Protocol of the Session on November 24, 2016

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Eine freie und offene Gesellschaft braucht in der Tat einen offenen Meinungsaustausch. Sie braucht Streit. Sie braucht das Ringen um Thesen. Sie braucht das Ringen um die richtigen Wege. Es gehört auch dazu, dass dieser Streit manchmal heftig wird. Das Beispiel der vorherigen Debatte ist durchaus ein treffendes. Aber umso mehr muss diese freie Meinungsäußerung vor Hass und Gewalt geschützt werden, ebenso wie vor Fake-News. Das sage ich auch.

Sonst wird die Gefahr außerordentlich groß – und das ist eine sehr ernsthafte gesellschaftliche Gefahr, die ich sehe und auch benennen will –, dass die Gruppe derer, die sich in unserer Gesellschaft engagieren, kleiner wird. Dann werden die Ehrenamtlichen in unserer Gesellschaft weniger, weil sie nicht bereit sind, sich solchen Hasstiraden auszusetzen. Dann werden die Gestaltungsmöglichkeiten der Hauptamtlichen in unserer Gesellschaft, die versuchen, sie weiterzuentwickeln, schlechter. Dieses Risiko muss uns allen bewusst sein. Auch das muss uns Anreiz geben, entsprechend härter zuzugreifen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, es gibt Punkte, die wir zusammen angehen müssen. Das beginnt z. B. damit, dass das Thema Anonymität und Klarname auf der Tagesordnung bleiben muss. Das heißt nicht, dass der Klarname zur Vorschrift wird. Das wird juristisch kaum möglich sein. Aber ich glaube, dass es möglich ist und zum Teil auch schon praktiziert wird, dass Medien mit dem Thema Klarnamen in Kommentarspalten anders umgehen als in den Anfängen der Auseinandersetzung.

Zum Zweiten. Natürlich gilt das Strafrecht offline wie online. Darauf ist schon hingewiesen worden. Die gleichen Tatbestände sind strafbar, und das Strafmaß ist klar bestimmt. Es muss auch durchsetzbar werden, wo es das noch nicht ist. Dort, wo die Durchsetzbarkeit noch nicht gegeben ist und wo die Ermittlungstätigkeiten behindert sind, müssen wir in der Tat – und das hat die Justizministerkonferenz getan – zu neuen Wegen kommen. Dort muss nachgesteuert werden. Ich denke, dass die Ministerin auch dazu noch etwas sagt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will auch einen scheinbar kleineren Punkt ansprechen. Ich glaube, dass es richtig ist, dass Unternehmen wie z. B. die Deutsche Welle, von der es bekannt geworden ist, oder die Firma Hermes auch konsequent Menschen kündigen, wenn sie durch menschenverachtende Hass-Posts bekannt geworden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist richtig so. Es ist auch richtig, Menschen zu unterstützen, wenn sie Opfer von Hass-Posts sind, dass sie diese auch anzeigen und dass sie Anzeige erstatten. Wir müssen Menschen auch ermutigen, dass sie dies tun. Es zeigt mittlerweile auch, dass die ersten Privaten, die dementsprechend belangt worden sind, mit Bußgeldern in vierstelliger Höhe rechnen mussten. Und das ist auch richtig so.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich brauchen – auch das ist angesprochen worden – Social Media wie Facebook klare Rahmenbedingungen. Sie brauchen einen realen Ansprechpartner in jedem Land, in dem agiert wird. Sie brauchen die Übernahme von Verantwortung. Wenn man sich die Bilder dieser Tage betrachtet und sieht, dass Herr Zuckerberg beim Papst gewesen ist, dass im Internet Facebook-Anzeigen mit den Hinweisen und Ratschlägen gemacht werden, wie Individuen wie Sie und ich Facebook-Posts löschen können, dann muss es doch möglich sein, dass eine Firma wie Facebook auch binnen einer akzeptablen Frist Posts aus ihrem Netz löscht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Auf der anderen Seite muss sie – auch das muss verlangt werden – Beweisstücke dort sichern, wo Anzeigen erfolgt sind. Auch das muss gewährleistet sein. Aber ich will nicht nur bei Facebook, Youtube, Twitter und anderen bleiben, sondern ich sage auch: Zeitungen mit ihren Onlineauftritten wie z. B. „Focus Online“ muss man, so glaube ich, hier nennen. Auch sie haben Verantwortung für ihre Kommentarseiten und müssen diese Verantwortung endlich redaktionell wahrnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir brauchen in unserem Land die Achtung vor der Würde der Person. Wir brauchen in unserem Land die Achtung vor der persönlichen Ehre. Wir brauchen in unserem Land auch Raum für Empathie. Wir brauchen in unserem Land Respekt voreinander, vor dem, was andere tun. Wir brauchen einen sozialen Grundanstand in unserem Land, und wir brauchen ein Ringen um die wirklichen Dinge, die zum Wohl des Landes, zum Wohl der Menschen und zum Wohl

Europas angepackt werden müssen. Wir brauchen Respekt, wir brauchen die Würde der Person, wir brauchen die Ehre, und wir brauchen deren Schutz im Netz. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Rentsch, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will das aufnehmen, was Kollege Frömmrich, aber auch Frau Hofmann und Frau Wolff gesagt haben. Ich glaube, wir sind uns bei der – ich will es einmal so formulieren – Verrohung der Sitten einig, dass es nicht akzeptabel ist, was wir dort erleben, und dass die Anonymität des Internets anscheinend dieser Struktur Vorschub leistet.

Ich glaube nicht, dass es früher Menschen mit diesen Positionen nicht gab – die gab es wahrscheinlich seit Gründung des Landes –, sondern sie haben jetzt durch das Internet einen Nährboden von Menschen, die ihnen zustimmen und recht geben. Das war früher nicht möglich, wenn man irgendwo – sagen wir einmal – in Mittelhessen gewohnt und eine Meinung gehabt hat, die in dem Ort von 2.000 Einwohnern keiner geteilt hat.

(René Rock (FDP): Ja!)

Dann ist das etwas anderes, als wenn ich mich heute mit Millionen von Usern umgebe. Da werden Sie immer einen finden, der sagt: „Endlich sagt es mal einer“. Das hat natürlich auch eine Duplizierungswirkung, die massive Auswirkungen im Internet hat. Ich finde – da bin ich bei Ihnen –, dass der fehlende Respekt, den wir in vielen Diskussionen haben, inakzeptabel ist.

Ich könnte jetzt aus eigener Erfahrung von Infrastrukturvorhaben sprechen: Wenn man sich mit Gegnern von solchen Infrastrukturvorhaben auseinandersetzt, hat man schon das Gefühl, dass nicht immer die sachliche Auseinandersetzung im Mittelpunkt steht.

(René Rock (FDP): Flughafen!)

Aber klar: Da gibt es auch Tausende andere Beispiele. Davon unterscheidet sich das, was gerade von den Leserbriefen in der Zeitung erwähnt worden ist, dadurch, dass die Zeitungsleserbriefschreiber in der Regel sehr viel mehr Respekt an den Tag legen, als wir das zum Teil im Internet erleben.

Trotzdem bewegen wir uns in einem spannenden Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Straftatbeständen wie Beleidigung oder Verleumdung. Frau Kollegin Hofmann – das will ich an der Stelle schon sagen –, da bin ich nicht immer nur begeistert, wenn ich bei diesem Spannungsfeld von Herrn Maas lese; denn er ist erstens nicht der Medienminister in Deutschland. Medien sind Länderkompetenz – aus der Erfahrung der Gründung der Bundesrepublik, dass es nie wieder eine zentrale Kompetenz in diesem Bereich geben soll.

Zum Zweiten. Wir sollten uns davor hüten, den Eindruck zu vermitteln, es gäbe, um dieses gesellschaftspolitische Problem zu lösen, einfache Ansätze, wie sie z. B. von

Herrn Maas, aber auch von Frau Ministerin Kühne-Hörmann – das sage ich gleich noch – in die Diskussion gebracht werden, die zum Teil überhaupt nicht durchsetzbar sind, aber den Eindruck erwecken, man hätte ein Instrument gefunden.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt einen spannenenden Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – den empfehle ich sehr – vom 23.11. im Wirtschaftsteil mit der Überschrift „Die Facebook-Erzieher“. Dort wird die Situation diskutiert, die der Justizminister beschreibt, und auch ein bisschen auf das eingegangen, was wir zurzeit als Rechtsstruktur in Deutschland haben.

Frau Kollegin Hofmann, da bin ich anderer Auffassung: Wenn man sich die letzten öffentlichen Untersuchungen darüber anschaut, dass z. B. diese Hassreden auf Facebook, die dann gemeldet worden sind, zu über 90 % auch wieder entfernt worden sind, glaube ich schon, dass das ein Instrument ist, das auf jeden Fall nicht völlig folgenlos bleibt – Gott sei Dank.

Deshalb ist das, was wir im StGB kodifiziert haben, häufig eine ganz gute Waffe, die vielleicht aufgrund der Struktur heute nicht mehr so zeitgemäß ist, weil sich die Geschwindigkeit durch die Digitalisierung extrem erhöht hat. Aber sie ist kein stumpfes Schwert, sondern sie ist an vielen Stellen ein scharfes Schwert.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin ausdrücklich nicht der Auffassung, aber das schreibt der Autor sehr schön, und das nimmt der „FAZ“-Artikel schön auf: Bei der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem, was nicht mehr Meinungsfreiheit ist, ist es eben so – auch wenn uns das nicht gefällt –, dass z. B ein flüchtlingsfeindlicher Kommentar, wie etwa: „Ausländer raus“ – so unerträglich er sein mag und ist –, von der Meinungsfreiheit in unserem Land gedeckt ist. Diese Diskussion müssen wir führen.

Die Frage ist doch, was jetzt passiert, wenn wir den Eindruck vermitteln, wir wollen das alles quasi negieren. Ich sage gleich noch etwas dazu, was ich zum Thema Anonymität versus Identität meine. Es wird diese Meinung trotzdem geben, und ich glaube, wir müssen vorher ansetzen. Das, was wir hier diskutieren, ist nur das Ergebnis von Meinungsbildung.

Ich glaube, wir müssen vorne ansetzen, bei dem Punkt, bei dem es darum geht, Argumente zu finden, dass diese Meinungsbildung so nicht stattfindet. Das wird uns nicht in jedem Einzelfall gelingen – mit Sicherheit nicht. Aber hinten zu regulieren – was übrigens aus meiner Sicht rechtlich so jedenfalls nicht möglich ist –, ist sicherlich nicht der richtige Ansatz.

(Beifall bei der FDP)

Zum Thema Anonymität. Da bin ich sehr bei Kollegin Wolff, und das ist, glaube ich, ein sehr schwieriges Thema. Dazu werden wir wahrscheinlich auch keine gemeinsame Position finden. Das ist ein ganz zentraler Punkt, und das ist übrigens auch der Unterschied, den ich zu den Leserbriefen sehe, die wir in der Zeitung haben: Die Anonymität ist anscheinend häufig der Grund – ich sage es einmal sehr hart –, warum Leute dann im Internet „die Sau rauslassen“.

Ich finde es teilweise wirklich erschreckend, mit welcher Art und Weise und mit welcher Verachtung – da passt das

Wort „Hass“ – dort über Menschen, egal aus welchen gesellschaftlichen Gruppen, geschrieben wird. Da braucht man gar nicht mehr von Respekt zu reden, sondern das ist eine Verachtung, die mir wirklich Sorgen macht, weil sie Rückschlüsse auf eine Gesellschaft zulässt, die ich in der Regel nicht so erlebe. Aber es muss sie ja geben; denn ansonsten würde es diese Kommentare nicht geben.

Deshalb, glaube ich, ist die Thematik „Anonymität versus Identität“ eine sehr spannende Diskussion, auch rechtlich nicht leicht umzusetzen; denn ich glaube schon, jeder muss im Rahmen der Meinungsfreiheit seine Meinung haben dürfen, aber er muss auch zu dieser Meinung stehen, mit dem, wie er heißt und was er darstellt, anstatt sich hinter einem Pseudonym zu verstecken. Es gibt eine ganz andere Diskussionskultur. Ich glaube, diese Identität führt wieder zu einer anderen Art des Umgangs, als wir sie in der Anonymität zum Teil haben.

Zu dem, was Frau Ministerin Kühne-Hörmann in dem Wettbewerb mit Herrn Maas „Wer hats erfunden?“ vorschlägt, um sofort dem Problem entgegenzutreten. Frau Ministerin, ich habe mir einmal den Beschluss der Justizministerkonferenz angeschaut, der ja nicht sehr aussagekräftig ist, wenn wir ehrlich sind. Ich finde es grundsätzlich richtig, dass sich die Ministerin damit beschäftigt. Ich halte es auch für richtig, dass Sie in diesem Bereich Aktivitäten entfalten. Trotzdem ist die Frage, ob die Schaffung eines neuen Ordnungswidrigkeitstatbestandes überhaupt geeignet ist, um des Problems Herr zu werden.

Dazu sagt der „FAZ“-Artikel ein bisschen etwas bei der Frage, ob überhaupt Regulierung von internationalen Unternehmen möglich ist. Jetzt sage ich Ihnen offen, zu welchem Ergebnis er kommt, falls Sie es noch nicht gelesen haben: Facebook und Twitter – oder wen auch immer – im Silicon Valley mit einem deutschen Ordnungswidrigkeitstatbestand zu regulieren oder damit zu drohen, ist ein ziemlich stumpfes Schwert.

(Beifall bei der FDP)

Es mag zwar in der „Bild“-Zeitung zuerst einmal einen guten Aufschlag bekommen haben – den haben Sie bekommen. Aber ehrlicherweise – ich glaube, so juristisch kundig sind Sie – wissen auch Sie, dass das die Kollegen von Facebook und Twitter relativ wenig stören wird, weil die Unternehmen, wo auch diese Posts landen, keinen Rechtssitz in Deutschland haben. Diese Frage ist dann ernsthaft zu diskutieren: Was kommt dort hinten raus? – Da, glaube ich, kommt mit Ihrer Maßnahme – es fehlt schon an der Geeignetheit des Instruments – relativ wenig raus.

Man kann das alles machen. Man kann das natürlich auch als große Variante vorsehen. Sie werden uns sicherlich gleich juristisch noch einmal erklären, wie die Durchsetzung dieser Plattform in den USA möglich ist. Das finde ich sehr spannend; ich glaube, das ist eine ganz zentrale Frage.

Meine Damen und Herren, ansonsten sind wir bei der Problembeschreibung nicht unterschiedlicher Auffassung. Ich glaube aber, diese ganze Problematik wird leider nicht so leicht zu lösen sein, dass wir sie in zehn Minuten strukturell verändern, sondern im Gegenteil: Es ist eine gesamtgesellschaftspolitische Aufgabe, eine Debatte zu führen, wie wir miteinander umgehen. Da sind wir sicherlich gute Vorbilder in diesem Parlament, angesichts dessen, wie wir heute diskutiert haben: hart in der Sache, fair im Ton. Ich glaube, so muss das sein.

Das sollte auch das Vorbild für die öffentliche Diskussion sein. Ich persönlich darf es für mich sagen: Ich würde mir statt Anonymität mehr Identität im Internet wünschen. Ich glaube, das würde eine andere Struktur der Debatte hervorrufen, die wir dringend brauchen, wenn es um den Umgang mit Menschen und um die Achtung vor anderen Meinungen geht. Darum muss es zum Schluss gehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Schaus für die Fraktion DIE LINKE.