Protocol of the Session on February 4, 2016

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer bisherigen Flüchtlingspolitik Deutschland ein freundliches Gesicht in der Welt gegeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sie hat das getan, weil es unserem Land mit seiner Geschichte sehr gut ansteht, Menschen, die vor Terror und Gewalt geflohen sind, Schutz und Zuflucht zu gewähren. Ich finde, die Holocaust-Überlebende Ruth Klüger hat dies bei ihrer Rede im Deutschen Bundestag anlässlich des Holocaust-Gedenktages noch einmal in herausragender Form betont.

Bundeskanzlerin Merkel hat diesen Kurs bisher verfolgt, weil sie weiß, was in Europa auf dem Spiel steht. In Europa steht die Frage auf dem Spiel: Wächst die Europäische Union an dieser Herausforderung, oder scheitert die Europäische Union eventuell sogar daran? Deshalb ist Frau Bundeskanzlerin Merkel bislang diesen Kurs gegangen. Sie hat versucht – und versucht es weiterhin –, die Europäische Union zusammenzuhalten.

Sie hat diesen Kurs verfolgt, weil sie auch weiß, was weltweit auf dem Spiel steht. Globalisierung bedeutet eben nicht nur die Globalisierung der Waren und Märkte, sondern Globalisierung bedeutet auch, dass die Probleme der Menschen anderswo auf der Welt auch unsere Probleme sind, um die wir uns zu kümmern haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich hätte das als GRÜNER nicht gedacht. Aber ich bewundere die Gradlinigkeit, mit der die Bundeskanzlerin bislang diesen Kurs verfolgt hat. Ich bin zutiefst beeindruckt, mit welcher Hilfsbereitschaft und mit welchem Engagement die Bevölkerung diesen Kurs mit Leben erfüllt hat, und möchte dafür noch einmal ausdrücklich danken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Umso mehr bin ich in Sorge, dass die Bundesregierung diesen Kurs jetzt ändert. Ich bin umso mehr in Sorge, dass sich die Akzeptanz der Bevölkerung für die Flüchtlingspolitik der Frau Merkel zu wandeln beginnt.

Eigentlich müsste dem „Wir schaffen das“ aus dem Jahr 2015 im Jahr 2016 das „So schaffen wir das“ folgen. Wir brauchen eine engagierte Integrationspolitik, eine Integrationspolitik, die beschreibt, wie wir die Herausforderungen angehen.

Ich bin sehr froh, dass die Hessische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen genau diesen Kurs einschlagen. So schaffen wir das, nämlich mit dem Hessischen Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Genau das ist der Kurs der schwarz-grünen Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich würde mir auch von der Bundesregierung wünschen, dass sie sich mit dem „So schaffen wir das“ beschäftigt und dass sie sich mit einem Integrationsplan beschäftigt, wie wir ihn in Hessen haben. Stattdessen müssen wir uns mit Vorschlägen und immer neuen Ideen der Bundesregierung auseinandersetzen, die aus Sicht der GRÜNEN an den eigentlichen Herausforderungen vorbeigehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann nicht erkennen, welcher Beitrag zur Integration der Flüchtlinge es sein soll, wenn man den Familiennachzug einschränkt. Ich kann nicht erkennen, welchen Beitrag das zur Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts leisten soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir GRÜNE stehen auch dem Instrument der sicheren Herkunftsstaaten mit großer Skepsis gegenüber. Wir haben bei den bisherigen Entscheidungen zur Ausweisung als sicherer Herkunftsstaat immer sehr sorgfältig geprüft, ob wir der Ausweitung zustimmen können. Bei der ersten Ausweitung sind wir GRÜNE zu dem Ergebnis gekommen: Nein, dieser Ausweitung können wir nicht zustimmen. – Das hatte dann die Konsequenz, dass sich Hessen im Bundesrat bei dieser Frage der Stimme enthalten hat.

Bei der zweiten Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten haben wir ebenfalls wieder sorgfältig geprüft und sind da zu dem Ergebnis gekommen, dass wir es in dem Paket, das damals zur Abstimmung stand, für erträglich hielten. Deshalb konnten wir zustimmen.

So werden wir es auch dieses Mal wieder halten. Wir werden uns sehr genau anschauen, was auf dem Tisch liegt. Wir werden prüfen und bewerten. Wir werden dabei natürlich in die Betrachtung mit einbeziehen, dass selbst die Be

fürworter, dass das sichere Herkunftsstaaten sind, wissen, welche Probleme es da gibt. Wir alle wissen um die Probleme, die eine solche Maßnahme mit sich bringt. Wir werden ebenso in die Entscheidung mit einbeziehen, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung für diese Maßnahme ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist überhaupt nicht belegt!)

All das wird abzuwägen sein. All das wird zu entscheiden sein. Frau Kollegin Wissler, deswegen werden wir es genauso wie Ihr Kollege Bodo Ramelow machen, der gesagt hat, er werde das sorgfältig prüfen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Er wird sich nicht daran beteiligen, hat er gesagt!)

Frau Kollegin Wissler, er wird dann entscheiden. Denn im Gegensatz zu Ihnen kann er keine Sprüche klopfen. Vielmehr muss er sich verantwortlicher Politik stellen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Öztürk.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir im Asylrecht der Erweiterung bei den sicheren Herkunftsstaaten erneut zustimmen und diese zulassen, dann ist das ein Dammbruch und erneut eine Überschreitung der roten Linie, was die Menschenwürde, das Asylrecht und das Grundrecht auf Asyl anbetrifft. Dem sollte Hessen keinesfalls zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Argumente werden seit Jahren ausgetauscht. Wir alle, die wir in der Thematik unterwegs sind, wissen, dass die Erweiterung der Zahl der sicheren Herkunftsstaaten vom System her der falsche politische Weg ist. Das wird keine Lösung bringen. Es wird hingegen sogar Probleme schaffen.

Wir können uns die Welt nicht so machen, wie wir sie gerne hätten. Wenn erneut Flüchtlinge verstärkt zu uns kommen, stufen wir deren Länder einfach als politisch sicher ein, ohne uns die Menschenrechtslage vor Ort ernsthaft anzuschauen. Das ist unglaubwürdig und keine redliche Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben heute Morgen darüber diskutiert, wie man die AfD in die Schranken weisen kann. Dafür ist es meiner Meinung nach wichtig, dass die Politik den Menschen keine Antworten gibt, die Symbollösungen suggerieren, sondern dass Antworten gegeben werden, die ernsthaft etwas mit der realen Politik zu tun haben.

Ich möchte zitieren. Herbert Wehner sagte:

Wenn wir uns weiterhin einer Steuerung des Asylproblems versagen,

ich werde gleich definieren, wie ich das Wort „Asylproblem“ verstehe –

dann werden wir eines Tages von den Wählern, auch unseren eigenen, weggefegt. Dann werden wir zu Prügelknaben gemacht werden. Ich sage euch: Wir sind am Ende mitschuldig, wenn faschistische Organisationen aktiv werden. Es ist nicht genug, vor Ausländerfeindlichkeit zu warnen – wir müssen die Ursachen angehen, weil uns sonst die Bevölkerung die Absicht, den Willen und die Kraft abspricht, das Problem in den Griff zu bekommen.

Was ist das Problem? – Das Problem sind nicht die Menschen, die zu uns flüchten, sondern das Problem ist die Situation in den Ländern, aus denen die Menschen zu uns flüchten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir die Fluchtursachen bekämpfen wollen, dann können wir nur versuchen, Aufnahmeprogramme mit Ländern zu vereinbaren, die unsicher sind. Wir können nur versuchen, Ausbildungs- oder Bildungskooperationen mit Ländern wie Marokko, Tunesien oder Algerien einzugehen, die große Wirtschaftsprobleme haben.

Wir dürfen aber nicht pauschal mit der Erweiterung des Asylrechts den Leuten suggerieren, damit könnte das Kriminalitätsproblem in Deutschland oder die Menschenrechtssituation in den Ländern gelöst werden. Das ist das falsche Signal. Das ist ein Schlag in das Gesicht all jener, die seit Jahren versuchen, in diesen Ländern Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte aufrechtzuerhalten.

Deswegen: Gehen Sie nicht diesen falschen Weg, sondern verhindern Sie im Bundesrat, dass eine weitere Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten erfolgt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Kollege Schäfer-Gümbel für die SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich halte ich fünf Minuten für unangemessen, um zu dieser Frage zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Trotzdem will ich einige Bemerkungen machen, die sich natürlich nur an der Oberfläche bewegen können angesichts der Komplexität der Fragen, die heute Morgen wechselseitig von verschiedenen Rednerinnen und Rednern aufgerufen wurden.

Ich will seitens meiner Fraktion klar sagen, dass es nach monatelangem Streit der Großen Koalition um das Asylpaket II zwingend notwendig war, dass das Paket, das im Übrigen in seinen Kernelementen bereits im November letzten Jahres beschlossen war, endlich auf den Weg gebracht wird.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die Verabschiedung des Asylpaktes II ist auch deswegen dringend geboten, weil die zunehmende öffentliche Kritik

an der Nicht-Beschlussfassung die Legitimation und das Vertrauen in die humanitäre Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nachhaltig beschädigt hat. Das sehen wir in allen Umfragen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)