Protocol of the Session on March 13, 2014

Lassen Sie mich das letztgenannte Ziel noch einmal aufgreifen und Sie für dieses Thema am Beispiel von Benachteiligung sensibilisieren. Benachteiligung ist jede Form der weniger günstigen Behandlung. Sie liegt vor, wenn Gleiches ungleich behandelt wird, beispielsweise bei den Lohnungleichheiten zwischen Männern und Frauen.

Bereits heute darf ich Sie auf den 21. März aufmerksam machen, den sogenannten Equal-Pay-Day, an dem auf diese Thematik aufmerksam gemacht wird. Solche Termine sind wichtig, um uns daran zu erinnern.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sehr gut!)

Aber die eigentliche Arbeit rund um diese Thematik sollte uns zu jeder Zeit beschäftigen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Gestatten Sie mir auch den anderen Hinweis: Benachteiligung liegt auch dann vor, wenn Menschen mit ungleichen Voraussetzungen gleich behandelt werden.

Uns geht es deswegen insbesondere darum, professionelle Strukturen einzurichten, die jenen Menschen helfen, die von Diskriminierung betroffen sind, und zwar schnell und kompetent. Uns geht es jedoch nicht darum – wie vielleicht von manchen von Ihnen befürchtet –, eine Behörde für „Political Correctness“ zu schaffen.

Sie sehen: Die Sensibilisierung und Aufklärung zu diesem Thema ist eine wichtige Aufgabe, besonders wenn man sich vor Augen führt, wie unterschiedlich Diskriminierung in unserem täglichen Leben stattfindet.

Aus dem ersten Bericht der Antidiskriminierungsstelle zum Schwerpunkt mehrdimensionale Diskriminierung ist zu entnehmen, dass eine sogenannte eindimensionale Diskriminierung selten vorliegt. Denn die Lebensrealität ist nun einmal nicht eindimensional. Jeder Mensch trägt zwingend mehrere potenzielle Diskriminierungsgründe in sich, und unser Leben und unsere Gesellschaft werden immer facettenreicher. Ebenso facettenreich sind die Diskriminierungserfahrungen.

Ein Ausschnitt aus der Statistik der gemeldeten Fälle zeigt: Knapp 25 % der gemeldeten Diskriminierungen begründen sich durch eine Behinderung, dicht gefolgt von 24 % durch das Geschlecht sowie der Diskriminierung aufgrund des Alters von über 18 %. Die Mehrfachdiskriminierungen finden in der Statistik mit knapp 8 % ihren Niederschlag.

Wir alle sind bemüht, eine diskriminierungsfreie Gesellschaft zu fördern, die Gleichstellung weiter auszubauen und auch politisch die erforderlichen Rahmenbedingungen voranzutreiben.

Der Beitritt des Landes Hessen zur Koalition gegen Diskriminierung ist aus all diesen genannten Gründen für uns ein wichtiger Schritt und auch die notwendige Konsequenz,

die schwierige politische Aufgabe der Integration, der Sensibilisierung und den damit verbundenen Kampf gegen die Diskriminierung in unserer Gesellschaft weiter voranzutreiben.

Daher bitten wir Sie alle um Unterstützung und Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Arnoldt. Es war Ihre erste Rede hier im hessischen Parlament. Wir gratulieren ganz herzlich dazu.

(Allgemeiner Beifall)

Als nächster Redner spricht Herr Di Benedetto von der SPD-Fraktion zu uns. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion und ich als ihr neuer integrationspolitischer Sprecher begrüßen natürlich die Absicht des Landes Hessen zum Beitritt zur Koalition gegen Diskriminierung. Sie wurde bereits im Jahr 2011 durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes initiiert.

Meine Damen und Herren, das ist ein längst überfälliger Schritt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Natürlich begrüßen wir auch den hoffentlich damit verbundenen Bewusstseinswandel der hessischen Union, die sich bisher vehement dagegen gewehrt hat, anzuerkennen, dass es in Hessen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus einfach gibt. Das sind Krebsgeschwüre, die nicht nur den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ernsthaft gefährden.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich in Anwesenheit des Ministerpräsidenten Bouffier vor etwas mehr als dreieinhalb Jahren während einer Plenarsitzung der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Gießen gesagt habe, dass sich Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in besorgniserregender Weise in der Mitte unserer Gesellschaft breitgemacht und leider auch festgesetzt haben. Der Ministerpräsident hat mir heftig widersprochen. Übrigens ging es damals auch um die NSU-Affäre und die sogenannten „Döner-Morde“, die auch hier in Hessen bis zum heutigen Tage nicht aufgeklärt worden sind.

(Beifall bei der SPD – Vizepräsident Dr. Ulrich Wil- ken übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, nicht ganz so weit zurück liegt eine mündliche Anfrage des Kollegen Merz. Am 19. November vergangenen Jahres fragte er die Landesregierung, warum das Land Hessen noch nicht der Koalition gegen Diskriminierung beigetreten sei. Der Staatsminister Grüttner antwortete wie folgt:

Herr Abgeordneter, die Hessische Landesregierung setzt alles daran, Diskriminierungen im Alltag weiter

abzubauen und entschieden gegen jede Form von Diskriminierung vorzugehen.

(Demonstrativer Beifall der Abg. Claudia Ravens- burg und Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU))

Ich möchte an dieser Stelle insbesondere unsere Stabsstelle UN-Behindertenrechtskonvention und die Stabsstelle Frauenpolitik nennen.

Weiter heißt es:

Diese Liste könnte ich noch um viele weitere Maßnahmen fortführen und ergänzen, die wir in Hessen gegen Diskriminierung auf den Weg gebracht haben; die erscheinen mir erst einmal wichtiger als der Beitritt zu Koalitionen.

Meine Damen und Herren, kurz und knapp heißt das nichts anderes, als dass der Beitritt zur Koalition gegen Diskriminierung nicht nötig sei, weil sowieso schon sehr viel in diesem Sinne gemacht worden sei.

Meine Damen und Herren, ich sage aber: lieber zu spät als gar nicht.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Auch wenn sich Hessen seit gut einem Jahrzehnt anschickt, Integrationsland Nummer eins in Deutschland werden zu wollen, steht es ihm wahrlich nicht gut an, erst jetzt, als zehntes Bundesland – Frau Arnoldt, Sie haben es aufgezählt – der Koalition gegen Diskriminierung beizutreten. Damit gehört Hessen ganz gewiss nicht zu den Schnellsten – wieder einmal, muss man da sagen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zur Avantgarde in Sachen Integration und Antidiskriminierung – wie es immer wieder propagiert wird – kann sich unser Bundesland beileibe nicht zählen. Meine Damen und Herren, ich erinnere da nur an die sogenannte Doppelpasskampagne. Nirgendwo in Deutschland wurde bei Wahlkämpfen jemals so gehetzt wie hier bei uns in Hessen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das war alles andere als politisches Handeln mit gesundem Menschenverstand,

(Horst Klee (CDU): Ei, ei, ei!)

alles andere als ein entschiedener Kampf gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, und es war auch alles andere als die pure Leidenschaft für Vielfalt und Diversität, von der wir gerade hier in Hessen zweifelsohne tagtäglich zehren und profitieren: sozial, menschlich, aber auch volkswirtschaftlich.

Meine Damen und Herren, ich komme zurück auf die mündliche Frage des Kollegen Merz, der sich genötigt sah, eine Zusatzfrage zu stellen. Er wollte wissen, welche konkreten Maßnahmen die Landesregierung unternehmen wird, um das Ziel der Antidiskriminierungskoalition zu erreichen, nämlich lokale und regionale Antidiskriminierungsstellen zu fördern. Darauf antwortet Herr Minister Grüttner wie folgt:

Dort, wo wir in entsprechenden Gesprächen sind, tun wir dies bereits. Auch durch die Frage unseres Beitritts zur Charta der Vielfalt haben wir an dieser Stelle bereits erste Schritte unternommen. Es geht

schlicht und einfach darum, dass es nicht nur durch die Frage des Beitritts zu einer solchen Koalition, sondern auch durch das Schaffen eines vernünftigen Konsenses auf den unterschiedlichsten staatlichen Ebenen gelingen kann – und nur dann gelingen kann –, zu einer wirklichen Koalition der Antidiskriminierung zu kommen, die eben, wie gesagt, nicht nur auf dem Papier steht.

(Horst Klee (CDU): Sehr gut! – Minister Stefan Grüttner: Kluge Antwort!)

Herr Minister Grüttner, mir erschließt sich der Inhalt Ihrer Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen nicht wirklich,

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD) – Gegenruf des Abg. Horst Klee (CDU))

es sei denn, dass ich die Antwort des Ministers so interpretiere, als würde es in der Tat ausreichen, dass alles lediglich auf dem Papier steht.

Meine Damen und Herren, ich sagte aber schon zu Beginn, dass wir Sozialdemokraten es sehr begrüßen, dass endlich die hessische Union den dringend erforderlichen Bewusstseinswandel in Sachen Antidiskriminierung zumindest eingeleitet hat.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Wir haben ihn angestoßen, wir waren das!)

Meine Damen und Herren der Koalition, in Ihrem Entschließungsantrag stellen Sie unter Punkt drei einen direkten Zusammenhang zwischen der Koalition gegen Diskriminierung und der Charta der Vielfalt her. Beide Bundesratsinitiativen zielen darauf ab, Diskriminierungen zu bekämpfen; dennoch sind es zwei völlig unterschiedliche Initiativen, Frau Arnoldt, und sie bleiben es auch.