Protocol of the Session on December 14, 2016

(Beifall bei der FDP und der Abg. Dr. Daniela Som- mer (SPD))

Die Herausforderungen, die wir diskutieren, sind wohl unstreitig: die Veränderungen, der demografische Wandel, die Tatsache, dass Menschen Gott sei Dank lange leben – als Verdienst dieser guten Gesundheitspolitik, aber vielleicht auch, weil sie sich gesundheitsbewusster verhalten –, aber natürlich auch, wenn sie nicht mehr aktiv im Erwerbsleben sind, nichts mehr dazu beitragen, dass diese Gesundheitskosten erwirtschaftet werden können. All das zeigt, dass diese Veränderungen auch Veränderungen in dem System nach sich ziehen müssen.

Einmal etwas vorweggegriffen auf das, was uns nächstes Jahr beschäftigen wird: Die Frage, wie wir die Gesundheitsvorsorge organisieren, wird im Bundestagswahlkampf eine entscheidende Rolle spielen. Wird mit einer Bürgerversicherung – an der immer noch der Name das Beste ist, nicht der Inhalt, aber das werden wir im nächsten Jahr streitig diskutieren –

(Beifall bei der FDP)

alles zu vereinheitlichen versucht? Ob wir die Unterschiede auch im positiven Sinne anerkennen und damit die Menschen, die diese Tätigkeit freiberuflich in eigener Verantwortung ausüben und damit sehr viel mehr dazu beitragen, dass es ein aus meiner Sicht wirklich effektives System gibt, oder ob der Weg in eine eher staatliche Struktur eingeschlagen wird: Das wird ein großes Thema werden. Ja, das ist keine konkrete Frage dieser eher technischen Umsetzung, die Gesundheitsminister Grüttner mit diesem Heilberufsgesetz vorlegt, aber sie wird für die Frage der Gesundheitsversorgung der Menschen eine ganz zentrale Rolle spielen.

Ich würde mir wünschen, dass wir das, was wir in Deutschland Gutes haben, ein Stück weit schützen und vor denen verteidigen, die es verändern wollen. Es geht nicht darum, dass wir uns nicht der Zukunft stellen wollen, aber gute Strukturen im Sinne der Patientinnen und Patienten sollte man aus meiner Sicht beibehalten. Deswegen ist der freiberufliche Arzt mit Sicherheit ein Gewinn und kein Verlust für dieses Land. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Von der Fraktion DIE LINKE liegt keine Wortmeldung vor. Herr Staatsminister Grüttner, Sie sprechen für die Landesregierung. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was meine Ausführungen zum Heilberufsgesetz anbelangt, werde ich diese zu Protokoll geben, weil ich dankbar für die breite Zustimmung bin, die dieser Entwurf erfahren hat. Das eröffnet Herrn Lenders die Möglichkeit, schon jetzt seine Wortmeldung für den nächsten Tagesordnungspunkt abzugeben.

Ich will auf zwei Punkte eingehen: einmal zum Exkurs von Frau Dr. Sommer, was die Fragestellung der Bedarfsrichtlinie und des Einsatzes beim GBA anbelangt. Wir haben schon einen ersten Schritt im Bereich der Allgemeinmedizin erreicht, von 26 Planungsbereichen auf 64 zu kommen. Das ist schon einmal ein erster Schritt, um eine stärkere Regionalisierung vorzunehmen. Hier sind wir in Gesprä

chen, eine weitere Kleinräumigkeit durchsetzen zu können und vor allem bei den 26 Bedarfsgebieten im Facharztbereich eine Ausdifferenzierung zu bekommen, weil das, was im allgemeinmedizinischen Bereich beinhaltet ist, auch in manchen Facharztgebieten ein Fall ist. Dabei ist es für uns ein erster Schritt, dass in jeder Gebietskörperschaft auch eine durchgehende fachärztliche Versorgung gewährleistet ist. Wir wissen, dass es einzelne Disziplinen gibt, bei denen es absolut Probleme gibt, beispielsweise im augenärztlichen Bereich: Das ist so ein Punkt, an dem wir entsprechend arbeiten müssen.

Zweiter Punkt. Ja, eine Auseinandersetzung zur Gesundheitspolitik würde in einer ausführlichen Debatte Sinn ergeben.

(Zuruf von der FDP)

Ich glaube nicht, dass dies jetzt der Platz dafür ist, weil ich an dieser Stelle schon darauf hinweisen müsste, was seitens des Landes über die Frage Gesundheitspakt 2.0, über die Fortschreibung der Krankenhausfinanzierung, über die Fragestellung von Gesundheitsnetzen und anderes vorgesehen ist. Ich bin der festen Überzeugung, das lohnt sich in einer vertieften Debatte zu einem anderen Zeitpunkt, aber nicht im Rahmen dieses Tagesordnungspunks.

Wobei ich Herrn Kollegen Rentsch allerdings recht gebe, ist, dass wir weder die Freiberuflichkeit noch das Streiten im wettbewerblichen Sinne um gute Lösungen im Gesundheitswesen infrage stellen – das hat dazu geführt, dass unser Gesundheitswesen tatsächlich eines der besten der Welt ist. Das müssen wir verteidigen.

Zur Unterstützung der Freiberuflichkeit wird in Zukunft auch gehören, dass wir das, was wir unter „Medizin 4.0“ verstehen, und alle Chancen, die uns E-Health bietet, in die Debatte einbeziehen. Denn eines ist relativ klar: Wir können den demografischen Wandel nicht aufhalten. Er macht auch vor Medizinerinnen und Medizinern nicht halt. Insofern müssen wir nach Möglichkeiten suchen, wie wir mit anderen Instrumenten eine flächendeckende gesundheitliche Versorgung im ambulanten und im stationären Bereich auch in Zukunft sicherstellen können. Um den stationären Bereich ist mir dabei nicht so bange wie um den ambulanten Bereich. Deshalb müssen wir dort ansetzen.

Das können wir aber nur gemeinsam mit den entsprechenden Partnern tun. Dafür bedarf es neuer Weiterbildungsverordnungen. Dafür brauchen wir die Landesärztekammer. Dafür brauchen wir aber auch eine Öffnung der Kassenärztlichen Vereinigung dahin gehend, von eingefahrenen Wegen abzukommen und sich neuen Entwicklungen zu öffnen. Wir stehen in Gesprächen mit diesen Partnern. Es macht sicherlich Sinn, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Ich bin jederzeit dazu bereit.

Meine Rede zum Heilberufsgesetz gebe ich zu Protokoll.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – siehe Anlage)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Ich lasse über den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes,

Drucks. 19/4136 zu Drucks. 19/3742, abstimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Gesetzentwurf der Landesregierung in zweiter Lesung angenommen und zum Gesetz erhoben worden. Vielen Dank.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gaststättengesetzes und der Hessischen Bauordnung – Drucks. 19/4241 zu Drucks. 19/3739 –

Berichterstatterin ist Frau Abg. Wolff. Bitte schön, Frau Kollegin Wolff, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung lautet: Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und GRÜNEN gegen die Stimmen von SPD und FDP bei Enthaltung der LINKEN, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrag Drucks. 19/4233 in zweiter Lesung anzunehmen.

Vielen Dank, Frau Kollegin Wolff. – Sie haben die erste Wortmeldung abgegeben. Sie haben auch gleich die Möglichkeit, zu sprechen. Die vereinbarte Redezeit beträgt siebeneinhalb Minuten. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Themen kurz in umgekehrter Reihenfolge behandeln. Zunächst zu dem, was in der öffentlichen Wahrnehmung im Grunde unterschlagen worden ist, nämlich zum ordnungsrechtlichen Teil dieses Gesetzentwurfs, über den wir heute beschließen wollen.

Ich glaube, dass die Bestimmung, dass als Bestandteil der Anzeige einer neuen Gaststätte die Betriebsart mitzuteilen ist, ein wichtiger Faktor ist. Ich glaube auch, dass die Regelung, dass bereits innerhalb von sechs Wochen nach der Anzeige der Betrieb aufgenommen werden kann, wenn sich der Betriebsinhaber bisher als zuverlässig erwiesen hat, regional nicht unterschiedlich gehandhabt werden sollte, sondern eine einheitliche Grundlage für das Land Hessen notwendig ist.

Noch wichtiger ist der ordnungsrechtliche Regelungsgehalt aber insofern, als das geänderte Gesetz bestimmen wird, dass ein Untersagungsverfahren auch dann fortgesetzt werden kann oder fortgesetzt wird, wenn der Betriebsinhaber den Betrieb geschlossen hat. Meine Damen und Herren, an der Stelle darf es keine Ausweichbewegungen geben, z. B. in der Form, einen Betrieb in dem Augenblick zu schließen, in dem ein Untersagungsverfahren beginnt, und ihn nach kurzer Zeit wieder zu eröffnen, sei es an einem anderen Ort oder sei es mit einer anderen Person an der Spitze des Betriebes. Das muss verhindert werden.

Es muss zweitens verhindert werden, dass nach einer Untersagung – was ein nicht ganz unwesentlicher Sachverhalt ist, dazu bedarf es schon einiger Voraussetzungen – der Betrieb in einer Frist von unter einem Jahr wieder eröffnet werden kann. Das darf nur in Ausnahmefällen geschehen, wenn die Zuverlässigkeit eines Betreibers neu bewiesen worden ist. Ansonsten muss bei einem so schwerwiegenden Vorfall gelten: Ein Jahr heißt ein Jahr.

Meine Damen und Herren, ich denke, das ist eine gewichtige Maßnahme des Verbraucherschutzes und für die Sicherheit des Bürgers. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern signalisieren, dass das geltende Recht wirklich durchgesetzt wird. Gerade in diesem sensiblen Bereich haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf.

Die zweite Regelung ist öffentlich sehr viel mehr diskutiert worden, nämlich die Frage, wann das Vorhalten von Toiletten vorgeschrieben ist. Wir bleiben auch nach der Anhörung bei der moderaten, differenzierten Änderung entsprechend den Rückmeldungen, die wir bei der Evaluation erhalten haben. Wir sehen keinen Anlass, über die Rückmeldungen aus der Evaluation hinauszugehen, und werden den Gesetzentwurf an dieser Stelle nicht ändern.

Eine einzige Ausnahme haben wir durch einen Änderungsantrag in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Wir sind auf Einkaufszentren hingewiesen worden, in denen mehrere Restaurants ihre Pforten in unmittelbarer Nähe zueinander öffnen. Dort wird es nicht unbedingt erforderlich sein, dass jedes einzelne Restaurant eine Toiletteneinrichtung vorhält, sondern es kann einfachere gemeinsame Lösungen geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, nach der Anhörung, die wir im Ausschuss gemeinsam durchgeführt haben, legen wir einen ausgewogenen, pragmatischen Gesetzentwurf vor, dem wir mit Freude in zweiter Lesung zustimmen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wolff. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Lenders von der FDP-Fraktion. Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schön, dass uns Herr Staatsminister Grüttner noch ein bisschen Zeit für das Wildpinkeln lässt – zumindest dass wir darüber debattieren können.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, das Wildpinkeln war in der Tat die große Schlagzeile. Die haben nicht wir als Opposition geliefert, sondern die hat Herr Staatsminister Al-Wazir medial verkündet, als er sagte, den Wildpinklern werde jetzt der Kampf angesagt.

Frau Wolff, das, was Sie am Anfang Ihrer Rede gesagt haben, ist als Problem kaum beschrieben worden und war auch fast nicht Bestandteil der Anhörung.

Was aber in der Anhörung deutlich wurde: Das alte Gesetz wurde gelobt. Auch der Hessische Städte- und Gemeinde

bund fand lobende Worte. Zitat: „Das Hessische Gaststättengesetz hat sich bewährt.“

(Beifall bei der FDP)

Viele Probleme, die die GRÜNEN bei der Verabschiedung des alten Gesetzes gesehen haben, was Hygienevorschriften und den Verbraucherschutz anbelangt, sind überhaupt nicht aufgetreten und wurden auch in der Anhörung nicht bestätigt. Ich glaube, dass wir mit dem alten Gesetz eine sehr gute Grundlage hatten.

Meine Damen und Herren, vom Hessischen Städtetag sind aber andere Anregungen gekommen, die weit über das hinausgehen, was im Gesetzentwurf an Regelungsbedarf dargestellt wird, beispielsweise die Forderung, auch für Bäcker und Metzger mit Getränkeausschank generell eine Toilettenpflicht einzuführen. Es gab sogar die Forderung nach Prüfung der CO2-Emissionen von Shisha-Gaststätten. Ich bin froh, dass die Fraktionen dem nicht gefolgt sind.

Die Toilettenpflicht stand in der Tat im Mittelpunkt der Debatte. Die Kernfrage war: Wo darf der Gast, der Kunde eine Toilette erwarten? Ich finde es ein bisschen schade, dass die Frage der Barrierearmut bei Gaststätten fachlich weniger intensiv aufgegriffen worden ist und dass man relativ schnell über das Thema hinwegging. Im Grunde wurde aber klargemacht, dass zumindest das Problem des Wildpinkelns weder mit dem Hessischen Gaststättengesetz noch mit der Bauordnung in den Griff zu bekommen ist. Deswegen haben sich auch die Anzuhörenden damit kaum befasst.

(Beifall bei der FDP)

Man dürfte aber schon einmal fragen, warum ausgerechnet die Vertreter der kommunalen Familie weitere Verschärfungen gefordert haben. Ich habe Ihnen damals gesagt: Wenn man das Problem ernsthaft angehen will, dann müsste man intensiver über öffentliche Toiletten nachdenken – über öffentliche, kostenlose Toiletten, wie sie z. B. in den Niederlanden überall zur Verfügung stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Dass ausgerechnet die Vertreter der kommunalen Familie, die aus Kostengründen öffentliche Toiletten der Reihe nach schließen lassen, jetzt sagen, die Gewerbetreibenden müssten dann dafür sorgen, das ist ein bisschen wie ein Stück aus dem Tollhaus.