Protocol of the Session on July 13, 2016

(René Rock (FDP): Wenn Sie wollten! – Weitere Zurufe von der SPD und der FDP)

Kolleginnen und Kollegen, bitte etwas mehr Ruhe für den Redner.

Dabei bestand doch schon einmal Konsens, dass Investitionen, die das in einer Volkswirtschaft vorhandene Sachkapital modernisieren, nur dann sinnvoll sind, wenn das Wissen und die Fähigkeiten der Menschen mit entwickelt werden. Wir GRÜNE jedenfalls halten es zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft für wesentlich, hier eine Gesamtschau durchzuführen und nicht nur einen partiellen Investitionsbegriff anzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt will ich einmal beispielhaft das Lieblingsthema der SPD aufrufen – es wurde deutlich angesprochen –: den Straßenbau. Sie fordern in den Punkten 3 und 4 des Antrags wie gewohnt im Ergebnis höhere Ausgaben des Landes.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Dabei übersehen Sie, dass es eine klare und richtige Priorisierung der schwarz-grünen Regierungsmehrheit zugunsten

von Erhalt und Sanierung von Straßen gibt, bei der wir nicht – jetzt kommt es – zuallererst auf den Eigentümer der Straße schauen. Dies tun wir, obwohl der Bund seine finanziellen Verpflichtungen zulasten der Länder stets deutlich herunterrechnet – Stichwort: Planungskosten.

Deshalb haben wir, nachdem der Bund – in dessen Regierung Sie von der SPD übrigens mit die Verantwortung tragen, nicht wir – jetzt endlich mehr finanzielle Mittel bereitstellt, innerhalb des Ansatzes Straßenbau eigene Landesmittel umgeschichtet, damit am Ende so viele Sanierungsmaßnahmen wie möglich durchgeführt werden können. Genau das ist richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Den Nutzern der Straße ist es nämlich ziemlich egal, welcher Buchstabe vor ihrer Nummer steht, Hauptsache, die Straßen sind in einem ordentlichen Zustand.

(Norbert Schmitt (SPD): Wenn es so wäre!)

Ein weiteres Thema des Antrags der SPD will ich aufgreifen: den Wohnungsbau. Ich tue das nicht ohne den Hinweis, dass es trotz Föderalismusreform hierfür weiterhin eine Verantwortung beim Bund gibt, die konkret beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit angesiedelt ist, welches von der Sozialdemokratin Barbara Hendricks geleitet wird.

Soeben hat der Bund zugesagt, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau für 2017 für ganz Deutschland um eine halbe Milliarde € aufzustocken. Das wären für Hessen rund 40 Millionen €, vielleicht auch ein bisschen mehr. Wenn Sie dies nun aber mit unserem schwarz-grünen Programm von rund 1 Milliarde € bis 2019 vergleichen, dann müsste Ihnen selbst durch die getrübte Oppositionsbrille auffallen, dass bei den in Punkt 7 des Antrags genannten Versäumnissen die Landesregierung die falsche Adresse ist und der zutreffende Vorwurf eher an Ihre Parteifreunde in Berlin gehen sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich muss zum Schluss kommen, deswegen ganz kurz die Zusammenfassung: Die SPD kritisiert die Landesregierung, hat aber selbst keinerlei realisierbare Alternative zu bieten. Mein sehr zugewandter Rat an Sie lautet deshalb: Verharren Sie nicht im Miesmachen, sondern erarbeiten Sie Konzepte, dann finden Sie auch Zustimmung. Für den Antrag, den Sie vorgelegt haben, können Sie unsere Zustimmung leider nicht erhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt politische Mythen. Diese Mythen werden so oft wiederholt, bis sie sich in den Köpfen verfangen und nicht mehr hinterfragt werden, ob sie nun logisch sind oder nicht. Zu diesen Mythen gehören die sogenannte Schuldenbremse und die

dahinterstehende Logik, dass man nur genug kürzen und sparen müsste, damit es allen irgendwann besser gehe. Das Ganze wird dann noch damit unterstrichen, dass argumentiert wird, das müssten wir machen, weil das unsere Pflicht gegenüber den nachfolgenden Generationen sei.

Dann werden wacklige Bilder bemüht und Vergleiche gemacht: Der Staat wird mit einem Privathaushalt verglichen, was natürlich völlig außer Acht lässt, dass ein Privathaushalt in der Regel nicht selbst über seine Einnahmen entscheiden kann.

(Michael Boddenberg (CDU): Sehen Sie das anders? – Clemens Reif (CDU): Der Sozialismus war auch so eine Mythe!)

Der Staat hingegen kann das. Deshalb ist es die erste Verantwortung des Staates, dass er eine Steuerpolitik macht, die dafür sorgt, dass er genug Einnahmen hat, um seine Ausgaben zu decken.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Dann ist gern die Rede von der schwäbischen Hausfrau. Das soll untermauern, dass Kredite aufzunehmen und Schulden zu machen des Teufels sei und dass ein Staat sich nicht verschulden sollte. Dabei ist es ein vollkommener Unsinn, die Schuldenaufnahme zu verbieten, wenn Schulden aufgenommen werden, um Investitionen zu tätigen. Das macht jedes gesunde Unternehmen so. Das macht auch jeder private Mensch so: Man spart natürlich nicht Geld, um sich mit 80 Jahren ein Haus zu kaufen, sondern man nimmt viel früher einen Kredit auf und macht das bis zum Ende seines Berufslebens.

(Michael Boddenberg (CDU): Haben Sie eigentlich eine Bilanz gelesen? Ich glaube, nicht! – Judith Lannert (CDU), an Michael Boddenberg (CDU) gewandt: Nein, sie weiß gar nicht, was das ist! – Armin Schwarz (CDU): Dann wird es auch zurückgezahlt! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ja, ganz genau. – Deshalb finde ich das grob fahrlässig, was Sie machen. Gerade in Zeiten, in denen sich der Staat praktisch zinsfrei Geld leihen kann, ist es grob fahrlässig, diese Investitionen zu unterlassen.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Es ist nichts daran gerecht, wenn gekürzt wird, dass es quietscht, statt die Einnahmen zu verbessern, indem man Konzerne und Reiche wieder stärker zur Kasse bittet. Es ist nichts daran gerecht, wenn wir mangels Investitionen nachfolgenden Generationen eine zerrüttete Infrastruktur hinterlassen. Wir haben bei der Einführung der Schuldenbremse davor gewarnt: Die Schuldenbremse wird eine Investitionsbremse sein. – Das hat sich leider bewahrheitet.

Ich will noch einmal deutlich machen, dass das, was Sie hier machen, langfristig viel teurer ist. Wenn man Sanierungen und Modernisierungen immer unterlässt, wird es irgendwann noch teurer. Meine Damen und Herren, deswegen ist das eine völlig falsche Logik.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos) – Michael Boddenberg (CDU): Dann gehen wir pleite!)

Wer sind nun die Leidtragenden dieser Politik? – Das ist natürlich die Infrastruktur, die in Teilen marode ist. Es sind aber auch die Landesbeschäftigten, und ich will noch ein

mal daran erinnern, dass gestern Beamtinnen und Beamte hier vor dem Landtag demonstriert haben. Sie haben unsere volle Solidarität.

Ich will auch daran erinnern, dass es die DGB-Vorsitzende Gabriele Kailing war, die gesagt hat, wir haben zwei Probleme: Das eine Problem sind die Steuerreformen insbesondere um die Jahrtausendwende, weil diese Steuerreformen dafür gesorgt haben, dass der Staat heute wesentlich weniger Geld hat als zuvor und die öffentlichen Kassen systematisch geleert wurden. Das zweite Problem ist die Schuldenbremse. – Da kann ich nur sagen, Gabriele Kailing hat vollkommen recht. Wir unterstützen die Kritik des DGB.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Folge ist dann eine Unterfinanzierung der Kommunen, es ist die weitere Erhöhung von Gebühren, es ist der Verkauf öffentlichen Eigentums, nämlich die fortschreitende Privatisierung. Wen trifft das denn? – Das trifft vor allem Menschen mit geringem Arbeitseinkommen, es trifft Rentnerinnen und Rentner, Erwerbslose und Auszubildende. Wenn diese besonders Betroffenen dann noch Reste des Sozialstaats erhalten wollen, sollen sie ihn selbst bezahlen – so das Kalkül. Ja, ein Vermögender braucht keinen Sozialstaat. Er ist nicht darauf angewiesen.

(Zuruf des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Aber die Menschen sind darauf angewiesen, dass Länder und Kommunen handlungsfähig sind, und die Schuldenbremse hat sie in Teilen genau dieser Spielräume beraubt. Die Schuldenbremse wird jetzt herangezogen, wann immer man irgendwo eine Kürzung durchsetzt und wann immer man irgendwo Sozialabbau durchsetzt. Das ist genau das Problem und die Krux bei dieser Gestaltung.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Weil sie richtig ist! – Gegenrufe von der LINKEN)

Herr Arnold, wenn Sie das jetzt einwerfen: Ich meine, dass die Landesregierung, der Sie ja in Teilen angehört haben, die Schuldenbremse verinnerlicht hätten, dagegen sprechen ja nun alle Zahlen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU)

Von daher: Entweder waren Sie zu unfähig, um weniger Schulden aufzunehmen, oder aber Sie hatten auch das Problem, dass die Einnahmen weggebrochen sind. Wenn Sie es in Ihrer Zeit als Finanzstaatssekretär offensichtlich nicht auf die Reihe bekommen haben, den Schuldenstand zu reduzieren, kann das entweder an Ihnen liegen oder daran, dass wir eine falsche Steuerpolitik haben. Das können Sie sich aussuchen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Clemens Reif (CDU): Die Schuldenbremse wäre einmal ein Konzept für Venezuela gewesen!)

Es ist schön, dass die SPD heute diesen Antrag stellt. Leider haben Sie damals auch der Schuldenbremse zugestimmt. Ich will aber auch noch einmal darauf hinweisen, dass die GRÜNEN im Bund gerne den Bundesfinanzminister dafür kritisieren, dass er dem Fetisch der schwarzen Null hinterherrennt. Hier in Hessen aber regiert die schwarze Null mit Beteiligung der GRÜNEN. Ich finde, dazu hat Herr Kaufmann gerade einen Beitrag geleistet und das noch einmal anschaulich dargestellt.

(Zurufe von der LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, im Landeshaushalt lässt sich das deutlich nachvollziehen. Nach der aktuellen Finanzplanung des Landes sollen die Investitionen im Jahr 2019 satte 23 % niedriger liegen als noch im Jahr 2013. Auf Kosten nachfolgender Generationen will der Finanzminister hier im Jahr 2019 fast eine halbe Milliarde € weniger ausgeben als noch im Jahr 2013. Genau so wirkt diese generationengerechte Schuldenbremse schon jetzt.

Die Investitionsausgabenquote des Landes ist zum dritten Mal in Folge rückläufig, gegenüber dem Negativ-Rekordwert von vergangenem Jahr ist sie noch einmal um fast einen Prozentpunkt auf nur noch 9,3 % gesunken. Das heißt, es ist eine der niedrigsten Investitionsquoten, die wir bundesweit überhaupt haben. Ja, so kann man ein Land kaputtsparen.

(Beifall bei der LINKEN)

Investitionen wären nicht nur sinnvoll, sie sind wirklich notwendig. Es gibt an vielen Orten Hessens höchst sanierungsbedürftige Schulen. Ich finde es in einem so reichen Land, ehrlich gesagt, nicht hinnehmbar, dass man Schulen oft daran erkennt, dass sie das marodeste Gebäude in der ganzen Umgebung sind. Wir haben Krankenhäuser und Straßen, die zum Teil in schlechtem Zustand sind, eine schlechte ÖPNV-Anbindung, und wir brauchen endlich eine ausreichende Internetanbindung. Auch im sozialen Wohnungsbau müsste dringend mehr investiert werden.

Der DGB Hessen-Thüringen hat im Frühjahr ein Papier vorgelegt und aufgezeigt, wie sehr die ausbleibenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur die Lebensqualität und den Wohlstand der Menschen sowie das Funktionieren der Wirtschaftskreisläufe beeinträchtigen. Ich finde, da sind die Spitze des Eisbergs natürlich die zerbröselnden Straßen und Brücken, aber auch die verfallenden Bahnhöfe.