Protocol of the Session on March 13, 2014

Auch die baltischen Länder Lettland, Litauen und Estland, aber auch Polen schauen mit Sorge auf das zunehmend aggressive Verhalten vonseiten Moskaus. Diese Länder – das wissen Sie – haben sich erst 1991 von Russland losgesagt. Sie fürchten den von Russland begonnenen Weg auf der Krim, und sie hoffen, dass ihr Schutz durch ihre Mitgliedschaft in der EU gewährleistet wird. Sie fordern eine Erhöhung des diplomatischen Drucks auf Russland. Daran ist zu erkennen, dass die Krim-Krise ganz Europa betrifft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Notwendig – das betone ich – ist nach wie vor, dass eine diplomatische und politische Lösung des Konflikts gesucht wird. Das ist eine große Herausforderung, da Russland in der Person von Putin ein erkennbar großes Interesse an der Einverleibung der Krim hat. Deutlich wird dies auch durch die Ankündigung der selbst ernannten pro-russischen Krim-Regierung, die stationierten ukrainischen Kriegsschiffe und Kraftwerke einschließlich des Energieversorgers beschlagnahmen zu wollen. Ebenso müssen wir feststellen, dass Russland sich mit der Ermächtigung für ein militärisches Eingreifen bewusst außerhalb des Völkerrechts stellt.

Ich sage auch in Richtung der LINKEN: Den KosovoKonflikt kann man mit der Krim-Krise nur schwer vergleichen. Es ist nicht so, dass hier vonseiten der EU der Versuch unternommen wird, eine Änderung der Situation in ihre Richtung hinzubekommen, was den Machtanspruch angeht. Im Krim-Konflikt will alleine Russland den eigenen Einflussbereich verändern. Das ist ein ganz großer Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Es müssen daher alle denkbaren diplomatischen Initiativen ergriffen werden, die zu einer friedlichen und dauerhaften Lösung des Konflikts führen. Dies bedeutet, dass auch der Ukraine in ihrer wirklich schwierigen wirtschaftlichen Situation geholfen werden muss. Herr Utter hat es schon angesprochen. Deshalb glauben wir auch, dass das Angebot von José Barroso sehr zu begrüßen ist, der Ukraine bereits vor Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens Zollerleichterungen in Millionenhöhe zu gewähren. Außerdem ist es richtig, dass die EU eine Zusage gegenüber der Ukraine gegeben hat, 11 Milliarden € zur Verfügung stellen zu wollen.

Ich glaube aber auch, es ist notwendig, Russland klarzumachen, dass die EU Instrumente hat und die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen kann, um dadurch Russland zum Abzug der Tausenden Soldaten auf der Krim zu bewegen. Dazu zählen Sanktionen wie das Einfrieren von Konten und Reisebeschränkungen für einen bestimmten Perso

nenkreis, wie es ebenso notwendig ist, dass Energiedienstleistungsgeschäfte auf den Prüfstand gestellt werden.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Man kann sehen – ich komme gleich zum Ende –, dass Russland ein großes Interesse hat, weiter Gas nach Europa zu liefern. Ein Verzicht auf diese Gaslieferungen würde Russland massiv treffen und einen großen Druck ausüben. Das zeigt aber auch, dass wir unabhängig werden müssen von Energieimporten aus Russland. Für uns selbst bedeutet das, dass wir die erneuerbaren Energien pushen müssen, dass wir unabhängig werden, sodass wir uns loslösen können von diesen Energieimporten.

Wir sollten daher heute noch einmal ein gemeinsames Signal im Sinne der Wertegemeinschaft der Europäischen Union für einen rechtsstaatlichen Umgang, für Freiheit, für die Einhaltung von Menschenrechten, für friedliche Lösungen aussenden und sinnvolle Sanktionen zur Konfliktlösung in der Ukraine unterstützen. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Danke schön. – Das Wort hat Herr Kollege van Ooyen, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es scheint, wir leben zumindest medial wieder im Kalten Krieg mit den alten, neu aufgemotzten Weltbildern: hier die USA, die Europäische Union, die scheinbar für Demokratie und Menschenrechte in der Ukraine streiten, dort das Reich des Bösen mit einem Autokraten an der Spitze, der auf der Krim den Eisernen Vorhang errichtet und mit Breschnew und absurderweise sogar mit Hitler verglichen wird.

Um wieder einigermaßen zur Vernunft zu kommen, muss auf allen Seiten rhetorisch drastisch abgerüstet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen die Dinge wieder geraderücken, damit wir ein Verständnis für die Entwicklung haben. Wenn Putin sein völkerrechtswidriges Engagement auf der Krim damit rechtfertigt, dass die NATO genau das mit ihrer ebenso völkerrechtswidrigen Kriegsführung im Kosovo vorexerziert habe, dann bleibt es in beiden Fällen bei der Feststellung: Beides war ein Bruch des Völkerrechts.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber die gefährliche Zuspitzung des Konflikts in und um die Ukraine hat neben Russland auch die EU und somit auch Frau Merkel zu verantworten. Mit ihrem Vorgehen, der in eher europa- oder eher russlandfreundlich gespaltenen Gesellschaft das Ultimatum zu stellen, entweder ein Abkommen mit der EU oder die Zollunion mit Russland zu unterzeichnen, wurden Russland brüskiert und die Ukraine zerrissen.

Russland und die EU wollen die Ukraine. Niemand hat mit Russland über das Ziel verhandelt, die Ukraine zu einer Brücke zwischen der EU und Russland zu machen. Weiter ist der EU vorzuwerfen, dass sie nicht auf die Vereinbarung mit dem gestürzten Präsidenten Janukowitsch und den Oppositionsparteien zur Beendigung des Bürgerkriegs bestanden hat, die die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens ausgehandelt haben.

Den Maidan haben sich alte Seilschaften und Oligarchen angeeignet. Gegen die Oligarchen, gegen Korruption, gegen Gewalt und Hunger haben sich die Menschen in der Ukraine – wie übrigens in vielen Ländern Europas, z. B. aktuell in Bosnien, oder auch beim Arabischen Frühling, in Afrika und Asien – öffentlich gewehrt. Dass dieser demokratische und soziale Protest hier wie dort durch reaktionäre, rassistische und antisemitische Formationen in sein Gegenteil verkehrt wurde, ist eine Tragödie für den Kampf um Frieden, Gleichheit und Solidarität.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Übergangsregierung ist die russische Minderheit überhaupt nicht vertreten. Dafür sind einige Minister, der Generalstaatsanwalt und der Vizepremierminister von der rechtsextremen Swoboda-Partei. Dass Russland dieses abgestimmte Vorgehen der alten und neuen ukrainischen Oligarchie mit den USA und Europa als Provokation bewertet, liegt auf der Hand.

Ich will nur daran erinnern, dass sich die FPÖ einmal anschickte, in Österreich Regierungspolitik zu gestalten. Es gab immerhin 14 europäische Staaten, die Österreich die Freundschaft aufgekündigt haben und nicht mehr mit Österreich verhandeln wollten.

(Tobias Utter (CDU): Treten Sie jetzt ein in die FPÖ? – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Wir können weiter mit dem Feuer spielen, aber das ist keine Lösung. Es muss sich endlich die Einsicht bei allen Beteiligten durchsetzen, dass es eine Lösung in und um die Krise in der Ukraine nur mit und nicht gegen Russland geben kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Das geht nur, wenn man endlich wieder miteinander spricht und Vertrauen aufbaut. Putin muss seine Politik ändern, und dafür brauchen wir Diplomatie. Weder die EU noch die NATO, allein die OSZE kann in der aktuellen Situation für Entspannung sorgen. Auch für Russland gilt: Diplomatie ist gefragt. Kriege lösen keine Probleme, sondern verschärfen sie. Die Erfolge der europäischen Entspannungspolitik dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn sich die G-7-Staaten auf die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine berufen, ist das zwar völlig richtig, aber wenig glaubwürdig, nachdem man beide Prinzipien in Bezug auf Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen verletzt hat. Es sollten alle daraus lernen, dass das Völkerrecht für jeden Staat und zu jeder Zeit gilt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind zutiefst besorgt über die Entwicklung in der Ukraine. Es muss unbedingt eine diplomatische Lösung auch im Streit um die Halbinsel Krim gefunden werden. Die drohende Abspaltung des Landes muss vermieden

werden. Gewalt darf in diesem Konflikt nicht weiter ein Mittel der Politik sein.

Wir appellieren an Präsident Putin, auf den Einsatz von Soldaten und Waffen zu verzichten. Ebenso appellieren wir an die Übergangsregierung in Kiew, deeskalierend zu wirken. Der Aufruf von Vitali Klitschko zur Generalmobilmachung ist in diesem Zusammenhang nicht hilfreich – im Gegenteil. „Reden statt Säbel rasseln“, sollte unser Motto sein.

Dabei liegt es auf der Hand, dass die Zerschlagung der ökonomischen Verbindungen zwischen der Ukraine und Russland zu einer weiteren Verarmung aller Teile der Ukraine und ihrer Bürgerinnen und Bürger führen würde. Umgekehrt, würde der Großteil der ukrainischen Bevölkerung bei einer reinen Westbindung oder gar Integration in die EU unter das Diktat des Internationalen Währungsfonds und der EU-Troika mehr verlieren als gewinnen.

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Ein Blick in die Transformationsgesellschaft Bulgariens und Rumäniens sollte Warnung genug sein. Ich erinnere auch an Griechenland. 1914 war das Jahr, in dem der Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit der Parole „Jeder Schuss ein Russ“ begonnen hat.

Herr Kollege van Ooyen, die Zeit ist geräumig abgelaufen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir sollten das Motto nach dem Zweiten Weltkrieg „nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ als eine Leitidee begreifen. Ein neuer Krieg in Europa muss mit allen Mitteln verhindert werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Als Nächste hat das Wort die Abg. Nicola Beer für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Situation ist mehr als brenzlig. Es liegt an der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, vorbereitet durch das Verhalten des russischen Militärs, vorbereitet auch durch ein ganz bewusstes und in meinen Augen sehr perfides Zünden zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen auf der Krim – wir beobachten das mittlerweile auch in anderen Teilen der Ukraine, dass dies von Russland initiiert wird – und auch durch die rechtswidrige Abstimmung, die am Sonntag stattfinden wird. Es ist völlig richtig, wenn heute hier gesagt wird, dass dies uns in höchste Alarmbereitschaft versetzen muss.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Russland handelt leider ohne Rücksicht auf seine eigenen Verpflichtungen. Ich erinnere nur an das Budapester Protokoll von 1994, wo sie sich gemeinsam mit Großbritannien und den USA als Schutzmacht für die Ukraine verpflichtet haben. Sie handelt mittlerweile auch ohne Rücksicht auf Ansehensverluste, selbst bei engsten Partnern in der Welt. Ich weiß nicht, ob Sie verfolgt haben, dass die Chinesen sehr deutlich gemacht haben, an der territorialen Integrität der Völker weltweit festzuhalten, und wie sie das betont haben. Lieber Herr van Ooyen, Russland handelt so, weil es jeglichen demokratischen Prozess in seinem Umfeld als eine Bedrohung seiner eigenen Machtposition sieht.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Bodden- berg (CDU))

Genau deswegen versucht Putin, die Krim als Faustpfand zu halten, um die Ukraine zu destabilisieren, um in irgendeiner Weise zu verhindern, dass die neue Regierung der Ukraine ihr Land zum Erfolg und vor allem in eine freiheitliche Zukunft führt. Herr van Ooyen, ich bin bei Ihnen und bei allen anderen Rednern, wenn es darum geht, dass wir jegliche militärische Aktion verhindern müssen, und dass es deswegen allerhöchste Priorität hat, dialogbereit zu bleiben, mit diplomatischen Mitteln zu versuchen, das gegenseitige verbale Aufrüsten in irgendeiner Weise in den Griff zu bekommen.

Meine Damen und Herren, doch diese Dialogbereitschaft besteht. Das Angebot für eine Beobachtermission genau wie für eine internationale Kontaktgruppe steht. Es wird leider hierauf von russischer Seite nicht eingegangen. Deswegen halte ich es für genauso wichtig, die Ukraine zu stabilisieren, gerade um das Zusammenleben zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen nicht noch weiter zu belasten.

Herr van Ooyen, dazu gehört aus meiner Sicht zum einen, dass die neuen Handelnden in der ukrainischen Regierung alles dafür tun, zum einen deutlich zu machen, dass es eben eine russische Propaganda ist, dass hier nur Extremisten und Faschisten den Prozess beherrschen würden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): „Nur“ hat er auch nicht gesagt!)

Sehr geehrte Frau Kollegin Wissler, ich glaube, wenn der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in der Ukraine deutlich macht, dass dies eine falsche Darstellung der neuen Handelnden ist, dann sollte das für uns auch ein belastbares Zeugnis sein. – Aber es wird wichtig sein, dass dort deutlich gemacht wird, dass man im Interesse aller Bevölkerungsgruppen in der Ukraine arbeitet. Da ist nicht immer geschickt vorgegangen worden.

Es wird aber ebenso wichtig sein, als Westen deutlich zu machen, dass wir weiter zur Ukraine stehen und dass wir – Stichwort: Kreditprogramme, Stichwort: Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen, die entsprechenden Zollerleichterungen –, die Ukraine hier nicht nur mental, sondern auch wirtschaftlich stabilisieren.