurt noch das Land Hessen scheint irgendein Problem darin zu sehen. Das ist keine Neuigkeit, sondern seit Jahren bekannt.

Im Jahr 2013 fragte der Abgeordnete der GRÜNEN, Frank Kaufmann, damals noch Opposition, in einer Kleinen Anfrage bei der Landesregierung nach, was die Gründe dafür seien, dass Fraport auf Malta offensichtlich Briefkastenfirmen betreibe. Die unverhohlene Antwort der damaligen Landesregierung war, dass um eine „Optimierung der Steuerposition“ der Fraport gehe. Sprich: Das mehrheitlich in öffentlicher Hand befindliche Unternehmen Fraport spart Steuern. Ein Problem sah die damalige schwarz-gelbe Landesregierung darin nicht.

Wie wir durch die Berichterstattung des Magazins „Monitor“ und der „Süddeutschen Zeitung“ erfahren haben, hat sich offensichtlich an dieser Praxis nichts geändert, obwohl mittlerweile Schwarz-Grün regiert und der besagte Herr Kaufmann jetzt Mitglied im Aufsichtsrat der Fraport und sogar Mitglied im Beteiligungs- und Investitionsausschuss ist – wenn ich richtig informiert bin.

Uns würde interessieren, ob die Landesregierung in dieser Praxis ein Problem sieht und, wenn ja, was sie gedenkt, dagegen zu tun, dass Fraport offensichtlich einzig und allein mit dem Ziel, Steuern zu sparen, Firmen in Malta unterhält.

Es bleibt nicht bei der Gesellschaft in Malta mit vier Mitarbeitern und null Euro Umsatz, laut Beteiligungsbericht des Landes. Fraport hat auch in anderen Ländern zahlreiche Unternehmen. Aus dem Beteiligungsbericht des Landes ergeben sich weitere Fragen. So ist die besagte maltesische Gesellschaft an einer Managementfirma in Saudi-Arabien beteiligt, die ebenfalls Fraport gehört.

In der Steueroase Luxemburg hat Fraport eine Tochtergesellschaft mit vier Mitarbeitern und null Euro Umsatz – nach Beteiligungsbericht des Landes –, angeblich mit dem Ziel, den Betrieb eines Flughafens im Senegal zu übernehmen. Da frage ich mich: Warum gründet ein hessisches Unternehmen eine Gesellschaft in Luxemburg, um einen Flughafen im Senegal zu betreiben, zumal das Unternehmen im Senegal eine eigene Tochtergesellschaft hat?

Wer den Staat abzockt, den muss der Staat überwachen dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

So stand es in einer Presseerklärung des hessischen Finanzministers zu einer Bundesratsinitiative, die darauf abzielte, in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung sogar Mittel der Telekommunikationsüberwachung einzusetzen.

Dabei ist es mit dem Überwachen in vielen Fällen viel einfacher. Etwa dann, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, dass mehrheitlich im öffentlichen Besitz ist, das Aufsichtsgremien hat, die das Land mit besetzen darf. Im Fraport-Aufsichtsrat sind unter anderem der ehemalige Finanzminister Weimar, der Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann und eben auch Herr Kaufmann von den GRÜNEN. Es kann doch nicht sein, dass eine Landesregierung sogar zu Abhörmaßnahmen gegen Steuerhinterziehung greifen will, aber bei Briefkastenfirmen der Fraport einfach wegschaut.

Mein Eindruck ist, der Politikwechsel in der Flughafenpolitik, den die GRÜNEN vor der Wahl versprochen haben, ist ausgefallen. Außer einem personellen Wechsel im Fraport-Aufsichtsrat hat sich nichts geändert. Das Terminal 3 wird gebaut, das Nachtflugverbot gibt es nicht, und auch beim Thema Steuervermeidung bleibt die Regierung offenbar tatenlos. Letzter Satz: Wir fordern die Landesregierung auf, dass sie im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler klar Stellung bezieht und darauf hinwirkt, dass diese Praxis beendet wird. – Vielen Dank.