Protocol of the Session on November 24, 2016

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Denkmalschutzgesetz (HDSchG) – Drucks. 19/ 4096 zu Drucks. 19/3570 –

Das Wort hat Herr Abg. Hofmeister, zunächst als Berichterstatter.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen die Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst vom 17. November dieses Jahres vortragen:

Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP bei Enthaltung der LINKEN, den Gesetzentwurf Drucks. 19/3570 unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucks. 19/ 4090 in zweiter Lesung anzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort in der Aussprache hat Herr Kollege Hofmeister für die CDU-Fraktion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Kultur schafft Identität und prägt das Bewusstsein der Menschen. Zur Kultur gehört auch das geschichtliche Erbe der Jahrhunderte in unterschiedlichster Form. Daher nimmt das seit 1986 bestehende Denkmalschutzgesetz in Hessen zu Recht eine wichtige Rolle ein, und es hat sich in dieser Zeit bewährt. Aber natürlich entwickeln sich über drei Jahrzehnte hinweg neue Herausforderungen und neue Sichtweisen.

Die besondere Herausforderung bei einem bestehenden und anerkanntermaßen guten Gesetz – Herr Viebrock vom Landesamt für Denkmalpflege ist auf der Tribüne – ist es, bei der Überarbeitung den verlässlichen und berechenbaren Rahmen für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie die Institutionen zu erhalten und in den notwendigen Abschnitten sinnvoll weiterzuentwickeln. Ich darf an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen für die sachlichen und unaufgeregten Beratungen im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst herzlich danken.

Ich will es an dieser Stelle deutlich herausstellen: Der Auftrag der Denkmalpflege ist keineswegs einfach. Er lautet, kurz gefasst, Kulturgut zu bewahren und Kulturgut erlebbar und nutzbar zu machen oder zu erhalten. Dafür braucht es einen sachlichen und zielorientierten Umgang mit Eigentümern, privaten Investoren, kommunalen Trägern sowie die Pflege und den Erhalt landeseigener Liegenschaften mit viel Augenmaß. Fragestellungen nach Zumutbarkeit und Angemessenheit sind zu beantworten, Abwä

gungsentscheidungen zu treffen. Das sind keine Kleinigkeiten. Am Ende kommt es – wie eigentlich immer im Leben – auf den vernünftigen Umgang aller beteiligten Verhandlungspartner miteinander an.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Martina Feld- mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben uns im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst sehr intensiv mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. Wir haben die Anhörung intensiv genutzt. Daraus sind wichtige Impulse zu dem Gesetzentwurf geliefert worden. So werden unter anderem die Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern und der Landesverband der Jüdischen Gemeinden neu in die Liste der Organisationen aufgenommen, die einen Vertreter in den Landesdenkmalrat entsenden sollen. Weiterhin ist die Frage der Einbeziehung von Ehrenamtlichen in die Denkmalpflege vor Ort gegenüber dem Entwurf noch konkreter gefasst worden, um hier auch die fachliche Qualität der Beauftragten abzusichern.

Ein weiterer Punkt: Die Formulierung für genehmigungssowie entschädigungspflichtige Maßnahmen wurde in Anlehnung an Gesetzeslagen in anderen Bundesländern präzisiert. Weiterhin stärken wir die Belange der Barrierefreiheit sowie der Kirchen. Schließlich regeln wir auch unmissverständlich: Wer Bodendenkmäler bei unerlaubten Nachforschungen entdeckt, hat keinen Anspruch auf eine Fundprämie.

Ich will noch zwei Änderungen gesondert herausgreifen, zum einen die Fristen in Genehmigungsverfahren und zum anderen das Thema Barrierefreiheit.

Die Regelung in § 20 zur Frage der Dreimonatsfrist in Genehmigungsverfahren wurde insbesondere von den kommunalen Vertretern als zu starr kritisiert. Wir möchten daher mit der Änderung klarstellen, dass die Frist natürlich erst bei Vorliegen aller Antragsunterlagen zu laufen beginnt und dass die Möglichkeit einer Fristverlängerung um drei Monate eingeräumt werden kann. Damit sollen die Bedenken der kommunalen Seite ausreichend berücksichtigt und gleichzeitig die Belange der Antragsteller für Maßnahmen an Denkmälern im Sinne des Dienstleistungsgedankens aufgenommen werden.

Meine Damen und Herren, Barrierefreiheit ist eines der großen Themen unserer Zeit. Bis vor wenigen Jahren stand dieses Thema praktisch nicht im Fokus. In der Anhörung wurde von verschiedenen Seiten angeregt, die Barrierefreiheit auch im Denkmalschutzgesetz zu verankern. Diese Anregung ist nachvollziehbar. Deshalb wollen wir die Belange der Barrierefreiheit bei öffentlich zugänglichen Denkmälern als „besonders zu berücksichtigen“ verankern. Das ist ein hohes Ziel und in Teilen ohnehin schwierig zu erreichen, wenn ich an die eine oder andere Burg, an das eine oder andere Schloss oder an historische Rathäuser denke. Wir haben uns bewusst dazu entschlossen, Barrierefreiheit nicht als Ziel für alle Baudenkmäler festzulegen. Ich denke, das ist ein vernünftiger Weg. Wir sind uns der Bedeutung der Barrierefreiheit bewusst, verankern diese im Gesetz, schreiben aber bei allen Anforderungen der Denkmalpflege den privaten Denkmalbesitzern nicht auch noch vor, Barrierefreiheit herzustellen. Das ist ein klassisches Beispiel für einen Abwägungsprozess.

Meine Damen und Herren, mit einer breiten Zustimmung im Ausschuss und hoffentlich auch im Plenum für den

nach der Anhörung noch überarbeiteten Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen schaffen wir für die kommenden Jahre ein tragfähiges Fundament für den Denkmalschutz in Hessen und tragen damit dazu bei, unser geschichtliches Erbe als Teil unserer Kultur zu bewahren.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Alex hat für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Entwurf der Regierungsfraktionen für eine Änderung des Denkmalschutzgesetzes wurde durch eine Reihe von Anregungen aus der Anhörung ergänzt. Wir werden dem Entwurf mit einigen Abstrichen zustimmen, die ich Ihnen gerne vortragen möchte.

Was das Gesetz nicht leistet und nicht leisten kann, ist die Sicherung der personellen Kompetenzen und der Ressourcen vor Ort. Dazu bedürfte es des mehrheitlichen Willens in diesem Hause, die hessischen Kommunen und ihre vielen Aufgaben angemessen zu finanzieren.

Ich will Ihnen in der Kürze der Zeit nur einige Beispiele aus dem „Kommunalbericht 2013“ des Rechnungshofs zur Vergleichenden Prüfung im Denkmalschutz nennen. Neun Landkreise wurden untersucht. In den neun Landkreisen gab es insgesamt nur ca. 17 Vollzeitäquivalente. Nur 1,8 Stellen waren mit Menschen besetzt, die eine Ausbildung in den Bereichen Geschichte, Kunst oder Architektur haben. Weniger als die Hälfte der Mitarbeiter hat eine Zusatzausbildung. Meine Damen und Herren, das ist zu wenig.

In den letzten 30 Jahren sind in Deutschland 30.000 Denkmäler verschwunden. Beratung wird daher immer wichtiger – auch das geht aus dem Bericht hervor –: Beratung in Bezug auf den Wohnraum und auf den Erhalt des kulturellen Erbes sowie eine angemessene Abwägung der unterschiedlichen Interessen.

Wir begrüßen an diesem Gesetzentwurf ausdrücklich die Aufnahme des Klima- und Ressourcenschutzes. Warum? In der Anhörung wurde gesagt, darauf müsse sowieso geachtet werden. Nein, das soll ins Bewusstsein gebracht werden, und das finden wir richtig. Wir finden es deswegen richtig, weil der Denkmalschutz immer gerne als Speerspitze gegen Änderungen missbraucht wird, die irgendetwas mit dem Klima- und dem Ressourcenschutz zu tun haben, z. B. Fotovoltaikanlagen oder Windkraftanlagen. Sie haben in Ihrer Koalition Leute, die in solch einem Fall eine Kleine Anfrage stellen – wie der Abg. Irmer, der aus dem Wissenschafts- und Kunstminister herauskitzeln möchte, dass der Denkmalschutz den Bau einer Windkraftanlage doch wohl verhindern müsse. Da wissen wir also, woher der Wind weht.

(Heiterkeit)

Aber wir wissen auch, dass er niemals Strom erzeugen wird.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LIN- KEN)

Herr Hofmeister hat die Barrierefreiheit angesprochen. Da haben wir uns wirklich gewünscht, Sie würden unserem Antrag zustimmen. Sie wollen die Barrierefreiheit aber auf öffentlich zugängliche Gebäude beschränken. Sie gehen nur den halben Weg.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Dabei ist es in der Abwägung mit dem Denkmalschutz doch gerade bei privatem Wohnraum wichtig, dass behinderte und ältere Menschen in ihren angestammten Wohnungen bleiben und die nötigen Hilfsmittel – unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes – einbauen können. Herr Staatsminister, darüber hätte sich auch Ho Chi Minh gefreut, der 79 Jahre alt geworden ist.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD und der LINKEN – Alexander Bauer (CDU): Und ein erfülltes Leben gehabt hatte!)

Was ein erfülltes Leben ist, werden Sie wissen, wenn Sie einmal so alt sind und einen Wohnraum haben möchten, in dem Sie sich noch selbstständig bewegen können.

Ich will Ihnen dazu ein Zitat einer sehr bekannten Paralympionikin, der Schwimmerin Kirsten Bruhn, vortragen. Sie hat bei einer Preisverleihung durch Herrn Staatsminister Grüttner an Firmen, die sich für Schwerstbehinderte besonders engagieren, einen Vortrag gehalten. Auf die Frage, was sie sich denn wünschen würde, hat Kirsten Bruhn sinngemäß geantwortet: Ich würde mir weniger Schlaumeierei und mehr Mut zum Handeln wünschen. – Sie hat zwar nicht „Schlaumeierei“, sondern ein Wort gesagt, dass mit „klug“ anfängt, aber das halte ich für unparlamentarisch.

(Große Heiterkeit und Beifall)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Auch wir hätten uns bei der Barrierefreiheit mehr Mut zum Handeln gewünscht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Alex. – Das Wort hat Frau Kollegin Beer für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir als FDP-Fraktion können mit der vorliegenden Novelle zum Denkmalschutzgesetz leider nicht ganz so mildtätig umgehen wie die Kollegin Alex. Unserer Meinung nach wird nämlich der Denkmalschutz in Hessen mit dieser Novelle geschwächt.

(Beifall bei der FDP)

Ich will mich angesichts der vorgerückten Stunde auf zwei Punkte beschränken, die ich beispielhaft anführen will.

Erstens. Ich habe bereits in der ersten Lesung vorgetragen, dass der Denkmalschutz künftig z. B. durch die wirtschaft

lichen Interessen von Windkraftanlagenbetreibern ausgehebelt werden kann. Diese Einschätzung ist durch die Äußerungen der Anzuhörenden bestätigt worden. Nichts anderes kann nämlich das Ziel der Regierungsfraktionen sein, wenn zukünftig die Interessen des Klima- und des Ressourcenschutzes nicht mehr von gleichem Belang wie alle anderen Interessen sind, sondern gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 „bei allen Entscheidungen und Genehmigungen … besonders zu berücksichtigen“ sind. Dann gelten sie nämlich als „überwiegendes öffentliches Interesse“ gemäß § 18 Abs. 3, was direkt dazu führt, dass eine Genehmigung, sei es zum Eingriff in ein Denkmal oder gar zur Beseitigung eines Denkmals, zu erteilen ist.

Damit haben wir in Hessen zum allerersten Mal die Situation, dass es nicht, wie bisher, zu einer Einzelabwägung kommt, bei der alle berechtigten Interessen gleichberechtigt einander gegenübergestellt werden. Vielmehr haben wir die Situation, dass ein einzelner Belang Priorität genießt, und das bedeutet in der Schlussfolgerung, dass wir in Hessen künftig ein Denkmalschutzgesetz haben werden, bei dem das öffentliche Interesse zum allerersten Mal nicht auf den bestmöglichen Erhalt des Denkmals gerichtet ist. Meine Damen und Herren, ich finde, es ist grotesk, wenn man gleichzeitig von einem „Denkmalschutzgesetz“ spricht.

(Beifall bei der FDP)

Doch damit nicht genug. Auch die Situation der Finder, die legal auf kulturhistorisch wertvolle Funde stoßen – mit Betonung auf „legal“; ich äußere mich gar nicht zu der richtigen Änderung, die Herr Hofmeister im Hinblick auf Raubgrabungen und nicht genehmigte Grabungen angeführt hat –, wird sich zukünftig verschlechtern. Die ehrlichen Finder erhalten nämlich keinen angemessenen Finderlohn mehr – dieser bemisst sich nach dem bislang geltenden Gesetz nach dem Verkehrswert des Fundes und danach, welche kulturhistorische Bedeutung er hat –, sondern werden auf den Finderlohn einer x-beliebigen Fundsache nach § 971 BGB verwiesen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, erschwerend kommt hinzu, dass der Denkmalschutzbehörde in Zukunft keinerlei Frist mehr gesetzt ist, innerhalb derer sie entscheiden muss, ob sie einen Fund für hervorragend wissenschaftlich geeignet hält und ihn deswegen behalten will. Das heißt, der Finder wird letztendlich im Ungewissen gelassen, und er muss sich überlegen, wie er mit dieser Situation umgeht. Ich persönlich befürchte, daraus wird sich lediglich ergeben, dass der Anreiz für Finder entfällt, Funde zu melden und abzugeben. Werte Kolleginnen und Kollegen, was den Denkmalschutz betrifft, werden wir mit einem solchermaßen verschärften und, wie ich finde, verschlechterten Schatzregal genau das Gegenteil von Schutz erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Auch ich hätte mich gefreut, wenn Sie bei dem Thema Barrierefreiheit die Version der Freien Demokraten übernommen hätten, die wir in unserem Änderungsantrag ausgeführt haben. Wir sind ebenfalls der Meinung, dass Barrierefreiheit nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Raum gegeben sein muss.

Aber ich darf Sie herzlich darum bitten, wenigstens noch einmal darüber nachzudenken, ob bei der Begutachtung, Aufbewahrung und Präsentation von Fundstücken nicht auch die Landesmuseen einbezogen werden können. Herr