Die erste Folge dieser Aussage der Kanzlerin, die die CDU-Fraktion auch klaglos hingenommen hat, bedeutet, dass es zwischen den Aussagen des Ministerpräsidenten des Landes Hessen und der Bundeskanzlerin, die an nichts mehr eine Erinnerung hat, außer dass unter keinen Umständen über das gesprochen wurde, was Volker Bouffier behauptet hat, einen Riesendissens gab. Das war die Grundbotschaft, die wir aus Berlin mit nach Hause genommen haben. Das ist ein Widerspruch, den wir wahrscheinlich nie aufklären werden, der aber das Land Hessen vielleicht einmal eine Menge Geld kosten wird.
Die weiteren herausragenden Erkenntnisse, die wir aus dem Untersuchungsausschuss hatten, waren sicherlich nicht, dass im Umweltministerium in dieser Zeit nach normalen Verwaltungsstandards der hessischen Verwaltung gearbeitet worden ist. Wer das behauptet, der hat Sinneswahrnehmungsstörungen.
Ich erinnere mich an die überraschten bis entsetzten Gesichtsausdrücke aller in dem Saal sitzenden Ausschussmitglieder, als der Abteilungsleiter Atom erklärte: Nein, wir haben als Fachabteilung nicht gearbeitet, wir haben uns geweigert. Wir waren nur ein qualifiziertes Schreibbüro. Wir haben das alles nicht für fachlich tragbar gehalten. – Im Saal war es totenstill. Da haben bestimmt in der Union auch manche gedacht: Was war denn da im Ministerium los?
Herr Arnold, wenn Sie sich jetzt hinstellen und diese Vorgänge negieren, dann, muss ich ehrlich sagen, ist die Qualität der Diskussion meilenweit auseinander. So können Sie mit dem Parlament, das monatelang damit zugebracht hat, die Dinge aufzuklären, und den sachlichen Erkenntnissen nicht umgehen.
Es gab einen Vermerk aus dem Justizministerium, der klargestellt hat, wo die Probleme liegen, über die wir heute diskutieren und die uns in diese Lage gebracht haben. Was war die Reaktion des Ministeriums? – Der Vermerk ist weggeworfen worden, denn wenn man ihn in den Akten findet und man verklagt wird, wovon man ausgeht, dann wäre die Position des Landes ganz schlecht. – Es ist unvorstellbar, was in diesem Haus zu dieser Zeit vorgegangen ist.
Das ist alles entweder mit Wissen, Duldung oder sogar Aufforderung der Ministerin vor sich gegangen. Lieber Herr Arnold, von daher ist es ganz klar: Zu diesem Zeit
punkt gab es keine ordnungsgemäße hessische Verwaltung. Es gab Versäumnisse der Ministerin. Ich dachte immer, dass das unstrittig sei.
Jetzt kommen wir zu der Frage: Was hat das für Folgen für die Ministerin? – Genau hier möchte ich noch einmal deutlich machen, dass Sie als Landesregierung mit Ihren rechtlichen Einschätzungen schon einmal vollkommen danebenlagen. Ihre rechtlichen Einschätzungen waren offenbar nicht richtig, sonst hätten wir heute diese Probleme nicht.
Ich will auch hier noch einmal in den Raum stellen, dass andere Mehrheiten das auch einfach einmal juristisch überprüfen lassen können. Zu glauben, dass dieser Punkt mit dieser 30-minütigen Auseinandersetzung endgültig abgeräumt sei, damit müssen Sie vorsichtig sein.
Ich vertrete nicht die Auffassung, dass es Einfluss und Macht gibt, ohne auch Verantwortung tragen zu müssen. Sie haben als Ministerin eine privilegierte Stellung: Sie haben viel Einfluss, Sie haben Macht, Sie werden gut bezahlt, Sie haben viel Verantwortung. Wenn Sie diese Verantwortung nicht ordnungsgemäß ausführen, dann hat das Konsequenzen. Da sollten wir uns doch im Hessischen Landtag alle einig sein. Sonst brauchen wir künftig keine Untersuchungsausschüsse mehr zu machen;
denn wenn die Minister eigentlich für nichts eine Verantwortung tragen, muss das Parlament auch nicht feststellen, dass es zu Fehlern gekommen ist.
Ich bin nicht nachtragend. Aber ich vergesse selten etwas. Ich will nur sagen: Eine andere Mehrheit könnte sich sehr wohl überlegen, diese Verantwortung, die jetzt von Frau Puttrich aus meiner Sicht auf die ganze Landesregierung übergegangen ist, einmal zu überprüfen, und ich kann mir gut vorstellen, dass das auch hier im Hessischen Landtag einmal stattfindet. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE. Bitte, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, wir reden heute einmal mehr über bewusstes Wegschauen, Vertuschen und organisierte Verantwortungslosigkeit auf Kosten der Steuerzahler.
Herr Arnold, da wundert es mich schon, dass Sie sich hierhin stellen und sagen, es sei doch keine Sorgfaltspflicht verletzt worden.
Ich will noch einmal daran erinnern: Wer war denn die einzige Ministerin, die beim Treffen mit dem Bundesumweltminister gefehlt hat, wo die Einzelheiten zum Atommoratorium abgesprochen wurden, die einzige Ministerin, die nicht anwesend war? – Es war die damalige hessische Umweltministerin, Frau Puttrich. Sie hat als Einzige gefehlt, weil sie zeitgleich mit dem Ministerpräsidenten in Hessen eine Pressekonferenz gegeben hat.
Alleine da würde ich schon sagen: Sorgfaltspflicht verletzt, wenn man bei einem so entscheidenden Treffen zu einem so wichtigen Zeitpunkt glaubt, es ist nicht nötig, dass man selbst dabei ist.
Wenn die Fachabteilung formal von ihren Aufgaben entbunden ist, weil die Fachabteilung davor warnt, dass es rechtswidrig ist, was man hier gerade macht, das aber im Ministerium nicht dazu führt, dass man sich vielleicht einmal mit dem Bundesumweltminister in Verbindung setzt oder auch nur sonst irgendwie etwas tut, würde ich schon davon sprechen, dass die Sorgfaltspflicht hier sehr wohl verletzt wurde.
Nun hat die Biblis-Stilllegung infolge des Atommoratoriums bereits einen Untersuchungsausschuss beschäftigt, und ich will noch einmal deutlich machen: Das damalige Atommoratorium war ein rechtlich unhaltbares Wahlkampfmanöver der CDU nach Fukushima.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD – Holger Bellino (CDU): Es ging Ihnen doch nicht schnell genug! – Gegenruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))
Man wollte den Atomkonzernen das Geschäft nicht vermiesen. Man hatte gerade die Laufzeiten verlängert. – Herr Bellino, weil Sie dazwischenrufen: Hätten Sie die Laufzeiten nicht verlängert im Bundestag, wäre das ganze Problem in der Form überhaupt nicht entstanden. Dann wurde eben kein rechtssicheres Abschaltgesetz erarbeitet, sondern man wollte sich irgendwie bei den Landtagswahlen in BadenWürttemberg retten, und dann hat man eben so ein windiges Verfahren gemacht.
Dieses Vorgehen wurde im Bundeskanzleramt abgesprochen zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundesregierung. Dann wurde es so durchgezogen. Natürlich hat es kritische Stimmen gegeben, und zwar von der Opposition damals. Es hat kritische Stimmen gegeben von Verfassungsrechtlern und von den Experten aus den Ministerien.
Alle haben davor gewarnt, dass ein solches Vorgehen den Atomkonzernen Tür und Tor für Klagen öffnet. Meine Damen und Herren, diese Warnungen wurden ignoriert – mit
dem erwartbaren Ergebnis, dass RWE gegen die Stilllegung von Biblis geklagt hat. Alleine dieser ganze Vorgang hat den Steuerzahler jetzt schon 3 Millionen € gekostet, und die hat es deshalb gekostet, weil man ein solch windiges Verfahren in Hessen einfach so durchgezogen hat.
235 Millionen € wollte RWE eigentlich vom Land Hessen haben, und diese Schadenersatzklagen haben natürlich auch zu der Drohkulisse beigetragen, die jetzt ins Feld geführt wurde für den neuen Atomdeal, den wir auf Bundesebene haben und der wieder dazu beiträgt, dass die Kosten für die Endlagerung – Milliardenkosten – an die Steuerzahler delegiert werden und die Atomkonzerne sich einen schlanken Fuß machen können.
Es war also nicht einfach ein Formfehler, der durch Zufall oder aus Versehen passiert ist, sondern man hat diesen Schaden ganz bewusst in Kauf genommen. Da sage ich schon: Nach normalen Maßstäben würde eine Ministerin nach einem solchen Desaster zurücktreten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD sowie des Abg. René Rock (FDP) – Timon Gremmels (SPD): Wir sind hier aber in Hessen! – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Da muss man schon fragen: Was ist denn das für ein Zeichen an die Öffentlichkeit, an die Gesellschaft? – Jeder kleine Verein bekommt Probleme, wenn eine Abrechnung nicht stimmt. Erwerbslosen drohen bei der falschen Angabe Sanktionen. Aber die CDU nimmt es bei sich selbst und bei ihren Buddies eben nicht so genau mit Law and Order. Da kann man tun, was man will – es muss kein Mensch zurücktreten.
Also, Herr Pentz, wenn Sie dazwischenrufen und Beispiele haben wollen: Ich nenne nur Schwarzgeld, Vetternwirtschaft und Schäden in Millionenhöhe. Wenn es um Sie geht und um Ihre Freundinnen und Freunde, ist doch Ihr Motto: legal, illegal, grad egal.