Protocol of the Session on February 4, 2016

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Letztlich hat dazu auch der permanente Dauerstreit in der Großen Koalition beigetragen, ganz überwiegend ausgelöst durch die tagtäglichen Attacken der CSU und von Horst Seehofer gegen die Bundeskanzlerin und gegen die gesamte Bundesregierung. Auch das gehört zur Wahrheit, wenn wir darüber reden.

(Beifall bei der SPD)

Kompromisse sind der Natur nach Entscheidungen, in denen sich keine Seite zu 100 % durchsetzt, aber am Ende ein Ergebnis herauskommt, das erträglich und tragfähig ist. Deswegen will ich zu den drei schwerwiegendsten Punkten kurze Bemerkungen machen.

Zunächst zum Thema Familiennachzug. Es ist für mich mit Blick auf die Syrer ein schwer erträglicher Kompromiss, dass wir jetzt den Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige für zwei Jahre aussetzen. Die Vorstellung, dass Familienväter sich unter großem Risiko buchstäblich ans rettende Ufer durchschlagen und ihre Frauen und Kinder in den Flüchtlingslagern zurücklassen müssen, löst bei mir Beklemmung aus.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Die Konsequenz wird sein, dass diese Frauen und Kinder sich selbst auf den gefährlichen Weg machen, was wir uns nicht wünschen sollten. Dass diese Familien im Zusammenhang mit den Kontingenten Vorrang haben sollen, ist aus meiner Sicht am Ende eine gangbare Auflösung.

(Beifall bei der SPD)

Ich erlaube mir allerdings auch den Hinweis, dass die regulären Verfahren zur Familienzusammenführung in den letzten Jahren eineinhalb Jahre und auch deutlich länger gedauert haben.

Zweitens, Ausbildung und Beschäftigung. Für die Integration von Flüchtlingen ist die Bereitschaft von Unternehmen ganz besonders bedeutsam, Ausbildung und Beschäftigung sicherzustellen. Da ist die Neuregelung im Rahmen des Asylpakets II ausdrücklich ein großer Fortschritt für die Integration von Flüchtlingen, im Übrigen auch, weil für uns die Arbeitsgesellschaft deutlich mehr ist, als nur den Lebensunterhalt zu sichern. Sie ist für uns eine Frage der Emanzipation. Deswegen ist sie auch für die Frage der Integrationskraft unseres Landes von elementarer Bedeutung. Das ist wirklich ein großer Fortschritt, der im Asylpaket II verhandelt werden konnte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU)

Drittens zu den sicheren Herkunftsstaaten. Die Ausweitung des Konzepts der sicheren Herkunftsstaaten auf die Maghreb-Staaten ist umstritten, auch in meiner eigenen Partei. Um ein wichtiges Missverständnis auszuräumen, will ich es am Anfang gleich sagen: Die Einstufung von sicheren Herkunftsstaaten führt ausdrücklich nicht zur Aussetzung des Art. 16a und des individuellen Rechtsanspruchs.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU)

Es geht um beschleunigte Verfahren. Aber ich will mit Blick auf die sehr geringen Anerkennungsquoten für Personen aus diesen Ländern darauf hinweisen, dass wir von dort in der Tat eine Arbeits- und Sozialmigration haben. Deswegen ist es ein Gebot der Stunde, endlich über ein ordentliches Einwanderungsgesetz zu reden, weil diese Länder im Asylrecht nichts zu suchen haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und der FDP sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Da der Innenminister im Vorgriff auf die geplante Regelung angekündigt hat, Flüchtlinge aus diesen Ländern zukünftig nicht mehr in Kommunen zu verteilen, gehe ich davon aus, dass der Minister diese Regelung natürlich im Vorgriff auf eine Landesentscheidung getroffen hat. Denn wenn das Land im Bundesrat nicht zustimmen würde, wäre die Verabredung dann allerdings unredlich. Darauf will ich am Ende auch hingewiesen haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Ich will allerdings nicht verhehlen, auch in diesem Raum, dass die Konstruktion der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten als Ausdruck einer Festung Europa für uns nicht tragfähig ist.

(Beifall des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Verabredung – das konnten Sie in den Medien lesen – mit den Maghreb-Staaten von heute Morgen so ist, dass es erstens zu Rückführungsabkommen kommen wird und zweitens zu Programmen zum Aufbau von Wachstum und Beschäftigung in den Ländern, und das ist auch dringend notwendig. Es ist sinnvoll, das so zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Ich will am Ende sagen: Das Asylpaket II ist ein Kompromiss mit Stärken und Schwächen. Ich weiß auch mit Blick auf die Handlungssituation in der Großen Koalition, dass sich mancher in der Großen Koalition in Moment in einer Identitätskrise befindet. Angst ist ein ganz schlechter Ratgeber. Angst frisst am Ende Verstand. Deswegen sollten wir sehr aufpassen, dass wir mit Blick auf die notwendigen Aufgaben in Zukunft schauen, dass Kompromisse tragfähig bleiben.

Ich will es gleich ankündigen: Spätestens dann, wenn das zur Debatte steht, was der Bundesinnenminister am Montag angekündigt hat, Afghanistan auf diese Liste zu schreiben, ist für die hessische Sozialdemokratie und für mich eine rote Linie überschritten. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Wir sind übrigens konziliant bei der Redezeit, damit das für alle klar ist.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das habe ich gemerkt! Vielen Dank dafür!)

Das ist in Ordnung so. – Herr Kollege Rentsch, Sie haben das Wort für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte über das Asylpaket II hat die deutsche Politik in den letzten vier Monaten beschäftigt. Man hat über die Weihnachtszeit ein wenig gehört, die Koalitionspartner haben sich zurückgezogen.

Ich will vom Ergebnis her sagen, dass ich vieles von dem teile, was dort vereinbart worden ist; denn der Ministerpräsident hatte mit seiner Rede beim hessischen Handwerk gestern Abend völlig recht, dass die Bundesregierung nicht weiter den Eindruck vermitteln darf, sie sei sich erstens nicht einig bei der Frage, was zu tun ist, und zum Zweiten wisse sie auch nicht, wie sie angesichts der unterschiedlichen Positionen gemeinsam Position beziehen möchte.

Es ist ein Problem, und das zeigen auch die aktuellen Umfragen, wenn die Bürger das Gefühl haben, dass diese Bundesregierung zurzeit in ihrer Handlungsfähigkeit – ich will es einmal vorsichtig ausdrücken – stark eingeschränkt ist.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist deshalb richtig, was der Ministerpräsident in seiner Person verhandelt hat. Ich will das ausdrücklich sagen. Kollege Wintermeyer muss auch sehr viel Zeit in Berlin verbringen. Der Ministerpräsident hat gerade gestern Abend geschildert, wie das im Kanzleramt und an anderen Orten war, wie man gerungen hat, auch in der Union auf Bundesebene, er als stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender. Deshalb sind viele Vereinbarungen aus Sicht der Freien Demokraten richtig, Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten nach Art. 16a des Grundgesetzes zu definieren, Asylverfahren zu priorisieren und sozusagen Beschleunigung herbeizuführen, Ausreiseverpflichtungen anders zu definieren. Dabei sind viele Sachen, die wir für richtig halten.

(Beifall bei der FDP)

Ich will in der Debatte noch einmal sagen, warum wir das brauchen. Es ist gerade angeklungen bei meinem Vorredner Schäfer-Gümbel: weil wir in Deutschland die Situation haben, dass wir auf der einen Seite viele Menschen haben, die als Flüchtlinge kommen. Ich glaube, dass die humanitäre Verpflichtung der Bundesrepublik gegenüber allen Menschen in dieser Frage unstreitig ist. Wir haben aber auch eine große Zahl von Menschen, die als Zuwanderer kommen, die, wenn sie die Grenze der Bundesrepublik Deutschland erreichen, keine Rechtsgrundlage haben, auf die sie sich beziehen können – hier fehlt das Zuwanderungsgesetz –, und sich deshalb auf den Asylartikel berufen, was zu den Problemen führt, die wir heute mit dem Asylpaket II ein Stück weit zu lösen versuchen. Das ist die Problematik, über die wir reden.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist es richtig, dass die Anreize verhindert werden. Eines scheint klar zu sein – auch die Kollegen haben viele Gespräche mit Menschen geführt, die als Zuwanderer kommen –: Für diese Menschen scheint es immer noch besser zu sein, einige Monate hier in Deutschland zu sein, teilweise leider deutlich mehr als einige Monate, und dann zurückzugehen und zum Teil wiederzukommen, als in einem geregelten Verfahren möglicherweise nach Deutschland zuzuwandern.

Deshalb gibt es ein Thema, das daneben steht und das mich und die Freien Demokraten massiv umtreibt: Das ist die

große Zahl der Menschen, die in Deutschland nicht registriert sind. Machen wir uns nichts vor. Wir reden über die sicherheitspolitische Lage. Ich glaube, dass wir wissen, dass die Sicherheitsbehörden an dieser Stelle mit Hochdruck arbeiten, dass die Sicherheitslage in Deutschland weiterhin so stabil bleibt, wie wir sie uns in diesen schwierigen Zeiten erhoffen.

Aber Fakt ist: Man kann natürlich über die Sicherheitslage nur wenig sagen, wenn wir nicht wissen, wer überhaupt alles im Land ist. Deshalb ist die Registrierung der Menschen an den Grenzen einer der zentralen Bestandteile dieses Pakets.

(Beifall bei der FDP)

Ich will ausdrücklich loben, dass sich der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende massiv für dieses Paket eingesetzt hat. Er hat wörtlich gesagt:

Es ist für mich ganz wichtig, dass die Politik zeigt, dass sie handelt. … Die Beschlüsse sind gut und werden uns in der Sache weiterbringen. Ich halte das Ergebnis für sehr gut.

Dann antwortet er auf die Frage, ob Hessen diesem Paket zu einer Mehrheit verhilft, dass er das nicht wisse. Sie kennen sicher den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Das erinnert mich ein wenig an „Und täglich grüßt der Eiermann“,

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Unruhe bei der CDU)

weil diese Landesregierung bei Bundesratsabstimmungen irgendwie immer wieder Probleme hat, die gelebte Harmonie – –

(Horst Klee (CDU): Das gab es schon immer, auch bei der FDP!)

Herr Kollege Klee, es gibt natürlich schon Unterschiede.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Boddenberg?

(Florian Rentsch (FDP): Gerne!)

Vielen Dank für die Zwischenfrage, Herr Kollege Rentsch.

Würden Sie es ausschließen, dass in früheren Landesregierungen die Entscheidung über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat nicht auch relativ zeitnah vor Bundesratssitzungen getroffen wurde, und zwar in aller Regel erst dann, wenn beschlussfähige Papiere auf dem Tisch gelegen haben? Schließen Sie das aus, oder war das früher alles ganz anders?