Protocol of the Session on February 21, 2017

obwohl Sie keinen einzigen Vorschlag gemacht haben, wie Sie diese Ausgaben decken wollen. Das ist schon ziemlich abenteuerlich,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nächstes Jahr sind es 10! Das ist ja unfassbar!)

die Finanzpolitik auf dieser Seite des Hauses.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich kann Ihnen das nachher noch aufschlüsseln, Herr Kollege Schäfer-Gümbel.

(Zurufe von der SPD: Jetzt!)

Jetzt noch einmal etwas zu Finanzminister Söder, den Sie ja nicht so gern zitieren wollten. Es gibt in Nordhessen einen alten Spruch: Mit voller Hose lässt es sich gut stinken. – Die haben ausgeglichene Haushalte, sogar Überschüsse.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Herr Kollege Söder uns eine Nullrunde oder 1 % vorwirft, dann sollte er einmal hinschauen: Das hat er 2011 nämlich selbst getan. Da hat er eine Nullrunde veranstaltet. Das Saarland hat 2011, 2012 – –

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen ganz schnell zum Schluss kommen.

Baden-Württemberg: Nullrunde. In Rheinland-Pfalz drüben, das wissen Sie selbst, wurde die 1-%-Regelung, die damals getroffen wurde, hier vom Kollegen – –

Herr Kollege Frömmrich, ich bitte Sie dringlich, zum Schluss zu kommen.

Ich bin sofort am Ende. – Diese 1-%-Regelung war für den Kollegen Rudolph sozusagen ein Beispiel, das er gerne übernommen hätte, wenn Sie mit der CDU in eine Regierung eingetreten wären. Die Fundstelle habe ich hier schon mehrfach erwähnt. Also bitte noch einmal nachdenken, Frau Kollegin Faeser, wie es weitergeht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Kollege Frömmrich. Ihren Satz mit der Hose in Nordhessen lassen wir gerade noch einmal zu, weil wir uns in der Fastnachtswoche befinden, aber sonst hätten wir uns dazu unsere Gedanken gemacht.

(Holger Bellino (CDU): Was könnte man da hineininterpretieren?)

Das Wort hat der Kollege Hermann Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Polizei macht unter erschwerten Bedingungen einen guten Job. Viel zu lange Arbeitszeiten, 3 Millionen Überstunden: In der Tat, Herr Frömmrich, das ist kein Alleinstellungsmerkmal von Hessen, es ist aber doppelt so viel wie im Durchschnitt in anderen Bundesländern. Das habe ich Ihnen ja schon vorgerechnet. Aber da sind Sie offensichtlich beratungsresistent.

Verluste in der Besoldung gab es zumindest in den letzten beiden Jahren, ebenso wie viel zu wenig Personal. Wenn die Polizei unter diesen Rahmenbedingungen erfolgreich ist und 80 % der Menschen in Hessen sich sicher fühlen, dann ist das einzig und allein das Verdienst der Polizei und nicht das der Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die schlechten Bedingungen wurden im Übrigen von den CDU-Ministern mit herbeigeführt. Es war doch deren politische Entscheidung, bei Personal und Besoldung in den zurückliegenden Jahren immer wieder einzusparen und die Arbeitszeit auf 42 Stunden pro Woche zu erhöhen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Deshalb halte ich es für schlechten Stil, dass die CDU die Polizeiarbeit immer und immer wieder für ihre Selbstbeweihräucherung missbraucht. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit will ich ansprechen.

Der Minister trat vor etwa zwei Wochen groß vor die Presse und sprach sehr medienwirksam von einem schweren Schlag gegen ein salafistisches Netzwerk in Hessen. 1.100 Beamtinnen und Beamte seien im Einsatz gewesen. 16 Terrorverdächtige wurden festgenommen. Tatsächlich fanden sich bei 56 Hausdurchsuchungen aber weder Waffen

noch Sprengstoffe; auch Verbindungen zum IS sind bisher nicht bekannt. Es gibt wohl keine Finanzierung, geschweige denn, einen Namen oder eine Beschreibung dieses sogenannten Netzwerks.

Insgesamt gab es bei dieser Großaktion 16 Festnahmen, wovon 15 Personen sofort wieder auf freien Fuß gesetzt werden mussten. Es ist unklar, ob die 16. Person nicht ebenfalls bald wieder auf freien Fuß kommen muss, weil bei uns bis jetzt nichts Gravierendes gegen sie vorliegt. Ebenso zweifelhaft ist, ob der Betreffende an Anschlägen in Tunesien beteiligt war, wie medienwirksam behauptet wurde.

Nun sind wir uns sicher einig, dass man Dschihadisten und militante Islamisten im Auge behalten muss. Wo sich Gefahren ergeben, muss man mit aller Entschlossenheit vorgehen. Aber es muss auch erlaubt sein, zwei Wochen nach dem angeblich großen Schlag einmal zu fragen, ob der mehrwöchige Einsatz von über 100 Polizistinnen und Polizisten und eine Razzia unter Beteiligung von über 1.000 Polizistinnen und Polizisten wirklich so erfolgreich war, wenn man danach de facto mit nahezu leeren Händen dasteht. Diese Frage diskutieren im Übrigen nicht nur wir, sondern auch Polizeibeamtinnen und -beamte intern sehr intensiv.

Herr Minister, da die Polizei ohnehin völlig überlastet ist, frage ich Sie, ob dieser kuriose Schlag nicht eigentlich ein Schlag ins Wasser war und ob es Ihnen nicht vielmehr um ein politisches Signal im Wahljahr ging, für das die Polizei losgeschickt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, wenn das alles nicht zutrifft, dann bitte ich Sie, heute Stellung zu nehmen und uns und der Öffentlichkeit zu sagen, welches Netzwerk und welcher Terrorverdacht da mit dem Großeinsatz tatsächlich bekämpft wurden.

Bei dem zweiten Ereignis geht es um eine Veröffentlichung der „Frankfurter Rundschau“ von heute. Frau Faeser hat es schon angesprochen. Demnach schreibt das Landeskriminalamt derzeit alle pensionierten Polizistinnen und Polizisten in Hessen an. Man will die Pensionierten für 25 € die Stunde anheuern, damit sie beim Rückführungsmanagement – so heißt das im Sprachgebrauch – des Landes Hessen eiligst helfen. Es gebe keine Hinzuverdienstgrenzen zur Pension, steht in dem Schreiben. Auf Deutsch heißt das: Weil Personalmangel bei der Polizei herrscht, werden Pensionierte dringlich aktiviert, um, mit zusätzlichem Geld gelockt, in großem Maß Abschiebungen vorzubereiten oder durchzuführen.

Herr Minister, daraus ergibt sich eine Vielzahl Fragen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns heute dazu mehr als die zwei Sätze erklären würden, die Sie vorhin in Ihre Rede hineingenommen haben. Die Fragen sind: Was ist da an Abschiebungen im großen Stil geplant? Wie soll das organisatorisch durchgeführt werden? Sollen da ausschließlich verurteilte Mehrfachstraftäter abgeschoben werden, wie Sie es vorhin behauptet haben, oder sollen es – wie wir es aufgrund der Abschiebungsaktion am 8. Dezember 2016 nach Afghanistan wissen – überwiegend unbescholtene Flüchtlinge sein? Sollen jetzt vermehrt auch jahrelang Geduldete wieder in Kriegsgebiete zurückgeführt werden?

(Holger Bellino (CDU): Das ist doch die Rede vom Donnerstag und nicht von heute!)

Herr Bellino, ich weiß nicht, was Sie meinen.

(Holger Bellino (CDU): Sie haben das falsche Manuskript! Wir behandeln heute die Polizeistatistik!)

Nein, das machen wir nicht. Sie haben vorhin nicht zugehört, oder Sie haben vorhin zugehört. Das Thema ist die Polizei, nicht die Polizeistatistik. Das haben Sie selbst so gewählt.

Ist damit nicht völlig klar, dass wir für die Polizeiarbeit zu wenige Kräfte haben? Warum brauchen Sie sonst, ähnlich wie bei der Schule, pensionierte Beamte, um in einem solch schwierigen Bereich handlungsfähig zu bleiben? Die Frage stellt sich doch.

Ich frage auch: Was bedeutet eigentlich das neu eingerichtete Rückführungsmanagement bei der Polizei? Können Sie uns das Konzept, das dahinter steckt, bitte erläutern? – Ich frage weiterhin: Wollen Sie in dieser Koalition die Abschiebung von Geduldeten in Kriegsgebiete nun auch noch forcieren? – Ich sage in Richtung der GRÜNEN – da ist allerdings kaum noch jemand da, der das hört, vor allen Dingen ist es auch nicht der zuständige Innenpolitiker – –

(Zuruf)

Na gut, man sieht ihn kaum. – Die Behauptung, es würden nur Straftäter nach Afghanistan abgeschoben, ist nicht wahr. Die GRÜNEN wissen das auch, dass das nicht wahr ist. Es wurden im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die überhaupt nicht nach Afghanistan abschieben, aus Hessen im Dezember 2016 drei junge Menschen abgeschoben, die sich nicht das Geringste haben zuschulden kommen lassen. Das erklären Sie bitte einmal Ihrer Wählerschaft.

Es gibt viele Fragen. Herr Minister, wir warten auf Ihre Antworten. Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, das hier einmal im Zusammenhang zu erklären. Es gäbe jetzt die Gelegenheit während dieser von Ihnen selbst beantragten Diskussion.

Ich will auch bei dieser Debatte nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass es ein schwerer Fehler war, in den letzten zehn Jahren bei der Polizei so zu sparen. Immer wieder haben wir auf die geringen Anwärterzahlen der letzten zehn Jahre hingewiesen. Jedes Jahr haben wir die entsprechenden Haushaltsänderungsanträge gestellt. Das haben wir jedes Jahr gemacht. Herr Bellino, das ist kein Quatsch.

(Holger Bellino (CDU): Ich habe doch gar nichts gesagt!)

Das haben wir getan. Wir haben jedes Jahr mehr Anwärter gefordert.

(Holger Bellino (CDU): Wenn hier einer Quatsch redet, dann steht er am Rednerpult!)

Das wurde von den Koalitionsfraktionen, damals waren es Sie mit der FDP, jetzt sind es Sie mit den GRÜNEN, stets abgelehnt. Ich habe hier schon mehrfach gesagt: Wenn wir, die Mitglieder der LINKEN, schon sagen, es fehlt Polizei, dann stimmt in Hessen doch wirklich etwas nicht.

(Zuruf: Das stimmt!)

Herr Hahn, danke schön. – Jetzt hat die Regierung die Not endlich erkannt. Sie rühmt sich mit den diesjährigen hohen Anwärterzahlen. Aber das kommt doch um Jahre zu spät. Man muss sich doch nicht dafür rühmen, dass man jahrelang zurückhaltend war und jetzt gar nicht mehr anders kann, als deren Zahl zu erhöhen, damit man den Per

sonalstand halten kann, der wichtig ist, um die Sicherheit in Hessen zu gewährleisten.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU: Er war doch noch nie höher!)

Wenn allen klar ist, dass Polizeikräfte fehlen und dass Millionen Überstunden gemacht werden müssen, dann ist es umso verrückter, die vorhandenen Kräfte schlechter als vergleichbare Beamtinnen und Beamte in anderen Bundesländern zu bezahlen. Das ist der Maßstab.