Protocol of the Session on October 11, 2016

zeln zu erinnern. Die Freiheit von Staatsaufsicht und von staatlichem Einfluss war den demokratischen Kräften in diesem Land immer wichtig und ist auch Ursache dafür, dass wir heute diese Novellierung durchführen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht selbstverständlich, dass ein Land mit der Rundfunkfreiheit so umgeht. Ich erinnere beispielsweise an Länder wie Italien, in denen Politiker völlig unverhohlen Medienmacht ausüben. Das Beispiel von Herrn Berlusconi, der in Italien als Medienunternehmer und langjähriger Ministerpräsident systematisch Einfluss auf die Medienlandschaft Italiens genommen hat, zeigt dies in erschreckender Form.

Für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ist wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Staatsferne des Rundfunks lediglich eine eingeschränkte Rechtsaufsicht zulässig. Das ist eine Besonderheit. Ich darf diese zweite Lesung auch nutzen, um noch einmal daran zu erinnern, was eigentlich die Ursache dafür gewesen ist und wieso wir dahin gekommen sind.

Die berühmte Causa Brender im Jahre 2009 führte zu einer öffentlichen Diskussion darüber, wie und wie stark politische Parteien – in dem Fall im ZDF-Verwaltungsrat – Einfluss auf das ZDF ausüben oder es zumindest versuchen. Es war der ehemalige Hessische Ministerpräsident, der im Zusammenhang mit der Causa Brender tatsächlich Einfluss auf die Besetzung der Stelle des Chefredakteurs im ZDF genommen hat, und genau dies war der Punkt, warum ein Normenkontrollverfahren eingeleitet worden ist.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem Urteil vom 25. März 2014 entschied das Gericht, der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder dürfe insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen. – Das war von den Grundsätzen her kein Problem im hr-Gesetz, gleichwohl haben wir und die Regierungsfraktionen vor diesem Hintergrund nun diese Novelle angestoßen. Es war erneut höchstrichterlich klargestellt, dass die Staatsferne dort, wo sie in Zweifel gezogen werden könnte, unmissverständlich herzustellen ist.

(Beifall bei der SPD)

In einem langen Prozess wurde das ZDF-Gesetz dann geändert – und in dessen Folge auch die Rundfunkgesetze der Länder, so auch bei uns beim Hessischen Rundfunk.

Andere Länder haben sich für eine – ich nenne es einmal so – sehr ausführliche Novelle entschieden. Unser gemeinsames Anliegen war es, die historischen Grundzüge unseres hr-Gesetzes zu erhalten, das Notwendige zu veranlassen und das Überflüssige zu unterlassen.

Wir finden, dass dies auch in dem Änderungsantrag der regierungstragenden Fraktionen leidlich gut gelungen ist. „Leidlich“ gut nur deshalb, weil wir zwar der Auffassung sind, dass zum jetzigen Verfahrensstand die gefundene Lösung der Einbeziehung einer muslimischen Glaubensgemeinschaft ein durchaus gangbarer Weg ist. Es wäre aber besser gewesen, wenn die Landesregierung bereits vor einem Jahr einen Prozess eingeleitet hätte, der als Zielgröße die Arbeit im Hessischen Rundfunk gehabt hätte und nicht jetzt notwendigerweise die Hilfszielgröße der muslimischen Glaubensgemeinschaft für sich übernommen hat. Aber die regierungstragenden Fraktionen waren dann we

nigstens so einsichtig, den ersten Vorschlag zurückzunehmen, die Besetzung der muslimischen Glaubensgemeinschaften über eine Verordnung der Regierung zu regeln. Dies wäre alles andere als staatsfern gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Insofern wundert es mich, wie man darauf gekommen ist – aber das ist nicht mein Problem.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben deshalb Ihrem Änderungsantrag im Hauptausschuss zugestimmt. An zwei Punkten sehen wir allerdings noch erheblichen Korrekturbedarf. Unserer Ansicht nach muss ein modern aufgestellter Rundfunkrat besser, als bisher vorgesehen ist, a) die gesellschaftliche Breite und b) die gesellschaftliche Realität abbilden. Deshalb schlagen wir in unserem Änderungsantrag vor, künftig dem Landesbehindertenbeirat sowie dem Lesben- und Schwulenverband im Land Hessen im Rundfunkrat Sitz und Stimme zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Der Landesbehindertenbeirat vertritt in der Tat die Interessen von 10.000 behinderten Menschen in unserem Land, seine Expertise gerade im Bereich der Barrierefreiheit auch im Medienangebot würde für den Rundfunkrat eine erhebliche Bereicherung bedeuten.

Die Aufnahme des Lesben- und Schwulenverbandes folgt dem Anspruch, die relevanten gesellschaftlichen Gruppen in den Gremien besser „abzubilden“.

Ich weiß, dass diese Vorschläge insbesondere bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aber auch bei der CDU-Fraktion viel Widerhall gefunden haben und durchaus respektabel diskutiert worden sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ich appelliere an Sie, an die Regierungsfraktionen, Koalitionsräson und das Festhalten an Ihrem Koalitionsvertrag durch Vernunft und politische Rationalität zu ersetzen, wie Sie dies im Übrigen an anderer Stelle in dem Gesetzgebungsverfahren getan haben. Eine Erweiterung um zwei Sitze ist eine moderate Vergrößerung des Rundfunkrates – eine aus unserer Sicht zulässige und hauptsächlich vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Realität auch richtige.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion schlägt außerdem vor, den zurzeit völlig untauglichen Vorschlag von Schwarz-Grün zur Repräsentanz von Frauen im Rundfunkrat durch eine wirksame Regelung zu ersetzen. Wir ringen seit vielen, vielen Jahren nicht nur beim Hessischen Rundfunk, sondern auch bei der Landesanstalt für privaten Rundfunk darum, zu einer geschlechterparitätischen Besetzung der Gremien zu kommen. Das meine ich mit „Abbildung der gesellschaftlichen Realität“. Die von Schwarz-Grün vorgeschlagene Regelung zur geschlechterparitätischen Besetzung ist ein Modell, das ich „Modell Sankt-Nimmerleins-Tag“ nennen muss, weil wir damit in vielleicht 15 bis 20 Jahren zu einer paritätischen Besetzung kommen. Ich finde, in der Anhörung ist hinreichend deutlich geworden, dass wir an der Stelle ein bisschen schneller vorangehen müssen. Wenn wir es ernst meinen, sind hier schnellere und konsequentere Maßnahmen notwendig – wie die, die wir jetzt vorschlagen und die – wie haben sie rechtsförmlich prüfen lassen – rechtlich und verfassungsmäßig machbar sind.

(Beifall bei der SPD)

Damit wird tatsächlich eine schnellere paritätische Besetzung des Rundfunkrates möglich. Das gilt auch für unsere Regelung bezüglich des Verwaltungsrates.

Ich freue mich darüber, dass die Regierungsfraktionen mit ihrem Änderungsantrag Einsicht bewiesen haben, dass tatsächlich eine Staatsferne beim Rundfunk hergestellt wird. Ich freue mich auch darüber, dass Sie zahlreichen Anregungen aus dem Kreis der Anzuhörenden gefolgt sind. Ich sage es noch einmal: Ich weiß, dass in Ihren eigenen Reihen über unsere Vorschläge diskutiert wird. Wir werden dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, wenn in den weiteren Beratungen kein substanzielles Zugehen auf unsere – wie wir finden, vernünftigen – Vorschläge zu erkennen ist.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Siebel. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Wolff das Wort.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 31. August 2016 haben wir eine Anhörung zu dem uns vorliegenden Gesetzentwurf durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt gab es einen Änderungsantrag, nämlich den der Fraktion der FDP, der ebenfalls in die Anhörung eingehen konnte. Der Änderungsantrag ist in der Anhörung nahezu einhellig abgelehnt worden – aus unserer Sicht aus guten Gründen, denn er führte beim Prinzip der Staatsferne in eine mögliche Kollision insofern, als wir die Gesetzesänderung nicht nur für den amtierenden Landtag, sondern auch für zukünftige Optionen vornehmen wollen. Unserer Auffassung nach stößt sich der Änderungsantrag mit dem Verhältniswahlrecht und damit auch mit der Relation der Gruppen hinsichtlich ihrer Größe im Landtag. Deswegen ist der Änderungsantrag der FDP-Fraktion im Hauptausschuss zu Recht abgelehnt worden.

Die SPD-Fraktion hat am letzten Freitag, also gut fünf Wochen nach der Anhörung, einen, wie wir finden, sehr überschaubaren Änderungsantrag eingereicht, der nach meiner Überzeugung in keiner Weise mehr Gleichstellung garantiert als der vorliegende Gesetzentwurf, der an der Stelle einer Entscheidung nachgebildet ist, die für das saarländische Rundfunkgesetz getroffen wurde.

Den folgenden Verweis kann ich mir – ohne aus Protokollen zu zitieren oder Geheimnisse zu verraten – nicht verkneifen: Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie hätten die Chance gehabt, eine Entscheidung mit Blick auf den Verwaltungsrat zu treffen, bei der eine Frau zur Auswahl stand, und damit auch den Verwaltungsrat entsprechend zu besetzen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Diese Chance hatten Sie, und Sie haben sie vergeben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Noch reichen wir nicht die Hand zur Machtpolitik Ihrer Koalition! Es ist ziemlich billig, was Sie hier machen!)

Zum Zweiten sucht die SPD-Fraktion ihr Heil in einer weiteren Ausweitung des Rundfunkrates. Auch dazu ist in der Anhörung das eine oder andere gesagt worden. Ich glaube, dass sich dieses Vorhaben im Wesentlichen daraus speist, sich zum einen Gruppierungen mit einem kleinen Goody anzunähern und zum anderen ein bisschen gegen die Koalitionspartner, die diesen Gesetzentwurf geschrieben haben, zu sticheln.

(Timon Gremmels (SPD): Es ist unser gutes Recht, Vorschläge zu machen!)

Die Koalitionsfraktionen sind den Anzuhörenden aufmerksam gefolgt und haben viele der Anregungen aufgenommen. Ich glaube, man kann mit Fug und Recht feststellen, dass die Grundlinie des Gesetzentwurfs durchaus auf Zustimmung gestoßen ist. Wo wir etwas zu ändern hatten, haben wir uns zusammengesetzt und haben mit dem Änderungsantrag, der im Hauptausschuss zur Zustimmung empfohlen worden ist, die Dinge geradegerichtet. Wenn der Herr Kollege Siebel in seiner Rede gerade gesagt hat, das sei „leidlich gut“ gelungen, dann bedeutet das in der Oppositionsrhetorik in aller Regel ein hohes Lob. Damit sind wir zufrieden.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, die Anforderungen an eine Mitgliedschaft im Rundfunkrat mussten noch einmal in den Blick genommen werden. Zum einen kann erwartet werden – so ist es auch in unserem Änderungsantrag verankert –, dass jedes Mitglied des Rundfunkrats und auch des Verwaltungsrats im Rahmen seiner Bindung an die Prinzipien des Grundgesetzes handelt. Dazu gehört insbesondere die Achtung vor der Presse- und Meinungsfreiheit. Jeder, der einen Sitz in den genannten Gremien anstrebt, um eine bestimmte Berichterstattung oder Kommentierung in Zukunft zu verhindern, liegt falsch und hat kein Recht darauf, Mitglied im Verwaltungsrat oder im Rundfunkrat zu werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Alle Mitglieder sind zwar von gesellschaftlichen Gruppierungen entsandt worden, aber sie sind in ihren Entscheidungen nicht von diesen Gruppierungen abhängig. Auch diese Bestimmung ist noch einmal geschärft worden. Die Rundfunkrats- oder Verwaltungsratsmitglieder erfüllen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht die Interessen der Gruppierungen, sondern die gesetzlichen Aufgaben des Hessischen Rundfunks, also der Landesrundfunkanstalt im Lande Hessen.

Drittens. Die Mitglieder des Verwaltungsrats wie auch des Rundfunkrats als Mitglieder einer Landesrundfunkanstalt in Hessen sollen ihren Wohnsitz, ihren dauerhaften Aufenthaltsort im Lande Hessen haben. Das ist eine weitere kleine Änderung, die wir vornehmen wollen.

Gar nicht trivial war die Formulierung unseres Änderungsvorschlags bei der Frage, wie wir in angemessener Weise zu einer Vertretung der muslimischen Glaubensgemeinschaften kommen, ohne zu sehr staatlichen Einfluss auszuüben, aber vor dem Hintergrund und in Kenntnis der Tatsache, dass es eine enorme organisatorische Vielfalt bei den muslimischen Gemeinschaften bei gleichzeitig geringem Bindungsgrad untereinander gibt. Daher haben wir uns entschieden, am Beispiel des muslimischen Religions

unterrichts anzuknüpfen, die dort beteiligten drei Gruppierungen zu benennen und sie zu verpflichten, zu einer Einigung zu kommen – mit dem Ausweg im Notfall, wenn dies nicht erfolgt, obwohl es hochgradig wünschenswert wäre, zu einem Losentscheid zu kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf mit den jetzt vorgeschlagenen Änderungen wird insoweit den Grundprinzipien Transparenz, Staatsferne und Gleichstellung sowie auch dem Einsatz gegen die Versteinerung gerecht. Ich denke, das ist ein guter Grund dafür, dass wir heute in zweiter Lesung und am Donnerstag in dritter Lesung diesen Gesetzentwurf zum Gesetz erheben werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Wilken für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der schon etwas zurückliegende Anlass für unsere Beratung über die Änderung des hr-Gesetzes war, dass zu diesen Zeiten die „Koch-Show“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch einen ganz anderen Ruf hatte und deswegen ein höchstrichterliches Urteil mehr Staatsferne gefordert hat.

Auch ich teile ganz klar die Einschätzung, dass die Staatsferne mit diesen Änderungen rein formal gewährleistet ist. Ich habe aber, ähnlich wie mein Vorredner von der SPD, einige Nachfragen, was die Zusammensetzung des Rundfunkrats und des Verwaltungsrats – also der Gremien des hr – betrifft. Ein Blick in die Gesetze anderer Länder, die den Rundfunk regeln, zeigt nämlich, dass Hessen, was die Abbildung der Bandbreite der gesellschaftlichen Gruppen betrifft, arg kurz springt.

Frau Wolff, auch ich kann sehr gut mit der Lösung leben, dass, wenn sich Mitglieder nicht darauf einigen können, wer entsendet wird, notfalls ein Los gezogen wird. Ein Fragezeichen setze ich aber nach wie vor an der Stelle, an der es darum geht, wer ein Los in den Topf werfen darf und wer nicht; denn Sie haben zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass es eine große organisatorische Vielfalt gibt, aber jetzt werden drei ausgewählt.

Ich habe auch überhaupt kein Problem damit, dass alle großen Weltreligionen – zumal wenn ihre Anhänger in relevanter Anzahl in Deutschland leben – im Rundfunkrat vertreten sind. Aber was ist denn z. B. mit den Alevitinnen und Aleviten? Was ist mit den Menschen, die keiner Religion angehören, also den Agnostikern? In anderen Ländern ist z. B. die Humanistische Union im Rundfunkrat vertreten. Was ist denn mit Organisationen des Natur- und Umweltschutzes und des Verbraucherschutzes? Was ist mit der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union? Was ist mit der Seniorenvertretung? Was ist mit Lesben und Schwulen? All das sind gesellschaftliche Gruppen und Interessenverbände, die in anderen Ländern im Rundfunkrat vertreten sind. In Hessen soll das zukünftig wieder nicht der Fall sein.