Protocol of the Session on November 24, 2016

Das liegt zwar ein paar Tage zurück, aber das macht deutlich, wie unterschiedlich die Beurteilungen von Ryanair sind. Wir wollen uns aus der Diskussion heraushalten. Wir halten fest, dass wir die Bedingungen, zu denen Ryanair sein Personal beschäftigt, ganz und gar nicht gut finden, ganz im Gegenteil.

(Zuruf von der SPD)

Wir konstatieren aber auch, dass sie eine Zulassung haben und deshalb an jeden dieser Flughäfen Anträge stellen können. Es ist legitim, dass Fraport sich im Sinne seiner Wettbewerbsfähigkeit mit Ryanair diesem Markt der Low-CostCarrier öffnet. Im Übrigen steht das auch Lufthansa offen. Lufthansa hat eine eigene Low-Cost-Linie, die leider nicht von Frankfurt aus fliegt. Aus Sicht der Nutzer und der Kunden können wir die Möglichkeit, in Zukunft sicher das eine oder andere Angebot ab Frankfurt zu günstigen Flugpreisen zu bekommen und andere Ziele ansteuern zu können, auch nur begrüßen.

In diesem Sinne hoffen wir, dass die Entscheidung ein weiterer Beitrag zu Wachstum und Sicherheit für den Frankfurter Flughafen ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Wachstum! Hört, hört!)

Ja, Wachstum. Das sage ich ganz deutlich. Wir haben den Wachstumspfad zugelassen, auch mit dem Planfeststellungsbeschluss.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Er wird nicht in der Menge limitiert, sondern er wird im Lärm limitiert.

(Günter Rudolph (SPD): Zu kompliziert, mein Lieber!)

Von daher bedeutet das auch Wachstum am Frankfurter Flughafen.

Ich will aber auch einen zweiten Punkt ansprechen, der uns am Herzen liegt. An dieser Stelle möchte ich einen Appell an Fraport und auch Lufthansa richten. Ich habe das bereits gesagt. Wir haben ein großes Interesse daran, dass dieser Flughafen wettbewerbsfähig bleibt. Wir haben aber ein genauso großes Interesse daran, dass Lufthansa weiterhin ihre Homebase in Frankfurt hat. Deshalb muss es eine gute Verbindung und eine gute Kommunikation zwischen Fraport und Lufthansa geben. Dieser Appell richtet sich an beide, wieder im Konsens und konstruktiv an den Verhandlungstisch zurückzukehren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Kasseckert. – Das Wort hat Frau Abg. Janine Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Frankfurter Flughafen wurde in den letzten Jahrzehnten immer weiter auf Kosten der Menschen in der Region ausgebaut. Mehr Lärm und mehr Schadstoffe gefährden die Gesundheit und die Lebensqualität vieler Menschen im Rhein-Main-Gebiet. Die Eröffnung der Landebahn Nordwest, der Bau des dritten Terminals – all das wurde seitens des Unternehmens und auch seitens der Ausbauparteien immer wieder mit einem angeblichen Kapazitätsengpass begründet, untermauert mit fragwürdigen Prognosen, die sich allesamt nicht bewahrheitet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Immer wieder wurde hier im Haus jeder Ausbau des Frankfurter Flughafens mit den dadurch angeblich entstehenden Arbeitsplätzen begründet. Jetzt stellt sich heraus: Es gibt gar keinen Kapazitätsengpass, und die unnötig geschaffenen Kapazitäten des Flughafens sollen nun dadurch aufgefüllt werden, dass ausgerechnet Ryanair der rote Teppich ausgerollt wird, also einer Airline, die wohl zu den schlimmsten Arbeitgebern der Branche gehört. Das führt die ganze Argumentation für den Ausbau vollkommen ad absurdum.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Schon seit Längerem ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen Firmen aus dem Ryanair-Geflecht wegen Steuerhinterziehung und Sozialbetrugs mittels Briefkastenfirmen und scheinselbstständiger Piloten in Millionenhöhe. Der Spitzenverband der Krankenkassen fordert Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen. Die Verbrau

cherzentralen mahnen die Airline regelmäßig ab. Diverse Flughäfen haben in den letzten zehn Jahren öffentlich gemacht, dass sie sich von Ryanair erpresst fühlen. Das war z. B. so im französischen Pau, in Münster-Osnabrück, aber auch in Hahn.

Es glaubt doch niemand, dass Ryanair anstandslos den regulären Preis zahlen wird, wenn die geplanten Subventionen erst einmal auslaufen. Eher ziehen sie ihre Flugzeuge wieder ab und suchen sich neue Schnäppchen. Ryanair macht hier ein Geschäftsmodell daraus, Beschäftigte einzuschüchtern, Geschäftspartner zu erpressen, Staaten um Steuern zu prellen und die Kunden bei Problemen im Regen stehen zu lassen.

Aber das voraussichtliche Ende der subventionierten Regionalflughäfen in Europa ist auch das Ende des bisherigen Geschäftsmodells von Ryanair. Das bisherige Geschäftsmodell war, sich das Landen in der Provinz aus Staatskassen vergolden zu lassen. Jetzt klopfen sie eben bei den Größeren an. Ich finde, hier sollte der Frankfurter Flughafen eigentlich sagen: Euch wollen wir nicht, euch brauchen wir nicht, und eine Extrawurst bekommt ihr hier erst recht nicht.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Wir sind der Meinung, dass ein Unternehmen, das sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befindet, auf gar keinen Fall ein Unternehmen auch noch hofieren darf, das auf Sozial- und Lohndumping setzt.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Aber leider ist das Gegenteil der Fall. Ryanair werden durch die Fraport sogar schnellere Abläufe am Boden zugesagt, was am Ende wahrscheinlich auch wieder auf den Schultern der Beschäftigten durch höheren Druck abgeladen wird. Und natürlich – das ist von Herrn Kasseckert angesprochen worden – heißt das Problem nicht nur Ryanair. Diese Praktiken der Billig-Airlines lösen natürlich einen Abwärtssog insgesamt bei den Arbeitsbedingungen bei den Fluglinien aus. Das sieht man leider auch bei der Lufthansa. Die Beschäftigten dort streiken in dieser Woche ja nicht zum Spaß. Diese Woche riefen sowohl ver.di als auch die Vereinigung Cockpit zu Streiks bei Lufthansa und Eurowings auf.

Genau diese Billigtochter Eurowings ist auch eine Reaktion auf den Druck durch die Billig-Airlines. Alle Lufthansa-Verbindungen, die nicht als Zubringer zu den lukrativen Langstreckenflügen dienen, sollen bzw. sind schon zu Eurowings übergegangen.

Frau Kollegin Wissler, der Kollege Caspar möchte Ihnen brennend gern eine Frage stellen. Was sagen Sie dazu?

Ich würde gern die Ausführungen zu Ende bringen. Wenn am Ende noch Zeit ist, dann gerne, Herr Caspar. Dann schauen wir. Wenn nicht, sind Sie herzlich zu einer Kurzintervention eingeladen.

Alle Lufthansa-Verbindungen, die nicht als Zubringer zu den lukrativen Langstreckenflügen dienen, sind schon zu

Eurowings übergegangen. Mit dem Lufthansa-Kranich verschwanden auch die bisherigen Jobs mit ihren bisherigen Tarifverträgen. Mittlerweile geht die Lufthansa noch weiter. Natürlich ist es eine Gefahr, dass Eurowings immer weiter zu einem echten Billigflieger umgestrickt wird. Das drückt die Kosten, und man arbeitet an einem FranchiseModell mit Subunternehmen aus ganz Europa.

Lufthansa ist also selbst auch ein Teil dieser höchst problematischen Entwicklung. Dieser Entwicklung darf nicht Vorschub geleistet werden, indem der Dumpingkonkurrenz hier am Frankfurter Flughafen auch noch Rabatte gewährt werden.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Hessen sollte ein Zeichen setzen, und Hessen sollte sich schützend an die Seite der Beschäftigen stellen und sagen: Wir wollen kein Steuer- und Sozialdumping, sondern wir wollen, dass man in diesem Land mit guter Arbeit auch gutes Geld verdient.

Minister Al-Wazir wird vielleicht gleich sagen – das hat er im Ausschuss gemacht –, dass es keinen Rabatt nur für Billigflieger gibt, sondern für alle Airlines geben soll, die neue Strecken anbieten. Das mag sein, aber das macht das kaum besser. Denn ich frage Sie: Warum soll man denn überhaupt neue Flüge subventionieren? Gäbe es einen Bedarf an diesen Verbindungen, dann würden sie sich selbst tragen. Dann bräuchte man auch keine Subventionen. Ryanair soll jetzt z. B. einen Nachlass von 50 % auf ihre Landegebühren erhalten. Warum? Warum brauchen wir noch einen weiteren Flug nach Palma de Mallorca, wohin schon fünf andere Airlines fliegen? Warum ist das eine Bereicherung für die Menschen in Hessen? Das frage ich Sie.

Das Gegenteil ist doch der Fall: Jeder weitere Flug ist eine Belastung der Menschen in der Rhein-Main-Region, in den verlärmten Einflugschneisen, die unter Lärm und Schadstoffen leiden, sowie für Umwelt und Klima.

Das, was Fraport „freie Kapazitäten“ nennt – in der Logik sind das „fehlende“ Flüge –, ist doch immer noch ein kleiner Gewinn an Lebensqualität für die Menschen in der Region, weil jede freie Kapazität ein Flieger ist, der nicht abhebt und der dementsprechend auch keinen Lärm macht.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Noch mehr Flugbewegungen bedeuten noch mehr Belastung für die Menschen. Deswegen sagen wir ganz klar: Meine Damen und Herren, mehr Flugverkehr als Selbstzweck verdient keine Subventionen. Das sagen nicht nur wir. Das sagt auch – darauf wurde schon hingewiesen – die Stadtverordnetenversammlung in Offenbach. In der „Frankfurter Rundschau“ war ein Artikel darüber, wo nachzulesen ist, dass die Stadtverordneten in Offenbach Rabatte für Billigflieger einmütig ablehnen:

(Zuruf des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Die Absicht der Fraport, Billigflieger wie Ryanair mit Rabatten an Deutschlands größten Flughafen in Frankfurt zu locken, stößt in Offenbach auf harschen Protest. Die Stadtverordneten stimmten am Donnerstagabend einmütig einem Dringlichkeitsantrag der SPD zu. Darin werden die geplanten Gebührenrabatte abgelehnt, weil sich dadurch der Fluglärm weiter erhöhe.

(Norbert Schmitt (SPD): Wo kommt denn eigentlich der Al-Wazir her?)

Verkehrsminister Tarek Al-Wazir wird aufgefordert, die von Fraport präferierte neue Gebührenordnung für Start- und Landeentgelte nicht zu genehmigen.

Ich finde, ein sehr kluger Beschluss der Stadtverordnetenversammlung in Offenbach.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos) – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich will noch sagen, was „einmütig“ in dem Fall bedeutet: Das bedeutet, dass die CDU dem zugestimmt hat; die FDP hat dem zugestimmt, die GRÜNEN haben dem zugestimmt, die SPD hat den Antrag eingebracht, die haben natürlich sowieso zugestimmt.

(Zurufe von der SPD)

Herr Minister, das ist Offenbach, das ist Ihr Wahlkreis, das ist Ihre Heimatstadt. Also, ich würde Sie doch auffordern: Nehmen Sie diesen Beschluss der Offenbacher Stadtverordnetenversammlung sehr ernst, und genehmigen Sie diese Gebührenordnung nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraport sind die freien Kapazitäten in ihrem Fall einfach nur ein nicht realisierter Gewinn. Wenn es um Geld geht, sind ihr die Menschen in der Region leider herzlich egal.

Als mehrheitlich öffentliches Unternehmen sollte es eigentlich das Interesse des Flughafenbetreibers sein, ein sinnvolles Verkehrsangebot für die Region sicherzustellen und gleichzeitig die Belastung für Menschen und Umwelt so gering wie irgend möglich zu halten.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))