Protocol of the Session on March 9, 2016

Das Ergebnis wird das gleiche sein, wie es damals war. Daran zweifle ich nicht. Herr Kultusminister, dieses Ergebnis ist aber mehr als nur die reine Ablehnung einer Forderung der Opposition. Denn von dieser Forderung hängt noch weitaus mehr ab. Es geht nicht nur um die schon angesprochenen Kürzungen, die Sie damit begründen, geflüchteten Kindern und Jugendlichen zusätzliche Ressourcen zukommen lassen zu müssen.

(Michael Boddenberg (CDU): Wer sagt das?)

Das ist, nebenbei gesagt, auch ziemlich paradox. Es wurde schon vorhin darauf hingewiesen, dass die Kürzungen an den Grundschulen unter anderem Kinder mit Migrationsund Fluchthintergrund treffen, die einfach einen zusätzlichen Förderbedarf in Deutsch haben. Aber es geht um viel mehr.

(Michael Boddenberg (CDU): Wer will die Gymnasien abschaffen? Das sind Sie!)

Herr Boddenberg, was Sie da jetzt erzählen, ist so hinterletzt.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist abenteuerlich!)

Es geht um viel mehr. Es geht auch um die Kürzung der Zuweisung bei der kulturellen Bildung und um die Kürzung der Zuweisung bei den Sportkoordinatorinnen und Sportkoordinatoren. Es geht um die immer weiter ausufernde Arbeitsbelastung an unseren Schulen. Es geht um eine weitere Verdichtung der Aufgaben. Herr Kultusminister, es geht letztlich auch um fehlende Anerkennung.

Wir sind uns alle einig: Die hessischen Lehrerinnen und Lehrer leisten hervorragende Arbeit. Sie sind engagiert und orientieren sich an den Bedürfnissen ihrer Schülerinnen und Schüler. Zudem haben wir in Hessen eine sehr starke Elternvertretung und eine außergewöhnlich engagierte und motivierte Schülervertretung. Ich begrüße die Eltern- und Schülervertreter in unserem Hause hier oben auf der Tribüne ganz herzlich. Natürlich begrüße ich auch die Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Anstatt all diesen Akteuren zu danken und anstatt zusammen mit ihnen eine Schullandschaft zu gestalten, die sich an den wirklichen schulischen Bedürfnissen und Realitäten orientiert, stellen Sie sich blind und taub. Wenn doch einmal eine Reaktion aus dem Kultusministerium erfolgt, dann sind es die Keule und die Mundfessel. Ich nenne es einmal Mundfessel.

Uns ist nämlich sehr wohl zu Ohren gekommen, dass die Schulen beispielsweise über die Zustände der Inklusion – ich sage jetzt einmal Zustände und nicht Fortschritte; denn Fortschritte gibt es in diesem Bereich wie in vielen anderen wenige – keine offiziellen Statements mehr herausgeben dürfen. Herr Kultusminister, ich weiß nicht, was das für ein Vorgehen ist. Demokratisch ist das jedenfalls nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Hinzu kommt, dass mit völlig übertriebener Härte gegen die Lehrerinnen und Lehrer vorgegangen wird, die letzten Sommer gegen die Nullrunde beim Tarif auf die Straße gegangen sind und protestiert haben. Über 6.000 Disziplinarverfahren sind gegen die Kolleginnen und Kollegen eingeleitet worden. Es hat ebenso viele Anhörungen gegeben, bzw. es gibt sie immer noch.

Ich will gar nicht wissen, über wie viel Arbeitszeit und Arbeitskraft wir sprechen. Jedenfalls steht das in keinem Verhältnis zu den kurzen Protesten und dem eventuell damit zusammenhängenden Unterrichtsausfall.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, mit dieser Härte ist keine Ihrer Vorgängerinnen und keiner Ihrer Vorgänger je vorgegangen. Herr Minister, auch das ist nicht demokratisch. Das ist es vor allem dann nicht, wenn man bedenkt, dass der Europäische Gerichtshof längst Urteile gefällt hat – das wissen Sie als Jurist –, mit denen auch den verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern das Streikrecht zugesprochen wird.

Aber so oder so, was für ein Bild wirft das denn auf die hessische Schulpolitik? – Wir haben einen Kultusminister, der euphorisch einen Bildungsgipfel ins Leben gerufen hat, der schon nach einer Sitzung auf dem Weg des Scheiterns ist. Er hat damit mehr bildungspolitische Akteure vergrault, statt sie für eine gemeinsame Sache begeistert.

Wir haben einen Kultusminister, der sich nach Amtsantritt ewig hat bitten lassen, mit der Landesschülervertretung, mit Vertretern der GEW oder mit Vertretern der Eltern

endlich ein Gespräch zu führen. Uns sind jedenfalls Klagen zugetragen worden. Ich glaube, inzwischen ist es passiert.

Wir haben einen Kultusminister, der sich im Kabinett nicht dafür einsetzt, dass seine Lehrerinnen und Lehrer endlich bessere Arbeitsbedingungen vorfinden. Frau Dorn, das wissen auch Sie: In keinem anderen Bundesland müssen sie 42 Stunden die Woche arbeiten. Vielmehr wurden sie mit ungeheurer Härte dafür abgestraft, dass sie öffentlich darauf aufmerksam gemacht haben.

Herr Minister, Sie sind schnell auf das grüne Pferd aufgesprungen, dem die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Namen Schulfrieden gegeben haben. Dafür, dass Sie das Wort Schulfrieden zu Beginn Ihrer Amtszeit so oft hinausposaunt haben, ist erschreckend wenig passiert, was zu einer besseren und gerechteren Schule in Hessen hätte führen können. Dafür geschah aber eine ganze Menge dessen, was genau das Gegenteil bewirkt hat.

Fassen wir einmal zusammen. Der Bildungsgipfel ist gescheitert. Die demografische Rendite hat es nicht gegeben.

(Holger Bellino (CDU): Was?)

Der versprochene Verzicht auf Stellenkürzungen wurde hintergangen. Die 105-prozentige Lehrerversorgung ist in weite Ferne gerückt.

(Holger Bellino (CDU): Was?)

Der neue Stil auf Augenhöhe ist nicht existent. Ein Kultusminister, der für seine Lehrkräfte kämpft, ist nicht vorhanden.

Hiermit komme ich wieder zum Anfang meiner Rede. Im Grunde kommen wir damit auch wieder zu unserem Antrag, den wir schon im letzten Jahr eingebracht haben. Herr Kultusminister, nehmen Sie die Kürzungen zurück. Denn es stimmt ganz einfach nicht, dass sie zu gering seien, um spürbare Auswirkungen zu haben. Herr Degen hat eben genau davon gesprochen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Stecken Sie die Ressourcen in das System, die es braucht, damit es wirklich trägt. Hören Sie vor allem endlich denjenigen zu, für die Sie Verantwortung tragen. Das sind die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und natürlich die Schülerinnen und Schüler. Ich glaube, damit täten Sie sich und dem hessischen Bildungssystem einen großen Gefallen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Turgut Yük- sel (SPD))

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich zu dem komme, was die Opposition heute Morgen hier veranstaltet, möchte ich über die reden, um die es eigentlich geht. Das sind die Schülerinnen und Schüler, das sind die Eltern, und das sind die Lehrerinnen und Lehrer.

Ich verstehe ausdrücklich, dass jede Mutter und jeder Vater, alle Schülerinnen und Schüler und die Lehrerinnen und Lehrer einer Schule insbesondere für ihre Schule kämpfen und dass sie für ihre Schule die bestmöglichen Bedingungen haben wollen. Daran ist überhaupt nichts zu kritisieren. Es ist gut, dass sich die Menschen für ihre Schule engagieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Es können auch alle Schulen zusammen kämpfen!)

Es ist die Aufgabe der Politik, die Belange aller Schulen zu sehen. Da kann es Situationen geben, dass die Belange aller Schulen in einen Konflikt mit den Belangen einzelner Schulen geraten. Das ist etwas, was es in der Politik gibt und worüber wir reden sollten. Wir sollten das transparent machen. Wir müssen darüber mit den Eltern, den Lehrerinnen und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern in den Dialog gehen.

Genau das machen wir. Deshalb war es richtig, dass der Kultusminister jetzt zu den Entscheidungen, die wir getroffen haben, den Dialog mit den Schulen sucht. Genau das ist der richtige Weg. Wenn man eine Entscheidung trifft, muss man sie auch erklären.

Meine Damen und Herren, man muss auch offen sein für das, was einem gesagt wird. Wir haben die Rückmeldung von den Schulen bekommen, dass es an den Schulen teilweise Doppelbelastungen gibt, weil mehrere Veränderungen in unserem Bildungssystem gerade gleichzeitig stattfinden.

(Florian Rentsch (FDP): Wie überraschend!)

Deshalb haben wir erklärt: Wir hören zu, wir reagieren darauf, wir schauen uns das an jeder Schule an, und wir werden auch auf diese Kritik reagieren und Veränderungen vornehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Jetzt möchte ich auf das eingehen, was die Opposition hier veranstaltet. Die Kritik der Opposition ist maßlos. Sie ist unseriös,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Lachen bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

und sie ist auch völlig unglaubwürdig.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal an, was sich hier für ein Bündnis der angeblichen Retter der Gymnasien zusammengefunden hat.

(Zurufe der Abg. René Rock und Nicola Beer (FDP))

Schauen wir uns das doch einmal an: Wenn SPD, FDP und LINKE dem geneigten Publikum erklären, sie würden bildungspolitisch auch nur annähernd dasselbe vertreten, dann ist Vorsicht angesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich hatte die Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie bislang so verstanden, dass die hessische Sozialdemokratie eine große und lange Tradition darin hat, sich für

die Gesamtschulen und für längeres gemeinsames Lernen in unserem Land einzusetzen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dass Sie jetzt die Kämpfer an vorderster Front für das Gymnasium sein wollen – Ludwig von Friedeburg würde sich im Grab herumdrehen, wenn er das noch erleben dürfte.