Protocol of the Session on June 23, 2016

Das muss am Anfang festgehalten werden, weil die Energiewende eine Erfolgsgeschichte ist. Das gilt, obwohl wir im Jahr 2014 zwingend einen Neustart vornehmen mussten. Warum mussten wir den vornehmen? – Das will ich zur Historie auch noch einmal dokumentieren, damit es nicht vergessen wird.

Denn damals, im Herbst des Jahres 2010, hat eine schwarzgelbe Bundesregierung mit den entsprechenden Veränderungen in den relevanten Gesetzen entschieden, den unter Rot-Grün und Gerhard Schröder vereinbarten, rechtssicheren und planbaren Ausstieg aus der Atomenergie auszusetzen und den Einstieg in die Energiewende rückgängig zu machen – aufgrund welcher Motivlage auch immer.

Sechs Monate später kam Fukushima, und dann ist das Ganze innerhalb von wenigen Tagen erneut um 180 Grad gedreht worden. Durch das Chaos, das dadurch entstanden ist, dass wiederholt der mit den Energieversorgern vereinbarte, plan- und steuerbare Weg verlassen wurde, ist in der gesamten Energiewirtschaft ziemlich viel verbrannte Erde hinterlassen worden. Es wurden mehrfach milliardenschwere Investitionen aufgrund von politischen Entscheidungen in den Sand gesetzt. Das haben Sie in Berlin zu verantworten. Dieses Chaos müssen Sie bis heute aufräumen.

(Beifall bei der SPD)

Den gemeinsamen Anspruch, die Energiewende am Ende sauber, bezahlbar und sicher zu machen, unterschreiben erst einmal wir alle. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der entscheidende Punkt ist aber: Wie wird das anschließend gemacht,

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

auch vor dem Hintergrund, dass es den einen oder anderen gibt, der nach wie vor seinen Frieden mit der Energiewende nicht gemacht hat? Dazu gehört unter anderem Günther Oettinger, der es in kreativer Nutzung europäischer Regeln immer wieder erzwingt, über den Umweg des Beihilferechts wichtige Entscheidungen in Deutschland durch die Europäische Kommission notifizieren zu lassen.

Im Übrigen: Dass wir seit sechs Monaten bei der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, eines der für die Industriepolitik entscheidendsten Themen überhaupt, nicht vorankommen, liegt daran, dass Günther Oettinger und die EU-Kommission die Frage der Zustimmung und Notifizierung zur KWK-Förderung davon abhängig machen, dass das EEG 3.0 ebenfalls zur Notifizierung vorgelegt wird. Ich finde es unmöglich, was da passiert, weil die Betreiber von KWK-Anlagen im Moment auf diese Entscheidung warten.

(Beifall bei der SPD)

Die Energiewende muss man wollen, und man muss sie auch richtig machen. Ich will das an den Anfang stellen, bevor ich zu unserem Problem mit der derzeitigen Novelle komme, nämlich dass der Ministerpräsident dem im Grundsatz zugestimmt hat. Ich kenne die Erklärungen, die er dazu abgegeben hat. Im Übrigen liegt mir auch der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zum Netzausbau vor.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswegen bin ich sehr überrascht über den Mut und das Selbstbewusstsein, mit dem Kollegin Dorn eben manch ein Argument vorgetragen hat.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Dorn, damit komme ich zum grundsätzlichen Problem, das wir im Zusammenhang mit der KWK-Förderung sehen. Sie haben am Ende sicher noch einmal Anlass, sich aufzuregen.

Ich will offen sagen: Bei dem Kompromiss, der getroffen wurde und den wir im Ergebnis mittragen werden – Herr Boddenberg hat eben darauf hingewiesen, wie schwierig Mehrheitsbildungen mittlerweile in Bundestag und -rat sind –, halte ich den beschlossenen Ausbaukorridor für die Biomasse für schwierig. Er überzeugt die hessische Sozialdemokratie und mich nicht, ist aber Bestandteil dieses Pakets.

Was die Fotovoltaik anbelangt, können wir im Wesentlichen mit den Entscheidungen leben. Sowohl die Hersteller als auch die Betreiber sind damit unter dem Strich zufrieden – einschließlich der Einbeziehung der 750-kW-Anlagen, um einmal ins Detail zu gehen. Man muss festhalten: Für diesen Bereich hat die Ausschreibung zweierlei erbracht. Erstens sind die Preise gesunken. Zweitens gibt es in der Summe deutlich mehr kleine Anbieter als vorher. Über die Ausschreibung im Bereich der Fotovoltaik sind kleine Anbieter, Stadtwerke und Bürgerenergiegenossenschaften gestärkt worden.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Dorn, beim Onshorewind haben wir in der Tat ein Problem. Die Ausbauziele sind nach wie vor festgelegt und gemeinsam verabredet. Sie bleiben so, wie sie bisher sind: 2,8 GW pro Jahr in den Jahren 2017, 2018 und 2019, aufbauend auf bis zu 2,9 GW bis zum Jahr 2025. Bis heute sind wir da schon ein gutes Stück weiter. Ich habe vorhin schon einmal gesagt: Die Ausbauziele sind in den ersten beiden Jahren deutlich überschritten worden. Der Netzausbau kommt dem aber nicht hinterher.

Herr Stephan, bei der De-minimis-Regelung sind wir ausdrücklich bei Ihnen. Wir würden das gerne machen. Aber ich muss leider gestehen, dass mir bisher noch keine besonders gute Idee eingefallen ist, wie wir die 18-MW-Anlagen-Regelung, um die es dabei geht, so gestalten, dass große Investoren sie nicht missbrauchen, indem sie ihre großen Anlagen und Parks in mehrere kleine zerlegen und damit die Ausbauziele wieder unterlaufen. Dann bekommen wir wieder das Problem mit dem Netzausbau. Kollege Rock hat zu Recht auf die Redispatchkosten hingewiesen, die bereits in diesem Jahr bei 1 Milliarde € liegen und in den nächsten Jahren auf bis zu 4 Milliarden € anwachsen können, wenn der Netzausbau nicht hinterherkommt.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Dorn, wir haben hier gemeinsam entschieden, dass wir die Erdverkabelung wollen. Wir haben das in dem Wissen getan, dass es 8 Milliarden € mehr kostet und der Netzausbau deutlich länger dauert. Wenn man das alles ernst meint, muss man sich irgendwann entscheiden, ob man konsequent bei den Entscheidungen bleiben, sie mittragen oder ständig aussitzen will, wenn es einem gerade einmal nicht passt.

Zum Offshorewind will ich nur so viel sagen: Auch dort müssen wir überraschenderweise feststellen, dass die Ausbauziele deutlich schneller erreicht wurden, als wir dachten. Auch der Anspruch der Industrialisierungsfähigkeit wurde ausdrücklich erfüllt – ich habe hier zweimal kritische Stellungnahmen dazu abgegeben, weil ich nicht glaubte, dass es so kommt.

Meine vorletzte Bemerkung: Mit dem Thema Bürgerenergiegenossenschaften habe ich Schwierigkeiten, weil die derzeitige Abgrenzung der Landkreise aus meiner Sicht systemwidrig ist. Darüber muss man auch reden, denn sie bildet teilweise absurde Grenzen.

(Beifall bei der SPD)

Dasselbe gilt für das Thema Netzengpässe. Ich bin da sehr bei Ihnen, dass wir bei den Netzengpässen eine andere Regelung finden müssen. Es ist auch verabredet, dass wir diese Frage klären werden. Deshalb ist die Aufregung in Ihrem Antrag völlig unangemessen.

(Lachen der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Damit komme ich zum letzten Punkt.

Herr Schäfer-Gümbel, aber bitte ganz knapp.

Das wird jetzt ganz knapp. – Wenn wir von Klimaschutzzielen sprechen, will ich Sie nur auf die Erklärung des CDU-Wirtschaftsrats von heute verweisen, der ausdrücklich den Pariser Klimavertrag infrage gestellt hat.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach ja?)

Vielleicht sollten Sie das in der Koalition einmal miteinander besprechen.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Haben wir auch!)

Danke, Herr Schäfer-Gümbel. – Für die LINKE erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, Frau Wissler, das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist nicht irgendein Gesetz, sondern es ist entscheidend für die Energiewende. Wenn ich im FDPAntrag lese, dass sich das EEG nicht bewährt habe und abgeschafft werden könne, dann frage ich mich wirklich, ob Sie die letzten Jahre klima- und energiepolitisch richtig verfolgt haben. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein sehr großer Erfolg. Die Frage ist: Wo stünden wir heute ohne das EEG?

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das EEG war zu Recht auch ein Vorbild für andere Länder. Hermann Scheer hat einmal gesagt, das EEG war das erste Energiegesetz, das gegen die Energiekonzerne durch

gesetzt wurde. Hätten wir das EEG nicht gehabt, dann wäre es vollkommen unmöglich gewesen, dass die erneuerbaren Energien heute einen Anteil von round about 30 % ausmachen; denn die großen Atom- und Kohlekonzerne haben systematisch versucht, die Energiewende zu blockieren. Das EEG hat eine wichtige Rolle gespielt. Natürlich hat es eine Lenkungsfunktion. Es ist vollkommen klar: Es ist ein Eingriff in den Markt.

(René Rock (FDP): Sie haben damit ja kein Probleme!)

Die FDP auch nicht, wenn es nur um die richtigen Marktteilnehmer geht.

(Heiterkeit – Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie beklagen in Ihrem Antrag die Planwirtschaft. Ich will einmal daran erinnern, dass in der Geschichte der Bundesrepublik Markt und Strom nicht viel miteinander zu tun gehabt haben. Es gab über Jahrzehnte hinweg Gebietsmonopole.

(Abg. René Rock (FDP): Sie wissen, die Liberalisierung macht das heute!)

Wenn die FDP jetzt in ihrem Antrag schreibt, dass alle Subventionen und Privilegierungstatbestände zugunsten erneuerbarer Energien entfallen sollen, dann frage ich mich: Wo bleibt denn eigentlich Ihr Einsatz dafür, dass alle Subventionen und Privilegierungstatbestände für die Atomund Kohlewirtschaft entfallen?

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn genau das ist doch der Punkt. Wenn es um die Subventionierung von Atom- und Kohleenergie ging, dann hat Sie das nicht interessiert.

(René Rock (FDP): Das ist überhaupt nicht wahr!)

Dabei reden wir dort über ganz andere Kosten. Darüber hatten wir gestern eine längere Debatte.

Na ja, die Frage ist doch: Was preist man alles ein? Da hat die Kollegin Dorn vollkommen recht: Die erneuerbaren Energien sind im Strompreis extra ausgewiesen. Wenn man sich aber anschaut, welche Kosten darauf entfallen, um die herkömmliche Energiegewinnung zu subventionieren – und wenn wir irgendwann noch über die Folgeschäden und -kosten reden –, dann ist es doch wirklich ein Witz, davon zu sprechen, dass ausgerechnet die erneuerbaren Energien teuer oder ein Preistreiber wären.

Gerade bei der FDP hört man doch sonst so häufig davon, dass man Investitionssicherheit gewähren muss, dass Investoren ein gutes Klima vorfinden müssen, damit sie eine Verlässlichkeit haben. Dann finde ich es schon interessant, dass das für Sie bei den erneuerbaren Energien überhaupt nicht zu gelten scheint. Faktisch fordern Sie doch, dass den Stadtwerken, Kommunen und Bürgergenossenschaften letztendlich die Grundlage entzogen wird, auf der sie ihre Investitionen tätigen.

Deswegen ist es vollkommen klar: Wir werden natürlich dem Antrag der FDP nicht zustimmen. Es ist auch wieder total durchsichtig, was Sie da wollen. Sie haben kein Interesse an der Energiewende. Sie sind wirklich die letzten Verbündeten der herkömmlichen Stromwirtschaft,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Man könnte auch „die Fossile“ sagen! – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))