Protocol of the Session on July 14, 2016

haben hier wohl vorsätzlich um das Thema herumgeredet und nicht den eigentlichen Punkt herausgearbeitet.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es geht nicht darum, was die Kommunen und das Land und der Bund und alle staatlichen Stellen geleistet haben, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken, sondern es geht um die Qualität in den Einrichtungen. Damit müssen wir uns beschäftigen. – Herr Merz, Sie nicken so viel bei meiner Rede, ich möchte Ihnen nur eines freundschaftlich mitgeben: Machen Sie Ihren Frieden mit dem KiföG. Es gibt hier auf absehbare Zeit keine Mehrheit, die dieses Gesetz grundlegend ändert.

(Günter Rudolph (SPD): Nur in dieser Legislaturperiode nicht!)

Machen Sie Ihren Frieden mit dem KiföG. Dann können wir auf dieser Ebene auch vernünftig über die Stärkung der Qualität diskutieren. Das müssten Sie einmal einsehen. Ich glaube, dann würden FDP und SPD hier häufiger an einem Strang ziehen können.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir uns mit Zahlen beschäftigen, sollten wir vielleicht einmal einen größeren Rahmen zugrunde legen. Wir sind in Deutschland, was die frühkindliche Bildung angeht, im europäischen Vergleich wirklich erbärmlich aufgestellt. An dieser Stelle gibt es in Deutschland gesellschaftlichen Nachholbedarf.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Zurufe von der CDU: Oje! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Das gilt für alle Parteien, und darum muss man auch den Gesamtrahmen sehen. Wenn wir uns das Verhältnis zwischen dem ansehen, was wir in Deutschland für Soziales auf der einen Seite und für Bildung auf der anderen Seite ausgeben, stellen wir fest, es gibt ein intensives Ungleichgewicht. Wir alle wissen, wenn wir es am Anfang an Chancengerechtigkeit fehlen lassen, müssen wir das nachher durch massive Ausgleichsmaßnahmen wiedergutmachen. Darum ist diese Investition in die frühkindliche Bildung sozialpolitisch und gesellschaftspolitisch geboten.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Jetzt müssen wir einmal zu einem Konsens kommen. Es muss ein uns verbindender Konsens hergestellt werden, bei dem wir sagen: Wir haben uns in Deutschland auf den Weg gemacht; aber wir müssen gemeinsam besser werden. Wir müssen bei der Herstellung von Chancengerechtigkeit in den frühkindlichen Einrichtungen – die aus meiner Sicht Bildungseinrichtungen sind – besser werden. Alle – nicht nur eine einzelne Partei oder eine einzelne Fraktion – haben mehr zu tun, denn hier besteht in Deutschland Handlungsbedarf.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Herr Bocklet, ich nehme an, dass die Fraktion der GRÜNEN das der CDU abhandeln musste. Es gab hier einmal das Modellprojekt „Qualifizierte Schulvorbereitung“. Das war ein Modell, das wissenschaftlich begleitet worden ist. Wer sich die Mühe gemacht hat, die Auswertung zu studieren, konnte feststellen, dass gerade die Kinder, die etwas schwächer sind, davon profitieren. Das ist nicht mit viel Geld verbunden. Es geht um eine Strukturierung. Wenn

man das hessenweit ausweiten würde, hätte man einen weiteren Schritt getan.

Vielleicht kann sich die CDU an der Stelle einmal gegen die GRÜNEN durchsetzen und wenigstens dieses Programm weiterverfolgen: Verbesserungen beim Übergang von der Kindertagesstätte in die Schule. Hier besteht nämlich Handlungsbedarf. Hier haben wir wissenschaftliche Erkenntnisse, und hier haben wir eine Struktur, die ausgewertet worden ist. Man könnte Geld in die Hand nehmen und morgen mit der Umsetzung beginnen. Damit wäre schon ein kleiner Schritt in die richtige Richtung getan. Hier ist es leicht möglich, den Handlungsbedarf zu befriedigen. Man könnte im Haushalt etwas Geld dafür einstellen, und dann könnte man in Hessen sofort damit anfangen.

(Beifall bei der FDP)

Noch einmal zur Chancengerechtigkeit und zur Qualität: In der Bertelsmann-Studie werden nicht nur die Quantitäten dargestellt, sondern es geht auch um die Frage: Wie ist das Bewusstsein der Mitarbeiter in den Einrichtungen vor Ort zu stärken? Wie ist das Bewusstsein der Verantwortlichen in den Kommunen dafür zu stärken, dass sie Bildungsträger sind?

Wenn die Kommunen rund 70 % der Maßnahmen zur frühkindlichen Bildung aus ihren Etats finanzieren, müssen sie sich auch als Bildungsträger verstehen. Schließlich tragen sie zurzeit in Hessen die Hauptlast dieser Aufgabe. Das ist in anderen Bundesländern anders. Aber so ist es hier nun einmal. Die Kommunen sind Partner in diesem Bereich, und wir müssen die Kommunen weiter stärken, damit sie diese Aufgaben vernünftig bewältigen können.

Von anderen Fraktionen sind hier schon Initiativen gestartet worden, um einen kostenfreien Besuch von Kindertagesstätten zu ermöglichen. Ein genauso wichtiger Punkt ist für uns Liberale aber ganz klar die Qualität der Kindertageseinrichtungen in Hessen. Da sind Schritte gemacht worden, wie es auch in der Bertelsmann-Studie heißt.

Man darf sich daher jetzt nicht in einem Klein-Klein zwischen den Parteien verlieren, sondern es muss uns allen klar sein, dass neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Aufgabe, Chancengerechtigkeit in der frühkindlichen Bildung herzustellen und die Qualität der Bildungsstätten zu verbessern, mindestens gleichrangig ist. Genau das ist unser Begehr. Es ist gut, dass wir heute noch einmal die Chance hatten, darauf hinzuweisen. Ich glaube, das wird in diesem Plenum noch häufiger ein Thema werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Das Wort hat der Sozialminister, Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Veröffentlichung der Bertelsmann-Studie war absehbar, dass über dieses Thema im Landtag erneut debattiert wird. Deswegen möchte ich am Ende dieser Debatte einiges klarstellen.

Richtig ist, dass nach dem diesjährigen Länderreport der Bertelsmann Stiftung die Personalschlüssel in den Kitas

deutschlandweit nicht so sind, wie es die Bertelsmann Stiftung gern sähe. Ob es richtig ist, was die Bertelsmann Stiftung haben will, mag dahingestellt sein.

Aber man muss in der Studie an dieser Stelle weiterlesen und sich dann ansehen, was die SPD beantragt hat. Hessen ist weiß Gott kein Schlusslicht – das unterstellt lediglich die SPD –; nach der Studie steigt nämlich die Qualität der Bildung und der Betreuung in deutschen Krippen und Kindergärten. Der Personalschlüssel ist deutlich besser geworden. Das gilt deutschlandweit; also gilt es auch für Hessen. Hessen ist an dieser Stelle kein Schlusslicht, sondern es befindet sich, wie schon dargestellt, in vielen Bereichen in der Spitzengruppe.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

All dies ist unter Berücksichtigung der Mammutaufgabe zu bewerten, die wir gemeinsam zu schultern hatten, nämlich – auch in dem Zeitraum zwischen der Veröffentlichung dieser beiden Studien – Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren zu schaffen, sie auszubauen und die Betreuung qualitativ zu verbessern, also die Stellen mit Fachpersonal zu besetzen.

Ich halte an dieser Stelle ein Dankeschön an die Kommunen und an die Träger für angebracht, die diese Leistungen erbracht haben: massiv U-3-Plätze auszubauen und den Personalschlüssel nicht nur zu halten, sondern sogar zu verbessern. Es ist eine tolle Leistung, die da erbracht worden ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zeigt sich ganz besonders in den Kinderkrippen. Hier ist die Verbesserung des Personalschlüssels deutlich spürbar. Ich finde auch, es ist der richtige Ansatz, gerade bei den Jüngsten in den Kinderbetreuungseinrichtungen eine drastische Verbesserung beim Personalschlüssel vorzunehmen. Dies ist in den letzten Jahren erreicht worden, von der Mindestverordnung im Jahr 2001 über die Mindestverordnung im Jahr 2008 bis zum Hessischen Kinderförderungsgesetz im Jahr 2014.

Wir müssen an dieser Stelle auch berücksichtigen, dass wir nach wie vor vor hohen Herausforderungen hinsichtlich des Platzausbaus stehen. Diese Herausforderungen bleiben auf einem hohen Niveau, nicht zuletzt weil – das ist ausgesprochen erfreulich – die Geburtenrate in unserem Land wieder steigt. Aber es kommen auch viele Kinder aus anderen Ländern zu uns, und denen wollen wir eine genauso gute Betreuung bieten. Deswegen sage ich an dieser Stelle noch einmal: In den Kinderkrippen ist der Personalschlüssel besser als im Bundesdurchschnitt.

Man darf an dieser Stelle aber nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Wenn es z. B. um Fachkraftrelationen geht, muss man mit berücksichtigen, wer in welchem Land als Fachkraft anerkannt wird. Baden-Württemberg ist in allen von der Bertelsmann Stiftung untersuchten Bereichen mit Abstand führend. Das ist vollkommen klar. Allerdings kann dort eine Dorfhelferin nach einer 25-tägigen Qualifizierung als Fachkraft anerkannt werden, während das in Hessen weiß Gott nicht der Fall ist.

Frau Schott, man muss sich auch immer wieder vor Augen führen, wie man dort dasteht, wo man Verantwortung hat. Dort, wo Mitglieder Ihrer Partei die Minister für das entsprechende Ressort stellen, sind die Betreuungsrelationen

deutlich schlechter als in Hessen. In Brandenburg und in Thüringen liegen sie nämlich bei 1 : 6,3 bzw. 1 : 5,3, während sie in Hessen bei 1 : 3,8 liegen. Da sind wir ganz weit vorne.

(Beifall bei der CDU)

Machen Sie deswegen lieber an den Stellen, an denen Sie Verantwortung tragen, Druck, anstatt hier immer nur neue Forderungen zu stellen. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich: Man muss, wenn man einen solchen Vergleich zieht, auch das Niveau der Ausbildung betrachten. Das wird in der Studie auch beleuchtet. Es zeigt sich, dass die Fachkraftqualifikation in Hessen ausgesprochen gut ist. In Hessen ist der Anteil des Kindertagesstättenpersonals mit einem fachlich einschlägigen Hochschulabschluss mit am höchsten: 10 %. Weitere 68 % der hessischen Fachkräfte verfügen über einen fachlich einschlägigen Fachschulabschluss. Das ist deutlich mehr als der Durchschnitt in den westdeutschen Ländern. Wie gesagt, Haus- und Familienpflegerinnen sowie Dorfhelferinnen mit einer 25-tägigen Qualifizierung werden in Hessen nicht als Fachkraft anerkannt, und das wird auch in Zukunft so sein.

Trotzdem müssen wir über die Fachkräfte reden. An dieser Stelle ist vielleicht eine Zahl ganz interessant, was das pädagogische Personal in Kindertagesstätten in Hessen anbelangt. Wir hatten von 2014 auf 2015 eine Zunahme der Zahl der Kindertageseinrichtungen von 4.129 auf 4.193. Das sind 64 zusätzliche Kindertagesstätten.

Beim pädagogischen Personal ist die Zahl im gleichen Zeitraum von 41.851 auf 43.688, also um rund 1.800, gestiegen. Auf 64 Einrichtungen verteilt ist das nicht. Das heißt, in vielen Einrichtungen wurde zusätzliches pädagogisches Personal eingestellt, um die Kinderbetreuung auf einem hohen Niveau zu halten und sie sogar auszubauen. An dieser Stelle sind wir auf dem richtigen Weg.

Da helfen keine Unkenrufe seitens der SPD. Wir arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung der frühkindlichen Bildung, angefangen vom Bildungs- und Erziehungsplan über die Maßnahmen zur sprachlichen Bildung und Förderung bis zur Vorbereitung auf die Schule. Denn eines ist klar: In der Zwischenzeit ist eine Kindertageseinrichtung nicht mehr nur eine Betreuungseinrichtung, sondern auch eine Bildungseinrichtung. Diesem Auftrag widmen wir uns bewusst.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist der Antrag unter Tagesordnungspunkt 41 besprochen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 42 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Endlich: „Nein heißt nein“ – Veränderung des Sexualstrafrechts auch dank des Einsatzes von Hessen) – Drucks. 19/3585 –

Das Wort hat Frau Kollegin Erfurth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Verschärfung des Sexualstrafrechts hat der Bundestag in der letzten Woche endlich eine schmerzhafte Lücke im Sexualstrafrecht geschlossen. Er hat damit endlich eine wichtige Forderung vieler Frauenverbände und Frauenorganisationen quer durch alle Parteien aufgegriffen und dafür gesorgt, dass künftig auch im Sexualstrafrecht Nein wirklich nein heißt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ich bin sehr froh, dass Bundesjustizminister Heiko Maas noch die Kurve gekriegt und seinen ursprünglichen Gesetzentwurf an diesem Punkt deutlich nachgebessert hat. Sexuelle Handlungen gegen den erklärten Willen einer Person stehen künftig unter Strafe, und das ist auch gut so.