Protocol of the Session on October 11, 2016

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Denn hier geht es nicht um irgendein Gesetz. Es geht um ein ganz besonderes Gesetz, das unserer Geschichte entspringt. Diese Geschichte erfordert von uns Verpflichtung

einerseits und Verantwortung andererseits. Aus beidem erwächst die Aufgabe, dass wir das historische Erbe nicht nur kritisch betrachten, sondern die richtigen Lehren und Konsequenzen daraus ziehen.

Deshalb sage ich: Verantwortung und Verpflichtung heißt, dass wir erstens alles gemeinsam tun müssen, dass in Hessen für Antisemitismus kein Millimeter Raum ist.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Zweitens – das ist die andere Seite der gleichen Medaille – müssen wir alles tun, um das Wiederentstehen, das Wiederbeleben jüdischer Kultur und jüdischer Tradition zu fördern. Ja, wir wollen, dass wir Hessen gemeinsam weiter in die Zukunft führen. Wir wissen um die schlimme Vergangenheit. Wir wissen um den barbarischen Holocaust, allerdings nur als Spitze eines jahrhundertelangen Antisemitismus. Daraus haben wir gelernt und ziehen die nötigen Konsequenzen.

Deshalb ist es richtig und gut, dass wir jetzt diesen Gesetzentwurf gemeinsam beraten und auf den Weg bringen. Ich begrüße ausdrücklich die bisherige kontinuierliche Aufstockung der Mittel, die 1986 einmal mit 2 Millionen DM begannen, mittlerweile bei 4 Millionen € liegen, dass dazu Sondervereinbarungen gekommen sind – 250.000 € bisher werden aufgestockt auf jeweils 500.000 € für die große Frankfurter Gemeinde und für den Landesverband, und es erfolgt eine Dynamisierung dieser Zuweisung in den nächsten Jahren.

Dazu kommt – das darf ich noch ergänzen, Herr Ministerpräsident –, dass das Land der Jüdischen Gemeinde Frankfurt auch bei der Entschuldungshilfe entsprechend Unterstützung leistet.

Der neue Vertrag sieht eine Laufzeit von weiteren fünf Jahren vor. Ich nannte es eben: Die Mittel sollen entsprechend aufgestockt werden.

Das teilen Sie sicherlich alle. Davon gehe ich jedenfalls aus. Ich freue mich, dass wir nicht nur in Frankfurt eine sehr lebendige und prosperierende Gemeinde haben, sondern auch in anderen Städten unseres Landes. Ich denke an Wiesbaden, an Kassel, an Marburg und andere mehr. Die neue gemeinsame Erklärung, die vereinbart wurde, soll nun in diesem Gesetzentwurf ihren rechtlichen Niederschlag finden.

Ich darf zum Schluss noch zwei Sachen ergänzen. Das sei eine Investition in die eigene Zukunft, betonte der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden, Jacob Gutmark, kürzlich. Er sagte, das Geld werde nicht nur in das Leben der Gemeinden eingehen, was die Religionsausübung angehe. Es werde auch für Kinderbetreuung, für die schulische Arbeit, für den Religionsunterricht und vieles mehr verwendet werden. Deshalb wird das, was wir mit unserer Unterstützung leisten werden, gewissermaßen ein Rundumbeitrag für die weitere Entwicklung des Lebens sein, das wir gemeinsam für unsere jüdischen Mitbürger wollen.

Ein bisschen Rückblick darf sein. Ich erinnere noch einmal an die Woche der Brüderlichkeit, die ich als Vizepräsident mehrmals miterleben und auch eröffnen durfte. Da ist etwas gewachsen. Da ist etwas gewachsen, was nicht nur ein tolerantes Nebeneinander vorsieht. Vielmehr ist daraus längst ein Miteinander geworden. Dieses Miteinander wollen wir fördern, auch durch dieses Gesetz. Deshalb werden die Mitglieder der SPD-Fraktion zustimmen.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Quanz, danke. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Utter zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mitglieder der CDU-Fraktion begrüßen ausdrücklich den Staatsvertrag, der von Herrn Dr. Gutmark und dem Ministerpräsidenten unterzeichnet wurde und der uns nun als Gesetzentwurf vorliegt.

Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und trotzdem ein Wunder, dass es angesichts unserer Vergangenheit und Geschichte möglich war, dass das jüdische Leben in Hessen so tiefe und neue Wurzeln hat gründen können. Dieser Gesetzentwurf nimmt die Verpflichtung auf und führt das fort.

Nur zwei Jahre nach Kriegsende und den unvorstellbaren Gräueltaten der Schoah kehrten im Jahr 1947 rund 1.000 Juden nach Hessen zurück. Heute, 2016, zählen die jüdischen Gemeinden in Hessen zu den mitgliederstärksten und aktivsten in ganz Deutschland. Aus diesem unvorstellbaren Geschenk des Vertrauens in die bundesrepublikanische Demokratie und Gesellschaft erwuchs seither nicht nur eine enge Partnerschaft zwischen dem Land Hessen und den jüdischen Gemeinden, sondern auch ein sehr lebendiges Miteinander zwischen jüdischen und nicht jüdischen Bürgern.

Das wurde bereits erwähnt: Als erstes Bundesland hat Hessen 1986 diese Beziehungen in einen Staatsvertrag gegossen, der mit dem der christlichen Kirchen vergleichbar ist.

Die Verlängerung, die Verbesserung und die Modifizierung des Staatsvertrags finden unsere einhellige Zustimmung. Die Mitglieder der CDU-Fraktion befürworten das ganz ausdrücklich. Auf die Einzelheiten sind der Ministerpräsident, aber auch Herr Quanz bereits eingegangen. Mit diesem Staatsvertrag kann das religiöse und kulturelle Leben der jüdischen Gemeinden in Hessen weiter gestärkt und kontinuierlich ausgebaut werden. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass das nach 1945 überhaupt wieder möglich wurde.

Heute gibt es in Hessen jüdische Kindergärten, Schulen, Museen und Kulturzentren. Zum einen geben sie Zeugnis der Vergangenheit. Aber sie sind auch Zeugnis für das lebendige und vielfältige heutige jüdische Leben in unserem Bundesland.

Bedauerlicherweise sind allerdings auch heute noch erhebliche Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der jüdischen Einrichtungen nötig. Das wollen wir gerne leisten, weil es notwendig ist. Doch das sorgt immer wieder für ein Gefühl der Beklemmung.

Wir erkennen in der Religionsfreiheit ein sehr hohes Gut, das wir verteidigen wollen. Unsere Geschichte verpflichtet uns zu einem ganz besonderen Schutz des jüdischen Lebens in Deutschland.

Aber die jüdischen Gemeinden in Hessen sind sich nicht einfach selbst genug. Vielmehr bringen sie sich vorbildlich in das gesellschaftliche Leben ein. Ich wünsche mir, dass das so bleibt. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein,

dass die jüdischen Mitbürger und die jüdischen Gemeinden nicht nur ihr Gemeindeleben pflegen, sondern dass sie ein Teil unserer Gesellschaft sind, dass sie sich einbringen, mitgestalten und eine hörbare Stimme in unserer Gesellschaft sind.

Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass es auch heute noch Formen des Antisemitismus in unserem Land gibt. Auf die Probleme wurde bereits hingewiesen. Doch der Kampf gegen den Antisemitismus gehört zur Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auch mit den Zuwanderern, die jetzt kommen, führen wir darüber den Dialog. Bei dem Stichwort „Zuwanderer“ möchte ich auch noch daran erinnern, welch große Leistungen die jüdischen Gemeinden in Hessen in den letzten Jahrzehnten bei der Integration der jüdischen Zuwanderer geleistet haben. Das war zum Teil eine sehr aufwendige Arbeit. Da haben sich sehr viele Gemeindemitglieder aufopferungsvoll engagiert. Es hat erleichtert, dass neue jüdische Bürger hier ihre Heimat haben finden können.

Her Utter, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Mein letzter Satz: Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Staatsvertrag in diesem Haus auf große Zustimmung stoßen würde.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Herr Utter, danke schön. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Feldmayer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der 1986 erstmals geschlossene Vertrag zwischen dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen und dem Land Hessen war von dem Gedanken einer besonderen Verantwortung aus der Geschichte unseres Landes heraus geprägt. Jüdische Gemeinden und jüdisches Leben wurden im NaziDeutschland zerstört. Sie wurden fast vernichtet.

Besonders deutlich wird die nationalsozialistische Perfidie in den Pogromnächten. Da wurden Synagogen niedergebrannt. Menschen wurden ermordet. Später wurden dann auf den Ruinen dieser Synagogen Luftschutzbunker für die nicht jüdische Bevölkerung errichtet. So einen Luftschutzbunker anstelle einer Synagoge sehen wir z. B. immer noch in Frankfurt an der Friedberger Anlage. Dort steht der Luftschutzbunker als Mahnmal, aber auch als brutales Mal der Zerstörung.

Auch in Frankfurt-Höchst gab es eine Synagoge. Auch darauf wurde ein Luftschutzbunker gebaut, um jüdisches Leben einfach ein für alle Mal zu vernichten.

Ich glaube, an diese Tatsache muss man erinnern, auch wenn ich finde, dass wir bei dem Thema Staatsvertrag zwi

schen dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden und dem Land Hessen nicht nur in die Vergangenheit blicken sollten. Vor allem sollte das auch zukunftsweisend sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Hessen war eines der ersten Bundesländer, das einen Staatsvertrag mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden unterzeichnet hat. Der damalige Ministerpräsident Börner und der damalige Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden, Max Willner, haben diesen Vertrag 1986 unterzeichnet.

Inzwischen – aber wesentlich später – haben die anderen Bundesländer nachgezogen. Sie haben vergleichbare Staatsverträge abgeschlossen, die meisten aber erst nach der Jahrtausendwende, einige erst in den vergangenen Jahren.

Das zeigt, dass Hessen schon früh die Notwendigkeit erkannt hat, die Besonderheit des Verhältnisses zu den jüdischen Gemeinden und ihren Institutionen zu berücksichtigen und in Gesetzesform zu gießen. Man hat damals per Gesetz dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden die bereits laufende Unterstützung zugesichert, sodass dies dann nicht zum Spielball in Haushaltsdebatten werden konnte. Man hat ihm also eine finanzielle Perspektive fest zugesichert. Es ist gut so, dass dies sogar auf Dauer zugesichert wurde.

Damit hat man den Landesverband der Jüdischen Gemeinden den christlichen Kirchen mehr oder weniger gleichgestellt. Ich glaube, das war ein sehr bedeutender und für das Verhältnis des Landes zu den jüdischen Gemeinden wichtiger Schritt, für den wir sehr dankbar sein können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Die mit dem Staatsvertrag verbundene Förderung ist vielfältig. Sie unterstützt das kulturelle jüdische Leben, soziale Einrichtungen von der Kita bis zum Altenzentrum und nicht zuletzt die Erinnerungskultur. Es ist gut, dass diese Arbeit mit der Verlängerung des Vertrags für weitere fünf Jahre gesichert wird. Es ist eine Bereicherung, dass jüdisches Leben in Hessen wieder fest verankert ist. Auch das wird mit der Verlängerung des Staatsvertrags bekräftigt.

Der Ministerpräsident hat vorhin bereits darauf hingewiesen, dass jüdische Kultur in Hessen hessische Kultur ist. Genau deshalb freue ich mich darüber, dass dieser Gesetzentwurf heute eine breite Zustimmung erfährt. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU, bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wir freuen uns natürlich auch über die zusätzliche Förderung für den Landesverband und die Jüdische Gemeinde Frankfurt, die neben den jährlichen 4 Millionen € gewährt werden wird. Die Isaak Emil Lichtigfeld-Schule in Frankfurt ist die einzige jüdische Schule in Hessen. Deswegen halte ich es für angemessen und richtig, dass wir den Ausbau dieser Schule, konkret die Erweiterung um eine Oberstufe, damit gesondert fördern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden verstehen, dass ich mich als Frankfurterin darüber besonders freue.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren, die Grundlage des Staatsvertrags zwischen dem Land Hessen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen half, den Menschen, die reemigriert waren, wieder dauerhaft jüdisches Leben in Hessen zu begründen, wofür wir sehr dankbar sind. Ich möchte noch kurz erwähnen, was für eine unglaublich große Integrationsleistung vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen mit der Integration der osteuropäischen Zuwanderer erbracht worden ist. Das ist gut und geräuschlos gelaufen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)