Insofern sollten Sie sich nicht hinter Zeitabläufen verstecken. Es ist wirklich eine abenteuerliche Debatte, die hier mittlerweile aufgemacht wird. Sie können ja sagen, dass Sie den Paragrafen nicht abschaffen wollen, weil Sie sich mit der Türkei nicht anlegen wollen. Aber sich hinter einem Zeitablauf zu verstecken, hat wirklich nichts mit der Sache zu tun und ist der Sache weiß Gott auch nicht angemessen.
Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.
Ich gehe davon aus, dass auch der Dringliche Entschließungsantrag an den Rechtspolitischen Ausschuss überwiesen werden soll.
Dann lasse ich zuerst über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Majestätsbeleidigungsparagrafen umgehend abschaffen, Drucks. 19/3372, abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FDP und der SPD. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktionen der CDU und BÜNDNISS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? – Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden.
Ich rufe zur Abstimmung über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend § 103 StGB soll gestrichen werden, Drucks. 19/3402, auf. Wer hier die Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktion der FDP. Wer enthält sich? – Die Fraktionen der SPD und der LINKEN. Damit ist dieser Antrag angenommen worden.
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Situation der Alleinerziehenden in Hessen – Drucks. 19/3269 zu Drucks. 19/2684 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Als erste Rednerin hat sich Frau Kollegin Özgüven von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alleinerziehende sind leider auch in unserem Bundesland die Schlusslichter der Gesellschaft. Dieses Resultat muss ich aus der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion durch die Landesregierung betreffend die Situation der Alleinerziehenden in Hessen ziehen.
Laut dem Hessischen Statistischen Landesamt lebten im Jahr 2014 in ganz Hessen 194.000 Alleinerziehende mit zusammengerechnet 259.000 Kindern. 169.000 der Alleinerziehenden waren Mütter. Von 1996 bis 2014 stieg der prozentuale Anteil der Einelternfamilien im Bundesgebiet, gemessen an der Gesamtzahl aller Familien, von 17 auf 29 %. Wie der Antwort der Landesregierung zu entnehmen ist, haben rund 30 % der Alleinerziehenden einen Migrationshintergrund. Rund 8 % der Alleinerziehenden befinden sich im ALG I-Bezug, und 21 % beziehen ALG-II-Leistungen. Bei über einem Drittel der alleinerziehenden ALG-IIBezieher handelt es sich um Aufstocker und Aufstockerinnen.
Jetzt sind wir auch schon bei einem der wesentlichen Probleme, denen viele Alleinerziehende ausgesetzt sind: dem Problem der Armut. Für Einelternfamilien besteht ein wesentlich größeres Armutsrisiko als für Zweielternfamilien. Hieraus folgt im Rentenalter das Problem der Altersarmut.
Alleinerziehende müssen in vielerlei Hinsicht zurückstecken. Es hapert für sie nicht nur an der fehlenden Möglichkeit, einen Schulabschluss nachzuholen bzw. einen Beruf zu erlernen, sondern für den Fall, dass sie bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung haben, auch daran, dass sie nicht beruflich vorankommen oder gar Karriere machen können. Hintergrund ist, dass sie aufgrund mangelnder zeitumfänglicher und bedarfsorientierter Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder keiner Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen und wegen des fehlenden finanziellen Backgrounds nicht an ihrem Schul- oder Berufsabschluss arbeiten können.
Folge dieser mangelnden politischen Unterstützung ist, wie bereits gesagt, das Angewiesensein auf Arbeitslosengeldleistungen und Sozialleistungen bzw. aufstockende Leistungen. Man kann sich natürlich, so, wie es die Landesregierung macht, auf den Standpunkt stellen, dass es sich bei dem Thema Kinderbetreuung um originäre Aufgaben der Kommunen handelt, und somit versuchen, sich aus der Verantwortung zu ziehen.
Jedoch stellt sich dann die Frage, welchen Sinn beispielsweise ein auf zwei Jahre angelegtes Bundesförderprogramm aus dem Europäischen Sozialfonds wie das Programm „Netzwerke wirksamer Hilfen für Alleinerziehende“ hat, wenn die Landesregierung am Ende nicht bereit ist, die Erkenntnisse aus diesem vielversprechenden Programm zu evaluieren,
zu bündeln und nach Ablauf der Förderfrist selbst initiativ zu werden: War das Förderprogramm erfolgreich? Haben die im Rahmen des Programms vor Ort aufgebauten arbeitsmarktpolitischen, familienpolitischen und vereinbarkeitsorientierten Netzwerkstrukturen tatsächlich die Alleinerziehenden unterstützen können? Konnten bestehende Angebote durch die aufgebauten Netzwerkstrukturen tatsächlich, wie beabsichtigt, transparenter gestaltet, gebündelt und erweitert werden?
Wenn das zweijährige Förderprogramm Erfolge aufweisen konnte, wäre es dann nicht sinnvoll, dass die Landesregierung selbst Fördermaßnahmen auf den Weg bringt und die begonnenen Maßnahmen zugunsten der Alleinerziehenden fortführt? Wir wissen es nicht. Es scheint die Landesregierung auch nicht zu interessieren.
Das ist ein Teufelskreis für Alleinerziehende, die offensichtlich nicht auf eine arbeitsmarktintegrative Unterstützung durch die Landesregierung hoffen dürfen.
Positiv hervorzuheben ist die auf Bundesebene durch das Familienministerium durchgesetzte Steuerentlastung für Alleinerziehende. Aber hiervon können bekanntermaßen nur die Alleinerziehenden profitieren, die über Erwerbseinkommen verfügen.
Ein weiteres Problemfeld für Einelternfamilien sind die Bezugsdauer und die Höhe von Unterhaltsvorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Kinder, die bei nur einem Elternteil leben und von dem anderen Elternteil keine bzw. unregelmäßige Unterhaltszahlungen erhalten, haben für die Dauer von 72 Monaten, höchstens jedoch bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen.
Im Übrigen wird das Kindergeld in voller Höhe auf den Unterhaltsvorschussanspruch angerechnet, obwohl es bei der Anspruchsberechnung unmittelbar gegenüber dem anderen Elternteil nur hälftige Anrechnung findet. Es stellt sich die Frage, weshalb sich die finanziellen Bedarfe der Kinder, die mit deren steigendem Alter wachsen und auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Düsseldorfer Tabelle finden, nicht im Unterhaltsvorschussrecht widerspiegeln.
Kinder aus Einelternfamilien müssen auch über ihr zwölftes Lebensjahr hinaus finanziert werden und haben Anspruch auf Unterhalt. Wenn der andere Elternteil nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig ist, muss eben die Unterhaltsvorschussstelle dieser Verantwortung gegenüber dem minderjährigen Kind gerecht werden und versuchen, sich das Geld bei dem anderen Elternteil zurückzuholen.
Hier sind – zumindest in einem ersten Schritt – die Anhebung der Altersgrenze auf die Vollendung des 14. Lebensjahrs, die Verlängerung der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten und die Durchsetzung der nur hälftigen Anrechnung des Kindergelds erforderlich. Kinder aus Einelternfamilien, die ihren Unterhaltsvorschussanspruch bereits voll
ausgeschöpft haben und keinen Barunterhalt mehr beziehen, verlieren eine für die Verbesserung ihrer Lebenslage und für ihre Förderung effiziente finanzielle Unterstützung und sind gegenüber anderen Kindern ganz klar sozial benachteiligt.
Selbstverständlich handelt es sich bei dem Unterhaltsvorschussgesetz um ein Bundesgesetz. Jedoch werden Unterhaltsvorschussleistungen zu zwei Dritteln aus Landesmitteln und nur zu einem Drittel aus Bundesmitteln finanziert. Dies bedeutet, dass es sehr wohl in der länderpolitischen Verantwortung liegt, aktiv zu werden und im Rahmen einer Bundesratsinitiative eine entsprechende Änderung des Gesetzes zu initiieren. Auf diese Verantwortung der Länder haben die Regierungsfraktionen im Bund bereits hingewiesen.
Bemerkenswert an der Beantwortung der Großen Anfrage ist weiterhin, dass die Landesregierung offensichtlich keinerlei Informationen und Erkenntnisse über die Wohnsituation und über Probleme von Alleinerziehenden auf dem Wohnungsmarkt hat. Spezielle Projekte für die Verbesserung der Wohnsituation der Einelternfamilien gibt es in Hessen nicht. Auch hier werden die Alleinerziehenden durch die Landesregierung im wahrsten Sinne des Wortes alleingelassen.
Meine Damen und Herren, Einelternfamilien sind vollwertige Familien und auch als solche zu behandeln. Alleinerziehende leisten und schultern einiges allein und müssen doch immer wieder zurückstecken. Sie müssen tagtäglich mit den bereits genannten Problemen und Barrieren umgehen. Sie sind darüber hinaus immer wieder Stigmatisierungen ausgesetzt.
Sie müssen sich rechtfertigen, wenn das Kind schlechte Noten hat; es wird ihnen nämlich schnell Überforderung vorgeworfen. Sie müssen sich rechtfertigen, wenn sie arbeiten gehen; es wird ihnen nämlich die Vernachlässigung des Kindes vorgeworfen. Sie müssen sich rechtfertigen, wenn sie Sozialleistungen beziehen; es wird ihnen nämlich Faulheit vorgeworfen. Lassen Sie mich Ihnen als Familienrechtlerin mitteilen, dass es viele Frauen gibt, die den Weg der Trennung vom anderen Elternteil nicht wagen, da sie Angst vor genau diesen Problemen haben, die ihnen als Alleinstehende bevorstehen.
Für ein Kind ist es allerdings höchst kindeswohlschädlich, in zerrütteten Familienverhältnissen groß zu werden. Die Hessische Landesregierung sollte sich endlich ihrer Verantwortung für Alleinerziehende stellen. – Herzlichen Dank.
Als nächster Redner spricht nun Kollege Bocklet von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Özgüven – sie spricht gerade, ich möchte nur ganz kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten –, ich möchte Ihnen danken, dass Sie zu diesem Thema gesprochen haben. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie diesen Tagesordnungspunkt heute hier ins Plenum gebracht haben – genauso der SPD mit ihrer Großen Anfrage, die das Thema noch einmal in den Fokus rückt, wie die Situation von Alleinerziehenden in Hessen ist. Natürlich schließe ich in meinen Dank die Antwort der Landesregierung für eine mühevolle Zusammenstellung vielfältigster Informationen ein. Ich glaube, das gibt noch einmal einen guten Blick auf die Situation von Alleinerziehenden.
Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin. Wir haben rund 190.000 Alleinerziehende. Wir wissen, dass es rund 40.000 Leistungsberechtigte gibt, erwerbsfähige Leistungsberechtigte, und zusätzlich dazu 13.000 alleinerziehende Arbeitslose.