Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in Deutschland nehmen wir die schwierige Arbeit der Geheimdienste nicht auf die leichte Schulter – auch wenn DIE LINKE hier einen anderen Eindruck erweckt.
Wir, die CDU-Fraktion, sind der Überzeugung, wir brauchen leistungsfähige Nachrichtendienste. Aber wir brauchen auch eine konsequente Kontrolle. Abhören unter Freunden geht nicht, und dafür sorgen diese Gesetze. Wirtschaftsspionage ist nicht in Ordnung, und dafür, dass sie verhindert wird, sorgen diese Gesetze. Unsere Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht gesetzeswidrig überwacht werden, und auch dafür, dass dies nicht geschieht, sorgen diese Gesetze.
Meine Damen und Herren, Deutschland ist kein Überwachungsstaat. Freiheit und Sicherheit bedingen einander, und beide Grundrechte werden mit diesem Gesetz gestärkt. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Frömmrich von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich gibt es in dieser Frage zwischen den Koalitionsfraktionen unterschiedliche Auffassungen. Das haben wir so gesagt, das ist auch ganz klar, und davon haben wir auch nichts zurückzunehmen.
Viele Kritiker, darunter die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, die drei Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, namhafte Juristen, darunter ehemalige Verfassungsrichter, sind der Ansicht, dass die zwei Gesetze, die zum einen die sogenannte Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und zum anderen die parlamentarische Kontrolle des BND regeln, verfassungswidrig sind. Die Vorwürfe, dass die Gesetze eine anlasslose Massenüberwachung der Dienste ermöglichen, Abhörgründe nicht klar umreißen und damit unkontrolliertem Abhören Tür und Tor öffnen und weniger parlamentarische Kontrolle erlauben, wiegen aus unserer Sicht schwer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Holschuh hat es gerade gesagt. Ich finde, eine gelungene BND-Reform sieht anders aus. Statt Rechtsklarheit, Rechtssicherheit, wirksamem Individualrechtsschutz und effektiver Kontrolle des BND haben wir es nun mit unklaren Rechtsbegriffen, Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit und einem unübersichtlichen, unsystematischen und dadurch ineffektiven neuen Kontrollsystem zu tun. Ich meine, dass hier eine Chance auch für den BND vertan wurde.
An dieser Stelle möchte ich aber auch kurz auf die Kollegen der antragstellenden Fraktion eingehen. Auch wir haben Bedenken, was dieses BND-Gesetz angeht. Wir wären auch gern bereit gewesen, mit Ihnen offen zu diskutieren. Aber die Chance haben Sie leider vertan, weil bei Ihnen natürlich die kleinkarierte Parteipolitik im Vordergrund steht und nicht das Diskutieren der Sache.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Art und Weise, wie Sie versuchen, aus dem Thema parteipolitisches Kapital zu schlagen, finde ich eher peinlich.
Nein. – So zu tun, als hätte Hessen das Bundesgesetz verhindern können, ist nicht nur falsch, sondern auch unredlich. Es handelt sich hier – auch in Richtung des Kollegen Greilich – um ein Einspruchsgesetz. Im Gegensatz zu Zustimmungsgesetzen haben die Länder im Bundesrat hiergegen kein Vetorecht. Das verschweigen Sie wieder einmal.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, was Sie auch verschweigen, ist, dass Ihr geschätzter Parteikollege Ministerpräsident Ramelow und das rot-rote Land Brandenburg in dieser Frage auch nicht den Vermittlungsausschuss angerufen haben. Eine Protokollnotiz haben sie auch nicht abgegeben.
Das verschweigen Sie alles, weil dann Ihr Thema weg gewesen wäre. Kolleginnen und Kollegen, daraus kann ich nur den Schluss ziehen, dass es Ihnen weniger um die Sache und viel mehr um durchschaubare politische Geländegewinne geht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir gehen darauf ein! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Ich denke, dass wir einen modernen und gut funktionierenden Nachrichtendienst brauchen. Angesichts der aktuellen Bedrohungslage wird das keiner ernsthaft bezweifeln, außer der LINKEN und dem Kollegen Schaus. Zugleich bin ich fest davon überzeugt, dass Freiheitsrechte, Bürgerrechte, die Privatsphäre nicht nur nette Nebeneffekte einer Demokratie sind, die bei Bedarf nach Belieben eingeschränkt werden können. Nein, das Recht, sich frei, unbeobachtet und ungehört mit anderen unterhalten zu können, ist ein grundrechtlich geschützter Wesenskern unseres Rechtsstaats; es ist ein Menschenrecht. Genau das unterscheidet unseren Rechtsstaat von totalitären Überwachungsstaaten.
Herr Kollege Schaus, wenn Sie wirklich mit einem diskutieren wollen, würde ich Ihnen empfehlen, wirklich in den Dialog einzutreten und nicht andauernd Ihr Geschwätz zu machen.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Kollege Frömmrich, nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass ich gar nicht zu dem Antrag geredet habe!)
Auch daran sieht man, dass Sie keinerlei Interesse an der fachlichen Diskussion haben, sondern hier rein parteipolitische Profilierung versuchen, Herr Kollege.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Herr Schaus hat doch gar nicht geredet!)
Ich habe gerade gesagt, das ist der Wesenskern unseres Rechtsstaates, das ist Menschenrecht. Genau das unterscheidet unseren Rechtsstaat von totalitären Überwachungsstaaten, Herr Kollege. Eingriffe in diese Rechte müssen, wenn überhaupt, wohlüberlegt und verhältnismäßig sein.
Wir bezweifeln, dass das BND-Gesetz diese Voraussetzungen in allen Punkten erfüllt. Dass sich hier aber ausgerechnet DIE LINKE als Retter der Demokratie aufschwingen will, ist schon ziemlich abenteuerlich. Wie so oft, messen Sie mit zweierlei Maß, Herr Kollege. Bei uns kritisieren Sie Nachrichtendienste und Abhörpraxen, bei Putin, Assad und Castro tauschen Sie Bruderküsse aus. So sieht es aus.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Quatsch! – Janine Wissler (DIE LINKE): Was, bei Assad und Putin?)
Schauen Sie sich beispielsweise den Umgang von Frau Wagenknecht mit Putin an. Was ist denn da mit Meinungsfreiheit und Geheimdiensten? – Fehlanzeige, liebe Kolleginnen und Kollegen. Laut Reporter ohne Grenzen gehören Ihre Freunde in Kuba und Russland zu den Feinden des Internets, unter anderem wegen Überwachung und Zensur.
Sie sollten einmal überdenken, wie glaubhaft Ihre Doppelstrategie in dieser Frage ist. Wir können auf Ihre vermeintliche Demokratieerziehung hier durchaus verzichten.
Die aktuell in der Republik geführte sicherheitspolitische Debatte gibt aber Anlass zur Sorge. Schreckliche Anschläge wurden regelmäßig zum Anlass genommen, Gesetzesverschärfungen zu fordern. Der Ruf nach immer mehr und immer grundrechtsintensiveren Eingriffen ist dabei fast schon zum traurigen Ritual geworden. Dabei sollten aus unserer Sicht zunächst einmal der bestehende Rechtsrahmen effektiv genutzt und die Zusammenarbeit der Behörden verbessert werden. Wenn der Bundesinnenminister sagt, dass Datenschutz schön sei, aber in Krisenzeiten die Sicherheit Vorrang habe, ist das falsch. Grundrechte gelten immer.
Die Daten sind vielfach vorhanden, sie müssen nur entsprechend ausgewertet und zwischen den Sicherheitsbehörden ausgetauscht werden. Das hat auch unser Hessischer Datenschutzbeauftragter Prof. Ronellenfitsch so bestätigt. Zudem unterliegt der BMI einem Irrtum, wenn er sagt, dass mit Datenschutz sparsam umzugehen sei. Wir denken, es ist genau umgekehrt. Mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten muss sparsam umgegangen werden. Es gelten die Grundsätze der Datenvermeidung und -sparsamkeit. Der Datenschutz ist ein Kernelement unserer
Werteordnung. Gerade angesichts der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche nimmt der Datenschutz eine besondere Stellung ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem in sicherheitspolitisch bewegten Zeiten muss sich der Rechtsstaat bewähren. Vor allem jetzt sind Bürger- und Menschenrechte wichtiger denn je.
Diese Rechte sind keine Schönwettergesetze, die in schwierigen Zeiten gerade mal eben so beiseitegeschoben werden können. Sicherheit und Freiheit sind aus unserer Sicht keine Gegensätze, sie bedingen einander. Eine Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass beide Seite in Einklang zu bringen sind. Den legitimen Sicherheitsbedürfnissen unserer Bürgerinnen und Bürger muss Rechnung getragen werden; das ist unsere Pflicht. Zugleich müssen wir aber alle gemeinsam aufpassen, dass wir hart erkämpfte zivilisatorische Errungenschaften nicht leichtfertig über Bord werfen. Sonst haben diejenigen schon gewonnen, die unsere freie, offene und vielfältige Gesellschaft ablehnen und bekämpfen. Dann hätten sie ihr Ziel erreicht.
Deswegen sehen wir diesen Punkt, der das BND-Gesetz betrifft, kritisch. Aber ich sage hier auch: Wenn man darüber einmal in einen offenen Diskurs eintreten würde, würden wir das gern machen. Aber hier den kleinkarierten parteipolitischen Geländegewinn zu organisieren, das ist nicht das, was wir wollen.
Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Zur Kurzintervention hat sich Kollege Wilken noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort. Zwei Minuten Redezeit.
(Hermann Schaus (DIE LINKE), an Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gewandt: Jetzt musst du aber auch zuhören!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Frömmrich, es ist eine gewisse Chuzpe, hier Dialog einzufordern, dann aber eine Zwischenfrage nicht zuzulassen. Deswegen muss ich diesen Weg wählen. Zur Erinnerung: Mein Name ist Wilken, ich heiße nicht Schaus.
Haben Sie bitte zur Kenntnis genommen, dass ich bereits in der Hauptausschusssitzung am 09.11. den Staatsminister Wintermeyer über Ihr Regierungsverhalten im Bundesrat bezüglich dieses Gesetzes gefragt habe? Damit habe ich diese Diskussion durchaus angestoßen. Herr Wintermeyer hat mir übrigens darauf nur leicht verdreht die Wahrheit geantwortet.
Er sagte, Hessen hätte sich genauso verhalten wie Thüringen und Brandenburg. Das ist falsch. Hessen hat zugestimmt, dass der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wird, und Thüringen und Brandenburg haben, wie das üb
lich ist, wenn in der Landesregierung keine einhellige Meinung besteht, sich bei dieser Abstimmung enthalten.
Ich frage Sie: Warum kann Hessen das nicht machen, wenn andere Landesregierungen, in denen es zugegebenermaßen strittig war, ob der Vermittlungsausschuss angerufen wird oder nicht – nicht zuletzt, weil Sie in Thüringen mit in der Regierung sind –, sich enthalten?