Sehr geehrte Damen und Herren, daher müssen wir uns mit diesem wichtigen Thema befassen, und daher ist es richtig und wichtig, dass wir die Problemstellung hier im Landtag debattieren. Diesem Thema haben sich auch unsere Minister Dr. Thomas Schäfer, Stefan Grüttner und Tarek Al-Wazir bereits gewidmet. Sehr geehrte Herren Minister, ich danke Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich für diesen Impuls, der uns bei der Generationengerechtigkeit ein weiteres Stück voranbringt.
Denn aus unserer Sicht ist die Initiative Deutschland-Rente aus Hessen ein geeignetes Instrument, um die private Vorsorge deutlich zu stärken. Dies ist auch dringend geboten. Der Anteil der Bevölkerung, der private Altersvorsorge betreibt, ist, wie bereits erwähnt, noch deutlich zu gering. Wir wollen hier Ansatzpunkte schaffen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, die Menschen dazu zu motivieren, sich mit dem Thema „Leben im Alter“ und der Notwendigkeit zu beschäftigen, rechtzeitig auch finanziell für das Alter vorzusorgen. Zugleich wollen wir zu einer Versachlichung der zurzeit in Deutschland geführten Debatte zum Thema Altersvorsorge beitragen. Hier sehen wir in der Deutschland-Rente eine gute Alternative, die wir schnellstmöglich vorantreiben wollen.
Warum ist die Deutschland-Rente richtig, und warum ist sie so wichtig? – Sie ist ein Standardprodukt für jeden. Private Altersvorsorge wird mit Unterstützung des Staates deutlich einfacher. Für die Arbeitnehmer führen die Arbeitgeber Beiträge für die private Altersvorsorge ab, ohne dass der Arbeitnehmer gezwungen ist, sich mit einer Vielzahl teils sehr unübersichtlicher Produkte zu befassen.
Bisher müssen sich die Arbeitnehmer selbst darum kümmern, ein passendes Vorsorgeprodukt für sich zu finden, einen entsprechenden Vertrag zu schließen und die Einzahlung für dieses Produkt vorzunehmen. Dieses bisherige Opt-in-Verfahren soll durch eine Opt-out-Regelung ersetzt werden. Aus der Regel: „Wer nichts unternimmt, hat keine private Absicherung für das Alter“, wird die Regel, dass
die private Altersvorsorge zum Standard wird, solange sich der Arbeitnehmer nicht aktiv anders entscheidet.
Die Deutschland-Rente ist kostengünstig. Die Anlage der einzuzahlenden Beiträge soll über einen sogenannten Deutschlandfonds erfolgen, einen eigenständigen zentralen Rentenfonds, der ohne eigenes Gewinninteresse auf Selbstkostenbasis arbeitet. Dadurch werden unnötige Kosten für die Beitragszahler vermieden, und alternativ besteht auch die Möglichkeit, ein privatwirtschaftliches Produkt für dieses Verfahren zu wählen.
Die Deutschland-Rente ist rentabel. Der Deutschlandfonds setzt auf ein breit gestreutes Anlageportfolio, z. B. mit einem höheren Aktienanteil als viele derzeitige Altersvorsorgeprodukte. Der sehr langfristige Anlagehorizont und die Möglichkeit einer starken Streuung aufgrund der Größe des Fonds verringern die Anlagerisiken erheblich und sorgen gleichzeitig für höhere Renditen. Selbst in den schlechtesten 20 Jahren am Aktienmarkt seit 1970 – über so einen langen Anlagehorizont sprechen wir hier – hat der DAX noch immer durchschnittlich 5 % Rendite pro Jahr erwirtschaftet.
Die Deutschland-Rente ist gerecht. Besonders Geringverdiener haben selten eine ausreichende ergänzende Vorsorge, obwohl gerade sie ihre gesetzliche Rente dringend um weitere Bausteine ergänzen müssen. Durch die unbürokratische Umsetzung und die Opt-out-Methode können diese Menschen ganz einfach privat vorsorgen, ohne zusätzlichen Aufwand und Bürokratie.
Und zuallerletzt: Die Deutschland-Rente ist anscheinend für viele Bürger auch ein interessantes Altersvorsorgemodell. 72 % der Deutschen sprechen sich laut einer EmnidUmfrage für eine Stärkung der privaten Vorsorge aus. Einer von einem anderen Institut speziell zur DeutschlandRente durchgeführten Umfrage zufolge könnten sich 56 % der Befragten vorstellen, in eine Deutschland-Rente einzuzahlen. Besonders unter den 18- bis 25-Jährigen beträgt die Zustimmung zur Deutschland-Rente fast 80 %.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen vorgetragen, was hinter der Idee der Staatsminister Dr. Schäfer, Grüttner und Al-Wazir steckt. Wir halten die DeutschlandRente für ein überzeugendes Altersvorsorgemodell mit Weitblick. Ich greife die Umfrageergebnisse noch einmal auf: Mehr als die Hälfte der Befragten und rund 80 % der 18bis 25-Jährigen stehen der Deutschland-Rente durchaus positiv gegenüber. Ich finde, das ist ein beeindruckender Zustimmungswert für die Deutschland-Rente. Ich würde mich freuen, wenn wir diese Zustimmung im Hessischen Landtag noch übertreffen und unseren Ministern damit ordentlich Rückenwind geben könnten für die weiteren Verhandlungen auf Bundesebene. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine gerechte und auskömmliche Altersversorgung wird bereits in naher Zukunft eines der zentralen Themen sein. Es betrifft keineswegs nur diejenigen, die aufgrund prekärer Beschäftigung, unterbrochener Erwerbsbiografien oder wegen Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen mit einer Niedrigrente zu rechnen haben. Es wird zunehmend auch diejenigen betreffen, die mit regelmäßigem, gutem Erwerbseinkommen zur sogenannten Mittelschicht gehören. Deshalb wird es auch eine zentrale politische Aufgabe sein, diese Problematik umfassend zu lösen und die Menschen vor Altersarmut zu schützen.
Daher ist meines Erachtens ein Blick auf alle drei Säulen der Altersversorgung zwingend notwendig. Deshalb muss Ihr Vorschlag für eine sogenannte Deutschland-Rente als gedachtes Instrument der betrieblichen bzw. privaten Zusatzversorgung natürlich ebenfalls einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Dazu sollten wir zunächst einen Blick auf die Riester-Rente werfen. Sie war gedacht als zusätzliche private Altersvorsorge. Immerhin haben 16 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das RiesterAngebot angenommen. Man kann auch nicht behaupten, dass sie der Staat nicht ausreichend gefördert hätte. Mehrere Milliarden € sind dort inzwischen an Fördergeldern hineingelaufen. Immerhin hat jeder vierte Riester-Sparer auch nur ein Haushaltseinkommen von weniger als 10.000 € gehabt; 40 % hatten weniger als 20.000 €. Insofern hat Ministerpräsident Seehofer nicht ganz recht mit der Behauptung, dass die staatliche Förderung der Altersvorsorge gänzlich gescheitert sei, zumindest in diesem Bereich.
Gleichwohl müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass dieses Angebot weniger Menschen erreicht hat, als man es erhofft hatte. Menschen mit niedrigem Einkommen, aber auch mit mittlerem Einkommen haben das Angebot nur unzureichend angenommen. Ein weiteres gravierendes und ganz aktuelles Problem der Riester-Rente, aber auch der Lebensversicherungen im Allgemeinen ist, dass derzeit kaum noch Zinsen bzw. Renditen zu erwirtschaften sind. Genau diese Punkte scheinen uns auch nach wie vor die Schwachstellen der sogenannten Deutschland-Rente zu sein. Zum einen dürfte sie ebenso wie die Riester-Rente einen erheblichen Teil der Geringverdiener kaum erreichen, weil diese dazu schlicht auch in Zukunft kein Geld haben werden. Aber sie wird auch diejenigen nicht erreichen, die eben zu den Mittelverdienern gehören. Gerade diese beiden Gruppen hätten eine Unterstützung eigentlich am allernotwendigsten.
Meine Damen und Herren, die Zins- und Rentenproblematik dürfte ebenso die Schwäche des von Ihnen entwickelten Alternativvorschlags sein. Es soll mit einem vom Staat gemanagten Fonds viele Riester-Renten ergänzen oder wahrscheinlich gar ersetzen, so Ihr Ziel. Ob das aber funktioniert, ist vor dem Hintergrund der Zinsentwicklung auch bei diesem Modell sehr fraglich.
Wirtschaftsminister Al-Wazir soll gesagt haben – so stand es in der Zeitung; ich nehme an, dass diese nicht gelogen hat –, dass Ihr Vorschlag eine billigere Lösung sei, weil weniger Provisionsgelder an Versicherungsvertreter flössen und weil es mehr Möglichkeiten für Beschäftigte in Kleinbetrieben zur privaten Vorsorge gäbe. Es gibt nur eine Krux: Handwerker und kleine Dienstleister bieten kaum Betriebsrenten an. Das ist nach wie vor eine der großen Schwachstellen.
Nicht abschließend beantwortet worden ist auch die Frage, ob dies eine Zwangsversicherung werden soll, eine freiwillige Versicherung bleibt oder ob es am Ende irgendetwas sein wird, was dazwischenliegt.
Sowohl in den Medien als auch in den Verbänden hat man sich mit Ihrem Modell beschäftigt. Das ist auch in Ordnung so. Es gab Pro, und es gab Kontra. Die Versicherungswirtschaft wird natürlich Sturm laufen; das ist zu erwarten.
Vom Vertreter des Verbraucherschutzes ist zu vernehmen, dass die Idee einerseits durchaus Erfolg versprechend sein könnte. Andererseits fragt man sich doch, ob es nicht sinnvoller sein könnte, die gesetzliche Rentenversicherung wieder zu stärken.
Sehr deutlich wird allerdings der VdK Hessen-Thüringen in seiner Bewertung Ihres Modells. In einer Pressemitteilung vom 13. April 2016 heißt es unter anderem – Frau Präsidentin, Sie erlauben mir, dass ich zitiere –:
Der VdK begrüßt, dass die Hessische Landesregierung das Problem der zunehmenden Altersarmut erkannt hat und mit der sogenannten „DeutschlandRente“ einen Vorschlag unterbreitet hat. Der Sozialverband geht allerdings davon aus, dass die Hauptbetroffenengruppe, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor, Frauen, insbesondere Alleinerziehende, Minijobber und gering verdienende Selbstständige, durch diese allein vom Arbeitnehmer bezahlte Privatvorsorge nicht vor Altersarmut geschützt werden können.
Aus Sicht des VdK ist die gesetzliche Rente der wichtigste und sicherste Schutz gegen Altersarmut. „Diese zentrale und wichtigste Säule der Alterssicherung zu schwächen und stattdessen mit der sogenannten ‚Deutschland-Rente‘ eine neue Privatrente einzuführen, löst das Problem der Altersarmut nicht“,...
Meine Damen und Herren, insofern müssen wir heute leider feststellen, auch wenn es von Ihnen sicherlich gut gemeint war, dass Sie mit dem Modell der Deutschland-Rente nicht den rentenpolitischen Stein der Weisen gefunden haben.
Der Westdeutsche Rundfunk hat vor wenigen Wochen Erhebungen und Berechnungen zur Entwicklung der Rente, insbesondere zur drohenden Altersarmut, veröffentlicht. Danach drohe ab 2030 jedem zweiten Neurentner eine Rente, die nicht über das Grundsicherungsniveau von 840 € hinausgehe. Grund dafür seien die Absenkung des Rentenniveaus und Niedriglöhne. Das macht für uns zwei Dinge deutlich, die uns meines Erachtens auch zum Handeln zwingen:
Erstens. Wir müssen weiter und konsequent für noch mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Deshalb ist es richtig, dass wir über die entsprechenden Gesetzesinitiativen gegen Lohndumping und prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorgehen.
Zweitens. Wir müssen eine umfassende Reform aller drei Säulen der Altersversorgung in Angriff nehmen. In Ihrem Konzeptpapier zur Deutschland-Rente gehen Sie davon aus, dass das Rentenniveau, so, wie es bisher auch vorgesehen ist, weiter bis auf 43 % sinken wird. Ich glaube, das ist politisch noch nicht zu Ende besprochen. Darüber werden wir noch zu debattieren haben, nicht nur hier, sondern gerade auch in Berlin, ob das der richtige Weg ist.
Wer über die Vermeidung von Altersarmut reden will, muss bereit sein, über die Sicherung und Stabilisierung des Rentenniveaus zu reden und am Ende darüber entscheiden, wie es sein soll.
Noch einen Blick auf die Betriebsrente. Auch sie muss gestärkt und ausgebaut werden, weil sie eine wichtige zweite Säule der Vorsorge ist. Finanzminister Dr. Schäuble hat vor wenigen Tagen verkündet, dass er plant, einen neuen staatlichen Zuschuss für die Betriebsrenten von Geringverdienern einzuführen. So weit, so gut. Auch einen solchen Vorschlag muss man selbstverständlich ernsthaft prüfen. Aber ein Problem wird hierbei genauso deutlich wie bei der Deutschland-Rente: Was machen wir denn mit der großen Zahl von Klein- und Mittelbetrieben, bei denen es noch keine Betriebsrentenvereinbarung gibt? – Es dreht sich immer wieder auch um diesen zentralen Punkt.
Ein weiteres Thema wird bei der Gestaltung der künftigen Rente eine wichtige Rolle spielen: Das ist das Thema flexibles Renteneintrittsalter. Die sogenannte Flexi-Rente soll kommen. Das hat der Koalitionsausschuss in Berlin dieser Tage beschlossen. Das trifft natürlich auf unterschiedliches Echo. Die Gewerkschaften betrachten das beispielsweise ganz anders als die Arbeitgeberseite.
Fakt ist jedoch, dass damit die Teilrenten transparenter, flexibler und somit attraktiver werden. Aus unserer Sicht ist das ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung; zumindest ist das ein Einstieg in die Flexibilisierung der Alterssicherung.
In diesem Zusammenhang steht der Vorschlag von Finanzminister Dr. Schäuble, die Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung zu koppeln. Das war schlichtweg ein untauglicher Versuch, weil er an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht.
Der Renteneintritt mit 67 Jahren kann nur von wenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern überhaupt erreicht werden. Nicht nur der allseits bekannte Dachdecker oder der Maurermeister werden nicht bis 67 oder gar bis 70 arbeiten können. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Krankenschwestern und Krankenpfleger. Vor diesem Hintergrund sollte man die Sinnhaftigkeit der Zwangsverrentung hinterfragen. Wenn man auf der einen Seite fordert, ein höheres Renteneintrittsalter zu erreichen, und auf der anderen Seite Menschen mit 59, 60, 61 oder 62 Jahren nach Hause schickt, muss man darüber nachdenken.