Aber Politik muss und kann dafür auch die Rahmenbedingungen setzen. Ich denke, das tut diese Landesregierung. Ich habe es schon gesagt, das Handwerk ist immer ein verlässlicher Partner für uns, wenn es um die Energiewende geht oder darum, die Menschen in Ausbildung zu bringen, oder um die Integration von Flüchtlingen. Dafür an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an das Handwerk.
Das Handwerk ist eigentlich die tragende Säule in der Energiewende. Der Anteil der Betriebe im Energiesektor, die ausbilden, ist sehr hoch einzustufen. Dafür sind insbesondere die Handwerksbetriebe dieses Sektors verantwortlich. Aber dabei gibt es natürlich – Frau Barth hat es schon gesagt – auch Probleme, diese Stellen zu besetzen. Deswegen engagiert sich die Landesregierung auch besonders dabei, den Jugendlichen die Fähigkeiten zu vermitteln, die sie vielleicht noch nicht vollständig haben, damit sie den Anforderungen entsprechen. Dafür werden besondere Unterstützungs- und Beratungsstrukturen aufgebaut.
Die Energiewende ist also eine Win-win-Situation, sowohl für das Handwerk als auch für die jungen Menschen, die eine Chance bekommen, eine Ausbildung zu absolvieren; für das Handwerk besteht die Chance, diese jungen Menschen mit interessanten Ausbildungsberufen gewinnen. Das ausgeschöpfte Potenzial in diesem Bereich ist aber auch sehr groß, wenn wir sehen, dass weniger als 20 % der Heizungsanlagen in Hessen auf einem aktuellen Stand der Technik sind. Da gibt es also noch enormen Nachholbedarf.
Bei 75 % der 1,3 Millionen Wohngebäude besteht noch energetischer Modernisierungsbedarf. Auch beim Thema Energieeinsparung im Gebäudebestand und bei der Begrenzung der klimarelevanten Emissionen gibt es noch viel zu tun. Das Investitionsvolumen, das bis 2020 berechnet wurde, liegt bei 2,2 Milliarden € – ein großer Markt. Die Hessische Landesregierung fördert dies auf der Grundlage des Hessischen Energiegesetzes mit Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien und von Kraft-Wärme-Kopplung.
Aber auch das Handwerk ist ständig dabei, zu lernen und die Qualität zu verbessern. Ich weiß, am Anfang gab es Gespräche darüber, ob unsere Handwerker gut genug ausgebildet sind, um die Solaranlagen aufs Dach zu bringen, und ob man dem vertrauen kann. Das hat sich verändert. Mittlerweile gibt es sogar einen Gebäudeenergieberater, der bezüglich Effizienzmaßnahmen an Gebäuden berät.
Die Gebäudeberater, die die Effizienz von baulichen Maßnahmen für Fördermittel des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle oder der KfW beurteilen, brauchen eine Bescheinigung und müssen in der Energieeffizienzexpertenliste der Deutschen Energie-Agentur eingetragen werden. Das ist freiwillig. Aber es ist ein Qualitätskriterium, damit man weiß, diejenigen, die Fördermittel bekommen, haben auch nachgewiesen, dass sie in ihrem Bereich gut sind.
Das Handwerk widmet sich aber auch der gesellschaftlichen Aufgabe, mehr Frauen in Männerberufe zu bringen.
Wir haben schon gehört, es gibt zehn beliebteste Berufe. Da ist leider der Metzgermeister nicht dabei. Aber ich weiß, Herr Boddenberg, dass Sie stets bemüht sind, dass auch dieser Beruf auf die Liste der zehn beliebtesten Ausbildungsberufe kommt.
Aber es ist immer noch wie schon seit Jahrzehnten, dass Männer Kfz-Mechatroniker werden wollen und Frauen Friseurinnen und Fachverkäuferinnen im Lebensmittelbereich. Diese Konzentration auf wenige Berufe verändert sich nur ganz langsam. Auch dafür wird aber etwas getan.
Ein Fünftel der Ausbildungsplätze ist mit Frauen besetzt. Das ist erheblich zu wenig. Deswegen gibt es zum einen das Thema Vorbilder. So werden Meisterinnen immer mehr in den Blick genommen. Aber auch die Hessische Landesregierung hat eine MINT-Aktionslinie 2011 aufgelegt. In Kooperation mit der Regionaldirektion Hessen gibt es verschiedene Projekte. Das können Sie in der Antwort auf Frage 7 nachlesen. Ich will Sie damit jetzt nicht langweilen, weil Sie das sowieso vorher gelesen haben. Ich will Ihnen aber ein Beispiel sagen, wie das funktioniert.
Wir haben in Kassel ein Projekt zum Übergang Schule-Beruf, in dem Mittel der Bundesagentur für Arbeit, Mittel des Landes, aber auch die kommunalen Mittel stecken und durch das Mädchen gezielt mit Betrieben zusammengeführt werden. Man sieht, dass gerade Mädchen mit Migrationshintergrund es ganz toll finden, in Männerberufen ihre starke Frau zu stehen. Ich denke, das ist ein lohnender Bereich, einmal zum Thema Integration, aber auch zur Stärkung der Frauen. Es sind gute Sachen, die mit dem Handwerk vorangebracht werden.
Der zentrale Baustein für eine gelungene Integration ist natürlich die berufliche Erstausbildung. Da stellt die Landesregierung zusätzliche Mittel bereit, um die vorhandenen Programme zu ergänzen – das ist auch schon genannt worden –: die landesweite Strategie OloV zur Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit zwischen Schule und Betrieb, die Initiative ProAbschluss und das neue Förderprogramm „gut ausbilden“. Dort werden insbesondere finanzielle Anreize für Kleinstunternehmen, also für Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten, gesetzt, die dann auch ausbilden können, und die Ausbildungsqualität wird erhöht. Dafür ist dieses neue Förderprogramm.
Aber auch in dem Bereich ist es so: Vorbilder wirken. Da gibt es gute und viele. 22 % der inhabergeführten Einzelbetriebe werden bereits von Menschen mit anderer als deutscher Staatsangehörigkeit geführt, und ich denke, das sind gute Vorbilder, die man auch gut herausstellen kann.
Zum Meisterbrief ist schon einiges gesagt worden. Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir eine weitere Novelle der Handwerksordnung nicht für erforderlich halten. Ich will aber auch sagen – das hat Herr Kollege Klose schon gesagt –, dass wir damals, im Jahr 2004, die Reform der Handwerksordnung als richtig empfunden haben. Damals war es das Ziel, die Schwarzarbeit in diesem
Bereich einzudämmen. Ich glaube, dort hat es auch gewirkt, und Unternehmensgründungen wurden erleichtert. Das ist dann ein bisschen zu viel geworden; wir alle kennen das Beispiel der Fliesenleger. Aber deswegen sagen wir auch: Derzeit halten wir eine weitere Novelle nicht für erforderlich.
Alles andere ist gesagt worden. Ich habe auch nicht mehr so viel Zeit. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Wir können stolz auf unser Handwerk sein. Hätte ich gewusst, dass ich heute reden sollte, hätte ich mich natürlich besser vorbereitet und eine Ahle Wurscht aus Nordhessen mitgebracht, um die Qualität des Handwerks auch schmecken zu können.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Clemens Reif (CDU): Nächstes Mal!)
So kann ich Ihnen nur raten: Kommen Sie nach Nordhessen, und probieren Sie nicht nur die Ahle Wurscht, sondern auch die Kasseler Grüne Soße.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Peter Stephan (CDU): Wo gibt es denn dort die Grüne Soße? – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die macht Frau Müller selbst!)
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was gibt es Schöneres, als am Geburtstag zu dem Bereich reden zu dürfen, in dem man einmal groß geworden ist? Das ist ein guter Anlass, um wieder einmal umfänglich über das Handwerk zu reden. Ich glaube auch nicht, dass es hierbei viel Platz für Streit gibt. Ich denke, dass die Bedeutung des Handwerks unisono, über alle Fraktionen, anerkannt wird.
Das Handwerk stellt sicherlich einen der größten Bereiche im Mittelstand dar. Es ist quasi das Rückgrat der hessischen Wirtschaft in seiner ganzen Vielfalt und Bandbreite. Die Handwerksbetriebe haben eine große Verantwortung als Arbeitgeber, als Ausbilder. Als Ausbilder räumen sie oftmals noch Dinge aus, die das Elternhaus, aber auch die Schulen haben liegen lassen. Auszubildenden muss man teilweise erst einmal beibringen, jeden Tag zur Arbeit zu kommen, pünktlich zu sein, seinen Pflichten nachzugehen und etwas durchzuhalten, also seine Ausbildung, die man gewählt hat, durchzuhalten.
Ich glaube, dass diese Landesregierung, aber vor allem auch ihre Vorgängerregierung, viel dazu beigetragen hat, junge Menschen auch für das Handwerk fit zu machen. Dazu gehören die SchuB-Klassen, und hierzu gehört auch so etwas wie die Mittelstufenschule, die sich in ihren Formen immer auf die pragmatische Seite des Lebens bezogen hat. Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht nur Häuptlinge, wir brauchen auch Indianer, die die Arbeit machen.
Das Handwerk hat sich noch nie allein darauf verlassen, dass ihm das Land bzw. der Staat bei der Ausbildung hilft. Das Handwerk macht eine hervorragende Arbeit in der überbetrieblichen Ausbildung. Das gehört an dieser Stelle einfach einmal erwähnt und gelobt. Die überbetriebliche Ausbildung und die Ausbildung in den Handwerksbetrieben sind für die Auszubildenden eine wirkliche Chance. Die Durchlässigkeit ist, glaube ich, gerade im Handwerk so groß wie in keinem anderen Bereich. Sie können es in einem Handwerksbetrieb wirklich schaffen, und vielleicht ist es dort am leichtesten, vom Auszubildenden bis hin zum selbstständigen Unternehmer aufzusteigen. Dass nun auch ein Meister die Möglichkeit hat, zu studieren, ist gerade für die Durchlässigkeit von Berufen ein wirklicher Meilenstein. Das sollte auch erwähnt werden.
Handwerksbetriebe sind zumeist Familienunternehmen. Zu dieser Familienkultur, zu dieser Kultur von Mittelständlern, gehört eben auch ein gesellschaftliches Engagement, ein Engagement, das durchaus überdurchschnittlich ist. Das sehen Sie daran, dass sich Handwerksmeister mit ihren Familien sehr oft in Vereinen ihrer Stadtviertel engagieren. Sie engagieren sich auch kommunalpolitisch. Das ist ein gesellschaftliches Engagement, das heute vor allem auch im ländlichen Raum gebraucht wird. Wenn wir die Frage diskutieren, wer denn im ländlichen Raum überhaupt noch Ausbildungs- oder Arbeitsplätze zur Verfügung stellt, kommt man sehr schnell auf das Handwerk; dann kommt man sehr schnell auf diese Wirtschaftsmacht von nebenan. Sie sind oftmals diejenigen, die im ländlichen Raum eben tatsächlich noch immer die Impulse geben und mit ihren sehr modernen Betrieben auch Zukunftsperspektiven für ganze Regionen bieten. Das ist etwas, was wir durchaus unterstützen sollten. Wir müssen auch anerkennen, dass gerade Handwerksbetriebe mit ihren Betriebsinhabern eine große gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
In Hessen umfasst das Handwerk etwa 75.000 Betriebe, ca. 338.000 Beschäftigte und rund 25.000 Auszubildende. Im letzten Jahr konnte ein Umsatz von 33 Milliarden € erwirtschaftet werden. Meine Damen und Herren, das ist wirklich eine Wirtschaftsmacht von nebenan.
Der Fachkräftemangel hat auch schon beim Handwerk seine Spuren hinterlassen. Wenn man die Große Anfrage aufmerksam liest, stellt man fest, dass es gerade im Lebensmittelgewerbe Verwerfungen gibt. Ich glaube, dort müssen wir noch einmal ansetzen. Es wird sicherlich nicht so einfach sein, dass man sagt, dass Herr Boddenberg als Botschafter für das Metzgerhandwerk zu Felde zieht – ich übernehme diese Rolle gern für das Elektrohandwerk –; das allein wird sicherlich nicht reichen. Wir müssen uns damit beschäftigen, dass sich das Marktumfeld gerade in diesem Bereich etwas verändert hat – einmal durch das Internet, aber auch durch den Zusammenschluss und die Konzentration großer Lebensmittelversorger, die hier Platz greifen und den kleinen, mittelständischen Betrieben das Leben schwer machen. Daher müssen wir uns darüber unterhalten: Kann es eigentlich sein, dass ich einen kleinen, mittelständischen Bäckereibetrieb mit den gleichen Vorschriften überziehe, wie ich das von einer Großbäckerei erwarte?
Ich glaube, wir müssen hier differenzieren, um den kleinen, mittelständischen Betrieben eine Überlebenschance zu bieten.
Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, es sei nicht viel Platz für Streitigkeiten; aber lassen Sie mich auch eines gesagt haben: Ich glaube, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen sollten, dass z. B. so etwas wie die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge endlich wieder zurückgeführt wird. Es wäre die Aufgabe des Landes, sich hierfür in Berlin einzusetzen. Das würde diesem großen mittelständischen Bereich, dem Handwerk, wirklich helfen, aber auch allen anderen mittelständischen Bereichen, weil es den Unternehmen Liquidität entzieht. Dazu wäre Ihre Stellungnahme vielleicht auch sehr hilfreich.
Was den Mindestlohn angeht, sage ich: Ich glaube, wir werden gleich noch die Gelegenheit haben, ausführlich über den Mindestlohn zu reden. Aber auch da müssen wir uns, wenn wir uns über das Handwerk unterhalten, z. B. über die Dokumentationspflicht unterhalten. Der Mindestlohn mag in Deutschland heute eine Tatsache sein; die Dokumentationspflicht ist es nicht.
Wer glaubt, dass immer alles so bleibt, wie es ist, und dass alle Rahmenbedingungen gut sind, stellt fest: Gerade bei den Themen Schwarzarbeit und Mindestlohn höre ich schon jetzt wieder die Auguren rufen, die sagen: Wir müssen doch einmal über Vergabegrenzen nachdenken. – In der Verantwortung von FDP und CDU haben wir die Vergabegrenzen im Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz angehoben. Wir haben bis heute keinerlei Anzeichen dafür, dass dies zu mehr Schwarzarbeit geführt hätte. Die Schwarzarbeit ist grundsätzlich ein Problem, und sie gehört bekämpft. Die Vergabegrenzen sollten aber so bleiben, wie sie sind, weil sie mittelstandsfreundlich ausgerichtet sind und weil sie nach allen Erfahrungen nicht dazu geführt haben, dass irgendwo mehr Subventionen Platz greifen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, dass wir sol- chen Bestrebungen, wie z. B. die Abschreibemöglichkeit von Handwerkerleistungen einzuschränken, entgegentre- ten. Ich bin relativ froh, dass einer der Koalitionspartner in Berlin noch sagt: Stopp, lasst bitte die Hände davon. Das wird nicht als Teil eines Deals in ein Paket hineingenom- men. – Das war die CSU. Es war nicht die CDU. Es war die CSU, die gesagt hat: Stopp, es bleibt so wie es ist. Es ist ein richtiges Instrument, um Schwarzarbeit zu bekämp- fen. – Solche Initiativen würde ich mir aus der Union öfter wünschen. (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))
Am Ende bleibt mir zu sagen: Wir hatten gemeinsam mit der Kammer in Spanien Erfolge hinsichtlich der Ausbildung. Den Schutz des Handwerksmeisters gilt es auch in der EU zu verteidigen. Der Handwerksmeister sollte nicht nur verteidigt werden, sondern als mustergültiges Beispiel für Betriebe in ganz Europa dienen. Damit kann man auch Jugendarbeitslosigkeit erfolgreich bekämpfen, Spanien ist