Protocol of the Session on February 22, 2017

(Zurufe: Wir auch! – Allgemeine Heiterkeit)

Das scheint im Hause konsensfähig zu sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich versucht in einer solchen Debatte jeder, Zahlen so zu interpretieren, dass sie am Ende in das politische Korsett der eigenen Programmatik hineinpassen. Ich glaube, das gehört, auch im Umgang mit dem Haushalt, zu den normalen parlamentarischen Gepflogenheiten.

Gestatten Sie mir aber, ein paar Hinweise auf Stellen zu geben, an denen es, wie ich glaube, mit der Zahlenakrobatik ein bisschen sehr turbulent zugegangen ist. Der Kollege Hahn hat darauf hingewiesen: In der Tat hatten wir im Unterschied zu der ursprünglichen Finanzplanung ab 2014 in den Jahren 2014, 2015 und 2016 zusammen bereinigte Einnahmen in Höhe von 5,1 Milliarden €.

(Michael Boddenberg (CDU): In diesem Zeitraum!)

In diesem Zeitraum. – Jetzt sagt der Kollege Hahn, das alles sei verfrühstückt worden. Ich sage Ihnen: Dabei wäre kein Frühstück herausgekommen – oder ein Frühstück, bei dem noch nicht einmal die Kollegin Wallmann satt geworden wäre. Ich werde es Ihnen vortragen.

(Heiterkeit bei der CDU – Zurufe von der SPD: Was heißt das?)

Wenn Sie sich ihre Physiognomie anschauen, haben Sie eine mögliche Vorstellung davon, wie intensiv die Dame frühstückt.

(Heiterkeit bei der CDU – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Aus diesen bereinigten Einnahmen in Höhe von 5,1 Milliarden € haben wir in den Jahren 2014, 2015 und 2016 – das stand in keiner mittelfristigen Finanzplanung – etwa 2,7 Milliarden € für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen aufgewandt. Da gesteigerte bereinigte Einnahmen automatisch zu einer Beteiligung der Kommunen führen – 23 % über den Daumen gepeilt –, gehen weitere knapp 1,2 Milliarden € weg. Wenn Sie das zusammenzählen, kommen Sie auf knapp 4 Milliarden €. Für das Frühstück bleiben also knapp 1 Milliarde € übrig.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Für Frau Wallmann reicht das!)

Dank dieses Frühstücks von 1 Milliarde € ist aus einem Defizit im Jahr 2016 von 950 Millionen € ein Einnahmeüberschuss von 750 Millionen € geworden. Aus dieser 1 Milliarde € sind also 1,6 Milliarden € geworden. Wir ha

ben über diese 5 Milliarden € hinaus am Ende sogar 600 Millionen € eingespart. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Nun gibt es die übliche Diskussion. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob wir uns einen Gefallen damit tun, öffentlich zu bekunden, dass, wenn irgendetwas läuft, aus der Sicht eines Teils des Hauses diejenigen, die in der Politik gerade die Verantwortung tragen, gar nichts damit zu tun haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Aber Frau Nahles!)

Darauf komme ich gleich zurück. – Wenn aber in der hessischen Finanzverwaltung gleichzeitig drei Kopierer ausfallen, ist es die politische Verantwortung des Ministers.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN: So war das schon immer!)

Das war schon immer so. – Aber ich gebe einmal zu bedenken – nicht weil ich der Betroffene bin; ich bin ausreichend mit dickem Fell ausgestattet, das kann ich gut ab –: Tun wir uns in der Politik einen Gefallen damit, dass wir immer, wenn etwas gut läuft, öffentlich bekunden – jeweils die andere Seite meinend –, dass dies jedenfalls nichts mit politischen Verdiensten zu tun hat? Laufen wir damit nicht Gefahr, dass die Bürgerinnen und Bürger irgendwann einmal denjenigen glauben, die das den ganzen Tag landauf, landab behaupten und mit den etablierten Parteien nichts zu tun haben?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht sollten wir alle uns auf einen Mittelweg einigen: Wenn etwas schiefgeht, sollten wir gelegentlich etwas gelassener auf die Ursache schauen, und wenn es gut läuft, sollten wir uns gemeinsam ein bisschen darüber freuen, dass die Politik in der Summe – jeder in seiner Rolle – einen gewissen Beitrag dazu geleistet hat. Ich glaube, dass wir damit für die politische Kultur in diesem Lande einen beträchtlich größeren Beitrag leisten würden als mit mancher mit scharfer Klinge geführten Debatte in diesem Haus.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zu dem Stichwort Rücklage. Bei genauer Betrachtung der Zahlen stellen wir fest, dass sich an der Rücklage durch den Haushalt 2016 nicht viel verändert hat. Wir hatten eine Rücklagenentnahme von 305 Millionen € geplant, haben diese Rücklage im Laufe des Jahres entnommen und dann der allgemeinen Rücklage 379 Millionen € zugeführt. Daraus einen großen „Wahlkampfkassenneuaufbau“ zu machen, halte ich grundsätzlich für eine gewagte These.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, was für eine Debatte hätten wir in diesem Haus gehabt, wenn wir diese Rücklage im Jahr 2016 nicht gehabt hätten? Die Erstattungen des Bundes, die seine Beteiligung an den Kosten für die Flüchtlingsunterbringung gebildet haben, sind uns nämlich in den Tranchen Ende des Jahres, sozusagen an Umsatzsteuerpunkten, zugeführt worden. Die Aufwendungen dafür hatten wir aber schon im Laufe des ganzen Jahres.

Als was hätten Sie denn diese Landesregierung – zu Recht, sage ich – gebrandmarkt, wenn wir im Juni des letzten Jahres gesagt hätten: „Wir brauchen einen Nachtragshaushalt; denn wir haben nicht mehr genug Speck auf den Rippen, um diese Herausforderungen zu finanzieren“? Diese Herausforderungen standen und stehen ja greifbar vor uns. Dann hätten Sie gesagt: Das ist eine völlig unfähige Landesregierung, die dafür keine Vorsorge trifft. – Wir hatten Vorsorge getroffen, indem wir diese Rücklage zur Verfügung hatten, um damit arbeiten zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die internationale Situation ist in den letzten Wochen doch nicht einfacher geworden. Dass uns so etwas noch einmal bevorsteht – der Herrgott möge es verhüten –, ist nicht auszuschließen. Wir alle sind also klug beraten, ein paar Reserven zu haben, damit wir, wenn die Situation eintritt, dass wir sehr schnell handeln müssen – warum auch immer –, Geld in der Hand haben und keine aufwendigen bürokratischen Prozesse initiieren müssen, bevor wir politisch handeln können. Das ist vorsorgende Finanzpolitik.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich ein Letztes sagen. Was die Diskussion rund um die Beamtenbesoldung betrifft: Ja, die Diskussionen mit den betroffenen Beamtinnen und Beamten sind alles andere als einfach. Ich verstehe jeden Beamten, der sagt: Schau mal, im Nachbarbundesland gibt es gerade ein bisschen mehr als in Hessen. – Allerdings haben die hessischen Beamten die Nachbarländer in einem etwas geringeren Ausmaß beobachtet, als es genau umgekehrt war. Aber geschenkt.

Wir erleben aber auch Diskussionen um uns herum. Wenn das einträte, was die Sozialdemokraten propagieren – die große Bürgerversicherung versteckt hinter der Schimäre der freien Heilfürsorge, das Abschaffen der Beihilfe und des Privilegs des Beamten, eine private Krankenversicherung abzuschließen –, würde sich mancher Beamte angesichts dessen, was für Auswirkungen das auf die Krankenversorgung und die Gesundheitsvorsorge hätte, nach vielen Nullrunden zurücksehnen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Aber schön wundern würden die sich! – Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ja, ich weiß, dass das bei den Sozialdemokraten Unruhe auslöst.

(Manfred Pentz (CDU): Zu Recht! – Nancy Faeser (SPD): Das ist gelogen! – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU): Nein, nein! – Nancy Faeser (SPD): Das ist Lüge!)

Lassen Sie mich eines hinzufügen.

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, der Finanzminister hat das Wort. Er hat Geburtstag, lassen Sie ihm das Wort.

(Zurufe von der CDU und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen glaube ich, dass Beamte in ihrer besonderen Treuepflicht gegenüber dem Staat einen Anspruch darauf haben, an der gesellschaftlichen Entwicklung teilzuhaben.

(Fortgesetzte Zurufe von der CDU und der SPD)

Zu dieser Teilhabe gehört aber nicht nur der Besoldungszuwachs. Wenn wir die Situation betrachten, in der sich gerade die Krankenversicherung befindet, und uns manche Diskussionen über die zukünftige Gestaltung der Altersversorgung vor Augen führen, können wir sagen, dass der Beamte ein Stück weit gelassener darauf schauen kann als der in den gesetzlichen Sicherungssystemen – in der freien Wirtschaft – Verankerte. Ich glaube, das gehört am Ende zum Gesamtpaket.

Da die Betroffenen das anders sehen müssen, weil der Teil, den ich beschrieben habe, von ihnen ein Stück weit als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird, ist es doch klar, dass das in den Diskussionen eine Rolle spielt. Aber ich finde, in der Gesamtbetrachtung – auch von vielen Menschen außerhalb des öffentlichen Dienstes, die auf die Beamtenschaft schauen – ist es notwendig, darauf hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestatten Sie mir, sozusagen als Geburtstagsgeschenk, noch eine letzte Bemerkung über mein Redezeitkontingent hinaus. Ich bin den Kollegen Dr. Arnold und Kaufmann sehr dankbar für die Anregung, das Investitionsprogramm des Bundes ein Stück weit durch ein eigenes Landesprogramm zu ergänzen, um eine Chance zu haben, sehr zeitnah, in den kommenden zwei, drei Jahren, einen sehr deutlichen, einen dreistelligen, Millionenbetrag in die hessische Schulinfrastruktur zusätzlich und unbürokratisch investieren zu können. Das ist ein vernünftiger Beitrag, eine Investition in unsere Zukunft. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, herzlichen Dank. – Das Wort hat Abg. Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Schäfer, herzlichen Dank für Ihre Anmerkungen. Ich würde nach dem, was Sie gesagt haben, gern fünf Punkte kurz aufgreifen:

Erstens. Das Thema politische Kultur. Ich bin da sehr bei Ihnen, wenn es darum geht, in der Tat dafür zu werben, dass das, was gemeinsam erreicht wurde in Bezug auf die ökonomische Situation, die vorzüglich ist, insbesondere mit Blick auf die Einnahmesituation in den öffentlichen Haushalten – daran haben in der Tat extrem viele mitgewirkt, vor allem die Arbeitnehmerinnen und -nehmer, die Gesellschaft, aber natürlich waren es auch die politischen Rahmenbedingungen, die manchmal mit großen Verwer

fungen gestellt wurden –, eine große Kraftanstrengung gewesen ist; aber natürlich ist das eine gemeinsame Kraftanstrengung gewesen, die jetzt Früchte trägt.

Zweitens. Sie hat aber auch ein paar Nebenwirkungen, über die wir derzeit auch reden. Wenn wir uns einig sind, dass wir das in Zukunft in der Tat so machen, dann freue ich mich sehr darauf. Meine herzliche Bitte ist dann nur, dass das auch für Sie selbst gilt und nicht immer nur der Eindruck erweckt wird, als wären Sie sozusagen der Primus inter Pares, der alles richtig macht, der sozusagen für alles allein verantwortlich ist, und als verstehe der Rest der Welt eigentlich nichts, außer Ihnen. Wenn wir uns hierauf verständigen, dann sind wir uns ganz schnell einig.

Das gilt auch für eine ganze Reihe von gemeinsamen Anstrengungen, die wir hier in den letzten Jahren gemacht haben. Dazu würde dann auch gehören, dass Ihre, wie eine Monstranz vor sich hergetragenen, 1,2 Milliarden € für den Wohnungsbau in dieser Wahlperiode ganz erhebliche Bundesanteile enthalten und man nicht immer nur erklärt, dass man es allein leiste. Auch das gehört dann zur politischen Kultur dazu.

Drittens. Das will ich am Ende auch sagen: Herr Schäfer, Sie hätten hier nicht erlebt, dass die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, wenn es im letzten und vorletzten Jahr mit der Haushaltssituation Schwierigkeiten gegeben hätte – das sage ich jetzt vor allem für meine Fraktion; für die anderen Fraktionen kann ich dazu nicht sprechen –, Sie mit Blick auf die besonderen Herausforderungen in den letzten zwei Jahren für diesen Teil gescholten hätte. Wir haben dem Hessischen Ministerpräsidenten im Sommer 2015 ausdrücklich angeboten, dass wir alles, was mit dieser Frage zusammenhängt, mit der Flüchtlingsintegration und -aufnahme, vor den politischen Streit, vor die Klammer, ziehen und uns damit nicht kritisch auseinandersetzen, kein einziges Mal.

(Beifall bei der SPD)