Protocol of the Session on March 13, 2014

Meine Damen und Herren, Sie kennen diesen Sprachgebrauch. Deswegen will ich einen kurzen Blick auf die Sprache werfen, wie sie uns gewohnt ist. Häufig wird die Flutmetaphorik benutzt. Viele sprechen von einer Flut der Asylanträge, als ob wir gleich überschwemmt würden. Sieht man die Relation der Anträge zur Zahl der Bevölkerung in Deutschland, ist das nichts weiter als ein Tropfen. Es ist also keine Welle, die etwas unterspült.

Oft wird von den Politikern und den Medien eine richtige Kriegsmetaphorik benutzt. In ganz normalen Tageszeitungen lesen wir immer wieder, Flüchtlinge versuchten, über die Grenzen zu stürmen, die Behörden hielten den Ansturm auf, oder die Anwohner wehrten sich gegen ein Flüchtlingsheim.

Wir kennen auch, dass Länder als Behälter dargestellt werden. In Deutschland leben 80 Millionen Menschen. Das ist die Vorbereitung für die Metapher: Das Boot ist voll.

Ich sage ganz klar: Faktisch haben wir einen Bevölkerungsschwund. Das ist also keine Frage des Platzes, sondern eine Frage der Menschlichkeit. Menschen kommen, um Schutz zu suchen. Wir haben genügend Platz und genügend Geld, sie aufzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Muster sind mindestens genauso gefährlich wie einzelne diskriminierende Aussagen. Ich erinnere daran: Es ist schlimm und immer wieder schwer auszuhalten, wenn ein Mitglied dieses Hauses immer wieder einmal – ich zitiere – „Gegenmaßnahmen gegen Asylmissbrauch und Armutsflüchtlinge“ fordert. Auch das müssen wir endlich abstellen und null Toleranz demgegenüber zeigen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Dilemma einer fortschrittlichen Antidiskriminierungspolitik besteht in der Durchsetzung ganz praktischer Antidiskriminierungsmaßnahmen im Alltag. Dafür bräuchte es

eine breite Unterstützung. Aber die Ergebnisse der von mir bereits angesprochenen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigen leider, dass es in der deutschen Bevölkerung kein relevantes Potenzial dafür gibt.

Stattdessen müssen wir gegenläufige Tendenzen ernst nehmen, nämlich die immer stärkere Ausprägung der Ellenbogengesellschaft. Auch das trägt zur Verrohung und dem Anwachsen der Aggression und der Gewalt im Alltag, der Verhärtung der Fronten zwischen verschiedenen Gruppen der Bevölkerung mit ihren eigenen Interessenlagen bei. In dieser Studie wird quer durch die befragten Gruppen und Milieus das am stärksten bewegende Thema heute, nämlich die zunehmende Benachteiligung der finanziell Schwachen, angesprochen. Ich sagte schon: In diesen Milieus grassieren dann auch die Diskriminierungstendenzen gegenüber allen, die anders sind.

Wenn wir uns gegen Diskriminierung wenden, ist ganz zentral, dass wir eine andere Asyl- und Flüchtlingspolitik brauchen. Noch immer hält die Bundesregierung an dem diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetz und am Asylverfahrensgesetz fest. Wir haben immer noch die Situation, dass Flüchtlinge ohne Arbeitserlaubnis nicht arbeiten und keine Ausbildung machen dürfen. Für Asylsuchende und Geduldete ist Arbeit in den ersten neun Monaten ihres Aufenthalts ganz verboten. Auch danach haben sie zumeist kaum Chancen auf einen Job, weil es bevorrechtigte Arbeitnehmer gibt. Das sind Deutsche, aber auch Ausländer aus der Europäischen Union und anerkannte Flüchtlinge. Erkennt hier jemand die Diskriminierung?

Ich fordere Sie alle auf, mit uns zusammen Neofaschismus, Rechtspopulismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus,

(Zuruf von der CDU: Kommunismus!)

Islamfeindlichkeit, Homophobie und allen anderen Formen der Menschenfeindlichkeit aktiv entgegenzutreten.

(Zuruf von der CDU: Da fehlt Kommunismus!)

Ich darf Sie daran erinnern, dass ich mich an dieser Stelle schon mehrfach zum Kommunismusvorwurf geäußert habe, und ich darf Sie ausdrücklich daran erinnern, dass Kommunismus keine menschenfeindliche Maßnahme ist.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU)

Meine Damen und Herren, seit Jahrhunderten durchqueren Millionen von Menschen, die aus ihrer Heimat auswandern oder auf der Flucht sind, ganz Europa. Während das Kapital grenzenlos sein Unwesen treiben darf, verwehrt die Europäische Union den Opfern dieser Verhältnisse grundlegende Menschenrechte. Die Antwort der Europäischen Union sind die tödliche Militarisierung der EU-Außengrenzen und Gesetze und Verhältnisse, die Migrantinnen und Migranten in Rechtlosigkeit, Ausbeutung, Illegalität, Hass, Selbstmord oder Abschiebung treiben.

(Zuruf von der CDU: Schlimm!)

Meine Damen und Herren, das ist heute Bestandteil von aktiver Diskriminierungspolitik und gehört auch zu den bereits von meinen Vorrednern genannten Facetten, wenn wir uns gegen Diskriminierung stark machen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Politik der Krisenverschärfung ist der Boden, auf dem rechte oder faschistische Parteien von der AfD über den

Front National in Frankreich oder die Goldene Morgenröte in Griechenland bis zur Swoboda in der Ukraine wachsen und gedeihen. Wir müssen gegenhalten und sagen: „Respekt!“. „Kein Platz für Rassismus!“, muss unsere Losung sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Rassismus bewirkt das Gegenteil von Solidarität und treibt Menschen auseinander. Respekt ist die Grundvoraussetzung für eine Kultur des Miteinanders und steht, um hier durchaus auch die positive wirtschaftliche Auswirkung von Antidiskriminierungsmaßnahmen zu beleuchten, auch für ein gutes Betriebsklima und entsprechende Produktivität.

Meine Damen und Herren, ich komme zum letzten Satz.

(Zuruf von der CDU: Schön!)

In Zeiten der von Ihnen allen befürworteten Schuldenbremse sage ich ausdrücklich: Der Beschluss, den wir heute einmütig und wahrscheinlich einstimmig fassen, muss auch finanziell unterlegt werden. Wir haben deswegen in der letzten Haushaltsdebatte für einen Rechtshilfefonds und für die Einrichtung der Landesantidiskriminierungsstellen 900.000 € gefordert. Das haben Sie abgelehnt. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wilken. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Arnoldt von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Mit dem Beitritt zur Charta der Vielfalt im Jahr 2011 hat das Land Hessen seine Verantwortung bereits unterstrichen, sich für die Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen einzusetzen und für ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Zusammenleben aller Menschen in Hessen zu werben.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Dabei sollen und dürfen Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, eine mögliche Behinderung, das Alter oder die sexuelle Identität keine Rolle spielen. Trotzdem werden nach wie vor Menschen aus genau diesen Gründen diskriminiert, und dies geschieht hier in unserm Alltag. Jeden Tag werden Menschen auf Schulhöfen, auf der Arbeitsstelle, selbst im Vereinsleben ausgegrenzt oder benachteiligt. Daher bleibt der Kampf gegen Diskriminierung eine Daueraufgabe, so wie es uns schon durch Art. 1 unseres Grundgesetzes vorgegeben ist:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

(Allgemeiner Beifall)

Sie alle kennen diese Bestimmung. Ich will Ihre Aufmerksamkeit besonders auf den zweiten Satz lenken:

Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Es ist unsere Verpflichtung, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, und wir, die Koalitionsfraktionen, nehmen diese Verpflichtung außerordentlich ernst. Wir hoffen daher auch auf breite Zustimmung hier im Hause.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Lassen Sie mich unseren Antrag kurz begründen und unsere Motivation erläutern.

Nach Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 2006 wurde durch die Bundesregierung eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet. Deren Ziel ist es, Länder und Kommunen als Partner für die offensive diskriminierungsfreie Gesellschaft zu gewinnen und sich gemeinsam mit ihnen gegen Benachteiligungen von Menschen in unserer Gesellschaft stark zu machen. Sie hat daher die Koalition gegen Diskriminierung ins Leben gerufen. Die Unterzeichner, mittlerweile neun weitere Bundesländer, machen deutlich, dass sie entschieden gegen Diskriminierung, in welcher Form auch immer, vorgehen wollen.

CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind sich dieser Problematik bewusst. Daher haben wir in unserem Koalitionsvertrag festgehalten, eine Anlaufstelle für jede Art von Diskriminierung einzurichten, um so unbürokratische und vor allen Dingen auch schnelle Hilfe für betroffene Personen leisten zu können. Unbürokratische und schnelle Hilfe ist aus unserer Sicht deshalb so wichtig, da die Konflikte rund um die Diskriminierung im gesellschaftlichen Wandel immer vielschichtiger und umfassender werden und die Zahl derer, die davon betroffen sind, weiter steigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hessen ist ein offenes Land. Wir wollen zukunftsweisend gestalten, und wir wollen allen Menschen die Chance geben, sich frei zu entfalten. Deswegen gehört es für uns unabdingbar dazu, dass wir den Menschen, die in der Gestaltung ihres Lebens beeinträchtigt sind, helfen und vor allem versuchen, dass so wenige Menschen wie möglich überhaupt diskriminiert werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen steht auch im Koalitionsvertrag:

Wir sehen uns in der Verantwortung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit des oder der Einzelnen zu fördern und sich für ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Leben aller Menschen in Hessen einzusetzen.

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Wenn ich „alle“ sage, dann meine ich nicht nur alle Fraktionen dieses Hauses, sondern jeden Einzelnen in seinem individuellen Verhalten im täglichen Leben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es für uns wie bereits für die Kollegen in Thüringen, in Schleswig-Holstein, in Berlin, in Brandenburg, in Bremen, in Hamburg, in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Niedersachsen selbstverständlich, der Koalition gegen Diskriminierung beizutreten, um die folgenden fünf Ziele zu erreichen: erstens dem Thema Diskriminierung in unserer Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit zu widmen, zweitens jeden Weg zu nutzen, um von Diskriminierung

betroffenen Menschen gerade vor Ort die bestmögliche Beratung zu bieten, drittens um uns mit starkem Engagement auf Landes- und auch auf kommunaler Ebene für die Bekämpfung von Benachteiligung einsetzen, viertens um zentrale Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen für das Thema der Diskriminierung in Ländern und Kommunen zu benennen und schließlich als letztes Ziel vor Ort für das Thema „Diskriminierungsschutz“ zu sensibilisieren und es als Querschnittsaufgabe politisch zu verankern.

Lassen Sie mich das letztgenannte Ziel noch einmal aufgreifen und Sie für dieses Thema am Beispiel von Benachteiligung sensibilisieren. Benachteiligung ist jede Form der weniger günstigen Behandlung. Sie liegt vor, wenn Gleiches ungleich behandelt wird, beispielsweise bei den Lohnungleichheiten zwischen Männern und Frauen.