Protocol of the Session on May 18, 2016

Dazu gehört eben auch unser Ziel, das wir schon in unserem Koalitionsvertrag festgelegt haben, nämlich das Ziel, das jetzt die Landesregierung weiter verfolgt, keinen Jugendlichen und keinen jungen Menschen ohne Perspektive zurückzulassen, sondern dass alle Schülerinnen und Schüler – ich zitiere jetzt aus der Antwort zur Großen Anfrage –

… durch abgestimmte und qualifizierte Maßnahmen zur Berufs- und Studienorientierung auf die Berufswelt vorbereitet werden,...

Dieses Ziel hat auch der Bildungsgipfel unter Mitwirkung zahlreicher gesellschaftlicher Akteure formuliert, ebenso wie zahlreiche Maßnahmen, von denen die Dinge, die unter Berufsorientierung zusammenzufassen sind, nur einen Teil ausmachen. Die Große Anfrage zeigt eben, dass dieser eine Teil wiederum mit einem ganzen Fächer von Impulsen von der Landesregierung vorangebracht wird.

Sie haben dann in Ihrer Besprechung das Thema Berufsorientierung der Gymnasien sehr stark betont. Sie haben darauf auch bei dem, was Sie abgefragt haben, viel Wert gelegt. Auch in diesem Bereich hat der Bildungsgipfel Ergebnisse gezeitigt, die jetzt in die Praxis umgesetzt werden.

Schauen wir uns einmal an, was die Arbeitsgruppe 4 zu Papier gebracht hat – ich möchte zitieren –:

Auch wenn die gymnasialen Bildungsgänge eigentlich darauf ausgerichtet sind, für den Eintritt in ein Studium zu qualifizieren, soll sich die Berufsorientierung nicht nur auf das Spektrum von akademischen Berufen beschränken.

Die Große Anfrage, die Sie gestellt haben, zeigt nun sehr gut, dass diese Ideen nicht verloren gegangen sind, sondern dass sie in Realpolitik umgesetzt wurden und dass sie angepackt wurden. Das zeigt sich an dem Erlass, den Sie auch schon zitiert haben. Schon gleich beim Titel müsste Ihnen klar werden, dass sich bei diesem Erlass, der das Fundament für die Arbeit dort legt, einiges verändert hat; denn wenn vorher im Titel dieses Erlasses die Gesamtschulen und Gymnasien nicht erfasst wurden, so heißt es nun heute, dass er die Ausgestaltung der Berufs- und Studienorientierung in Schulen regelt, also in allen Schulen. Das zeigt doch sehr deutlich, dass dieser Anspruch, den der Bildungsgipfel hier formuliert hat, auch umgesetzt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist natürlich auch zu begrüßen, dass da viele weitere Maßnahmen von der Landesregierung aufgenommen wurden. Nachdem Sie gesagt haben, das sei im Gymnasium noch gar nicht angekommen, habe ich eben gerade einmal gezählt. Ich bin leider nicht ganz bis zum Ende gekommen, weil das mit dem Multitasking bei mir nicht so ausgeprägt ist. Aber ich habe nachgezählt, in welchen Fragen auf die Berufsorientierung an Gymnasien Bezug genommen wird. Ich kam jetzt auf die Fragen 12, 18, 19, 21, 23, 27, 28, 30 und 31. Dann bin ich leider nicht weitergekommen. Aber das zeigt schon sehr deutlich, dass an dieser Stelle viel unternommen wird und dass das auch in der Großen Anfrage deutlich geworden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte nur einen Punkt beispielhaft zitieren. Das ist sozusagen die Zusatzzahl, die 28. Da haben Sie das auch explizit abgefragt. Da heißt es dann auch:

Es gibt an allen allgemeinbildenden Schulen … eine Koordinatorin bzw. einen Koordinator für die Berufs- und Studienorientierung.

Später heißt es:

In diesen Gesamtprozess sind auf der Grundlage des genannten Erlasses auch die Gymnasien … einbezogen … bei dem Auf- und Ausbau ihres schulspezifischen Konzepts zur Studien- und Berufsorientierung …

Für uns ist nämlich klar: Akademische und berufliche Bildung sind für uns gleichwertig. Von daher ist für uns klar, dass Berufsorientierung an allen Schulformen stattfinden muss.

Dann haben Sie kritisiert: Wer weiß denn, ob das, was in Erlassen steht, umgesetzt wird? – Da müssten Sie mir dann schon einmal erklären, wie Sie denn beabsichtigen würden, wenn Sie Kultusminister wären, hier Schulpolitik zu machen. Würden Sie dann an jede Schule einzeln gehen?

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich für meinen Teil habe großes Vertrauen darauf, dass unsere Schulen das, was die Landesregierung entwickelt, in die Tat umsetzen. Wir haben Vertrauen in unsere Lehrerschaft. Wenn Sie das nicht haben, müssen Sie das mit den Lehrerinnen und Lehrern ausmachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Ein großer Teil Ihrer Rede ist ja an dem Thema der Arbeitslehre an Gymnasium aufgehängt gewesen, was ich verstehen kann. Sie haben das historisch hergeleitet, dass es früher einmal eine Landesregierung gab, die die Arbeitslehre an Gymnasien eingeführt hat, um die Berufsorientierung dort zu verankern.

(Timon Gremmels (SPD): Sie als GRÜNE waren da dabei! – Zuruf des Abg. Christoph Degen (SPD))

Das bestreite ich auch gar nicht, Herr Kollege Gremmels. Ich wäre schon selbst noch darauf gekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frage ist, ob man ein Ziel – nämlich Berufsorientierung an Gymnasien zu verankern – nur auf diese eine Art und Weise erreichen kann. Da ist diese Große Anfrage, würde ich sagen, geradezu der deutlichste Beweis dafür, dass es eben mehrere Wege zum Ziel gibt. Der Weg, den wir jetzt gegangen sind, dass sie teilweise beim Fach Politik und Wirtschaft eingeführt wird, und vor allen Dingen – das finde ich viel wichtiger –, dass sie als Querschnittsthema wahrgenommen und nicht gesagt wird, Berufsorientierung findet nur in einem Fach statt, sondern muss in allen Fächern stattfinden, ist, finde ich, der bessere Weg, und davon erhoffe ich mir wesentlich mehr.

Von daher: Dass Berufsorientierung ein Querschnittsthema ist, sollten wir dann eher als ermunterndes Signal dafür nehmen, dass das in der Praxis tatsächlich bei allen Schülerinnen und Schülern ankommt. Wir haben – sage ich einmal – auch der Arbeitslehre ein großes Gewicht gegeben. Es ist ja nicht so, dass wir, wie Sie es gesagt haben, „Totengräber der Arbeitslehre“ wären. Das würde ich einmal entschieden zurückweisen. Auch in diesem Bereich setzen wir Ergebnisse des Bildungsgipfels um, der in der Arbeitsgruppe 4 den Erhalt des Faches Arbeitslehre und die Stärkung der Lehrkräftebildung im Fach Arbeitslehre gefordert hat.

Da weise ich nur einmal auf die Frage 54 hin und möchte noch einmal das unterstreichen und bestärken, was das Kultusministerium dort sagt, nämlich dass das Kultusministerium sehr wohl mit den Universitäten Verhandlungen aufnehmen möchte, um die Arbeitslehre auch in Forschung und Lehre dauerhaft zu sichern. Ich halte es nämlich für unabdingbar, dass die Regierung dafür sorgt, dass die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Bereich der Arbeitslehre dauerhaft an den hessischen Universitäten gewährleistet wird.

Genauso wichtig ist natürlich auch – gerade weil wir akademische und berufliche Bildung für gleichwertig halten –, dass die Berufsorientierung bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern aller Schulformen ein hohes Gewicht erhält. Auch dort sehe ich weniger Trennendes als Einendes zwischen unseren Fraktionen. Auch das ist übrigens ein Beispiel für ein Ergebnis, das der Bildungsgipfel erarbeitet hat. Es zeigt sich wieder einmal, dass der Bildungsgipfel, den Sie leider mit fadenscheinigen Gründen trotz der vielen guten Ergebnisse verlassen haben, sehr erfolg

reich war und seine Ergebnisse hier in Realpolitik umgesetzt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Für mich kommt bei dieser Großen Anfrage auf jeden Fall sehr deutlich heraus, dass die Landesregierung der Stärkung der Berufsorientierung hohe Priorität einräumt. Es werden viele Maßnahmen ergriffen, die wir Ihnen jetzt noch einmal darstellen konnten. Wir setzen die Ergebnisse des Bildungsgipfels Schritt für Schritt um und verfolgen damit unser Ziel, das wir schon im Koalitionsvertrag deutlich gemacht haben – ich zitiere zum Abschluss –:

Wir wollen möglichst keine Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss zurücklassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege May. – Das Wort hat Abg. Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Über den Wert frühzeitiger Berufsorientierung besteht in diesem Haus, glaube ich, schon seit einigen Jahren über die Parteigrenzen hinweg weitestgehend Einigkeit. Auch wir als Freie Demokraten haben uns schon lange für die frühere Berufsorientierung in den allgemeinbildenden Schulen, vor allem in den Haupt- und Realschulbildungsgängen, aber gerade auch im gymnasialen Bildungsgang, eingesetzt.

Erlauben Sie mir, dass ich an dieser Stelle noch einmal darauf hinweise: Wir haben in diesem Zusammenhang auch die Mittelstufenschule in Hessen eingerichtet, die ein Musterbeispiel dafür bietet, wie man Berufsorientierung vernünftig in den Schulalltag integrieren kann.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Herr Kollege Klein erinnert sich noch daran, wie wir darum gerungen haben, teilweise inhaltlich und sachlich konstruktiv, und wir waren uns auch immer einig darüber: Die Abschaffung der Hauptschulen, wie sie jetzt z. B. in Frankfurt passiert, wo eine besonders gute Praxis auch der Berufsorientierung gezeigt wurde, ist nicht der richtige Weg; denn wir können vielleicht die Hauptschulen abschaffen, aber nicht die Hauptschüler. Das muss man sich einfach klarmachen, und davor darf man die Augen nicht verschließen.

Dass sich junge Leute am Ende ihrer Schulzeit nicht immer unbedingt sicher sind, welchen beruflichen Weg sie einschlagen wollen, wird man kaum völlig aus der Welt schaffen. Die Erfahrung wird auch der eine oder andere hier im Raum schon gemacht haben, dass man im Laufe der Zeit zu anderen Ergebnissen kommt als denen, die sich am Ende der Schulzeit abzeichnen. Hinzu kommt, dass sich am Ende der Schulzeit natürlich unzählige Wege auftun. Im Übrigen will ich die folgende Bemerkung durchaus machen: Da geht es nicht nur um Berufsorientierung, son

dern da haben junge Menschen durchaus auch ganz andere Entscheidungen darüber zu treffen, wohin sie ihren Lebensweg führen wollen.

Das alles birgt die Gefahr von Fehlentscheidungen. Die kann man korrigieren. So ist unser Bildungssystem angelegt. Aber wenn man sie vermeiden kann, ist es sicherlich auch sinnvoll, zu vermeiden, dass möglicherweise auch Jahre verloren gehen. Nicht alles, was auf einer unklaren Entscheidung beruht, muss unbedingt zu einem Verlust an Zeit führen. Aber man kommt dann eben erst auf Umwegen zum Erfolg.

Das Stichwort, das mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist, ist die Anschlussfähigkeit unseres Schulsystems. Mir geht es da weniger um Durchlässigkeit. Ob da einmal ein Jahr oder zwei Jahre kreuz und quer gewechselt werden kann, ist nicht so spannend. Spannend ist, dass es die Anschlussfähigkeit, aber keine Sackgassen in unserem Bildungssystem gibt, sondern dass es dort immer weitergehen kann.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Schwierigkeit, die wir im Bereich der Berufsorientierung haben, hat zum großen Teil natürlich auch etwas damit zu tun, dass manche Schüler kein Berufsfeld oder keinen Beruf erkennen, für den sie sich begeistern können. Das liegt daran, dass es mangelnde Kenntnis der Arbeitswelt und der Dinge gibt, die dort möglich sind.

Deswegen ist neben der eigentlichen Berufsorientierung die Berufsfelderkundung als integraler Bestandteil davon ein ganz wesentlicher Punkt, um überhaupt Berufsbilder, Berufsfelder bekannt zu machen und so die Möglichkeit zur Entscheidung zu bieten, statt dass nur der einfachste Weg gewählt wird: Na ja, dann gehe ich eben noch einmal ein bisschen auf die Schule; vielleicht findet sich ja irgendwann etwas.

Meine Damen und Herren, angesichts der demografischen Entwicklung und des sich immer deutlicher in verschiedensten Sparten abzeichnenden Fachkräftemangels ist es schlichtweg ein Verschenken volkswirtschaftlichen Potenzials, wenn wir nicht rechtzeitig die Potenziale wecken und den Jugendlichen bei ihren Entscheidungen entsprechend behilflich sind.

(Beifall bei der FDP)

Die Antwort des Kultusministers auf die Große Anfrage der SPD zeigt, dass in den letzten Jahren insbesondere von Doris Henzler und Nicola Beer, denen beiden ich hierfür nochmals herzlich danken möchte, zahlreiche Initiativen angestoßen wurden, um die Berufsorientierung stärker in die Schulen zu tragen und sie dort zu verankern.

In vielerlei Beziehung war Hessen Vorreiter. Ich erinnere an die Qualitätsstandards zur Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang Schule – Beruf, OloV. Das haben wir in Hessen als Erste gemacht, mit verbindlichen Kriterien. Nach wie vor richtig ist auch der regionale Ansatz von OloV. Die Vermittlung in den Beruf kann eben nur erfolgreich sein, wenn sie nicht im quasi luftleeren Raum stattfindet, sondern auf die konkreten Rahmenbedingungen vor Ort Rücksicht nimmt und so eben auch die spezifischen Chancen der lokalen Wirtschaftsstrukturen nutzt.

Förder-, Haupt- und Realschulen, Mittelstufenschulen, wie auch die Sekundarstufe I der integrierten und kooperativen

Gesamtschulen sind schon durch Erlass seit 2013 – wer sich nicht daran erinnert: das war in der letzten Wahlperiode – verpflichtet, ein Curriculum zur Berufs- und Studienorientierung zu erstellen und dieses im Schulprogramm auch zu verankern. In der Antwort auf Frage 12 hat Kultusminister Lorz noch einmal an diese wichtige Tatsache erinnert. Seit dem letzten Jahr müssen nun auch die Gymnasien entsprechende Maßnahmen zur Berufs- und Studienorientierung durchführen.