Protocol of the Session on May 18, 2016

Natürlich werden wir eine ganze Reihe von Punkten verändern müssen. Die Anrechnung der privaten Altersvorsorge auf die Grundsicherung im Alter ist in der jetzigen Form ein klassischer Fehlanreiz, nämlich um nichts zu tun. Das müssen wir ändern. Wir haben eine Reihe von Punkten, die wir aufgreifen und verändern müssen.

Herr Präsident, ich weiß, dass meine Redezeit fast zu Ende ist.

(Holger Bellino (CDU): Noch drei Minuten!)

Gestatten Sie mir bitte noch einen letzten Gedanken: Es ist wichtig, einen Impuls in der Debatte gesetzt zu haben. Ich glaube, das ist uns nicht nur sehr ordentlich gelungen, sondern es hat in der Folge auch eine Diskussion ausgelöst. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist dabei wichtig, dass wir versuchen, dieses komplexe Diskussionsgebilde „Rentenpolitik“ einem Höchstmaß an Sachlichkeit zuzuführen, um die Menschen in der Frage ihrer eigenen Rente nicht noch weiter zu verunsichern.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Ende ist es die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass alle drei Säulen sicher sind: die gesetzliche, die betriebliche und die private Altersvorsorge. Das ist verantwortliche Politik. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Minister. – Das Wort hat Frau Abg. Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich habe mich nochmals zu Wort gemeldet, weil Sie mir vorgeworfen haben, ich würde hier Verschwörungstheorien darstellen. Deswegen habe ich mir überlegt, es wäre vielleicht klug, an dieser Stelle nochmals einen großen Verschwörungstheoretiker zu Wort kommen zu lassen, nämlich Ihren Parteifreund Norbert Blüm. Er hat sehr viele

sehr richtige Dinge zur Demontage der gesetzlichen Rente gesagt. Er hat in seinem Leben nicht nur richtige Dinge gesagt, aber zum Thema Riester und zur Demontage der gesetzlichen Rente waren das sehr viele sehr gute Dinge.

(Zuruf von der SPD)

Norbert Blüm hat davon gesprochen, dass die Riester-Rente ein schwerer Anschlag auf die Sozialversicherungssysteme sei. Ich finde, dagegen habe ich mich eher moderat ausgedrückt. Er sagt, die Rente sei den Finanzhaien ausgeliefert worden.

Ich möchte noch etwas zu dem Argument sagen, das jetzt von Ihnen wieder bemüht wurde, das ich eben auch von Herrn Al-Wazir gehört habe: Wenn halt mehr Rentner da sind und weniger arbeiten, dann muss doch die Rente gekürzt werden.

Auch hierzu möchte ich Ihnen gerne einmal Herrn Blüm zitieren, und ich glaube, man kann ihm eine gewisse Sachkenntnis bei diesem Thema nicht absprechen.

(Gerhard Merz (SPD): Na ja!)

Er wurde in einem Interview gefragt – und das ist das Hauptargument für Riester –, welche Folgen die sinkende Geburtenrate habe. Blüm wörtlich: „Das ist Volksverdummung. Denn es kommt nicht nur auf die Zahl der Geburten an, sondern auf die Produktivität.“ Wenn früher zehn Arbeiter in drei Stunden ein Auto hergestellt haben und heute zwei Arbeiter in der gleichen Zeit ein Auto herstellen, dann können diese zwei Arbeiter mehr für die Sozialversicherung abgeben als vorher zehn. Oder, um ein anderes Beispiel zu bemühen: Wenn im Jahr 1800 drei Bauern gebraucht wurden, um einen einzigen Städter zu ernähren, und heute ein Bauer mindestens 90 Städter ernähren kann,

(Michael Boddenberg (CDU): Ich muss Herrn Blüm einmal fragen, was er da gemeint hat!)

dann hat das etwas mit Produktivitätsfortschritt zu tun.

Das heißt also: Nach der Logik, die Sie hier vertreten, müssten wir eigentlich schon längst verhungert sein.

(Michael Boddenberg (CDU): Sollen wir also alles laufen lassen? – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein, nein, nein! Herr Boddenberg, die Steuern müssen erhöht werden!)

Aber es gibt immer mehr Städter, die ernährt werden müssen. Daher blendet das Argument: „Es gibt mehr Rentner, also müssen die Renten gekürzt werden, oder die Menschen müssen länger arbeiten“, vollkommen aus, dass es eine enorme Produktivitätsentwicklung gibt. Das wird den Menschen erzählt, um Angst zu verbreiten. Aber das hat mit Mathematik, mit Arithmetik überhaupt nichts zu tun. Das ist einfach ein Argument, das die tatsächlichen Interessen, um die es hier geht, kaschiert.

Das Interesse der Unternehmen war es, aus der paritätischen Finanzierung herauszukommen. Das kann doch niemand ernsthaft leugnen. Natürlich gab es aufseiten der Versicherungswirtschaft ein enormes Interesse daran, die private Rente in dieser Form zu subventionieren.

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt aber eine Lösung von Ihrer Seite!)

Herr Boddenberg, ich habe eben doch lange und breit ausgeführt, was eine mögliche Lösung sein kann. Wehren Sie sich doch nicht gegen eine Rentenversicherung, in die

alle einzahlen. Wenn die Anzahl der Einzahlenden erhöht wird,

(Zuruf des Ministers Tarek Al-Wazir)

dann sind nicht mehr die hohen Einkommen ausgenommen, die man braucht, um das zu finanzieren.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau wie in der Schweiz: keine Grenze nach oben!)

Dann müssen wir darüber reden, wie die Unternehmen wieder paritätisch beteiligt werden können. Warum sperren Sie sich dagegen, dass es eine paritätische Rentenversicherung gibt? Jahrzehntelang war es in Deutschland gang und gäbe, dass es eine paritätische Finanzierung gibt.

(Michael Boddenberg (CDU): Was das auf dem Arbeitsmarkt anrichtet, ist Ihnen völlig egal!)

Wie wäre es denn, wenn wir die Mittel, die man privaten Versicherungskonzernen in den Arsch bläst – Entschuldigung – nutzen würde,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

um die gesetzliche Rente aufzubessern? Milliardenbeträge sind in die Riester-Förderung geflossen. Auch diese Mittel fehlen natürlich der gesetzlichen Rentenversicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich müssen wir darüber reden, wie man die gesetzliche Rente stärken kann. Was Sie aber getan haben, das ist faktisch doch, dass Sie die gesetzliche Rente vollkommen demontiert haben und eine Riester-Rente geschaffen haben, zu der Sie jetzt selbst sagen, dass sie überhaupt nicht funktioniert,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

weil, oh Wunder, Menschen, die wenig verdienen, kein Geld dafür haben, um privat für ihr Alter vorzusorgen. Deswegen brauchen wir eine gesetzliche Rente,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau! Das hätte man schon vorhersagen können!)

in die alle einbezahlen und zu der auch die Arbeitgeber ihren paritätischen Beitrag leisten.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Frau Kollegin Wissler, die Formulierung „in den Arsch blasen“ geht gar nicht – aber Sie haben sich ja entschuldigt. Dann nehmen wir das halt so hin.

(Heiterkeit – Janine Wissler (DIE LINKE): Ich weiß nicht genau, bei wem, aber ich habe mich entschuldigt!)

Nein, das geht schon nicht, diese Formulierung. Darin sind wir uns einig. – Gut.

Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Die Debatte ist beendet.

Was machen wir mit diesem Entschließungsantrag? Stimmen wir gleich darüber ab?

(Zurufe: Ja!)

Dann ist er weg. Tagesordnungspunkt 42: Wer diesem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – SPD, DIE LINKE, FDP. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen das übrige Haus beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Stärkung der Berufsorientierung und Arbeitslehre in Schule und Unterricht – Drucks. 19/3194 zu Drucks. 19/2911 –

Das Wort hat der Kollege Christoph Degen, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst für die ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage bedanken. Herr Minister, die Antwort ist sogar fristgerecht eingegangen.