Protocol of the Session on February 22, 2017

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hatten heute schon eine Haushaltsdebatte, Stichwort: Ausstattung der Schulen. – Ich lade Sie ein: Begeben wir uns auf eine weite Reise. Fahren wir doch einmal in andere Bundesländer. Haben Sie schon einmal gesehen, wie dort die Schulen aussehen?

(Timon Gremmels (SPD): Ja!)

Der Zustand und die Ausstattung der Schulen in Hessen sind zumeist prima. Das ist immer auch ein Stück weit von dem Schulträger abhängig. KIP I ist mit 3.000 Anträgen in Arbeit. KIP II: Ich bin sehr dankbar für die Signale, die heute Morgen gegeben wurden, dass die 320 Millionen €, die aus den 3,3 Milliarden € des Bundesprogramms nach Hessen kommen, noch einmal durch günstige Darlehen aus dem Land aufgestockt werden sollen, damit der Zustand an den Schulen mit einer noch besseren Infrastruktur weiter verbessert wird. Das nenne ich verantwortungsvolles und zielgerichtetes Handeln. So machen wir das.

Kollege Schwarz, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme gerne zum Schluss. – Wir orientieren uns an den Realitäten. Wir brauchen keine Studien. Wir brauchen Wertschätzung und Anerkennung für das, was an Schulen geleistet wird. Deswegen sehen wir uns als schwarz-grüne Koalition in dem, was wir in den letzten drei Jahren geleistet haben, bestätigt. Auf uns können sich die Kollegien auch weiterhin verlassen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Vielen Dank, Herr Kollege Armin Schwarz. – Das Wort hat Abg. Wolfgang Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schwarz, ich bin Ihnen zunächst dankbar, dass Sie daran erinnert haben, dass wir vor zwei Jahren hier dieses Thema schon einmal in ähnlicher Weise diskutiert haben. Ich will aber als Zweites gleich ein Missverständnis ausräumen, das bei der Koalition anscheinend an dieser Stelle vorherrscht. Herr Kollege May vermittelte auch schon diesen Eindruck. Es geht hier nicht darum, irgendetwas schlechtzureden.

(Ernst-Ewald Roth (SPD): Genau, das!)

Das ist nicht das Thema, um das es geht. Herr Kollege Quanz hat das vorhin schon sehr richtig dargestellt. Es geht darum, die Situation an unseren Schulen einfach objektiv zu beleuchten.

(Gerhard Merz (SPD): Sehr gut!)

Da frage ich mich in der Tat: Wovor haben Sie in der Koalition Angst, dass Sie diese objektive Beurteilung nicht haben wollen?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Sehr verehrte Damen und Herren, wir teilen ausdrücklich das Anliegen, eine Studie zu den Belastungen der Lehrerinnen und Lehrer in Hessen zu erstellen. Wir haben bereits vor zwei Jahren eine sehr ähnliche Forderung aufgestellt – Herr Kollege Schwarz hat es dankenswerterweise erwähnt. Dafür haben wir die Zustimmung des Hauses leider nicht bekommen. An den inhaltlichen Schwerpunkten und an den Fragestellungen hat sich seitdem nichts geändert. Im Gegenteil: Sie sind nach wie vor richtig.

Wir haben die Situation, dass die Aufgaben in der Bildungs- und Erziehungsarbeit durch die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr so sind, wie sie vor 20 oder 30 Jahren waren, sondern dass sich die Anforderungen grundlegend verändert haben. Das Aufgabenspektrum der Lehrerinnen und Lehrer hat sich in dieser Zeit verändert. Auch Herausforderungen, die es teilweise immer schon gab, sind heute anders zu bewerten, unabhängig davon, ob das Klassenfahrten, Schulaufführungen, Projekte, Konferenzen oder die Vernetzung mit anderen Institutionen sind. Vor allem hat aber auch die Zusammenarbeit mit Jugendämtern und Therapeuten erheblich zugenommen. Dass die von der Landesregierung, vom Kultusministerium, von der Kultusbürokratie abgeforderten zusätzlichen Dokumentationsund Beratungsarbeiten die Anforderungen natürlich verändert haben, kann man doch nicht wegdiskutieren. Dass das alles in der unterrichtsfreien Zeit zu machen ist, wissen wir. Es geht nicht nur um die Pflichtstunden, sondern es geht um all das, was in der unterrichtsfreien Zeit stattzufinden hat.

(Beifall bei der FDP)

Dazu gehören auch die Fragen, die wir hier schon diskutiert haben, wie die Frage der Fort- und Weiterbildung, der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, der Korrekturen usw.

Worum es gehen muss, ist eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung über die tatsächliche Arbeitszeit, aber nicht über irgendwelche gefühlten Dinge. Vielmehr geht es um die tatsächliche Arbeitskraft der Lehrkräfte und auch der Schulleitungen in allen Schulformen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ernst-Ewald Roth und Lothar Quanz (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns allen ist bekannt – ich wiederhole das –, dass sich die Arbeitszeitbelastung der Lehrkräfte nicht nur an der Unterrichtsverpflichtung orientiert – das weiß auch Herr Kollege Schwarz aus der Praxis –, sondern dass darüber hinaus die zahlreichen dienstlichen Tätigkeiten innerhalb und außerhalb der Schule zugenommen haben. Hinzu kommen einige Dinge, die sich insbesondere in den vergangenen zwei Jahren massiv verändert haben und die die unter Punkt 4 des SPD-Antrags aufgeführten Probleme betreffen.

Auch wir Freie Demokraten sind der Auffassung, dass der zeitliche Rahmen, der für diese Tätigkeiten anfällt, in der gesellschaftlichen Debatte oftmals falsch eingeschätzt wird. Ich sage sehr deutlich, dass dieser Rahmen zu einem sehr großen Teil unterschätzt wird. Hier und dort wird er aber auch überschätzt. Das sollte man der Vollständigkeit halber schon dazusagen. Hier muss es darum gehen, einen objektiven Maßstab zu finden mit profunden Kenntnissen und mit einer sauberen Untersuchung der Situation.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist es notwendig, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbelastungen durch eine unabhängige wissenschaftliche Erhebung zu untersuchen. Dabei geht es um mehr als um eine reine Zeiterfassung und um eine Aufsplitterung einzelner Aufgabenfelder. Dazu gehört auch die Evaluation der Aufgaben, der Organisationsabläufe usw.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ernst-Ewald Roth und Lothar Quanz (SPD))

Darauf haben wir vor knapp zwei Jahren hingewiesen. Das hat an Aktualität nichts eingebüßt. Kollege Quanz hat darauf hingewiesen. Ich habe es auch schon erwähnt.

Es wäre sehr bereichernd, wenn wir nach den zwei Jahren jetzt mit etwas mehr Objektivität an das Thema herangehen könnten. Das scheint aber nicht der Stil dieser Koalition zu sein. Herr Kollege Schwarz konnte es nicht vermeiden, das Gleiche zu tun, was in der letzten Debatte noch Herr Kollege Irmer gemacht hat, nämlich ein Zitat von meiner Freundin Nicola Beer zu verfälschen. Ich will Ihnen gerne – zum Glück habe ich das Protokoll dabei – das richtige und vollständige, aber nicht das verfälschte Zitat nennen. Nicola Beer hat gesagt:

Wir haben viele tolle Lehrer,

(Beifall bei der FDP)

aber leider auch zu viele, die nicht in die Schule gehören.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was soll denn daran falsch sein? Ich bleibe dabei und sage sehr ausdrücklich: Das war richtig, und das ist richtig. Jeder Lehrer, der schlecht ist, der Kinder nicht fördern kann, der Kinder nicht neugierig hält, der bei Kindern keinen Lernfortschritt erzielt, ist ein Lehrer zu viel. Denn das sind zu viele verlorene Lebenschancen, und das sollten wir unseren Kindern nicht zumuten.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Greilich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme sofort zum Schluss. – Das hat Nicola Beer damals zu Herrn Irmer gesagt. Ich sage das heute Ihnen, Herr Kollege Schwarz. Nehmen Sie sich das zu Herzen.

Nun zu meinem abschließenden Satz. Wer sich wie Sie weigert, Probleme zur Kenntnis zu nehmen, bleibt zwar unwissend, er löst aber die Probleme nicht. Deshalb kann ich Sie nur auffordern: Legen Sie Ihre Scheuklappen ab, und stimmen Sie im Ausschuss dem Antrag zu.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Kollege Greilich. – Das Wort hat der Kultusminister, Staatsminister Prof. Dr. Lorz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Beruf der Lehrerin bzw. des Lehrers ist ein anspruchsvoller Beruf. Deswegen muss die Entscheidung, ihn zu ergreifen, auch Teil einer persönlichen Berufung sein. Er ist anspruchsvoll, weil die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen eine der bedeutungsvollsten gesellschaftlichen Aufgaben ist. Er ist anspruchsvoll, weil die Erfüllung dieses Bildungs- und Erziehungsauftrags den ganzen Menschen fordert. Er ist aber auch anspruchsvoll, weil er sich nicht schematisieren lässt und keiner standardisierten Zeiterfassung zugänglich ist.

Lehrer arbeiten in nicht unbeträchtlichem Umfang von zu Hause aus. Das müssen sie auch. Das dürfen sie auch. Das gehört mit zu ihrem pädagogischen Freiraum. Lehrer arbeiten auch in den Schulferien, in dieser Zeit natürlich deutlich weniger und in der Schulzeit entsprechend mehr. Das ist ein Rhythmus, den kein anderer Beruf kennt.

Hinzu kommt die generelle Schwierigkeit, die Erfüllung pädagogischer Aufgaben überhaupt zu quantifizieren. Meine Damen und Herren, dagegen hilft auch keine Studie, schon gar nicht eine solche, wie sie die SPD hier vorschlägt. Das können Sie exemplarisch an den ersten drei von vier Punkten sehen, die in diesem Antrag aufgelistet sind.

Was soll denn da betrachtet werden? Die Zahl der Pflichtstunden? Dazu gibt es eine Übersichtstabelle auf der Homepage der Kultusministerkonferenz. Dafür braucht es keine Studie.

Hinsichtlich der Beihilfebedingungen müsste man sich halt die Beihilfeverordnungen der 16 Bundesländer heraussuchen und nebeneinanderlegen. Das ist zwar mit einem gewissen Aufwand verbunden, aber auch dafür ist keine Studie erforderlich.

Zu den frühzeitigen Pensionierungen werden zwar keine Ursachen im Einzelnen erhoben. Ich kann Ihnen aber sagen – und dazu bedarf es auch keiner Studie –, dass zwischen dem Schuljahr 2004/2005 und dem Schuljahr 2015/2016 die Zahl der frühzeitigen Pensionierungen wegen Dienstunfähigkeit von 30 % aller Pensionierungen auf 8 % kontinuierlich abgenommen hat. Wenn Sie das zum Maßstab für

die Belastung unserer Lehrerinnen und Lehrer nehmen wollen, dann muss sich die Lage in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich und massiv verbessert haben. Das steht im krassen Gegensatz zu Ihrer Bestandsaufnahme,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

entspricht aber, wenn wir davon ausgehen, dass zusätzliche Ressourcen zu einer Entlastung führen, auch tatsächlich der Entwicklung der Personalressourcen in dieser Zeit, weil nämlich in diesen zehn Jahren die Zahl der Lehrerstellen kontinuierlich angewachsen ist.

Es bleibt also Punkt 4 mit seinen Spiegelstrichen. Darin sind natürlich einige zusätzliche Belastungen enthalten. Ich finde, Elternarbeit sowie die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern gehören zum Kerngeschäft von Lehrerinnen und Lehrern. Das ist keine zusätzliche Belastung, die sich diese Landesregierung ausgedacht und erst vor ein paar Jahren ins Gesetz geschrieben hat. Die inklusive Schule, der Ganztagsschulausbau und die schulische Integration von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern sind aber sicher als zusätzliche Belastungen anzusehen.

Es gibt aber keine Studien, die das objektiv ermitteln könnten. Was an Material existiert, sind ausschließlich Befragungen von Lehrerinnen und Lehrern, die deshalb das subjektive Belastungsempfinden zu erfassen versuchen und deren Repräsentativität durchaus zweifelhaft ist.

Das Niedersächsische Kultusministerium hat das z. B. vor Kurzem versucht und eine breit angelegte Onlinebefragung durchgeführt – mit einer Rückmeldequote von etwa 10 %. Also, neun von zehn Lehrinnen und Lehrern hielten es nicht einmal für nötig, ihrem Dienstherrn über ihre Belastung Auskunft zu geben. Das ist auch ein Zeichen.

Es gibt eine Studie aus Hamburg aus dem Jahr 2015, die unter anderem von dem bekannten Bildungsforscher Wilfried Bos verfasst worden ist und die feststellt, dass das subjektive Belastungsempfinden von Lehrerinnen und Lehrern von ganz vielen Faktoren abhängt. Dazu gehören die Zusammensetzung des Kollegiums, die Zusammensetzung der Elternschaft, das persönliche Umfeld, die eigene Disposition, die Raumgestaltung, das individuelle Arbeitsethos usw. Interessanterweise hängt das subjektive Belastungsempfinden in keiner signifikanten Weise von den klassischen Steuerungsgrößen der Bildungspolitik ab, also etwa von der Klassengröße oder der Zusammensetzung der Klasse.

Meine Damen und Herren, aus all diesen Gründen ist es eine Scheinobjektivität, die Sie hier postulieren, die man angeblich mithilfe einer solchen Studie herstellen könnte. Das funktioniert nicht.