Protocol of the Session on July 13, 2016

Die meisten von Ihnen haben verschiedene Schleifen und Anläufe des Bundesfinanzministers gesehen, der versucht hat, die Steuer auf einen verfassungsfesten Weg zu führen. Es gab ziemlich große Einsprüche aus dem Süden der Republik, die jetzt noch einmal zu Einigungsversuchen geführt haben. Diese waren aber – dies sage ich ausdrücklich aus grüner Sicht – nicht Erfolg versprechend, weil damit aus unserer Sicht die Verfassungsfestigkeit der Erbschaftsteuer nicht gegeben ist. Viele Finanzexperten teilen diese Ansicht.

Es wird letztendlich von der Ausgestaltung der Erbschaftsteuer abhängen, ob und in welcher Höhe vermögensbezogene Steuern zum Steueraufkommen insgesamt beitragen und in welcher Höhe dann der von der Rechtsprechung immer wieder ins Feld geführte Halbteilungsgrundsatz beachtet wird. Ich sage an dieser Stelle ganz ausdrücklich: Die Erbschaftsteuer darf auch – da bin ich sehr bei Frau Kollegin Arnoldt – nicht dazu führen, dass der Klein- und Mittelstand, Wirtschaftsunternehmen, die in Hessen sehr prosperieren, ausgebremst wird. Das darf nicht passieren.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das will niemand!)

Das muss wirtschaftsfest passieren. Es muss dafür gesorgt werden, dass unsere Unternehmen weitergeführt werden können und die Erbschaftsteuer nachher nicht der Strick ist, an dem ein Unternehmen sozusagen stranguliert wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Diese Austarierung steht an, und diese ist wichtig. Dann bin ich wieder bei dem Paket. Wir müssen sehr genau schauen, wie das Paket der vermögensbezogenen Steuern geschnürt ist. Dann kann man sich unter Umständen darüber unterhalten, ob es noch eine Vermögensteuer braucht oder nicht. Aber diesen Punkt haben wir noch nicht erreicht. Deshalb kann ich in Richtung der Kollegen von der LINKEN nur sagen: Wozu eine Anhörung? Sie ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend, weil wir überhaupt nicht sagen können, in welche Richtung sich die Vermögensteuer entwickeln soll. Wir haben überhaupt kein Konzept, über das es sich zu diskutieren lohnt.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Es wäre nicht zielführend – liebe Frau Kollegin Schott – jetzt nur aus dem Grund eine Anhörung im Hessischen Landtag durchzuführen, um darüber einmal gesprochen zu haben, ob man denn vielleicht, unter gewissen Parametern, eine Vermögensteuer einführen könnte oder nicht, und um einen großen Auflauf von Finanzexpertinnen und -experten im Hessischen Landtag zu haben, wobei wir am langen Ende für den Gesetzentwurf gar nicht zuständig sind; denn das ist alles Bundesrecht.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Herr Dr. Wilken, das halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für eine Verschwendung unserer Arbeitszeit, wie ich es einmal formulieren will. Ich glaube, das nehmen wir uns wieder einmal vor, wenn wir klarer sehen und wissen, wie sich vermögensbezogene Steuern sortieren. Dann können wir uns hierüber noch immer unterhalten. Dann werden wir weitersehen, wie sich das Konzept der vermögensbezogenen Steuern entwickelt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Der nächste Redner ist Kollege SchäferGümbel, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einen herzlichen Dank an DIE LINKE, dass Sie die Anhörung der SPD-Landtagsfraktion für einen parteiinternen Willensbildungsprozess offensichtlich zum Anlass nehmen, diesen in öffentlicher Runde aufzurufen und zu verstärken. Das freut uns, weil es mir die Gelegenheit gibt, über Motive und Fragen, die damit verbunden sind, öffentlich zu reden.

Ich will mich zweitens ganz herzlich für die Einlassungen der Kollegin Erfurth, mit Ausnahme der letzten zwei Sätze, bedanken. Es war ein angenehmer Beitrag zu einer Sache, wie ich ihn in den letzten Monaten selten aus Ihrer Fraktion gehört habe.

(Beifall bei der SPD)

Ich will es offen sagen: Frau Erfurth, jeden Satz, den Sie gesagt haben, kann ich ausdrücklich unterschreiben. Insofern werde ich mich in weiteren Teilen dazu kurz fassen. Das Motiv, dem nicht zustimmen zu wollen, ist allerdings ein bisschen anders gelagert. Dazu komme ich am Ende.

Ich will ausdrücklich Ihre erste Bemerkung aufnehmen und sie auch an den Anfang meiner Ausführungen stellen. Wir streiten uns im Moment in der Republik auf der einen Seite über den Vorschlag aus den Unionsreihen, Steuersenkungen vorzunehmen. Auf der anderen Seite streiten wir uns darüber, mehr Steuergerechtigkeit vorzusehen. Was ist der Unterschied?

Erstens. Der Unterschied ist der, den Frau Erfurth gerade beschrieben hat, dass Steuern kein Selbstzweck sind. Wir zahlen Steuern für das, was wir uns individuell nicht leisten können: Straßen, Schulen, Schwimmbäder, Sozialstationen und vieles andere mehr.

Zweitens. Wir tun das nach dem Leistungsprinzip. Hinzu kommt ein Thema, das in den letzten Monaten in den Debatten eine deutlich stärkere Rolle gespielt hat, nämlich die Erkenntnis bei denen, die uns 20 Jahre lang genau das Gegenteil erklärt haben, dass zunehmende soziale Ungleichheit – das hat auch etwas mit Steuer- und Eigentumsfragen zu tun – Wachstum und Wohlstand behindert.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das gilt nicht nur im globalen Maßstab, sondern auch im nationalen. Dazu haben sich das DIW, die OECD und andere Forschungsinstitute in den letzten Monaten sehr pointiert geäußert. Deswegen passt diese Debatte, die wir jetzt führen, sehr gut zu der Debatte, die wir heute Morgen hatten. Es geht genau um die Frage, wie wir die unstreitigen Bedarfe für die öffentliche Hand finanzieren.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Bei der Verkehrswende, in Bildungsfragen, beim Kommunikation- und Breitbandausbau, im Hoch- und Tiefbau – das sind alles Themen, bei denen wir wissen, dass wir erhebliche Defizite und enorme Investitionsbedarfe haben. Alleine in Hessen haben wir – durch ein Gutachten definiert – bis Ende des Jahrzehnts einen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf bei Straße und Schiene von 10 Milliarden €.

(Heike Hofmann (SPD): Hört, hört!)

Das gilt alleine für Hessen, nur für Sanierung und Modernisierung. Dabei ist kein einziges Neubauprojekt eingeschlossen. Deswegen werden wir auch in Zukunft darüber nachzudenken haben, wie wir diese unstreitigen Bedarfe wechselseitig finanzieren.

Es kommt ein zweites Thema hinzu, das zumindest uns wichtig ist – das ist der einzige Halbsatz des Kollegen Hahn, den ich teile –, dass es mit Blick auf die Entlastungen und Belastungen in der Tat mindestens zwei Themen gibt. Eines teilen wir. Das ist die Frage, wie wir mit der kalten Progression umgehen. Wie können wir dabei zu Fortschritten kommen? – Das ist ein wichtiges Thema.

Das zweite Thema, das uns wichtig ist, ist, insbesondere kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Wir wissen, dass wir dabei auf der Steuerseite wenig tun können, weil wir dort bereits ziemlich viel erreicht haben. Wir müssen die Abgabenseite anschauen. Das wird am Ende auch nur dadurch gehen, dass diejenigen, die in unserer Gesellschaft besonders leistungsfähig sind und die im Verhältnis deutlich weniger zum Gemeinwesen beitragen, einen angemesseneren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher und gesellschaftlicher Aufgaben leisten. Genau darum geht es bei dieser Debatte.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Lassen Sie mich ausdrücklich sagen, es gibt ein Thema, das wir ab und zu bei den Haushaltsdebatten kurz ansprechen, bei dem Sie aber ganz schnell wieder zur Tagesordnung übergehen, wenn es darum geht – Herr Hahn hat es ausdrücklich zum Thema gemacht –, dass wir so hohe Steuereinnahmen haben. Das ist so. Wir erleben jedes Jahr Steuermehreinnahmen – übrigens immer mit dem Hinweis: Rekordsteuereinnahmen. Das ist in der überwiegenden Mehrzahl aller Jahre so. Wenn wir nicht mehr Steuereinnahmen als im Vorjahr hätten, hätten wir eine Krise. Ich will nur diesen kleinen Hinweis geben. Wir haben die öffentlichen Haushalte im Moment deswegen so gut im Griff, weil zwei Punkte zusammenkommen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Erstens. Wir haben eine im Verhältnis gute Konjunkturlage. Die ist allerdings im Wesentlich durch einen besonders günstigen Ölpreis intendiert.

Zweitens. Wir haben ein Zinsniveau, das dafür sorgt, dass sich Verschuldung rasant abbauen lässt, wenn man es denn will, weil man bei der Refinanzierung öffentlicher Haushalte deutlich weniger Aufwendungen leisten muss als vorher.

Das sind beides Faktoren, der Ölpreis wie die Zinssituation, die sich deutlich den Einflussmöglichkeiten dieses Hauses entziehen. Es kann sich auch schnell ändern. Deswegen werden die Fragen der Verteilung in der Zukunft auch eine größere Rolle spielen müssen.

Jetzt geht es um die Frage, ob eine solche Anhörung Sinn macht oder nicht. Dazu will ich zwei Anmerkungen machen, weil wir weder dem einen noch dem anderen Antrag zustimmen werden, sondern uns bei beiden enthalten.

Die Frage der vermögensbezogenen Besteuerung ist ein wichtiges Thema. Wir würden sofort mit Ihnen in die Debatte gehen. Die Grundlage dafür ist aber eigentlich, dass es dafür einen Gesetzentwurf gibt. Den haben Sie nicht vorgelegt. Deswegen weiß ich nicht, wie wir, außer der allgemeinen Debatte, damit umgehen wollen. Wir werden Ihrem Anliegen nicht zustimmen, weil es ohne Grundlage keinen Sinn macht.

Wir werden aber genauso wenig dem schwarz-grünen Antrag zustimmen. Dieser Antrag ist einer der unintelligenteren Formen der letzten Monate, Ihren inhaltlichen Dissens auf ein Papier zu schreiben. Wenn Sie hier gar nichts eingebracht und es abgelehnt hätten, weil Sie es nicht wollen, wäre es in Ordnung gewesen. Aber auf unterschiedliche Debatten auf der Bundesebene zu verweisen und zu sagen, man könne deswegen nicht darüber reden, halte ich für einen der weniger intelligenten Versuche der letzten Monate, über Ihren inhaltlichen Dissens, der auch in den beiden Reden sehr deutlich zum Ausdruck gekommen ist, hinwegzugehen. Deswegen werden wir auch diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will ausdrücklich eine Bemerkung der Kollegin Erfurth zum Thema Erbschaftsteuerreform aufnehmen. Das ist der wesentliche Grund, weshalb wir uns in dieser Frage wieder genähert haben, ob nämlich das Thema Vermögensteuer im Rahmen der Debatte um Steuergerechtigkeit ein Beitrag sein kann. Das ist in der Tat der aktuelle Prozess zur Erbschaftsteuer. Der deutlich einfachere Weg, eine bessere vermögensbezogene Besteuerung hinzubekommen, wäre der Weg über eine sinnvolle Erbschaftsteuer. Da sind wir

in der Sache völlig beieinander, übrigens bis hin zu dem Punkt, ob das, was vorliegt, am Ende möglichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts standhält. Ich teile ausdrücklich die Skepsis vieler Fachleute. Deswegen ist die Anrufung des Vermittlungsausschusses auch ausdrücklich richtig gewesen.

Ich hätte mich gefreut – da waren wir auch nicht mit allem zufrieden, was gekommen ist –, wenn sich der Bundesfinanzminister zusammen mit der Kanzlerin gegen die bayerischen Freunde hätte durchsetzen können.

(Beifall bei der SPD)

Da liegt das eigentliche Problem, dass wir keinen substanziellen Schritt vorankommen. Insofern sind wir sehr beieinander. Damit will ich am Ende die Gelegenheit nutzen, über den Gesetzentwurf, den wir gerade diskutieren, ein paar Sätze zu verlieren.

Worum geht es in unserem Gesetzentwurf? – Ich weiß nicht, woher Frau Arnoldt die 500.000 € hat außer aus der Regelung, dass bei denjenigen, die als Einzelpersonen 3,5 Millionen € Vermögen aufweisen, der Steuersatz auf einen Freibetrag von 500.000 € sinken wird. In dem Bereich der betrieblichen Vermögen haben wir in unserem Gesetzentwurf – dieser liegt Ihnen nicht vor, weil es ein innerparteilicher Gesetzentwurf ist – einen Freibetrag von 5 Millionen € vorgesehen.

Die Steuerberaterkammer hat in unserer Anhörung sehr kluge Hinweise gegeben, wo die Probleme liegen, ob das am Ende hinzubekommen ist und ob das reicht. Deswegen werden wir das auch nacharbeiten.

Die drei wesentlichen Punkte – ich muss das jetzt sehr kurz machen – sind:

Erstens. Ist das verfassungsmäßig? – Da ist die Anhörung aus unserer Sicht sehr eindeutig gewesen. Im Gegenteil, es gibt sozusagen ein Verfassungsgebot, Vermögensbesteuerungen vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Bei der Frage von Aufwand und Ertrag weiß ich nicht, woher Sie Ihre Mondzahlen haben. In der Anhörung haben alle Fachleute gesagt, Aufwand und Ertrag bewegen sich im Verhältnis von maximal 5 bis 8 % des Ertrags der Steuer, so wie in allen anderen Bereichen. Das war die einhellige Einschätzung aller Fachleute.

Drittens. Die Frage, ob das für Familienunternehmen substanzgefährdend ist oder nicht. Da muss im Gesetzentwurf nachgearbeitet werden. Deswegen haben wir das auch nicht vorgelegt.

Ich will am Ende noch zwei Zahlen zum Besten geben. Von dem, was wir vorlegen, ist eine Person von 100 betroffen – in Deutschland also zwischen 150.000 und 400.000 Familien, je nachdem wie die Freibeträge liegen, mit einem Ertrag von etwa 10 Milliarden € jährlich. Das würde für die Landeskasse etwa 800 Millionen € bedeuten.

(Norbert Schmitt (SPD): Nicht schlecht!)