Protocol of the Session on June 21, 2016

Wir reden hier von einem Zeitraum von 15 Jahren laufender Aktionsprogramme, für die wir dies auf den Weg gebracht haben. Aktuell ist das fünfte Aktionsprogramm „Partizipation“ mit einem Programmvolumen von bis zu 1,1 Millionen € für die Jahre 2017 bis 2019 ausgeschrieben. Ziel ist es hier immer, vielfältige und innovative Modelle der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zu er

proben und eine Bereicherung der Partizipationslandschaft in Hessen zu erzielen.

Im Jahr 2015 hat die Hessische Landesregierung einen Preis für partizipatives Engagement von Kindern und Jugendlichen eingeführt. Damit ist es mit dem höchsten Preisgeld in Hessen dotiert, um gesellschaftliches Engagement von jungen Menschen besonders hervorzuheben. Mit der Einführung dieses Preises leistet die Landesregierung einen nachhaltigen Beitrag zur Anerkennung des gesellschaftlichen Engagements junger Menschen wie auch zur Förderung der Demokratie.

Keine Zusatzfragen. Dann schließe ich für heute die Fragestunde.

(Die Fragen 565, 566, 570, 571, 579 und die Ant- worten der Landesregierung sind als Anlage beige- fügt. Die Fragen 554, 555, 558 bis 561, 564, 657 bis 569, 572 bis 578 und 580 bis 586 sollen auf Wunsch der Fragestellerinnen und Fragesteller in der nächs- ten Fragestunde beantwortet werden.)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung der Hessischen Ministerin der Justiz betreffend „Digitale Agenda für das Recht“

20 Minuten Redezeit je Fraktion. Das ist die Orientierungslinie für Sie, Frau Ministerin. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die digitale Agenda für das Recht – wir befinden uns inmitten einer Revolution.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Entgegen den üblichen Vorstellungen, dass eine Revolution mit viel Krawall, Toten und Verletzten einhergeht, kommt die digitale Revolution in Form von Updates, BetaVersionen und Klicks daher. Mit wenigen Klicks kann unsere technische Welt lahmgelegt werden; Menschen können auch sterben. Die digitale Revolution dringt dabei in Lebensbereiche ein, die wir bisher als ureigenste Intimsphäre verstanden haben.

Deshalb brauchen wir dringend Schutzmechanismen. Unsere Rechtsordnung, das Bürgerliche Gesetzbuch und das Strafgesetzbuch, ist in der alten, nicht digitalen Welt entstanden und hat uns in der alten Welt über all die Jahre Schutz geboten. Die Schriftform war immer das Grundlegende und das Gegenständliche. Vieles ist anwendbar. Aber es gibt auch viele Lücken in der neuen Zeit. Deshalb müssen wir mit der Zeit gehen. Wir brauchen eine digitale Agenda für das Recht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Digitalisierung verändert unsere Welt in einem Ausmaß, das wir uns vor fünf Jahren noch nicht vorstellen konnten. Ich bin sicher, dass wir auch heute kaum eine Vorstellung davon haben, wie es in fünf Jahren aussehen mag. Dabei hat das Medium Internet unsere persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten signifikant erweitert. Insbesondere die sozialen Medien spie

len dabei eine große Rolle. Vor allem die ortsungebundene mobile Verfügbarkeit des Internets, aber auch die Möglichkeit der Vernetzung bislang getrennter Systeme treiben die Digitalisierung der Welt voran.

Niemals zuvor haben dabei die Menschen aller Schichten und aller Kontinente so stark von einer technischen Entwicklung profitiert. Niemals zuvor waren aber auch so viele Menschen den Gefahren einer technischen Entwicklung ausgesetzt; denn was als Erleichterung des täglichen Lebens in allen Bereichen daherkommt, protokolliert und erfasst persönliche Daten, Standorte, Mobilität und Kommunikationsgewohnheiten, über die die Nutzer die Kontrolle teilweise oder ganz an die Anbieter solcher Programme verlieren können. Dabei ist die Bequemlichkeit des Einzelnen die gefährliche Begleitmusik der digitalen Revolution.

Das Ziel der Landesregierung ist es, dass jeder von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren kann; denn sie schafft nicht zuletzt Wohlstand und Arbeitsplätze. Gleichzeitig müssen die Nutzer aber mit allen Mitteln des Rechtsstaates vor Angriffen aus dem Netz geschützt werden. Wir können es nicht zulassen, dass mit jedem Innovationsschritt im Internet der Schutz der Bürgerinnen und Bürger gefährdet ist. Deshalb müssen wir die Digitalisierung angehen und der Digitalisierung ein rechtliches Rückgrat geben – die digitale Agenda für das Recht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzgeber – die Damen und Herren Abgeordneten hier im Parlament und auch im Deutschen Bundestag – ist aufgerufen, Antworten und Regelungen für ganz unterschiedliche Lebensbereiche zu finden, die sich durch die Digitalisierung rasant verändern. Wir müssen auch sehen, dass die Lücken durch die Rechtsordnung geschlossen werden.

Die Hessische Landesregierung stellt sich den Herausforderungen, die die schnell voranschreitende Vernetzung und Digitalisierung für die Gesetzgebung und Rechtsanwendung mit sich bringen. Im Bereich der Justiz haben wir viele Initiativen auf der Ebene der Fachministerkonferenzen gestartet, uns an bundesweiten Arbeitsgruppen beteiligt, Gesetzentwürfe auf der Ebene des Bundesrates eingebracht und selbstverständlich auch auf operativer Ebene bei Staatsanwaltschaften und Gerichten spezielle Schwerpunkte gebildet.

Unser Ziel ist es, dass die Bürgerinnen und Bürger in einem digitalisierten Umfeld rechtssicher, selbstbestimmt und frei leben und handeln können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das betrifft das Zivilrecht, das Strafrecht, aber vor allem auch das Strafprozessrecht und das Zivilprozessrecht. Dafür arbeiten wir mit aller Kraft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Digitalisierung und Vernetzung des Alltags eröffnet neue Angriffsflächen für kriminelle Aktivitäten in einem nie da gewesenen Ausmaß. Deshalb wird das Internet längst als der größte Tatort der Welt bezeichnet. Für erfolgreiche Cyberattacken braucht man derzeit vielfach nicht mehr als einen PC und einen Internetanschluss. Entsprechende Angriffswerkzeuge und -methoden sind einfach und kostengünstig verfügbar. Diese Werkzeuge wol

len wir den Kriminellen mit unserer Botnetz-Initiative wirksam aus der Hand schlagen.

Der Kampf gegen Internetkriminalität und für eine digitale Agenda für das Recht ist eine große Herausforderung für die Zukunft, weil mit jeder technischen Entwicklung und neuen Innovationen das Recht mitgehen muss. Deshalb haben wir unter anderem eine Initiative Hessens gestartet. Es gibt seit dem letzten Herbst den neuen Straftatbestand der Datenhehlerei im Strafgesetzbuch, der eine Lücke geschlossen hat, die Kriminelle bis dahin ausgenutzt haben.

Mit unserer Bundesratsinitiative zur Bekämpfung der Botnetz-Kriminalität – sie wird auch als digitaler Hausfriedensbruch bezeichnet – setzen wir konsequent diesen Weg fort. Mit dieser Initiative verfolgen wir den Gedanken, bereits das schlichte Gebrauchsrecht an IT-Systemen unabhängig davon, ob bereits Daten auf diesen Systemen verändert, ausgespäht oder zerstört worden sind, einem strafrechtlichen Schutz zu unterstellen.

Das bloße Nutzen eines Computers zu Hause, was die allermeisten nicht merken, bietet eine Infrastruktur für Schadsoftware, die bisher die größte Gefahr ist, komplette Netze zu beschädigen. Deswegen ist diese Initiative von den Justizministern auch einstimmig beschlossen worden. Wir haben alle 16 Länder hinter uns. Ich hoffe, dass dieser Gesetzentwurf im Bundesrat jetzt schnell beschlossen werden wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind eines der ersten Länder gewesen, die eine Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität eingerichtet haben, eine bundesweit führende Strafverfolgungsbehörde, die weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt und geschätzt ist. Dort sitzen Spezialisten, Staatsanwälte, die internetaffin sind, Top-Fachleute, die aus der Praxiserfahrung immer wieder darauf hinweisen, welche Strafbarkeitslücken es gibt.

Ich will an dieser Stelle diesen innovativen Staatsanwälten herzlich Dank sagen; denn alle Initiativen, die wir im Moment in die Gesetzesberatung einbringen, stammen aus der Praxiserfahrung dieser innovativen Internetstaatsanwälte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die IT-Sicherheit ist in Hessen zu Hause mit dem Fraunhofer-Institut SIT, das sich für sichere Informationstechnologie einsetzt, ein europäisches Zentrum der grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung. Mit dem FraunhoferInstitut in Darmstadt tauschen wir aus dem Justizbereich Entwicklungen aus und beraten über Sicherheitslücken und deren strafrechtliche Bewertung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zahlreiche Rechtsprobleme, die durch die Nutzung des Mediums Internet aufgeworfen werden, sind ungelöst. Davon will ich ein paar nennen: fehlende gesetzliche Regelungen für die E-Mail-Überwachung, für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, für die Onlinedurchsuchung elektronischer Speichermedien sowie für die beschleunigte grenzüberschreitende Sicherung digitaler Beweismittel.

Die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte behelfen sich, soweit rechtlich möglich, mit der Anwendung von Rechtsnormen, die ursprünglich für völlig andere Sachverhalte und Kommunikationsformen vorgesehen waren. Beispiels

weise wird bei der E-Mail-Überwachung teilweise auf überkommene Regelungen zur Postbeschlagnahme oder teilweise auf Regelungen zur Beschlagnahme von körperlichen Gegenständen zurückgegriffen.

Vielfach lässt sich das Fehlen zeitgemäßer und notwendiger Ermächtigungsgrundlagen aber nicht kompensieren, so etwa bei der Onlinedurchsuchung elektronischer Speichermedien. Täter verschlüsseln ihre Endgeräte oder speichern ihre Daten in der Cloud. Herkömmliche Durchsuchungsund Beschlagnahmemaßnahmen sind damit wirkungslos, da die Täterdaten wegen der Verschlüsselung der Speichermedien nicht auswertbar sind oder bei externer Speicherung in der Cloud gar nicht aufgefunden werden können.

Das effektivste Mittel für einen erfolgreichen Zugriff auf die Täterdaten im unverschlüsselten Zustand und bei externer Speicherung ist die verdeckte Onlinedurchsuchung, die aber derzeit in der Strafprozessordnung keine Rechtsgrundlage hat. Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren: eine riesige Lücke, die geschlossen werden muss.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Staatsanwaltschaften, Gerichte und die Polizei benötigen dringend zeitgemäße Mittel, um Datenspuren zu sichern und Täter überführen zu können. In diesem Zusammenhang gilt es mit adäquaten rechtlichen Instrumenten der Grenzenlosigkeit des Internets zu begegnen. Auf der einen Seite profitieren die Täter ungehindert von der Möglichkeit, über Internet in Echtzeit weltweit grenzüberschreitend Straftaten zu begehen. Auf der anderen Seite erschweren Unterschiede in nationalen Gesetzeswerken und die Erforderlichkeit von Maßnahmen in internationalen Rechtshilfeverfahren, eine effektive Strafverfolgung zu gewährleisten.

Deshalb habe ich etwas eingebracht, was die Unzulänglichkeit der grenzüberschreitenden Datenübermittlung und die Sicherung digitaler Beweismittel angeht. Die Terroranschläge von Brüssel haben bewiesen, dass es da Probleme gibt. Auf der Justizministerkonferenz, die vor wenigen Wochen in Brandenburg stattgefunden hat, habe ich eine Initiative eingebracht, die einstimmig beschlossen worden ist. Es geht um die Sicherung digitaler Beweismittel.

Deshalb will ich darauf hinweisen, dass der Bundesjustizminister es bisher versäumt hat, die Vorgaben zur beschleunigten grenzüberschreitenden Sicherung digitaler Beweismittel auf den Weg zu bringen.

(Heike Hofmann (SPD): Falsch!)

Es gibt nämlich eine Cybercrime Convention, das Budapester Abkommen über Computerkriminalität aus dem Jahr 2001, die in nationales Recht umzusetzen ist. Wir müssen, wie es in der Cybercrime Convention verpflichtend vorgesehen ist, eine nationale Rechtsgrundlage schaffen, und diese Regelung muss es den deutschen und ausländischen Strafverfolgungsbehörden ermöglichen, beweiserhebliche Daten in den Händen deutscher Provider vor der Löschung zu bewahren und die Provider zu verpflichten, diese Daten für einen Zeitraum von bis zu 60 Tagen zu speichern.

Was heißt das konkret? Ausländische Staaten haben einen Verdacht, dass ein Provider etwas hat, was sie für die Ermittlungen brauchen. Dann fragen sie in Deutschland an, und wir haben bisher nicht genügend Mittel, um das effektiv zu sichern. Mit dieser Umsetzung könnte man die Provider verpflichten, die Beweise 60 Tage zu sichern. Damit könnte man international anders zuschlagen, als wir das

bisher können. Deshalb will ich darauf hinweisen, dass auch dies eine Initiative ist, die auf breite Zustimmung bei den Ministern auf der Länderebene gestoßen ist.

Die Umsetzung dieser Vorhaben hat eine europäische Dimension. Deshalb werden wir jetzt ein Expertengespräch mit Vertretern der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments zum Thema grenzüberschreitender Verbesserungen der Sicherung digitaler Beweismittel in Brüssel durchführen, um uns auch auf europäischer Ebene auszutauschen. Die niederländische Ratspräsidentschaft hat mit großem Elan das Thema Digitalisierung vorangebracht, und wir in Hessen sind mit unseren Spezialisten gefragt.

Ich will auf ein ganz anderes Thema zu sprechen kommen. Der Kampf gegen die Internetkriminalität ist auch der Kampf gegen kriminellen Hass im Internet. Der Anstieg extremistisch motivierter Straftaten, unabhängig davon, ob sie einen politischen, religiösen oder anderweitigen Hintergrund haben, muss jedem von uns Sorgen bereiten. Im vermeintlichen Schutz der Anonymität werden Beleidigungsdelikte begangen, die bis zur Volksverhetzung gehen. Es werden Drohungen ausgestoßen und ganze Personenkreise verunglimpft.

Ich will darauf hinweisen: Alle diese Handlungen sind in der realen Welt strafbar. Sie sind es auch in der digitalen Welt. Das wissen die allermeisten nicht. Sie glauben, dass man sich im Internet sozusagen frei bewegen könne. Deswegen müssen wir den Strafverfolgungsbehörden entsprechende Möglichkeiten an die Hand geben, solche Straftaten schnell und wirkungsvoll aufzuklären.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt an einer Stelle einen Änderungsbedarf. Die Betreiber der Social-Media-Plattformen, die Anbieter der InstantMessaging-Dienste und andere sollen künftig verpflichtet werden, den Strafverfolgungsbehörden auf Verlangen unmittelbar Auskünfte über die Identität der Nutzer zu erteilen. Außerdem wollen wir, dass strafbare Inhalte, insbesondere Äußerungen mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder sonstigen menschenverachtendem Charakter, vor ihrer Entfernung gesichert werden, damit das am Ende für die Strafverfolgungsbehörden weiterhin nutzbar bleibt.